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Eine radicale Umwandlung der bestehenden Verhältnisse verlangte auch die um das Jahr 1522 erschienene Flugschrift: „Teutscher Nation Notturft; die Ordnung und Reformation aller Ständ im Römischen Reich. Behufs dieser Reformation sollten alle Doctoren der geistlichen und weltlichen Rechte in allen Gerichten abgethan werden; alle kaiserlichen weltlichen Rechte, so bisher gebraucht worden, todt sein, ausgenommen diejenigen, welche,mit lauterem Grund und klarer Wahrheit ohne Arglist rechtlich erkannt' worden. Ferner sollten alle Zölle, Mauthen, Geleit, Ungeld, Aufschläge, Steuern und Beschwerungen, so bisher im Reich ihren Fürgang gehabt haben, für baß hin alle todt und ab sein, ausgenommen, was zu der Notturft erkannt wird, damit der Eigennutz den Gemeinen nicht beschwere, auch an allen Gewerben und täglichen Händeln kein Hinderniß sei. Kein Kaufmann darf einen größeren Handel vornehmen als bis zu zehntausend Gulden; das Uebrige soll dem Reiche anheimfallen. Fürwahr, ihr Fürsten,' sagt der unbekannte Verfasser der Schrift, ihr stellet fast nach unrechtem Gut: wollt dem Armen sein Schweiß und Blut wieder recht aussaugen. Es ist wahrlich genug, ihr seid gewarnet. Viel Schmeichler, Heuchler und Suppenesser habt ihr an euern Höfen, wann ihr mögt die Wahrheit nicht leiden. Welcher euch aber euer Amt bessert mit der Nußung, das ist ein geschickter Gesell: niemand fragt, ob es rechtlich daher kumm, so wir's nur haben. Als ob Gott die Seinen euch zu Narren beschaffen habe. Jhrer,Schinderei im Reich sei nicht mehr Noth. Durch die reiche Geistlichkeit würde alles Volk zu Bettlern gemacht. Das wollt ihr frummen Christen, Edel und Unedel, Reich und Arm, Alt und Jung getreulich bedenken und wol beherzigen, ob das länger zu leiden oder zu erhalten sei. Ich wollt gern wissen, wem die großen Pfaffen nütz wären? Ich wollt auch gern hören von einem, der mir sagen könnt, wo Christus, unser Erlöser, dieweil er auf Erden ging, je von Mönchen oder von Nonnen gesagt hätte.' Wolle der Clerus das Kirchengut nicht herausgeben, so könne er sicher sein, daß ihn Gott nach Verdienst lohnen' werde, das heißt, man werde ihm sein Eigenthum mit Gewalt wegnehmen. Ihr habt die ganz Gemein im Reich beschwert und überladen, nun kumt die Zeit, daß euere Güter als der Feind Güter, gebeut und ausgetheilt werden. Wann als ihr die Gemein beschweret habet, also wird sie auch über euch aufstehen, daß ihr kein bleibende Statt nindert wissent."

,Da ziehent sie herum zu Hauf in Stedten und Dorfen, heißt es in der Klage eines einfeltig Klosterbruders', ‚und vertheilen Schmachbüchlein

1 Angeblich durch Kaiser Friedrich III.,Gott zu Lob, der ganzen Christenheit zu Nus und Seligkeit fürgenommen. Vergl. Hagen 2, 338-342. Friedrich, Astrologie. und Reformation 138-149. Stälin 4, 298 Note 1.

und Schandbilder wider alle Geistlichkeit, hoch und nieder, und predigen, daß man ihr kein Zinsen und Zehnten geben soll, vielmehr ihr nehmen soll Alles was sie hant und sie jagen und würgen soll. Und richtent die heilig Schrift zu für ihr vermaledeit Werk; reißen das Volk auf wider alle Oberkeit und Gesez; und muß das göttliche Wort dienen als ein Deckmantel für ihr schentlich verfürisch Aufreißen.' 1

So bewies beispielsweise der Memminger Prädicant Christoph Schappler den Bauern aus der Bibel, ,daß das Zehntgeben durch das neue Testament abgeschafft worden sei; daß es unchristlich wäre, den Gläubigen Zinsen und Gulte abzufordern, oder selbe zu entrichten; daß der Himmel den Bauern offen, dem Adel aber und der Geistlichkeit verschlossen sei2. In Kempten predigte Matheys Waybel im Jahre 1523, ,das man nit soll Zins, Gult und Zehnten geben und die Gebot der hl. christlichen Kirche ganz abthun, dadurch der gemeine Mann zu Kempten, auch auf dem ganzen Land betrogen ward' 3. Den Pfaffen, lehrte der als Bauer verkleidete Prädicant Nikolaus Schweikart, ,ist man den Zehnten zu geben nicht schuldig; sie haben uns sonst genug betrogen, man sollt ihnen eher St. Velten geben“ 4.

Auch Laien zogen predigend umher. Ungelehrte Laien,' meinte Eberlin von Günzburg,,Bauern, Köhler, Drescher wissen und lehren das Evangelium besser als ganze Dorf- oder Stadt-Capitel der Domherrn oder Pfaffen, ja als hochhübig Doctores.“ 5 Unter diesen Laien-Prädicanten ragte besonders ein Bauer hervor, Namens Karsthans, der vorzugsweise in den Rheingegenden, in Straßburg und Basel sein Wesen trieb. Ein laisch Mensch, genannt Karsthans,' heißt es in einem Straßburger Bericht, ein schweifender Mensch, hat als ein aller aufrührigster und der lutherischen Keßerei anhangend, in der Stadt Straßburg Rumor und Faction wider alles ehrbar Volk bewegend, reißend und verschaffend, die Menge des Volkes zu den Gassen und den Straßen versammelt und daselbst viel ungeschickte, irrige und fegerische Dinge gelehret. Unter Anderm habe dieser aufrührisch Bub' öffentlich gesagt, daß jezt die Stunde sei oder gelegene Zeit, alles Erbvolk gänzlich zu vertilgen und zu tödten. Und als Einer, der dabei stund, fraget, was die Ursache wäre, darum man sie also vertilgen sollt, hat Karsthans geantwortet und gesagt: darum, daß das Erbvolk fälschlich bisher die Pfennig von den Laien abgezogen hat. Denn das Erbvolk hätte

1 BI. C2.

2 Vergl. v. Arr, Gesch. des Cantons von St. Gallen 2, 492.

3 Fläschutz's Chronik des Stiftes Kempten, bei Baumann, Quellen 377.

Jörg 251. Ueber aufreizende Predigten später noch Näheres bei der Darstellung der socialen Revolution.

5 Riggenbach 198.

bisher gepredigt, es wäre ein Fegfeuer, und daß die Seelen durch Hülf und Gebet erlöset werden, die Ding doch alle falsch sind' 1.

Karsthans wurde ein volksthümlicher Name in zahlreichen revolutionären Pamphleten, welche durch Hausirer unter die Bauern gebracht wurden.

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Am meisten verbreitet wurde unter diesen Pamphleten der anonym erschienene, aus dem Sickingen'schen Kreise herstammende ,Neue Karsthans', ein Dialog zwischen dem Bauer Karsthans und Franz von Sickingen. Wie Hutten in seinem Gespräch die Räuber auf eine Verbindung des Adels mit den Städten gegen die Geistlichkeit gedrungen, so wurde hier der Bund des Adels mit den Bauern gefordert. Er sei mit Edlen Eins geworden, sagt Karsthans auf dem Titelblatt, und werde seinerseits mit Händen zugreifen. Bei der bevorstehenden blutigen Abrechnung mit den Pfaffen fehle es allein daran, daß wir der Sachen ein Hauptmann hätten, so würde es gehen“. Sickingen schildert den Bauern die Geistlichen als reißende Wölfe, so daß Karsthans in den Ruf ausbricht: ‚Darum soll man mit Flegeln und Kärsten dreinschlagen. Auf Sickingen's Erklärung: Der Papst hat seinen Stuhl über Gottes Stuhl gerückt und darum muß er Lucifer nachfallen, erfolgt die Antwort:,So fall er in aller Teufel Namen und der Teufel helf ihm danach wiederum auf. Man müsse, erörtert Sickingen, sich frei machen von der Geistlichkeit, welche mit ihren Ceremonien und Gaukeleien' das unverständige Volk zu betrügen suche; Gott verlange bloß Anbetung im Geiste und in der Wahrheit; ihm liege Nichts an den steinernen und hölzernen Kirchen, darum müsse man den größten Theil derselben abbrechen, und überhaupt verfahren nach dem Vorbilde des Böhmen Ziska, der die Mönche und Pfaffen ausgerottet habe. Denn so lange die Kirchen vorhanden, sagt er, bleibt allwegen eine Anreizung des pfäffischen Geistes und der Mißglaube mag nit von dem gemeinen Volk bracht werden, man nehme. dann diesen Ueberfluß hinweg und tilge ab alle Mönchsorden. Darum ist Ziska kein Narr gewesen, daß er die Kirchen gebrochen, denn wo er sie hätte lassen stehen, wäre es gegangen, wie er den Böhmen zuvor gesagt: ließen sie die Nester stehen, sie würden inwendig zehn Jahren die Vögel all wieder drinnen haben. Ich kann auch, fährt Sickingen fort, sein hoch Verständniß nit genug preisen, daß er alle Mönche ausgetrieben und vertilgt hat, denn er hat in dem recht bedacht, daß der Grund aller Mißglauben von denselbigen Gleißnern komme, und daß sie nimmer zu ersättigen sind. Komme die Zerstörung nicht bald, so müsse „die christliche Welt durch sie verarmen'. Für ein gewaltsames Vorgehen gegen die Geistlichkeit beruft sich Sickingen auf die Worte des hl. Paulus: Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit."

