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schrieb ihm Melanchthon, haben mich meines Bedünkens billig bewegt.' 1 Einen der Propheten, der eine gelehrte Bildung empfangen, nahm Melanchthon in sein Haus auf und überwies ihm mehrere Kinder zum Unterricht. In öffentlichen Versammlungen predigten die Propheten vom neuen Reich und suchten sich auf das Engste an Carlstadt anzuschließen.

Carlstadt, Anfangs zögernd, bald einer der Muthigsten', hatte bereits eine neue Abendmahlsfeier eingerichtet und forderte in einer eigenen. Schrift zur Säuberung der Kirchen, zum Bildersturm auf. Bildnisse sind gräulich,' sagte er, ,daraus folget, daß wir auch gräulich werden, die wir sie lieben. Unsere Tempel mögen billig Mördergruben genannt werden, daß unser Geist in ihnen ertödtet und erschlagen wird. Der Teufel lohne den Päpsten, die uns also tödten und würgen. Es wäre tausendmal besser, die Bilder stünden in der Hölle oder im feurichten Ofen, dann in Gottes Häusern. Carlstadt wußte recht gut, daß das Volk die Bilder weder anbete, noch sie um ihrer selbst willen verehre, aber dessen ungeachtet sollten sie alle gewaltsam weggeschafft und zerstört werden. Ob Einer durft sagen: ja, ich bete die Bilder nit an, ich thue ihnen nit Ehr von ihrenwegen, sondern von der Heiligen wegen, die sie bedeuten, antwortet Gott kürzlich und mit lichten Worten: du sollst sie nit anbeten, du sollst sie nit ehren. Kommt Einer und spricht: Bilder lehren und unterweisen die Laien. gleich als Bücher die Gelehrten, antworte du: Gott hat mir Bilder ver= boten, deßwegen will ich Nichts aus ihnen lernen. Kommt ein Anderer, und sagt: Bilder vermanen und erinnern uns des Herrn Leiden und machen. oftmals, daß Einer ein Vater Unser betet und an Gott gedenkt, der sonst weder betete, noch an Gott gedächte, antworte du, mein Christ: Bilder hat Gott verboten. Es hilft dich keine Entschuldigung, ob du tausendmal sprechest: ich ehre die genannten Heiligen nit in ihrem Namen, sondern in derer Namen, welche sie anzeigen.'

Die Obrigkeit, sagte Carlstadt, habe das Recht und die Pflicht, die Bilder aus den Kirchen zu schaffen. Wollte Gott, daß unsere Herren wären wie die weltlichen frumen Könige und Herren gewesen sind in der Judenschaft. Sie haben ja in heiliger Schrift Macht, in Kirchen zu handeln, und abzuthun, das Gläubige ärgert und verhindert. Auch die Pfaffen dürfe die Obrigkeit dazu dringen und treiben, denn diese seien aus göttlichem Rechte der Obrigkeit in Allem unterthan. Aber man dürfe nicht warten, bis die Pfaffen

1 Melanchthon's Briefe vom 27. December 1521 an den Kurfürsten und an Spalatin und sein Gutachten über die Zwickauer Propheten vom 1. Januar 1522 im Corp. Reform. 1, 513-515. 534. Vergl. Jäger 259.

Baal's ihre Gefässe und Klößer wegschafften, sondern die oberst weltlich Hand soll gebieten und schaffen 1.

1 Jäger 264-271. 273. Gegen Carlstadt's Schrift über die Abthuung der Bilder veröffentlichte Hieronymus Emser im Jahr 1522 das Buch: „das man der Heiligen Bilder in den Kirchen nit abthun noch unehren soll' u. s. w., worin er ganz vortrefflich die Lehre und Praris der Kirche bezüglich der Bilder behandelt. Vergl. z. B. Blatt B3- und F2. über die Gründe der Bilderverehrung. Eine seiner besten Arbeiten. Mißbräuche will er nicht vertheidigen, vergl. Bl. Q2—3. Zu diesen Mißbräuchen rechnet er die ganz unverschämten Bilder, welche neuere Maler von den Heiligen anfertigten. Wenn wir die alten Bilder ansehen, so ist es gar ein ehrbar Ding, und alle Glieder bedeckt, daß keiner keine böse Begir oder Gedanken daraus schöpfen kann. Derhalben ich halt, daß Gott die Maler jezo darüber strafen und ihnen das Handwerk legen werde, wo sie nicht von dieser schändlichen Weis ablassen. Ich bitt alle Häupter und Prälaten der Kirche um Gottes willen, daß sie den Bildern die Maß und Regel geben wollen, die ihnen die alten Väter und Concilien gesezt haben, damit die Keper nit Ursach finden, unsere Bilder also jämmerlich zu tadeln, zu verbrennen und zu Trümmern zu hauen, wie an etlichen Enden geschehen.“ „Ich besorge mich, daß dieser Handel von den Kezern allein darüber angefangen, daß sie gern die Ehr und Gedächtniß der lieben Heiligen ganz austilgen wollten aus unserm Herzen. Sie haben vorhin geschrieben, wie die Heiligen uns nichtzit helfen, noch für uns bitten mögen, und damit verhofft, sie wollten uns also von dem Verdienst der lieben Heiligen abreden. So wir uns aber an sie nit keren wollen, und sie vermerken, daß die Bilder, so täglich vor unsern Augen stehen, uns der lieben Heiligen nit lassen vergessen, unterstehend sie sich jezo auch ihre Bilder abzuthun. Nicht allein Carlstadt, sondern auch sein Lehrmeister Luter. Denn wiewol Luter jezo widerpredigt und schilt, daß seine Mönch die Bilder so schnell hinweggethan haben (id est, sie sollten den Schalk noch ein Weil verborgen und geharret haben, bis der Reichstag zu Nürnberg vorübergegangen war), so kann er doch sein kezerisch Herz selber nit bergen und prediget selber, daß man vielgemelte Bilder zuvor den Leuten aus dem Sinu reden, und also gemechlich mit der Zeit abthun soll. Ich bin aber ungezweifelt, die frommen Christen werden sich an seine hole und platte Red nit keren, so wird das auch die christenliche Kirch nit zugeben. Denn dieweil Luter sein lieplich Angesicht und Bild malen und öffentlich feiltragen läßt, warumb sollt die Kirch der lieben Heiligen Bilder nit auch in Wird und Ehren halten? Wer hat je anders verstanden, gelehrt oder geschrieben, denn daß Gott allein gibt Gnade, Hilf, Trost, Heil und Seligkeit? Gott ist allein der Born, aus welchem entspringet und fleußt alles Gute im Himmel und auf Erden. Damit wirdest du aber nit schließen, daß wir der lieben Heiligen Fürbitt und Hilf daneben mit der christenlichen Kirche nit auch sollen ansuchen und sprechen: Sancte Peter oder Sancte Paule ora pro nobis . . .. Also bleibt Ein Born aller Gnad und Hilf und fleußt doch durch die lieblichen Bäche und Mittel der Gemeinschaft der Heiligen. Welche göttliche Ordnung die Kezer als verblendte und verstockte Leute nit sehen oder merken können, darum sie der lieben Heiligen Ehr, Gedächtniß und Bildern also heftiglich widerstreben, welche wir doch also ehren, daß Gott an seinen göttlichen Ehren allein nichtzit abgebrochen wird, sondern mehr zugehet.',Die Layen, die da täglich Predigt hören und in diesen und andern Fällen guten christenlichen Unterricht empfahen', seien so närrisch nicht, daß sie einigerlei Trostes oder Hoffnung in die Bilder sehen; daß sie aber Andacht und Lieb tragen zu den Bildern von wegen der lieben Heiligen, mag ihnen für keine Abgötterei gedeutet werden.'

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Aehnlich sprach sich Carlstadt in seinen zahlreich besuchten Predigten aus. Die vor nie oder wenig zur Predigt gangen sein, schrieb ein Augenzeuge, versäumen jegund keine. Carlstadt forderte, in Verbindung mit Gabriel Zwilling, die Gemeinde zu eigenmächtigen Aenderungen im Cultus auf; er erklärte die Beichte für ein Teufelsgebot der päpstlichen Tyrannei', den Papst und die Bischöfe für ‚des Teufels Vicarien und Botschafter. An der Spiße eines lärmenden Haufens drang er im Januar 1522 in die Kirchen ein: Altäre und Kreuze wurden niedergerissen, die Heiligenbilder zertrümmert, den Geistlichen warf man auf den Straßen Steine nach; das Barfüßerkloster wurde mit einem Sturme bedroht.

