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ein, seitdem Mutian, Canonicus in Gotha, die Führerschaft der humanistischen Jugend übernahm. Er galt den Humanisten, zu welchen Eobanus Hessus, Crotus Nubianus, Petrejus Eberbach, Georg Spalatin, Justus Jonas, Herebord von der Marthen, für eine kurze Zeit auch Ulrich von Hutten gehörten, als,Consul des ganzen Alterthums', als reiner,Tugend: lehrer', als Vater der glückseligen Ruhe'.

Mutian war in Italien ein warmer Anhänger des unter dortigen Humanisten vorherrschenden Neuplatonismus geworden, und verehrte insbesondere den Politian und Marsilius Ficinus. Gelehrte Werke, in welche er seine Denkweise niedergelegt hätte, hinterließ er nicht: auch Socrates und Christus, sagte er, hätten nichts Schriftliches hinterlassen. Aber seine zahlreichen vertrauten Briefe an seine Freunde lassen keinen Zweifel darüber bestehen, daß er wenigstens zeitweise mit dem positiven Christenthum gänzlich zerfallen war. Er faßte das Christenthum als das zu dem Mosaismus im Gegensate stehende, von allen Offenbarungsthatsachen im Grunde unabhängige reine Menschenthum auf. Ich will dir,' sagte er in einem Briefe an Spalatin, nicht ein Räthsel aus den heiligen Schriften vorlegen, sondern eine offene Frage, welche sich aus den profanen Studien lösen läßt. Wenn Christus Weg, Wahrheit und Leben ist, was haben die Menschen in so vielen Jahrhunderten vor seiner Geburt gethan? Haben sie geirrt? waren sie gebunden in schweren dicken Finsternissen der Unwissenheit, oder waren sie des Heiles und der Wahrheit theilhaftig? Ich will dir mit meiner Ansicht zu Hülfe kommen. Christi Religion hat nicht angefangen mit seiner Menschwerdung, sondern sie war vor allen Jahrhunderten, wie auch Christi erste Geburt. Denn was ist der wahre Christus, der eigentliche Sohn Gottes anderes, als, wie Paulus sagt, die Weisheit Gottes, welche nicht bloß bei den Juden war in dem engen Winkel Syriens, sondern auch bei Griechen, Italienern und Germanen, obwol sie verschiedene Religionsgebräuche hatten. Kain brachte von den Früchten der Erde, Abel aber von den Erstlingen der Schafe sein Opfer dar. Was andere Gegenden als Dank- und Sühnopfer darbrachten, magst du selber nachlesen. Das Gebot Gottes, welches die Seelen erleuchtet, hat zwei Hauptsäße: liebe Gott und die Nächsten wie dich selbst. Dieses Gesetz macht uns des Himmels theilhaftig; es ist das natürliche Gesetz, nicht in Stein gehauen wie das des Moses, nicht in Erz gegraben wie das römische, nicht auf Pergament oder Papier geschrieben, sondern von dem höchsten Lehrer in unsere Herzen eingegossen. Wer dieses denkwürdige und heilsame Abendmahl mit frommem Sinn genießt, der thut etwas Göttliches; der wahre Leib Christi ist Friede und Eintracht! In einem andern Briefe, worin er von dem bevorstehenden

1 Wie das kirchliche?

Osterfeste sprach, schrieb er: Wer ist aber unser Erlöser? ist der Christus, welcher vom ist nicht Speise und Trank.

Unser Erlöser ist das Lamm und der Hirte. Die Gerechtigkeit, Friede und Freude. Das Himmel herabgestiegen ist. Das Reich Gottes Der wahre Christus ist Seele und Geist, der

weder mit Händen gegriffen, noch gesehen werden kann!'

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Bezüglich der Bibel war er der Ansicht, die Verfasser der heiligen Geschichte hätten allerlei Geheimnisse in Räthsel und Gleichnisse eingehüllt: die Schrift der Juden fabele in ähnlicher Weise, wie Apulejus und Aesop; sogar in der Meinung der Muhammedaner, daß Christus nicht selbst ge= kreuzigt worden, sondern Einer, der ihm ähnlich gesehen, stecke eine geheime Weisheit. 1 Selbst seine Begriffe von der Gottheit waren verworren. ,Es ist nur Ein Gott, heißt es in einem Briefe, und eine Göttin, aber es gibt viele Gestalten und viele Namen. Jupiter, Sol, Apollo, Moses, Christus, Luna, Ceres, Proserpina, Tellus, Maria. Aber hüte dich, das auszubreiten. Man muß es in Schweigen hüllen, wie eleusinische Mysterien. In Sachen der Religion muß man sich der Decke von Fabeln und Räthseln bedienen. Du mit Jupiter's, das heißt des besten und größten Gottes, Gnade, verachte still die kleinen Götter. Wenn ich Jupiter sage, meine ich Christus und den wahren Gott. Doch genug von diesen allzu hohen Dingen!' 2 Mysterien darf man nicht gemein machen, sagt er an einer anderu Stelle, ‚sondern man muß sie verschweigen, oder in Fabeln oder Allegorien eingehüllt wiedergeben, damit wir den Schweinen keine Perlen vorwerfen. Darum hat Christus nichts Schriftliches hinterlassen, und diejenigen, welche evangelische Geschichte geschrieben, haben sich als Einkleidung vieler Parabeln bedient. Theodot, der Tragödienschreiber, wurde, als er Einiges aus den jüdischen Mysterien in eine Fabel übertragen wollte, seiner Augen beraubt.3

Aus Aeußerungen dieser Art erklärt sich hinlänglich, daß Mutian, zum

1 Vergl. diese und andere Stellen bei Hagen 1, 323–331. Strauß 1, 46-48. Gegen Kampschulte 1, 86 ff., der Mutian's unchristliche Aeußerungen meist auf eine bloße Gereiztheit gegen die ihn wegen irreligiöser Grundsäße anfeindenden Mitcanoniker zurückzuführen sucht, vergl. Vorreiter 118.

2*,Est unus deus et una dea. