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IV. Franz von Sickingen's Versuch zum Umfturz der Reichsverfassung.

Sickingen, aus dem Feldzug gegen Frankreich ohne Waffenruhm und ohne Beute heimgekehrt, erachtete im Sommer 1522, die Zeit sei gekommen, um den seit Jahren gehegten Plan, das Wesen des Reiches neu zu ordnen', mit Erfolg durchzuführen. Der Kaiser war nach Spanien abgereist, und das im September 1521 unter dem Vorsize des kaiserlichen Statthalters Pfalzgrafen Friedrich in Nürnberg eröffnete Reichsregiment war schwach und wenig zu fürchten'. Sickingen durfte für sein Unternehmen ,allerorts im Adel um so größere Beihülfe' erhoffen, weil die öffentlichen Zustände im Reich von Jahr zu Jahr für die niedere Reichsaristokratie ungünstiger geworden waren und die unter dem Adel längst vorhandene dumpfe Unzufriedenheit mit diesen Zuständen sich vielfach zu ingrimmigem Hasse gesteigert hatte.

Von aller Theilnahme an den Reichsgeschäften ausgeschlossen und eines seiner wesentlichen politischen Rechte, des Vereinsrechtes, beraubt, sah sich der reichsfreie Adel durch die wachsende Fürstenmacht in seiner ganzen Stellung bedroht. Unerträglich,' klagte er, werde der Lehnsdruck der Fürsten; immer zahlreicher würden die von diesen aufgerichteten neuen Zölle, aus welchen,große Beschwerden, Theuerung und unleidliche Bürden' erwüchsen. Wolle sich der Adel seiner Mängel halb unterreden' und Zusammenkünfte halten, so würden ihm diese, obwohl er an vielen Orten ob zweihundert Jahren in solcher Vereinigung gestanden, durch Gewalt oder Drohungen verwehrt; die Kurfürsten, Fürsten und andere Reichsstände dagegen ,richteten oft eigene, heimliche und öffentliche Bündnisse unter sich auf, die ohne Zweifel, ob sie gleich kaiserliche Majestät mit Worten je zu Zeiten ausnähmen, mehr Spaltung und Widerwärtigkeit, denn Gehorsam gegen den Kaiser als ihre rechte Oberkeit erzeugten und also gewißlich wider gemeinen Landfrieden und Nuß deutscher Nation' seien. Am unerträglichsten, klagte der Adel weiter, seien für ihn die Zustände des Gerichtswesens ge=

1 Vergl. unsere Angaben Bd. 1, 461–463.

worden: die niederen Gerichte der einzelnen Territorialherren seien, wie es scheine, nicht mehr dazu bestimmt, Recht zu sprechen, sondern nur über die Vortheile ihrer Herrn zu wachen; Appellationen gegen parteiische Urtheile würden in dem einen Territorium durch diese oder jene angeblichen Vorrechte und Freiheiten, in dem andern durch offene Gewalt verhindert; wolle man die streitige Sache an das Reichsregiment oder an das Reichskammergericht bringen, so finde man im ganzen Fürstenthum kaum einen Notar, der sich getrauen dürfe, gemäß seiner Schuldigkeit sich gebrauchen zu lassen. Die höhere Gerichtsbarkeit diene nur als Werkzeug schnödester Willkür der Mächtigen zur Unterdrückung der Schwachen. Auch das Reichsregiment lasse sich zu Gunsten der Mächtigen allerlei Parteilichkeit zu Schulden kommen bezüglich der Vollstreckung ergangener Urtheile, so daß dem Schwächern auch das nach unsäglichen Schwierigkeiten etwa gewonnene Recht keinen Nußen bringe. Aber auch guten Willen vorausgesetzt, so habe das Regiment eine zu geringe Executivgewalt, um gegen viel große und mächtige Stände mit der That gebührliche Vollziehung zu thun, und dadurch würden die Mächtigen bei ihrem Ungehorsam nur gestärkt. Wegen seiner Machtlosigkeit sei überhaupt das Regiment,wenig ersprießlich, den gemeinen Frieden im Reiche zu erhalten'; es erscheine darum als das Beste, wenn man die Vollziehung eines ergangenen Rechtsspruches dem gewinnenden Theil völlig anheimstelle, mit der Erlaubniß, sich ein angemessenes Hülfsheer zu werben 1. Alle Stände des Reiches, geistliche und weltliche, seien gleichmäßig, behauptete der Adel, auf seine Unterdrückung bedacht, und es gehe darum nicht über Fug und Recht, wenn er aufstehe, sich der Dienstbarkeit entwinde und sich zusammenthue zur Erlangung von Macht und erträglichem Besitz'; alle Stände würden ,reich und reicher, der Adel allein gerathe wachsend in Armuth und Elend'.

