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die ersten Hüter wissenschaftlicher und technischer Errungenschaften und Geheimnisse gewesen, die Medizin z. B. führt letzten Endes in allen ihren Verzweigungen auf den bekannten Zauberpriester der Naturvölker zurück. Die Schrift ist durchweg aus religiösen Zeichenbildern entstanden; aus der Theologie, den priesterlichen Spekulationen über die Götter und ihre Beziehungen zur Menschenwelt, erwuchs mit kosmogonischen Entwürfen die Philosophie, die ein Sokrates, wie Cicero sagt, vom Himmel zur Erde herabrief. Aber ursprünglich war es die Frage nach dem höchsten Wesen, die, selbst bei verhältnismäßig tief stehenden Naturvölkern, wie z. B. bei manchen afrikanischen Stämmen, das menschliche Nachdenken erregte. Bis auf den heutigen Tag ist dieser Zusammenhang durch die enge Beziehung zwischen der Religionsphilosophie zur Metaphysik und Psychologie gekennzeichnet. Die Gottesidee stellt sowohl den Reflex des gesamten geistigen Lebens der betreffenden Epoche dar, als sie umgekehrt dasselbe in seiner Richtung beeinflußt. Das läßt sich z. B. an der Entwicklung des jüdischen Monotheismus sehr anschaulich beobachten; die religiösen Denker und Propheten in Israel haben, vielfach im Widerspruch mit ihren Volks- und Zeitgenossen, ihre Ideale begründet und damit für die folgenden Perioden der heimischen Religionsgeschichte die Wege geebnet und die Marken. abgesteckt. Nicht minder entscheidend und ausschlaggebend ist die religiöse Entwicklung für Persien und Indien gewesen (besonders soweit es den Brahmanismus betrifft), so daß das Schicksal ihrer Bewohner damit unzertrennlich verknüpft erscheint. Erst allmählich macht sich die Religion von dem Staat unabhängig und vollends dieser von jener; aber noch lange, ja bis in

unsere Tage hinein sucht jene die Hilfe dieses für sich in Anspruch zu nehmen, um dadurch ihren Geboten eine stärkere Autorität zu sichern, natürlich auch umgekehrt. Von dem Verhältnis der Sittlichkeit zur Religion werden wir später noch reden, jetzt nur so viel, daß auch hier erst eine langsame Differenzierung die ursprüngliche Einheit der beiden Gebiete zersetzt. Anfänglich besteht diese Scheidung so wenig, daß sogar öfter das sittliche Verhalten durch Dogma und Kultur bestimmt wird oder die erhabensten Vorstellungen über das Wesen der Gottheit sich mit ethisch recht unzulänglichen Anschauungen vertragen, wie z. B. in polynesischen Religionsformen. Damit soll selbstverständlich nicht die Abhängigkeit der Religion von dem jeweiligen Kulturniveau irgendwie in Abrede. gestellt werden. Am unverkennbarsten tritt dieselbe in der bekannten Tatsache hervor, daß je nach den allgemeinen geistigen Fortschritten sich auch der Charakter der religiösen Ansichten ändert. Mit der Erweiterung des Horizontes läßt sich die frühere Naturverehrung, die Anbetung der großen elementaren Mächte nicht mehr vereinigen, der Mythus verblaßt mit wachsender Einsicht in den Naturlauf, und die mechanische Weltanschauung entthront die vordem allmächtigen Götter des Polytheismus. Mit dieser Loslösung der Religion aus dem gemeinsamen Kulturniveau beginnt daher auch der mehr oder minder scharfe Kampf, der sich gleichfalls noch bis auf die Gegenwart verfolgen läßt. Die Folgen sind ebenso förderlich gewesen für die Gesittung, wie schädlich. Die Mission, die Ausbreitung der christlichen Glaubenslehren, ist das wird selbst ein eingefleischter Skeptiker schwerlich leugnen eine Kulturtat ersten Ranges. Die Glaubens

Achelis, Abriß der vergleich. Religionswissenschaft.