Warnend und mahnend wendete sich bezüglich dieser Wittenberger Vorgänge der Herzog Georg von Sachsen an seinen Verwandten, den Kurfürsten Friedrich und dessen Bruder Herzog Johann. Bereits am 16. November 1521 wies er darauf hin: die Dinge in Sachsen nähmen, seines Bedünkens, eine Gestalt an, wie bei den Böhmen, gegen welche doch ihre Vorfahren um des Glaubens willen bis auf's Blut gekämpft hätten. Es gäbe sogar schon Einige, welche gar keine Religion mehr hätten und die Unsterblichkeit der Seele läugneten. Alles das fließe aus Luther's Lehre. Nicht genug könne er bedauern, daß in Wittenberg, der ersten Stadt des Kurfürstenthums, Derartiges vorkomme. Er bat den Herzog Johann, seinen Bruder dahin zu bringen, daß er die Neuerer strafe oder wenigstens sich wider dieselben erkläre; er, Georg, sei mit Rath und Hülfe gern bereit, um so mehr, da sie alle jetzt im letzten Viertel wären, wie Haare und Bart sattsam bezeugten'. Wiederholt stellte Georg in seinen Briefen die böhmischen Zustände als Warnung auf. Auch in Böhmen seien Kirchen und Klöster beraubt worden; aber man möge den Zustand betrachten, in welchem sich die Kirche jetzt in diesem Lande befinde: der Clerus sei zu einer solchen Armuth herabgesunken und dermaßen in Verachtung gefallen und vermindert, daß man sogar Henker und Schinder zum geistlichen Amte herbeigezogen habe; Alles sei in Secten zerspalten, der Glaube beinahe ganz erloschen und in Altweibermärchen verkehrt. Der Kurfürst möge betrachten, wie es bereits in seinem eigenen Lande zugehe. In Wittenberg habe man einen neuen Ritus eingeführt; in Eilenburg sei auf das Haus des Pfarrers ein Angriff gemacht worden; Einer sei sogar auf einem Esel sizend in die Kirche eingeritten; Altäre und Bilder würden zerstört; Mönche entliefen den Klöstern, Priester begäben sich in die Ehe. Er wisse nicht, wie er den Kurfürsten vertheidigen solle gegen die Vorwürfe derjenigen, welche die Schuld aller dieser Vorgänge ihm zur Last legten,

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,denn wer nicht hindert, ist in gleicher Schuld, als derjenige, welcher es thut'. Gott habe dem Hause Sachsen, fügte Georg hinzu, große Schäße gegeben, aber seitdem Luther seine Sache angefangen, hätten sie mit ihren Erzgruben nur mehr wenig Glück gehabt. Auch die Sitten seien im Verfalle. Fälschlich rühme man sich, daß man das Evangelium wiedergefunden; er kenne das Evangelium bereits seit vierzig Jahren, und zwar ein besseres als dasjenige, welches man jezt vor sich sehe 2.

In der Stadt Eilenburg, von der Georg sprach, hatte Gabriel Zwilling sein Unwesen getrieben. Der wittenbergische ausgelaufene Mönch,‘ berichtete über ihn ein Augenzeuge, ‚hat angehuben zu predigen, hat einen Studentenrock und ein Hemd mit schwarzen Börtlein angehabt und ein mardern Birett mit zween Uffschlägen. Er hat die Messe auf das Höchste veracht und auch die guten Werk, und gesagt, wie daß zween Wege seien, einer der ist enge und führt gen Himmel und der ist der Glauben; der ander ist breit, der uns führt zu der Höllen, und das sein die guten Werke, als Messehalten, Beten, Fasten, Almosengeben und das Geschnurgen, und wir wären keinem Gesetz unterworfen, sondern die Gesetz wären uns unterworfen, und man sollte auch keinen nicht zwingen zu der Beicht oder Tauf. Nach der Predigt wurde in der Schloßkirche auf dem Berge das Abendmahl gehalten. Zwilling belehrte die Seinen noch zu allem Ueberfluß, es sei nicht nothwendig vorher zu beichten; auch möchte man wol nach Essens communiciren. Die Communicanten, fährt der Berichterstatter fort, ‚sein fast mit lachendem Gemüth zugegangen, und auch die die vorige Nacht mit Saufen und Buhlen zugebracht hatten, als ich's zum Theil gesehen habe.‘*

In Allem aber, was sie thaten, glaubten die neuen Evangelisten dem göttlichen Worte zu folgen. Als der Kurfürst Friedrich dem Bilderstürmer Carlstadt durch einen Abgeordneten Vorstellungen machen ließ, berief sich dieser, ebenso wie Luther es zu thun pflegte, auf eine ihm gewordene außer= ordentliche Mission. Mir ist, sagte er, das Wort in großer Geschwindigkeit eingefallen; wehe mir, werde ich nicht predigen. Die Uneinigkeit sei lediglich daraus entstanden, daß nicht Alle der heiligen Schrift folgten; er