In Wahrheit hatte der niedere Adel durch übermäßige Erbtheilungen, durch die mit der eingerissenen Capitalwirthschaft erfolgte Entwerthung des Grundbesitzes und durch übertriebenen Luxus 2 und Schwelgerei 3 in vielen

1 Aus der in Weller's Repertorium Nr. 2357 verzeichneten Beschwerdeschrift der Grafen, Herren und gemeiner Ritterschaft, Nürnberg 1523. Vergl. Jörg, 21-23. 42 bis 43.

2 Vergl. unsere Angaben Bd. 1, 370–372.

3* Wimpheling schildert im Jahre 1515 in seinem Ueberblick der Mainzer Geschichte die Trunksucht der Adelichen und fügt hinzu: Hi viderint, an sint nobiles, immo si sint homines quidem, cum nobilitas ex sola virtute comparetur. Ad quas sordes redacta est prisca et antiqua nobilitas Germanica, ad quam labeculam demersa est alta comitum generositas! Ignorant profecto splendorem proprium, excellentiam et dignitatem'. fol. 22–23. Handschriftlich auf der Schloßbibliothek zu Aschaffenburg.

Territorien auch die materielle Grundlage seiner politischen Bedeutung verloren: es gab im Reiche ein überaus starkes adeliches Proletariat 1. Mit Mißgunst und Neid sahen die vielen herabgekommenen und verlorenen Leute im Adel auf die reichen Klöster und Stifte, besonders auf die fürstenmäßigen Hochstifte hin. Das Streben so vieler geistlichen Herren, den bereits oft ungeheuern kirchlichen Güterbesit immer noch zu vergrößern und ihren Reichthum und Ueberfluß durch Pracht und Luxus zu offenbaren, steigerte fortwährend die Unzufriedenheit über die social-kirchlichen Zustände auch bei Solchen, welche keineswegs gewillt waren, sich von der Kirche und ihren Lehren zu trennen. Die von Hutten und Sickingen als ,dringend nothwendig' verlangte Einziehung und Vertheilung der Kirchengüter ging darum Unzähligen als eine vernünftig und angeneme Arbeit zu Gemüth und besonders wurden Jene dadurch gar süßlich gekißelt', welche überhaupt der Meinung waren, daß es ein Vorrecht adelichen Standes sei, die Besitzenden nach Möglichkeit auszurauben.

Das Raubritterthum hatte in vielen Ländern des Reiches eine ganz erschröckliche Gestalt' angenommen und galt troz aller Landfriedensgebote als ,ehrbar Gewerbe'. Als einmal ein Barfüßermönch in einer Predigt sagte, daß,man die Straßenräuber fahen und peinlich beklagen, wo nöthig in Stiefeln und Sporen am lichten Galgen hängen solle', waren viele anwesende adeliche Herren aus Franken über den Mönch übel zufrieden'. Denn sie hielten dafür, heißt es in der Zimmerischen Chronik, daß ihnen aus einem alten vermeintlichen Privilegio gestattet sei, auf den Straßen unsträflich zu rauben und einem Andern das Seine zu nehmen. Einer der Anwesenden, Schenk Ernst von Tautenberg, ,wollte den Mönch todt haben. und wollte seltsam mit ihm umgehen 2. Selbst die nächste Umgegend von

1 Wie herabgekommen zum Beispiel ein großer Theil des bayerischen Adels war, zeigen die von Jörg 49-50 beigebrachten zahlreichen aftenmäßigen Belege. Da heißt es unter Anderm: Oswald Hirschauer zu Gersdorf ist ein Wittwer mit drei kleinen Kindern, mit vielen Krankheiten beladen und bezieht nur 14 fl. jährlicher Gült. Jakob Tanner zu Tann und seine zwei Brüder besißen nur mehr die einzige Sedelhube zu Tann; das kleine Gütlein daselbst gehört ihren drei Bruderskindern. Erasem Reigher zu Lankwart ist daheim in einem Bauernhaus und behilft sich daselbst mit Armuth; mit 25 fl. jährlicher Gült müssen er, seine Hausfrau und noch drei Personen leben. Wolfgang Auer zu Straubing bei Erding hat ein klein Gut und behilft sich allein seines Hofbaues mit Weib und Kindern. Ulrich von Haslang zu Haslangkreut hat weder Knechte noch Pferde. Balthasar Kollebeck zu Thurntheming kann keinen Knecht zuwege bringen; alle seine Güter sind auf's höchste verseßt. Veit Rohrbeck zu Rohrbach besißt an Rohrbach nur den zehnten Theil mit zehn Pfund Pfenning Einkommen, davon er als armer Edelmann mit Weib und vielen Kindern leben muß u. s. w.

2 Zimmerische Chronik 2, 434–435. Es geht wohl hin,' belehrte, wie es dort heißt, Markgraf Friedrich von Brandenburg zu Anspach seine Junker, den Kaufleuten

Nürnberg, dem Size der Reichsregierung, wurde durch den Raubritterhäuptling Hans Thomas von Absberg in Schrecken gesezt. Mit seinen zahlreichen Spießgesellen beraubte und mißhandelte dieser sogar dürftige Handwerker. So hieb er im Juni 1522 einem Nürnberger Büttner,selbst= eigen die rechte Hand ab; vergebens flehte ihn der Arme kniefällig an, daß er ihm doch die rechte lassen und nur die linke nehmen solle. Am 5. August überfiel er mit seinem Mordgesindel in der Nähe von Baireuth einen Nürnberger Kürschner und Messerschmied; einer der Raubritter fragte: ,ob nicht ein Dissacken (ein kurzes böhmisches Schwert ohne Griff) da wäre, er müßte einmal werken, er hätte lange nichts gewerkt. Man marterte den Kürschner ,mit fünf Hieben erbärmlich', ehe ihm die rechte Hand abgehauen wurde. Auch der Messerschmied verlor seine Hand; Hans Thomas überschickte beide abgehauenen Hände dem Bürgermeister von Nürnberg mit dem Bedeuten: ,er habe noch einen Knopf am Schwert, darin müsse er noch beißen, daß ihm die Zähne herausfallen sollen und das Feuer zu den Augen ausspringen. Er wollte Allen also thun,' versicherte er dem Kürschner, ,und er sollte es seinem Bürgermeister ansagen, daß er es gethan hätte und thun wollte. Zu Absberg's,Mithelfern, Enthaltern und Unterschleifern' gehörten Georg von Giech, Wolf Heinrich und Hans Georg von Aufseß; sogar auf mehreren Lehnsschlössern des Markgrafen Casimir von Brandenburg fanden die Raubritter Unterkunft1. Kaum weniger ruchlos als Thomas von Absberg verfuhren Mangold von Eberstein, Herr zu Brandenstein, ein Herr von Rosenberg und Andere 2. Auch Sickingen, selbst lange Jahre hindurch der Schrecken friedlicher Bürger, zählte im Jahre 1522, als er sich, nach seinem Ausspruch, ,eines Thuns unterstehen wollte, dessen sich kein römischer Kaiser unterstanden'3, unter seinen Helfern Solche, welche bisher allenthalben auf den Straßen ihre Pferde anderer Leute Beutel hatten abbeißen lassen‘4.

die Taschen zu schütten, aber allein am Leben sollt ihr ihnen nichts thun.' ,In Franconia nobiles depraedabantur mercatores eciam salvum conductum principum habentes, volentes eciam propriam ligam erigere contra regnum Romanorum et ligam Suevicam, schreibt Joh. Nibling von Ebrach, bei Höfler, Fränkische Studien 8, 254.