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boten, welche die neue Botschaft in den Wäldern Germaniens verkündigten, brachten auch die Segnungen höherer Bildung mit und befruchteten so den jungfräulichen Boden mit hoffnungsvollen Keimen. Dasselbe gilt noch heutigentags von den christlichen Sendboten, die unter den Naturvölkern wirken, einerlei wie man von ihrem etwaigen Geschick und von der unvermeidlichen Zerstörung ursprünglicher ethnographischer Schätze denken mag. Die Erhebung dieser Stämme auf ein menschenwürdigeres Niveau, die Ausrottung schlechter Sitten und Gewohnheiten, die Achtung vor dem Leben und der Würde des Mitmenschen usw. sind Güter, welche wir dieser rastlosen Arbeit zu verdanken haben. Anderseits hat die Religion, oder besser gesagt, die Kirche nicht selten die Freiheit wissenschaftlicher Forschung und die Forderungen einer reineren Ethik gehemmt und auf alle Weise bekämpft. Die für die moderne Weltanschauung völlig unmögliche Dreiteilung der Welt in Himmel, Erde und Unterwelt dies durch die Kirche sanktionierte Erbstück aus der Antike die Zurückführung der Krankheiten auf dämonischen Zauber und Spuk, die Ausrottung der Andersgläubigen usw. sind solche bedenklichen Rückstände einer überwundenen dogmatischen Verengung. Aber wir haben es hier durchweg nicht mit der Religion als solcher zu tun, sondern mit der Kirche und ihrer herrschsüchtigen Hierarchie, die nur zu häufig die Frömmigkeit, die Religion als Mittel der Politik benutzt, um ihre rein weltlichen Absichten um so besser zu erreichen. Auch das allgemeine Humanitätsideal ist mehr unter Widerspruch der eigentlich kirchlichen Richtung durchgedrungen, jedenfalls hat es seine besondere Prägung nicht dort erhalten, sondern in der

Philosophie. Und trotzdem ist ohne alle Frage das Gesetz der allgemeinen Menschenliebe ein spezifisch christliches und damit religiösen Usrprungs, sooft dasselbe auch verzerrt und verunstaltet sein mag und zwar gerade von den Dienern der christlichen Religion. Deshalb halten wir unbedenklich an der prinzipiellen Forderung eines Einklanges zwischen Religion und Kultur fest, wie er im Begriff einer immanenten Wechselwirkung liegt. Nur dann, wenn die klaren Grenzen zwischen beiden Gebieten willkürlich überschritten werden, wenn die Religion im Dogma die Wissenschaft zu vergewaltigen sucht, und wenn umgekehrt eine angeblich freie Forschung das tiefste religiöse Sehnen als kindisch und eines aufgeklärten Menschen für unwürdig bezeichnet, entsteht der traurige,Kulturkampf“, der Streit zwischen Glauben und Wissen, an dem auch wir heute noch mehr leiden, als mancher oberflächliche Beobachter unserer Zeit zuzugeben geneigt ist.

§ 4. Religion und Sittlichkeit.

Sobald man nur von dem Grundsatz ausgeht, daß Wissen und Glauben nicht dazu da sind, einander aufzuheben, sondern einander zu ergänzen, so wird schon überall das Rechte ausgemittelt werden, diese Worte Goethes sind für alle religionswissenschaftlichen Untersuchungen beherzigenswert. Nicht um Kampf handelt es sich, sondern um Versöhnung und zwar auf Grund unbefangener, teils geschichtlicher, teils psychologischer und metaphysischer Erwägungen. Wie Religion und Kultur, d. h. wahre geistige Bildung, prinzipiell einander nicht widerstreiten, sondern umgekehrt fördern, vertiefen, so auch Religion und Sittlichkeit, sooft sie auch in einen zeitweiligen, anscheinend unversöhnlichen

Gegensatz zueinander geraten sind. Wir dürfen gleichfalls nicht, wie in der Betrachtung des Verhältnisses zwischen Religion und Kultur, die ursprüngliche Einheit des ganzen Prozesses außer acht lassen; freilich soll durchaus nicht bestritten werden, daß schärfere sittliche Vorstellungen und Forderungen sich erst später einstellen, und daß gelegentlich der eigentliche ethische Wertmesser fast ganz zu fehlen scheint, wie z. B. in der polynesischen Religion. Umgekehrt bildet sich auf höheren Entwicklungsstufen nicht selten ein gewisser Widerspruch heraus, wenigstens zwischen den kirchlich-religiösen Geboten und den rein ethischen Urteilen, so daß die Moral gleichsam einen Triumph über ihre Gegnerin davonträgt. Aber es ist sehr bedeutsam, daß durch diese Trennung und Entgegenstellung der eigenartige Zauber der Religion beeinträchtigt wurde und statt eines lebendigen persönlichen Glaubens nicht selten ein trockener, verstandesmäßiger Rationalismus trat, der auf die Dauer die Herzen nicht zu befriedigen vermochte. Gerade diese absichtliche künstliche Loslösung von den eigentlichen lebenerhaltenden Quellen, vom Gefühl und Empfinden, mußte eine Erstarrung bringen, die im Erfolge derjenigen Verarmung gleichkam, die durch eine bloß äußerliche Beobachtung bestimmter Gebräuche und Vorschriften (Ritualismus nach Kant) bei den Menschen erzeugt wird. Wie das Verhältnis zwischen Religion und Ethik eigentlich beschaffen sein sollte, sehen wir am besten, wenn wir unsere Blicke auf einen der erhabenen Religionsstifter wenden, z. B. auf Christus. Hier finden wir nichts von einem geheimen Zwiespalt, sondern umgekehrt, hier deckt sich stets lauteres, aufrichtiges, sittlich reines Wesen mit Gott wohlgefälligem Verhalten, mit tiefster religiöser

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