ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

schaftliches Unterhaltungsmittel geworden ist, ursprünglich eine tiefe religiöse Bedeutung innewohnte. Schon für den Zauberer und Priester war er, wie aus der folgenden Schilderung Bastians hervorgehen dürfte, unentbehrlich, um in den gewünschten Besitz geheimen Wissens und übernatürlicher Kräfte zu gelangen: In einem aufgeschlagenen Mattengemach saß der Kranke zwischen Fremden im Hintergrunde, vor ihm eine Reihe von Musikanten, die lustig auf ihren Instrumenten losspielten und einen Höllenlärm zuwege brachten. An der Hüttenseite links um den und vor dem Kranken hockte der Ganga (Priester), damit beschäftigt, sich das Gesicht zu bemalen, rot die Nase, gelb die Stirn, schwarz die Backen, und er wurde in dieser Operation von einer neben ihm sitzenden Frau unterstützt. Vor der Hütte brannte ein Scheitfeuer, und aus der Ferne sah man durch das Dunkel die schwankenden Lichter eines Fackelzuges sich nähern, wodurch ein zweiter Ganga herbeigeführt wurde, dessen Begleiter mit phantastischem Kopfputz ausstaffiert war. Als die beiden Auguren in der Hütte zusammengetroffen waren, wurden ihre Zauber- oder Medizinsäcke gegenseitig geöffnet und die Farben zum Bemalen geprüft. Dann schwenkte man feierlich die mit magischer Kraft gefüllten Fellbündel über dem Feuer, wohin ein Räucherwerk geworfen war, während auch die Götzenfiguren geordnet und in Reih und Glied gestellt wurden. Alles war somit vorbereitet und fertig für die dämonische Manifestation, die sich nun an dem einen Priester kundgab, indem derselbe unter einem von dem Chorus beantworteten Gesang von einem konvulsivischen Hin- und Herschwingen des Körpers ergriffen wurde und in wilden Sätzen emporsprang, tanzend und stampfend, während er die Fetische vor dem Kranken rüttelte und schüttelte. Sein Konfrater, auf der Erde

sitzend, ahmte die Bewegungen des Aufrechten nach und begleitete sie mit ähnlichen; dann aber, als die Drehungen und Wendungen rascher, heftiger und immer heftiger wurden, wurde auch er emporgerissen, und nun tollten beide bei dem lauten und lauteren Getobe einer betäubenden Musik in der engen Hütte, über und zwischen den Feuern, zwischen und über den Töpfen, Kisten und Kasten, über, durch und zwischen den Zuschauern hin und her, ohne indes sich selbst oder einen der Anwesenden zu verletzen. Nach Wiederholung ähnlicher Prozeduren, die manchen Schweißtropfen kosteten, geriet dann auch der zuletzt gekommene Ganga in den Zustand der Besessenheit, sprach gleichfalls mit verstellter Stimme und verkündete, nachdem er über die Krankheit unterrichtet war, als Ausspruch seines Dämons, daß für den Beginn der Heilzeremonie ein aus Baumwolle, Pulver und Öl zubereitetes Zaubermittel nötig sein würde. Nach der ihnen durch den Dämon eingeblasenen Inspiration hatten die Ärzte die Nacht zuvor dahin entschieden, daß die Krankheit verursacht sei, weil der von ihr Ergriffene eine durch die Quixilles (Fastengelübde) seiner Familie verbotene Speise gegessen und so den Fetisch, der ihn jetzt strafe, beleidigt habe. (Deutsche Expedition an der Loangoküste I, 55 ff.) Dies eigenartige Schauspiel wiederholt sich überall, wohin wir blicken, bei den Rothäuten, den Australiern, Polynesiern, den zentralasiatischen Nomaden, den Indiern, den Griechen, den Semiten usw. Immer tritt uns die tiefeingewurzelte Überzeugung entgegen, daß nur so dem Menschen der Weg zur Geisterwelt geöffnet, nur so ihm die Kunde zuteil werden könne, wie Krankheit und Seuche gebannt werden könne und Regen zu beschwören sei. Auf den Stufen höherer Gesittung entsteht auf diesem fruchtbaren Untergrunde die

