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gesetzt und so abermals die Verbindung mit der sittlichen Welt gefunden. In diesem individualpsychologischen Sinne würden wir die Religion als die Sehnsucht des Menschen fassen, aus der Not und Qual des Daseins erlöst zu werden, sei es, wie auch immer, und damit würde sich von selbst die überragende Bedeutung der Gottesanbetung, ja der Frömmigkeit ergeben, wenn wir dieselbe nur nicht zu idealistisch nehmen. Das gilt z. B. auch für den armseligen Fetischpriester, der die in irgend einem Gegenstand verkörperte Kraft verehrt, und ebenso für die weiteren Stufen, so für den Ahnenkult, den Tierdienst usw. Erst allmählich veredelt sich die anfänglich recht grobe und materielle Gesinnung, so daß die Frömmigkeit zur inneren Heiligung und Läuterung des ganzen Menschen wird, wie sie Goethe preist:

In unsres Busens Reine wogt ein Streben,
Sich einem Höhern, Reinen, Unbekannten
Aus Dankbarkeit freiwillig hinzugeben,
Enträtselnd sich den ewig Ungenannten;
Wir heißen's: fromm sein.

Alle echte Religiosität ist daher Sache des Herzens, des Gefühls, hat unmittelbar mit dem Verstande, der Erkenntnis nichts zu tun; ja man darf sogar behaupten, daß, wenn alle Rätsel im Himmel und auf Erden gelöst wären, wenn es gar keine Not und Angst mehr hienieden gäbe, keinen Widerspruch und Kampf, keine Enttäuschung, kein Jammer und Elend (vom eigentlich Bösen noch zu schweigen), so wäre auch das Ende der Religion gekommen, weil eben jeder Anlaß zur Erlösung fehlte. Solange wir aber als endliche, vergängliche Individuen in der Unendlichkeit des Weltganzen stecken, dessen Erhabenheit wir auch nicht annähernd auszudenken, ja nicht einmal zu fassen imstande sind, selbst nicht in den Weihestunden höchster künstlerischer oder

philosophischer Begeisterung, so lange bleibt die Religion ein unantastbares Gut der Menschheit auf all ihren Entwicklungsstufen. Aller Götzendienst, so verwerflich er uns auch vorkommen mag, hat doch mit dem wahren Gottesdienst in der Anbetung den gemeinschaftlichen Nährboden. Selbstverständlich gibt es keine Religion ohne Glauben, ohne eine bestimmte Wertschätzung des Lebens und des Ichs, aber trotzdem bildet das eigentliche Dogma nur einen nebensächlichen, jedenfalls veränderlichen Bestandteil der Religion, den nur blinder Fanatismus und Unverstand zur Hauptsache erheben kann. Natürlich sind äußere Organisationsformen und damit Kultus und Dogma unentbehrlich für die soziale Gestaltung der Religion, aber es ist jederzeit der Tod einer freieren Entwicklung des religiösen Bewußtseins, wenn diese Formeln durch eine herrschsüchtige Hierarchie zur Knechtung der Geister benutzt werden. Dafür liefert die Geschichte der großen Weltreligionen die entsprechenden traurigen Belege. Auch hier sind alle Extreme unfruchtbar; das gilt sowohl von der Gefühlsschwelgerei der Mystik, wie von der weltscheuen Askese, als auch von der Knechtung der Vernunft nach dem Muster des Credo quia absurdum, nicht weniger freilich von der so bedenklichen doppelten Buchführung, mit der so viele sich durch das Leben helfen. Den Wahrheitsgehalt der Religion, jenseits aller persönlichen Fassung und Stellungnahme, wird uns aber erst eine Betrachtung ihres Ursprungs und Wesens erschließen.

§ 24. Ursprung und Wesen der Religion.

Das Erlösungsbedürfnis des Menschen, aus tiefster Not und Qual eine Befreiung zu finden, hat die Religion, wie wir sahen, hervorgerufen, die in der Anerkennung

Gottes als einer überweltlichen Realität auf höheren Gesittungsstufen

wenigstens

ihren Kern besitzt.

Auch hier bietet für alle scheinbar unversöhnlichen Gegensätze dieser Glaube das innere Verbindungsglied, und dieser gründet sich wieder metaphysisch und psychologisch auf die Wesensverwandtschaft des Menschen und Gottes. Genauer noch wird im einzelnen der Zusammenhang zwischen beiden Welten begründet durch eine ganze Reihe von vermittelnden Persönlichkeiten (Halbgötter, Propheten, Kulturheroen, Erlöser usw.), welche die verlorene Einheit wiederherstellen und das verblaßte göttliche Ebenbild im Menschentum erneuern. Geschichte und Sage liefern der geschäftigen Phantasie in zahlreichen Gestaltungen hierfür, wie bekannt, den Stoff; in all ihren Bildern, die uns die Mythologie fast aller fortgeschrittenen Völker entwirft, offenbart sich der unwiderstehliche Drang des Menschen nach einer Vereinigung mit der Gottheit, wie er am konsequentesten in der Mystik seinen vollen Ausdruck gefunden hat. Hier ist in der Tat, wenn auch nur visionär, die Erlösung eingetreten, das Individuum ist im Strom der Gottheit untergegangen, der Kreislauf des Werdens ist geschlossen, der Mensch ist eins geworden mit dem Weltgeist, dem Âtman nach indischer Bezeichnung; aber in schwächeren Graden fühlt jeder wahrhaft religiös empfindende Mensch diesen Trieb, den engen Schranken der Zeitlichkeit und Vergänglichkeit zu entfliehen, um in die Welt des wahren. Seins zu gelangen. Wundervoll hat abermals Goethe diesen Zug nach der Höhe mit gewohnter Meisterschaft geschildert:

Doch ist es jedem eingeboren,

Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,
Wenn über uns, im blauen Raum verloren,
Ihr schmetternd Lied die Lerche singt,

Wenn über schroffen Fichtenhöhen
Der Adler ausgebreitet schwebt.
Und über Flächen, über Seen

Der Kranich nach der Heimat strebt.

Dies Unendlichkeitsgefühl, das selbstverständlich die verschiedenartigsten Färbungen annehmen kann, verwebt sich mit einer gewissen Wertschätzung unserer eigenen Persönlichkeit gegenüber den übermächtigen Naturkräften, denen wir physisch durchaus nicht gewachsen sind. Ohne diese Empfindung unserer unvergleichlichen Bedeutung würden wir sonst, wie Schiller das z. B. in seinem Aufsatz über das Erhabene so zutreffend entwickelt hat, unfehlbar verzagen und verzweifeln, und zwar nicht nur, wie wir hinzufügen möchten, erdrückt durch die überragende Größe der Natur, sondern auch ob all des Elendes und Leides, das uns auf Schritt und Tritt umfängt. Trotz unserer Hinfälligkeit und Beschränktheit, die z. T. gerade eine Quelle religiöser Sehnsucht ist, trotz aller fehlgeschlagener Hoffnungen, bei aller Vergänglichkeit selbst des Höchsten und Besten, was wir haben, rettet uns lediglich jenes Gefühl des eigenen unersetzlichen Wertes vor zerfressendem Pessimismus und völligem inneren Zerfall. Daher ist der Glaube an Ideale, an Werte, die dem flüchtig verrauschenden Leben erst Inhalt und Bedeutung verleihen, der eigentliche religiöse Kardinalsatz, und man könnte von diesem ethischen Standpunkte aus sagen, alle Religion gehe darauf aus, unserem Dasein einen höheren Wert zu geben. Aber wie, so könnte man fragen, unterscheidet sich nun Religion im engeren Sinne von Mythologie oder von Kunst und Wissenschaft, die doch auch Ideale und Werte voraussetzen? Die Mythologie beschäftigt sich zunächst mit dem Leben der Natur, in welche sie ihre

bunten Bilder einwebt, die sittliche Tätigkeit, ein sehr fruchtbarer Nährboden der Religion, liegt ihr fern. Nur mittelbar wird für eine tiefere Betrachtung hier ein innerer Zusammenhang hergestellt, wie z. B. eine kurze Gegenüberstellung Kants und Goethes veranschaulichen möge. Die Kritik der praktischen Vernunft schließt bekanntlich mit folgenden Worten: Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt, der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Und Goethe erklärte dem befreundeten Kanzler von Müller: Der Mensch, wie sehr ihn auch die Erde anzieht mit ihren tausend und abertausend Erscheinungen, hebt doch den Blick sehnend zum Himmel auf, der sich in unermessenen Räumen über ihn wölbt, weil er tief und klar in sich fühlt, daß er ein Bürger jenes geistigen Reiches sei, woran wir den Glauben nicht abzulehnen noch aufzugeben vermögen. Wie diese religiöse Durchdringung der Natur ausfallen mag, ist eine Sache für sich; in wundervoller pantheistischer Verklärung malt uns dies Bild wieder der Dichterfrüst aus:

Im Grenzenlosen sich zu finden,

Wird gern der einzelne verschwinden,
Da löst sich aller Überdruß;

Statt heißem Wünschen, wildem Wollen,
Statt läst'gem Fordern, strengem Sollen
Sich aufzugeben ist Genuß.

Weltṣeele, komm, uns zu durchdringen!
Dann mit dem Weltgeist selbst zu ringen,
Wird unsrer Kräfte Hochberuf.
Teilnehmend führen gute Geister,
Gelinde leitend, höchste Meister,
Zu dem, der alles schafft und schuf.

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