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bestreitbaren Weltübeln und der eigenen menschlichen Ohnmacht schöpft er seine sich stets verjüngende Kraft, - eine vollkommene Welt, welche die erhoffte Seligkeit darstellte, würde keinen Anhaltspunkt für die religiöse Entwicklung, für den Glauben bieten. Und ebensowenig wie sich Religion und Wissenschaft bekämpfen können, ebenso sollen sie auf die Dauer getrennt bleiben. Während anfänglich die Scheidung beider Sphären nicht reinlich genug erfolgen kann, ist eine spätere Vereinigung oder Ergänzung im Interesse einer einheitlichen Lebensund Weltanschauung geradezu unentbehrlich. Niemand wird mehr in unseren Tagen einem unwürdigen Dualismus das Wort reden, so daß wir nach doppelter Buchführung auf der einen Seite streng wissenschaftlich denken, auf der anderen lediglich den Gefühlsstandpunkt vertreten, nebenbei bemerkt, bezüglich ein und desselben Problems; aber es ist wahrlich kein Zufall, daß unser Geist sein gesamtes Schaffen nach einem gemeinschaftlichen Mittelpunkt lenkt, weil nämlich nur unter dieser Voraussetzung von einer einheitlichen Persönlichkeit die Rede sein kann. Gerade in dieser Beziehung bereitet sich jetzt eine unverkennbare Wiedergeburt des religiösen Lebens unter uns vor. Trotz der zunehmenden Entfremdung weiter Volksschichten von der Kirche, von der Überlieferung, von den überkommenen dogmatischen Vorstellungen, trotz der Erstarrung im Buchstabenglauben und dem widerwärtigen Prunken mit altehrwürdigen Schaustücken geht doch wieder ein tiefes, aufrichtiges Sehnen nach Erhebung und Erlösung aus den Banden menschlicher Hinfälligkeit durch unsere Zeit, die Mystik insbesondere hat trotz aller nüchternen Aufklärung sich wieder unter uns ein breites Terrain erobert. Tiefer als andere Generationen

haben wir wieder das mächtige Unendlichkeitsgefühl empfunden, das uns auf Schritt und Tritt umgibt, im unendlich Kleinen und unendlich Großen, das uns emporhebt aus aller persönlichen Beengung und Verzagtheit zu den Höhen des Lichts und Lebens, das uns die unerschütterliche Überzeugung von dem unersetzlichen Wert unserer Persönlichkeit im erbarmungslosen Kampf ums Dasein verleiht, das uns als unverletzliche Glieder des großen kosmischen Weltprozesses erscheinen läßt, der sich nicht nur draußen, um uns her, sondern auch in uns selbst mit gleicher unausweichlicher Folgerichtigkeit abspielt, das unser flüchtig verrinnendes Dasein mit unvergänglichem Ewigkeitsgehalt erfüllt. Wie in uns, in unserem Herzen, Himmel und Hölle, Seligkeit und Verzweiflung liegen, die eine mythologisch gefärbte Phantasie nach außen verlegt, so nimmt auch die durch die Naturwissenschaft entworfene und all ihren Berechnungen zugrunde liegende Unermeßlichkeit von Raum und Zeit mit heiligem Schauer, ja mit erhabener Lust unser Gemüt - gefangen, so daß wir uns wieder mit den alten Indern nach ihrem Spruch: Tat svam asi = das bist du, mit dem schaffenden Weltgeist eins fühlen, wie es stimmungsvoll Angelus Silesius ausdrückt:

Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nu kann leben, Werd' ich zu nicht, er muß vor Not den Geist aufgeben. Und diese wahrhafte, tief empfundene Andacht, dieses Einheitsgefühl, wie es seinerzeit Schleiermacher in seinen berühmten Reden so ergreifend ausmalte, nimmt mit unserer wissenschaftlichen Erkenntnis nicht etwa ab, sondern umgekehrt zu, es wird gereifter, gesättigter. So sicher wir wissenschaftlich den Ursprung des Lebens nie begreifen werden, so weit wir auch immer auf dem Gebiet zoologischer Forschungen vordringen mögen,

so umgeben auch den sonst tiefer blickenden Denker unergründliche Rätsel und Geheimnisse, die uns nach dem Worte Newtons wie Kinder erscheinen lassen, die am Ufer des Meeres mit schönen Muscheln spielen. Und doch predigt uns die große Entwicklungslehre, richtig verstanden, ein unaufhaltsames Wachstum geistigen Lebens aus den dürftigsten Anfängen bis zu Stufen der Vollendung, die früheren Generationen als unbegreifliche Wunder vorkamen. Die Geschichte des menschlichen Bewußtseins in den verschiedenartigen Strahlenbrechungen, der Religion, Kunst, des Rechts, der Sitte, der sozialen Organisationsstufen, ja die Geschichte unseres eigenen Werdens dämmert uns in den allgemeinsten Umrissen jetzt auf, so daß wir nunmehr die Bedeutung des Popeschen Ausspruches verstehen, den auch Goethe anführt: Das eigentliche Studium der Menschheit ist der Mensch. Hier in diesem Unendlichkeitsspiegel berühren sich sichtlich Wissenschaft und Religion, umfassende, tief bohrende Erkenntnis und ursprüngliches Gefühl, andächtiges Staunen, das fast zu einem Gebet wird, freilich ohne Worte. In diesem Sinne sagt der Dichter:

Wer Wissenschaft und Kunst besitzt,
Der hat Religion;

Wer jene beiden nicht besitzt,
Der habe Religion!

Gegenüber allen vorübergehenden Verirrungen und allen Grenzüberschreitungen, sei es eines herrschsüchtigen Dogmatismus, sei es einer nicht minder einseitigen, lediglich die intellektuelle Aufklärung begünstigenden Naturforschung wird sich immer wieder das Streben nach einer einheitlichen, Gefühl

und Vernunft gleichmäßig berücksichtigenden Weltanschauung Bahn brechen, in der Glauben und Wissen, Empfinden und Erkennen ihren Platz erhalten, nicht um sich gegenseitig bis aufs Blut zu bekämpfen, sondern einander zu ergänzen und zu stärken. Die Religion ist kein Trugbild unserer irregeleiteten Phantasie, noch viel weniger freilich eine Sammlung abstrakter Lehrsätze und Dogmen, sondern der Versuch einer Erlösung des Menschen aus Not und Tod durch Aufstellung und Verwirklichung bestimmter, kulturgeschichtlich bedingter Ideale. Um den vielfältigen Irrtümern zu entgehen, welche gerade die Geschichte der Religionen aufweist, und um anderseits den Übergriffen angeblich rein wissenschaftlicher Bestrebungen vorzubeugen, wird man sich im allgemeinen jener Richtschnur bedienen können, die Goethe in seinen Sprüchen in Prosa empfiehlt: Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren. Mögen die Menschen auch Gott ewig suchen und zu schauen hoffen, sie können Gott nur ahnen und nicht schauen, ihn nur aus seinen Manifestationen erraten.

§ 6. Entwicklung und Bedeutung
der Gottesvorstellungen.

Mit diesem Problem berühren wir das Zentrum aller religiösen Auffassungen, vom tiefsinnigen Mystizismus durch alle Schattierungen hindurch bis zur gewöhnlichsten gottesdienstlichen Zeremonie; ohne die Beziehung des Menschen zur Gottheit, einerlei wie immer dieselbe gedacht ist, würde alle Religion in sich zusammenfallen. In den Göttern malt sich der Mensch, erklärt Schiller, und Feuerbach bemüht sich,

diesen Abdruck möglichst naturalistisch zu fassen. Bekannt ist auch die Schilderung Goethes :

Im Innern ist ein Universum auch,
Daher der Völker löblicher Gebrauch,
Daß jeglicher das Beste, was er kennt,
Er Gott, ja seinen Gott benennt,
Ihm Himmel und Erden übergibt,
Ihn fürchtet und womöglich liebt.

Deshalb ist eben diese Betrachtung so ungemein lehrreich, weil dieselbe uns wie eine empirische Psychologie einen unmittelbaren Einblick in das Geistesleben der Menschheit verschafft. Schon hier wird bei allen Abweichungen im einzelnen ein gewisses gemeinsames Gepräge in dieser Ideenwelt sich bekunden. Es ist sehr bezeichnend, daß die Portugiesen mit ihrem Ausdruck feitiço gerade den für den Naturmenschen so bedeutsamen Begriff der Macht symbolisierten. In allen kosmogonischen und theogonischen Sagen dreht es sich um diesen entscheidenden Punkt, alle Kämpfe und Revolutionen in den Götter-Dynastien sind hierdurch bedingt. Desdalb wirft auch der Neger seinen Fetisch ohne jedes Bedenken fort, sobald sich derselbe wirkungslos gezeigt hat in Fällen der Not. Nach dem ursprünglichen naiven Anthropomorphismus (Goethe sagt einmal sehr drastisch: Der Mensch begreift gar nicht, wie anthropomorph er ist) gibt es begreiflicherweise keinen Unterschied zwischen sinnlich und übersinnlich, geistig und materiell; das Menschliche befindet sich in einer unaufhaltsamen Umwandlung zum Übermenschlichen, Göttlichen, was freilich nur wenigen Auserwählten gelingt. Diese Übergangsstadien sind noch überall erkennbar; zwar bedürfen die homerischen Götter nicht mehr der gemeinen menschlichen Nahrung,

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