den ganzen Menschen erfüllende heilige Begeisterung, die einerseits in der Dichtkunst sich äußert, anderseits in der religiösen Form der Mystik. Es ist heiliger Wahnsinn', der in den Dionysischen Kulten und Mysterien die Teilnehmer erfaßt, die im ,Enthusiasmus' mit der Gottheit verkehren und mit hellen Geisteraugen die Zukunft entschleiern und deuten. Noch aus den Bakchen des Euripides schlägt uns jener Dunst einer übernatürlichen Erregung und Raserei entgegen, welche die Seele bis zu den tiefsten Tiefen aufwühlt. Auch der Chor bewahrt, schon durch seine Tänze, diesen uralten Zusammenhang mit den ekstatischen Erscheinungen bei den Naturvölkern. Die bei Nacht unter fortwährendem Schlagen dumpfklingender Trommeln auf den Bergen Thrakiens umherschweifenden Frauen werden ebenso gewürdigt, Verkünderinnen des göttlichen Willens zu sein, wie die eigentlichen Priester und Zauberer primitiver Stämme. Auch die Mystik aller Epochen saugt, wie gesagt, hier ihre unverwüstliche Kraft und Frische, ja vielfach sind es auch dieselben Mittel: Musik, wirbelnder Tanz, narkotische Reize usw., was die anormale Erregung herbeiführt. So schwingen sich noch heutigestags die Derwische des Orients beim Schall der Flöten und Trommeln bis zur äußersten Verzückung und Erschöpfung, und im Vollgefühl dieser Erfüllung mit göttlichem Geist ruft der Mystiker Dschellaleddin Rumi: Wer die Kraft des Reigens kennt, wohnt in Gott; denn er weiß, daß Liebe tötet. Zu Zeiten tiefer religiöser Gärung und Bewegung, gefördert durch mancherlei anderweitige soziale Störungen, verheerende Seuchen und andere Erschütterungen des gesellschaftlichen Organismus, tauchen psychische Erkrankungen des ganzen Volkslebens auf, die mit elementarer Wucht alle Schichten ergreifen und sich in ge

waltigen Expansionen Luft machen; es sind das geistige Kontagien, die ebenso verderblich sind und verheerend wirken, wie physische. Eine solche Erkrankung bildet z. B. die am Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts in Deutschland und in den Niederlanden ansteckende Tanzwut, auch genannt: Tanz des heiligen. Johannes oder Veit (der Johannistag war schon seit Jahrhunderten durch Tänze und ausgelassene Festlichkeiten ausgezeichnet); erst nach langen vergeblichen Anstrengungen vermochte die Geistlichkeit im Bunde mit der Obrigkeit, des unheimlichen Gastes Herr zu werden. Ähnliche Erscheinungen tauchten in ganz entlegenen Ländern auf, wo jede Übertragung ausgeschlossen war, so in Abessinien oder in Süditalien der Tarantismus (so genannt wegen der giftigen Bisse der Spinne) oder in Frankreich die Sekte der Konvulsionäre (Anfang des 18.Jahrhunderts) oder die epileptischen Zufälle auf den Shetlandsinseln (Beginn des 19. Jahrhunderts). Überall bekundet sich aber der eigentlich religiöse Zusammenhang dadurch, daß diese Störungen sich während des Gottesdienstes ereigneten und durch Sympathie und Suggestion den übrigen Gemeindegliedern mitteilten. Auch in dieser Beziehung bestätigt sich die Ansicht Tylors, der die hervorragende Bedeutung der Zeremonien für das tiefere Verständnis. unserer eigenen religiösen Entwicklung hervorhebt: Durch die verschiedenen Phasen des Überlebens, der Umänderung und der Aufeinanderfolge haben sie, eine jede in ihrer Weise, die fortlaufenden Fäden zur Anschauung gebracht, welche die Glaubenssysteme der niederen mit denen der höheren Nationen verknüpfen; sie haben gezeigt, wie schwer der zivilisierte Mensch die religiösen Riten selbst seines eigenen Landes verstehen kann, ohne die Bedeutung, die oft ganz unähnliche Be

deutung zu kennen, welche dieselben in entfernten Zeiten und Ländern und auf weit von der seinen verschiedenen Kulturstufen besaßen (Anfänge der Kultur II, 444).

§ 18. Der Priesterstand.

Die Kirche.

Nirgends zeigt sich wohl deutlicher der sozialpsychische Charakter der Religion, als auf dem Gebiet des Kultus, der eben von selbst eine soziale Organisation voraussetzt; deshalb begegnen wir auch bereits bei den Naturvölkern einem mehr oder minder entwickelten Priestertum. Da nach allgemeiner Auffassung der Tod nicht als ein chemisch-physiologischer Prozeß betrachtet wird, sondern als ein Werk schadenbringender Dämonen, so muß der Priester neben dem berufenen Verkünder göttlichen Willens zugleich Zauberer (Arzt, Medizinmann) sein, und so ist seine Aufgabe eine doppelte, den Verkehr mit der Gottheit zu vermitteln und anderseits über Leben und Wohlfahrt seiner Stammesgenossen zu wachen. Daß dadurch die Bedeutung seiner sozialen Stellung nicht wenig wächst, liegt auf der Hand. Vor allem ist kein Opfer denkbar ohne diese Mittelperson, einerlei ob wir es, wie vielfach, mit förmlichen Priesterschulen zu tun haben (so bei den Kelten, den Indiern, Persern usw.), mit einem auf den übernommenen Besitz übernatürlicher Kenntnisse und Geheimmittel eifersüchtigen Stande, oder nur mit einzelnen, durch lebhaftes Naturell und scharfe Auffassung vor anderen befähigten Individuen, die dann auch meist Häuptlinge zu sein pflegen. Es ist deshalb wohl möglich, daß die ältesten Herrscher, wie manche Forscher vermuten, die Fetischpriester sind; denn in der Tat sind ursprünglich geistliche und weltliche Macht, die wir nur in einer mehr oder minder scharfen Isolierung kennen, in einer Hand vereinigt. Zunächst gilt es, durch Fasten,

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »