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Zu dessen Füßen hinrollend

In Jahr und Tagen geht die Zeit,
Den als der Lichter Licht Götter

Anbeten, als Unsterblichkeit usw. (a. a. O. S. 477).

Diese unio mystica, wie der gewöhnliche Ausdruck lautet, erscheint bei allen kulturgeschichtlichen Abweichungen übereinstimmend in den Grundzügen, bei den tiefsinnigen grübelnden Indern, in den orgiastischen Dionysoskulten, bei den Gnostikern, den mittelalterlichen Mystikern, wie Meister Eckehart, Tauler und andere, oder bei Angelus Silesius, überall handelt es sich um das Erlöschen der beschränkten, hinfälligen, nichtigen Individualität in der umfassenden Weltsubstanz, aus deren Schoß alles Leben stammt. Zugleich verwandelt sich diese stille, beschauliche Betrachtung zu weltverachtender Begeisterung und religiösem Fanatismus, so in den Martyrien und als sozialpsychischer Faktor z. B. in der Entwicklung des Islam. Durch diese mystische Verzückung, die den ganzen Organismus ergreift und erschüttert, vollzieht sich jene geistige Wiedergeburt des Menschen, die allerdings je nach der Kulturstufe eine abweichende Form erhält. Für den Brahmanismus und Buddhismus ist ausschlaggebend die Schärfe der Erkenntnis, die durch jede Täuschung und Vorspiegelung hindurchblickt, und doch tritt vielfach, wie es auch gar nicht anders sein kann, eine sehr tiefe Gemütserregung dabei zutage. Dieselbe Sehnsucht bekundet sich im Neuplatonismus Dionysius' des Areopagiten (aus dem 6. Jahrhundert n. Chr.), der einen nachhaltigen Einfluß auf seine Zeit ausübte. Es war die unaussprechliche Herrlichkeit eines völligen Untergehens, eines Verschwindens in die Gottheit, die den Gläubigen mit brennenden Farben ausgemalt wurde.

Die Eingeweihten bedürfen einer Lösung von den Banden der Wirklichkeit, anderseits auch von den Kräften des Sehens, um in die Dunkelheit der Unkenntnis (agnosia) eindringen zu können. Sie gehören dann nicht mehr sich selbst an, noch irgend einem anderen sinnlichen Wesen, sondern sie sind kraft einer edleren Fähigkeit mit dem vereinigt, was infolge der gänzlichen Wirkungslosigkeit aller beschränkten Erkenntnis ganz und gar unwißbar ist und in einer völlig über den einfachen Verstand hinausgehenden Weise erkannt wird, dadurch daß man nichts weiß. Diese Erlösung aus den Banden der Sinnlichkeit und Zeitlichkeit, diese unmittelbare Vereinigung des Menschen mit Gott, mit der Weltseele anderseits voll

zieht sich diese Vereinigung durch einen Mittler, einen Erlöser, beruht auf der maßgebenden Voraussetzung, die ebensowohl in den naiven Ansichten der Naturvölker als auch in den tiefsinnigen Spekulationen der Philosophen hervortritt, daß Seele und Gott, Mensch und Absolutes oder wenigstens sein innerstes Wesen, sein eigentliches Selbst und Gott nicht feindliche Gegensätze sind (sonst könnte von keiner Sehnsucht und vollends nicht von einer Verschmelzung die Rede sein), sondern wesensverwandt. Der Halbgott, der Kulturheros, der Bringer höherer Gesittung, der Priester und Künder unaussprechlicher Geheimnisse, der Prophet und Gottesgesandte, der Mittler zwischen Gott und der Menschheit, der sie wieder aus dem Pfuhl der Sünde emporhebt zu lichteren Höhen, sie bilden alle Marksteine auf diesem dornenvollen Wege der Erlösung. Soweit dafür besondere Vorbedingungen in Frage kommen (etwa Fasten, Kasteiungen usw.), werden wir später bei der Behandlung des Kultus noch auf diese Fragen zurückkommen.

§ 10. Die Religionsstifter.

Für die kulturgeschichtliche und ethnologische, soziologische Auffassung liegt aus begreiflichen Gründen eine Überschätzung des Milieu und eine dementsprechende Unterschätzung der Individualität nahe, wie das in der Tat die Geschichte dieser Wissenschaften beweist, auch die Peschelsche (von den Arabern übernommene) Ansicht von der Zone der Religionsstifter gehört in gewissem Sinne dorthin, sie ist für eine tiefere psychologische Begründung wenig verwendbar. Nicht minder einseitig ist die entgegengesetzte Meinung, die in der Persönlichkeit als solcher den schöpferischen Urquell erblickt, ohne sich irgendwie um soziale und kulturgeschichtliche Beziehungen zu kümmern. Auch hier liegt die Wahrheit in der Mitte, und es gilt nur, die gegenseitigen Grenzen mit aller Sorgfalt abzustecken. Einem Irrtum, der leider recht verbreitet ist, müssen wir gleich von vornherein entgegentreten, nämlich daß die Persönlichkeit eine schlechthin konkrete, einfache Substanz darstelle; im Gegenteil, wir haben es mit einem höchst verwickelten, aus den verschiedensten Ursachen zu erklärenden Tatsachenbestande zu tun, den wir unter diesem Ausdruck zusammenfassen. Jede Individualität, so klar sie auch von uns erkannt und zergliedert sein möge, entzieht sich zuletzt dieser psychologischen Untersuchung, ist selbst ein unlösbares Problem, das sich in den Tiefen des Unbewußten verliert. Das gilt sogar schon von ihren Grundlagen, die wir als solche von früheren Generationen übernehmen, noch mehr von ihrer inneren Einheit und Geschlossenheit, die wir viel eher bewundern können, als rationell auflösen in die betreffenden einzelnen Elemente. Wer vermag genau anzugeben, was hierbei der Entwicklung, den Ahnen zufällt, was