1 Vergl. die Berichte bei Baader 28-29. 35. 40-41. 45-46.

2 Vergl. Ulmann 243-244. Eine adeliche Dame, Frau Agathe Odhaimer, gab über Tisch den Reisigen oft die Weisung: ,wann euch ein kauffman nit halt, was er euch zusagt, so haut ihm hend und füß ab, last ihn liegen. Hans von Walsa kündigte einmal in einem Fehdebriefe dem Erzbischof Leonhard von Salzburg an, daß er bereit stehe zu rauben, zu brennen, zu erstechen, hendt abhauen, und wie ich üch zukommen mag.,Und geb ich,' sagt er am Schluß der Urkunde. ‚darauf das Datum, wann der rauch aufgent. Vergl. Roth von Schreckenstein, Reichsritterschaft 2 a, 247 Note 2. 3 Vergl. Jörg 67.

✦ Bericht bei Ulmann 286.

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6

Auf das Schleunigste muß ich zu Sickingen zurück,' schrieb aus Straßburg am 7. Juli 1522 der von dem Ritter wiederholt zu evangelischen Missionen verwendete Prädicant Martin Buzer, ein ehemaliger Dominicaner, an seinen Freund Sapidus, da er mich mit einem hochwichtigen Auftrag abermals absenden will. Ich mußte ihm versprechen, so bald als möglich wieder bei ihm zu sein, da er mich wahrscheinlich nach Sachsen zu schicken beabsichtigt. Bete zum Herrn mit den Deinigen,' fuhr er in gebräuchlich gewordenem Predigertone fort, daß er meinen Rittern, Sickingen und Hutten, beistehen möge, die in solchem Eifer für das Evangelium entflammt sind, daß sie mit Freuden für die Behauptung desselben Hab und Gut, Leib und Leben daranzusetzen bereit sind. Sie sind bis jetzt noch in solchem erfolgreichen Fortgange, daß, wenn der Herr sich von ihrem Vorhaben nicht etwa abwendet, so könnte die Tyrannei der Großen gar wol gestürzt werden. Er schaffe was wohlgefällig ist in seinen Augen. Wenn mich nicht Alles täuscht, so ist eine große und allgemeine Umgestaltung der Dinge vor der Thür, welche jene be= sorgten Rücksichtler nicht lange fragen wird, ob sie wollen oder nicht."1 Buzer wurde wirklich nach Sachsen geschickt und knüpfte an seine Mission den Wunsch, längere Zeit in Wittenberg im Umgange mit Luther und Melanchthon leben zu können 2.

Welche Aufträge Buzzer auf seiner Mission,für das Evangelium' auszurichten hatte, ist nicht bekannt geworden, worin aber die bezweckte,Umgestaltung der Dinge zu Gunsten des Evangeliums bestehen sollte, erkennt man deutlich aus den eigenen Aeußerungen Sickingen's und aus den Aeußerungen seiner Genossen Hartmuth von Cronberg und Ulrich von Hutten. Hartmuth, Sickingen's wie Luther's schwärmerischer Anhänger, hatte schon früher allerlei Sendschreiben und Warnungsschriften erlassen an Papst und Kaiser, an die Bettelmönche, an die Eidgenossen, unter Anderen auch an den Frankfurter Pfarrer Peter Meyer. Leßterm kündigte er an, daß, wenn er sich nicht zum Evangelium bekehre, ,aller männiglich mit gutem Gewissen gegen ihn mit der That zu handeln erlaubt werde, so viel sich gegen einen reißenden Wolf, geistlichen Dieb und Mörder mit Worten und Werken zu handeln gebühret'. Von dem Kaiser verlangte der Nitter, daß er den Papst ,mit höchster Gütigkeit davon überzeuge, er sei der Statthalter des Teufels, ja der Antichrist selber. Wolle aber der Papst, durch den Teufel ganz besessen, dieses nicht erkennen, so habe der Kaiser Fug und Recht und wäre dessen vor Gott schuldig,,gegen ihn zu handeln mit all' seiner Macht

1 Bei Baum, Capito und Bußer 141–143.

2 Vergl. Baum 143.

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