1 Vergl. Hagen 2, 173.

Als Anhang zu dem Dialoge folgen dreißig Artikel, so Junker Helferich, Ritter Heinz und Karsthans mit sammt ihrem Anhang hart und fest zu halten geschworen haben'. Die Verschworenen versprechen sich, den Papst für den Antichrist, die Cardinäle für die Apostel des Teufels zu halten. Jeder päpstliche Legat soll als ein gemeiner Feind Deutschlands behandelt, jedem Bettelmōnch, der um einen Käse bittet, ein vierpfündiger Stein nachgeworfen, jeder Official oder Sendpfaffe mit Hunden ausgeheßt und von den Kindern mit Koth beworfen werden. Sie wollen Hutten's Helfer sein, die römischen Curtisanen und ihre Anhänger würgen und tödten, und sich kein Gewissen daraus machen, einen Pfaffen zu schlagen oder zu treten. Allen Feinden und Abgönnern Luther's schwören sie Feindschaft; den Pedellen, welche geistliche Decrete überbringen, sollen die Ohren abgeschnitten und, wenn sie wieder kommen, die Augen ausgestochen werden. Die Feiertage sollen abgeschafft, nur der Sonntag darf gefeiert, kein Bildniß, sei es von Stein, Holz, Gold oder Silber, mehr gehalten, Gott allein im Geiste angebetet werden. In diesen und anderen Artikeln schwören die Verbündeten Leib und Gut zusammenzusetzen und rufen Gott zum Zeugen, daß sie mit ihrem Vorgehen nur göttliche Wahrheit suchen und die Wohlfahrt des Vaterlandes! 2 Auf die im Neuen Karsthans, in den dreißig Artikeln und in unzähligen Flugschriften gepredigten Lehren passen durchaus die Worte Murner's in seinem Gedicht: ,Vom großen lutherischen Narren':

,Sie sagen dir kein göttlich Wort,

Sie rindlen es dan uff sieben Mort,

Und wie man sol den Buntschuh schweißen.'.

1 Strauß 2, 224 macht daraus: „kein Bild mehr angebetet werden“.

2 Gesprech Biechlin neuw Karsthans. Auf dem Titel:

,Zu dem Leser:

Ein neuwer Karsthans komm ich her

Vol gutter Manung, rechter Ler.

Mit Edlen bin ich worden eins,

Als was ich weiß, do schweng ich keins.
Und würd mit Henden greifen zu,

Ein ander auch sein Bestes thu.'

Schade, Satiren und Pasquillen 2, 1-44. 277-288. Vergl. Baur 131-144. Die dreißig Artikel auch bei Bensen 512-514. Die dreißig Artikel,' sagt er, sind ein historisches Actenstück, welches viele Erscheinungen des Bauernkrieges erklärt. In einem Liebe Herzog Georgs von Sachsen heißt es:

,Wie lügenhaft sie immer sind, muß man sie evangelisch nennen;
Unter dessen edlem Namen bringen sie ihren Gift an Tag;

Der Wahrheit thun sie nichts, Amen.'

Vergl. Seidemann, Thomas Münzer, Titelblatt.

,Alle ir evangelische Ler

Ist, wie man ganz herumb her fer
Grund und Boden, das sie krachen
Und das wir bald Feierabend machen,
Das Evangelium recht verston,
Klöster, Stifft und Land verlon.'

,Das sein besunderliche Knaben,
Die gern ein Sackmann 1 wolten haben,
Jr Händ in fremden Gütern waschen.'

,Ein Deckmantel sie erdichtet hond, Auf daß die Gemein das nit verstond; So muß es sein ein christlich Ler,

Ob es schon alls erlogen wer.'

Dem,armen Mann', welchem man vorspiegele, er werde von den geraubten Gütern seinen Theil bekommen, würde es, prophezeite Murner, ergehen, wie in Böhmen zur Zeit der Husiten:

Wann sie die Güter alle nemen
Und auf ein Haufen legten zuseinen,
So wird dem Armen das darvon,
Als sie in Böhem haben gethon,

Da auch der Arm meint, das im würd

Vom geraubten Gut ein ziemlich Bürd,

Da nahm es der Reich und ließ den Armen
Sich im Elend gon erbarmen. 2

Es kam so, wie es, lange vor Murner, Joseph Grünbeck, der Secretär Kaiser Maximilian's, im Jahre 1507 vorausgesagt hatte. Alle Laster werden nicht zweifältigt, sondern dreifältigt und vierfältigt, sondern der eigene Nuß wird also gemanchfältigt, daß kein Falsch mehr, keine Untreue und Ungerechtigkeit, weder von geistlichen noch weltlichen zeitlichen Gütern zu erobern, gespart wird. Darum die Stimme der elenden rechtlosen Wittwen und Waisen für und für zu Gott um Rache ruft, die jetzt über uns, so wir uns nicht bald zu Gott wenden, kommen wird. Ich besorge, das Reich bei uns werde von inwendig ausfaulen, ausbrennen und ausdorren; ich fürchte, es werden grausame Aufruhr innen deutscher Nation und an allen Orten erweckt. Ich besorge fürwahr und fürchte, unsere Mannlichkeit und Stärke werde in Erschrockenheit der Hasen verwandelt, Krieg, Hunger und Pestilenz werden nicht aufhören zu wüthen, bis die ganze Kraft, Macht und das Mark aus

1 Plünderung.

2 Vom großen lutherischen Narren 23-28.

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