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Fürst Joachim zu Anhalt berichtete an seinen Bruder, Herzog Georg habe ihm gesagt: Wo wir bei der Kirche blieben, würde es uns in Allem glückselig ergehen; wo wir uns aber abreißen ließen, würden wir uns aus dem Gedey, do wir ißt inne wären, wieder in die Ungeden kommen, denn er allweg dieselbigen, so sich der neuen Lehre anhengig gemacht, nie het gedeien, sondern in Verderb und Armuth fallen sehen, ob aus Gottes Straf oder aus ihrer Schuld, ließ er ungesagt. Fürst Georg von Anhalt, Predigten und Schriften 325.

2 Seckendorf 1, 217 ffl. Vergl. den Aufsaß über Herzog Georg in den Histor.- __ polit. BI. 46, 451-453.

3 Seidemann, Erläuterungen zur Reformationsgesch. 37.

folge ihr nach und kein Tod solle ihn vom Grunde derselben abführen; er bleibe stracks in Gründen göttlichen Wortes und lasse sich nicht irren, was Andere lehrten; ohnehin ärgere sich Niemand an seinen Predigten, als Unchristen.'

Nach dem Vorgange der Zwickauer Propheten kündigte Carlstadt allen wissenschaftlichen Studien einen offenen Krieg an, verlangte die Abschaffung aller Schulen, die Einstellung der Doctorpromotionen: Laien und Handwerker sollten als Prediger des neuen Evangeliums berufen werden, die Studenten nicht mehr durch irgend ein Studium ihre Zeit verlieren, sondern eine Kunst oder ein Handwerk erlernen. Sein Anhang wurde immer größer. Wie in Erfurt, so triumphirte auch in Wittenberg die Revolutionspartei; hier wie dort verödete die Universität. Fast die Gelehrtesten und Fürnehmsten, schrieb Spalatin, ,betrübten sich. Jeder der neuen Evange= listen hatte seine sondere Art'.,Sie machten es so wunderlich und mancherlei,' heißt es in einem Briefe des Kurfürsten Friedrich, ‚daß so viel Secten daraus wurden, daß männiglich irre darüber wurde, und Niemand wußte, wer Koch und Kellner war.'1

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Bei einer solchen Lage der Dinge erschien Luther, der auf der Wartburg von allen Vorfällen genaueste Kunde erhalten hatte, plößlich in Wittenberg. Er hielt dort im März 1522 acht Predigten, in welchen er das wüste Wesen auf einen ,Mißverstand der christlichen Freiheit zurückführte. Jm Anblick der angerichteten Gräuel sprach er mit Berufung auf den sonst von ihm verworfenen Brief des Apostels Jacobus und auf andere Schriftstellen den Saß aus:,Der Glaube ohne die Liebe ist nichts werth; ja er ist nicht ein Glaube, sondern nur ein Schein des Glaubens. Es ist zum Erbarmen,“ sagte er,,daß ich euch so lange gepredigt habe, und fast in allen meinen Büchlein nichts Anders getrieben, dann den Glauben und die Liebe, und soll so gar keine Liebe an euch gespürt werden. Das in Wittenberg Geschehene sei,ohne Ordnung mit Aergerniß des Nächsten' geschehen. Ihr sollt Gott zuvor mit Ernst darum gebeten haben und die Oberkeit dazu genommen haben, so wüßte man, daß es aus Gott geschehen wäre. Es betrübe ihn tief, daß man ohne seinen Befehl und sein Zuthun gehandelt. Folgt mir, ich bin der erste gewesen, den Gott auf diesen Plan gesetzt hat‘;,ich bin auch der gewesen, dem es Gott zum ersten geoffenbaret hat, euch solch sein Wort zu predigen und anzusagen. Darum habt ihr unrecht gethan, daß ihr ein solch Spiel ohne mein Geheiß und Zuthun habt angefangen, und mich nicht auch zuvor darum gefragt.' Am

1 Vergl. die Briefe im Corp. Reform. 1, 541. 545. 554. 560. 561. Jäger 277 bis 287. Wie sehr bei dem wüsten Treiben auch die heiligsten Liebespflichten vernachlässigt wurden, ersieht man aus einem Briefe Fröschel's bei Jäger 282.

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