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eigenen Dienste, als im Dienste der Wahrheit, der Religion und der Kirche. Seine Wissenschaft war vorherrschend nur Sache eines sich selbst genügenden Geistes, dem Ruhm und Weltehre über Alles ging. Dem Mangel an festen unerschütterlichen Ueberzeugungen entsprach sein Mangel an Muth. Sein Grundsay war: Ich sorge für meine Ruhe, und halte mich, so viel es angeht, neutral.“ Er gestand ein, daß er ,aus Artigkeit und des Disputirens wegen wol auch,in verstellter und erdichteter Weise' rede, und glaubte, die gemischte und unerfahrene Menge des Volkes könne nur dadurch in den Schranken ihrer Pflicht erhalten werden, daß sie zuweilen durch einen frommen Betrug getäuscht werde ! 1

Hoch und theuer versicherte er, daß er sich niemals von der katholischen Kirche trennen wolle und sich den Entscheidungen derselben unterwerfe, aber er faßte die Kirche wie eine menschliche Anstalt auf, welche nach wechselnden Einsichten und Zeitbedürfnissen Lehrsätze aufstellen und abändern könne, welche sogar die Häresien eines Arius und Pelagius hätte janktioniven fönnen! Er selbst stellte nicht bloß den hierarchischen Organismus der Kirche, die göttliche Einsehung des Primates in Zweifel, sondern sogar auch die Grunddogmen des Christenthums: die Lehre von der heiligen Dreieinigkeit, die Wesensgleichheit des Sohnes mit dem Vater, die Gottheit des heiligen Geistes, die Lehre von der Erbsünde und andere 2. Wer in den Geist deiner Schriften eindringt,' schrieb ihm Albertus Pius, Fürst von Carpi, ohne sich von dem schönen Stil und der Wortfülle blenden zu lassen (wie es denn Leute gibt, welche über der zierlichen Schale den Kern vergessen), der ärgert sich darüber, wenn er oftmals sehen muß, wie schon seit langer Zeit definirte Lehrsäge von dir in Zweifel gezogen, den heiligen Sacramenten ihr Ansehen genommen, der Ehre des römischen Stuhles zu nahe getreten wird; wenn er bemerkt, mit wie wenig Achtung du von heiligen Ceremonien redest, wie du die Mönche verfolgst und ihre Orden verspottest. Du hast laut gesagt: in alten Zeiten wäre die Papstgewalt weder anerkannt, noch ausgeübt worden, die Bischöfe hätten keinen höheren. Rang als andere Geistliche gehabt; die Ehe sei nicht unter die eigentlichen. Sacramente gezählt worden. Wie unbedachtsam war es von dir, den Ehestand auf Kosten des Cölibates anzupreisen, die kirchliche Liturgie und die Andachtsübungen zu tadeln, mit aller Verachtung von Menschensatzungen zu

1 Vergl. diese und andere Stellen bei Stichart 295-301. ,Quaedam inter se fatentur Theologi, quae vulgo non expediat efferri... Non hic adducam, quod Plato perspexisse videtur, multitudinem promiscuam et imperitam non posse contineri in officio, nisi nonnunquam fuco doloque bono fallatur. Op. 3, 596 ep. 547. Non omnes ad martyrium satis habent roboris, vereor autem, ne si quid inciderit tumultus, Petrum sim imitaturus. Am 5. Juli 1521. Op. 3, 651 ep. 583. 2 Näheres bei Stichart 234-267. Drummond 1, 319-322 und 2, 162. 182 bis 186. 310. Feugère 236- 240.

reden, und dergleichen. Hast du nicht dadurch bei schwachen und leichtfertigen Menschen den Gedanken erregt, alle diese Dinge seien ohne Werth und hätten keine Kraft? Haben sie nicht durch solche leichtsinnige Aeußerungen dieß Alles verachten gelernt' ? 1.

Erasmus schlug allen Ernstes eine Revision der bereits von der Kirche definirten Lehrsäge vor und wollte insbesondere in den Verhandlungen, Streitigkeiten und Lehrentscheidungen der christologischen Periode den ersten Schritt zu einem immer tieferen Verfall' der Kirche erkennen. Die Kirche, meinte er, habe seitdem ihre alte evangelische Einfachheit verloren; die Theologie sei von einer spitzfindigen Philosophie abhängig geworden und diese sei später in die scholastische Wissenschaft ausgeartet, welche das eigentliche Verderben der christlichen Lehre und des christlichen Lebens herbeigeführt. Mit einer Erbitterung sonder Gleichen zog er während seines ganzen literarischen Wirkens gegen die Scholastik und ihre speculative Behandlung theologischer Lehren zu Felde, und gab ihre Vertreter dem Spotte und der Verachtung preis 2. Seit der Herrschaft der Scholastik, erklärte er, habe sich über das ganze Abendland ein Judaismus und Pharisäismus gelagert, der das wahre Christenthum und die wahre Theologie unterdrückt und in Mönchsheiligkeit und wesenlosen Ceremoniendienst verkehrt habe.

Die Verachtung des Mittelalters als einer Zeit der Finsterniß und geistigen Knechtschaft, der,Sophistik in der Wissenschaft, der ‚äußeren Werkheiligkeit im Leben, ging von Erasmus und seiner Schule aus und von dieser auf die späteren sogenannten Reformatoren über.

Mit seinem wissenschaftlichen Ansehen deckte Erasmus lange Zeit hindurch alle Spottreden und Verleumdungen gegen die mittelalterliche Bildung, gegen den Einfluß der Kirche und die Tradition der christlichen Schulen. Am eingreifendsten hat in dieser Beziehung sein zuerst im Jahr 1509 erschienenes, binnen wenigen Monaten in sieben Ausgaben verbreitetes,Lob der Narrheit 3 gewirkt. Er führt darin die personificirte Thorheit redend ein,

1 Vergl. Heß 1, 490-493.

2 Vergl. zum Beispiel die Stellen bei Heß 1, 59–60. Müller 165, 229.

3 Moriae Encomium, id est Stultitiae Laus, im vierten Band der Leidener Ausgabe seiner Werke. Eine gute Tauchnizer Handausgabe im Anschluß an die Colloquia familiaria. Leipzig 1829. Vergl. über das Werk Durand de Laur 2, 89. 199 bis 205. 290–298. 301. Feugère 302-306. 340-341. Drummond 1, 194–195 macht darauf aufmerksam, daß eine starke antitheologische Stelle sich erst in den nach 1515 erschienenen Ausgaben findet. Bei Lebzeiten des Erasmus wurde die Schrift wenigstens siebenundzwanzigmal aufgelegt. Auch in seinen Anmerkungen zum neuen Testamente machte Erasmus gegen das kirchliche Wesen ähnliche Angriffe. In fact the Encomium Moriae was here repeated, only in a somewhat more serious form,' sagt darüber Drummond 1, 319.

diese rühmt ihre Verdienste um die Menschheit und lobt an den einzelnen Ständen, die sie der Reihe nach mustert, gerade das, was an denselben als Verkehrtheiten zu rügen ist. Wenn der Fürst von Carpi ihm vorwarf, daß aus dem in dieser Satire ausgestreuten schädlichen Samen die verderb lichsten Früchte hervorgegangen 1, so bezog sich der Vorwurf nicht auf den ernsten Tadel gegen die auf kirchlichem Gebiete unter dem Ordens- und Weltclerus vorhandenen Uebelstände, gegen die Cumulation der kirchlichen Beneficien, gegen die kriegführenden Prälaten, gegen abergläubische Ausartungen in den kirchlichen Uebungen, sondern darauf, daß Erasmus gegen die Sache selbst, die von den Mißbräuchen verunstaltet wurde, zu Felde zog. Dabei athmete seine Sprache nicht aufrichtige Trauer, wie die eines Sebastian Brant oder Geiler von Kaisersberg, sondern Hohn und Spott; sie verfiel durch leichtfertige Vermischung des Heiligen mit dem Gemeinen in Frivolität, selbst in Blasphemie. Das Lob der Narrheit ist gleichsam der Prolog zu dem großen theologischen Trauerspiel des sechzehnten Jahrhunderts 2.

Die Volksandacht erscheint in dem Buch als grundverderbt, das ganze Ordensleben als eine Entartung des Christenthums, die Scholastik als eine Entartung der biblischen Theologie; gegen das Papstthum schleuderte Erasmus so leidenschaftliche Angriffe, daß den späteren Feinden desselben wenig Neues mehr zur Beschuldigung übrig blieb 3. Kein Schriftsteller früherer Zeit hat auf deutschem Boden die Ehrfurcht vor dem päpstlichen Stuhl so tief untergraben, wie Erasmus; keiner einen solchen Bibelspott ausgeübt und sich über die Verfasser der Schriften des alten und neuen Testamentes in einer jedes christliche Gefühl so verletzenden Weise ausgesprochen, wie er 4. Sogar ein Gebet des Heilandes machte er blasphemisch seinem Spotte dienstbar 5.

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3 So sagt er unter Anderm von den Päpsten: „Was etwa zu thun ist, das überlassen sie dem heiligen Petrus und Paulus; das Ansehen und den Genuß von ihrem Amte behalten sie aber für sich. Sie meinen Christo vollkommen Genüge geleistet zu haben, wenn sie sich durch ihren mystischen, fast theatralischen Ornat, durch ihre Ceremonien, durch die Titel Euer Seligkeit, Euer Heiligkeit und durch Segnen und Fluchen als ächte Bischöfe erwiesen haben. Wunder thun, ist altväterisch und nicht mehr Mode, und würde sich auch für die jeßigen Zeiten gar nicht schicken; das Volk belehren, ist zu beschwerlich, die heilige Schrift erklären, ist Schulfuchserei. Beten? ja, wenn man sonst Nichts zu thun hätte. Den Päpsten bleibe Nichts übrig als die angemaßte Gewalt, in die Acht zu erklären, zu fluchen und jenen schrecklichen Bannstrahl zu schleudern, womit sie auf einen einzigen Wink die Seelen der Sterblichen noch unter die Hölle hinunter zu stürzen vermögen'. Moriae Encomium, in der Leipziger Handausgabe S. 378-379. ✦ Wie der Engländer Eduard Lee ihm ganz zutreffend zum Vorwurfe machte. Vergl. Durand de Laur 2, 301.

5 Vergl. seine Auslassungen bei Stichart 249–251. Müller 234-235. Selbst

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Dennoch aber behauptete er, daß er die höchste Ehrfurcht' hege vor der Bibel als,Quelle des christlichen Glaubens und daß die Theologie, wenn sie gesunden wolle, ,wieder auf die heilige Schrift zurückgeführt werden müsse. Alles Volk müsse die Bibel in Händen bekommen. Ich wünsche, sagte er im Jahre 1516 in einer Ermahnungsschrift zu seiner Ausgabe des neuen Testamentes, daß alle Weiber die Evangelien und die Briefe Pauli lesen, daß dieselben in alle Sprachen übersetzt und von Schotten und Frländern, Türken und Saracenen gelesen würden, daß die Bauern daraus hinter dem Pfluge, die Weber hinter dem Webstuhle singen, die Wanderer die Länge des Weges mit biblischen Erzählungen verkürzen möchten. Die Schrift zu lesen, sei die erste Stufe, um sie zu verstehen, und ,gesezt auch, daß Viele darüber lachen sollten, so werden doch auch Einige dafür gewonnen werden'. Es sei unbillig, ,daß die Glaubenslehren bloß an diejenigen verwiesen sein sollten, welche der große Haufe jezt Theologen und Mönche nenne, unter denen aber, obgleich sie nur den kleinsten Theil des christlichen Volkes bildeten, sehr Viele den Namen nicht verdienten.' 1 Die freie Schriftforschung, wie sie von den böhmischen Brüdern' 2 unter Verwerfung der kirchlichen Autorität geübt wurde, fand schon im Jahre 1511 seinen Beifall. Als ihm die Brüder eines ihrer verschiedenen, auf neue Auslegung der heiligen Schrift gegründeten Glaubensbekenntnisse überreichten, beglückwünschte er sie über ihre genaue Kenntniß der Wahrheit. Was er,in ihrem Buche gelesen, schrieb er, ,billige er völlig; von dem übrigen vermuthe er eine gleiche Richtigkeit. Ein öffentliches zustimmendes Zeugniß jedoch, welches die Brüder gewünscht, wollte er nicht ertheilen. Denn bei ihren Feinden würde es ihnen ohnehin Nichts nüßen, seine eigenen Schriften aber würden dann verkeßert, und zum Schaden der geläuterten Religion mit päpstlicher Macht den Leuten aus den Händen gerissen werden. Es sei darum besser, daß er kein Zeugniß ausstelle und seine Kraft und sein Ansehen für das allgemeine Beste ungeschmälert erhalte. 3

Drummond, der im Allgemeinen die rationalistischen Ansichten des Erasmus theilt, gibt 1, 200 zu:,The free way in which Scripture is handled, and even the most sacred names introduced, while it shows certainly great want of taste, if not even want of reverence, might reasonably have given offense to persons who were neither superstitious nor very bigotted.' Welche Stellung Drummond gegen= über der katholischen Kirche einnimmt, zeigt allein schon 2, 338, wo er der Mittheilung, daß Erasmus ohne Empfang der heiligen Sterbesacramente gestorben, die Worte beifügt: It was better so. There would have been a strange incongruity in the presence of priestly mummeries round the death-bed of Erasmus.'

1 In der Paraclesis ad lectorem pium der Ausgabe des neuen Testamentes

von 1516, deren vollständiger Titel bei Heß 1, 212 b.

2 Vergl. unsere Angaben Bd. 1, 600-601.

3 Vergl. Gindely, Gesch. der böhmischen Brüder 1, 148–149.

Seine eigene Schriftauslegung war eine durchweg rationalistische. Er verlangte eine geistige, oder, wie er sich ausdrückte, allegorische Auffassung der biblischen Berichte. Diese Allegorie war aber von jener, von den Kirchenvätern oft mit Vorliebe gepflegten gläubigen mystischen, welche den einfachen Wortsinn stets als göttlich und heilig anerkannte, weit entfernt; jie wollte die Schrift nicht nach dem Wortverstande, sondern nach den Wahrheiten und Ideen, die hinter den Erzählungen verborgen seien, auslegen, also mit ihr in ähnlicher Weise verfahren, wie man bei der Erklärung der mythologischen Sagen verfuhr. ‚Wenn du,“ schreibt er in seinem,Handbuch eines Streiters Christi, ohne Allegorie liesest, daß das Bild Adam's von Thon gemacht und ihm eine Seele eingehaucht sei, daß Eva aus seiner Rippe genommen, daß ihnen verboten worden sei vom Apfelbaum zu essen, ferner daß die Schlange der Verführer gewesen, daß Gott spazieren gegangen, daß die Schuldbewußten sich verborgen hätten, daß ein Engel mit flammendem Schwerte an den Eingang des Paradieses gestellt sei, daß die Vertriebenen nicht zurückkehren könnten: wenn du, sage ich, Alles das nur von der Oberfläche ansiehest, so sehe ich nicht ein, was du mehr gethan hast, als wenn du das irdene Bild des Prometheus besängest, wie er dem Himmel das Feuer entzogen, dem Bilde gegeben und dadurch den Staub belebt habe. Ja vielleicht bringt es größern Nußen, die poetischen Fabeln der Heiden mit Allegorie zu lesen, als die Erzählungen der heiligen Schrift, wenn du nur an der Schale hängen bleibst. Was ist für ein Unterschied zwischen den Büchern der Könige und der Richter und der Geschichte des Livius, wenn du nicht auf die Allegorie Rücksicht nimmst? Denn in Livius befinden sich viele Dinge, welche die Sitten verbessern, in jenen ist manches Anstößige, zum Beispiel die Ränke Davids, der Ehebruch, der durch einen Meuchelmord erkauft war, die verderbliche Liebe Simson's und dergleichen. Fast alle Bücher des alten Testamentes, sagte er, seien häufig anstößig, entweder durch die scheinbar absurde Geschichte oder durch die ,Dunkelheit der Räthsel'. Auch im neuen Testament fänden sich manche Dunkelheiten.,Dort, wo Jesus den Untergang der Stadt Jerusalem, das Ende der Welt und die Verfolgungen der Apostel voraus sagt, wechselt und mischt er seine Reden so untereinander, daß es mir scheint, er habe nicht allein den Aposteln, sondern auch uns dunkel sein wollen. Manche Stellen sind meiner Meinung nach unerklärlich, zum Beispiel die von der nie verzeihbaren Sünde wider den heiligen Geist. Anderes lasse sich bildlich erklären. Unter dem Feuer, von dem in der heiligen Schrift die Rede,

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1 Vergl. diese und andere Aussprüche des Erasmus bei Hagen 1, 307–318. Vergl. auch die Stellen aus den Adagia bei Drummond 1, 293.

Janssen, deutsche Geschichte. II. 5. Abtruck.

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