eben dem eigenen Ich? Wir können es uns nicht versagen, an dieser Stelle eine Bemerkung Goethes Eckermann gegenüber einzuschieben, als er dem törichten Originalitätskultus entgegentreten wollte: Im Grunde sind wir alle kollektive Wesen, wir mögen uns stellen, wie wir wollen. Denn wie weniges haben und sind wir, das wir im reinsten Sinne unser Eigentum nennen! Wir müssen alle empfangen und lernen, sowohl von denen, die vor uns waren, als von denen, die mit uns sind. Selbst das größte Genie würde nicht weit kommen, wenn es alles seinem eigenen Inneren verdanken wollte. Das begreifen aber viele sehr gute Menschen nicht und tappen mit ihren Trümmern von Originalität ein halbes Leben im Dunkeln. Ich habe Künstler gekannt, die sich rühmten, keinem Meister gefolgt zu sein, vielmehr alles ihrem eigenen Genie zu danken zu haben. Die Narren! Als ob das überall anginge! Und als ob sich die Welt ihnen nicht bei jedem Schritte aufdränge und aus ihnen trotz ihrer eigenen Dummheit etwas machte! Ja, ich behaupte, wenn ein solcher Künstler nur an den Wänden dieses Zimmers vorüberginge und auf die Handzeichnungen einiger großer Meister, womit ich sie behängt habe, nur flüchtige Blicke würfe, er müßte, wenn er überall einiges Genie hätte, als ein anderer und Höherer von hier gehen. (Gespräche mit Eckermann 17. Febr. 1832.) Und ebenso wichtig ist der Umstand, daß diese Persönlichkeit keineswegs, wie man sich oft einbildet, einen bestimmten, fertig abgeschlossenen Zustand darstellt, sondern einen rastlosen, freilich durh gewisse typische Züge charakterisierten Entwicklungsprozeß. Auch hier erneuert sich dann begreiflicherweise das alte Rätselspiel von der Frage nach dem ungeschmälerten eigenen Besitz und den wechselnden Stufen der Differenzierung. Sehen wir aber auch von

diesen wichtigen erkenntnistheoretischen und psychologischen Voruntersuchungen ab, so stellt sich für unsere religionswissenschaftliche Betrachtung die Sache so, daß wir zu entscheiden haben: Sind wir noch berechtigt von besonderen Religionsstiftern zu sprechen oder nicht? Soweit in solchen Dingen überhaupt ein exakter Beweis zu führen ist, möchten wir diese Frage mit aller Entschiedenheit bejahen. Als Individuen werden wir alle geboren, ausnahmslos, zu maßgebenden, schöpferischen Persönlichkeiten, die ganzen Zeitaltern den Stempel ihres Geistes aufdrücken, werden nur sehr wenige, und diese eben sind die gütigen Genien der Menschheit, die großen Pfadfinder und Lichtbringer. Sicherlich können auch sie erst ihre volle Wirksamkeit entfalten, wenn ihre Stunde gekommen ist, wenn die Ernte reif ist, wenn die Vorgänger ihnen die Wege geebnet haben und alles ihrer harrt; gewiß spielt auch hier Abstammung, Erziehung, Erfahrungen, Kämpfe und Enttäuschungen eine gewichtige Rolle, man denke an Christus, Buddha, Zoroaster, Mohammed, Luther! Aber daß sie es vermochten, eine völlige Umgestaltung, einen Wandel der Dinge von Grund aus zu bewirken (soweit man in der Kontinuität einer Entwicklung überhaupt davon sprechen darf), diese sittliche Kraft, diese erlösende Tat zugleich mit der Verkündigung einer neuen Botschaft, der alle zujauchzen, weil sie dem allgemeinen Sehnen der Zeitgenossen entspricht, das eben ist das Großartige und Gewaltige ihrer Persönlichkeit, die deshalb auch ganz von selbst in das Licht des Übermenschlichen, Göttlichen rückt. Überall gilt es, aus der bisherigen Entwicklung die unfruchtbaren, abgestorbenen Elemente auszuscheiden (tote Formeln und Dogmen) und dafür neue, lebenskräftige Keime einzusetzen, nicht gewaltsame Zer

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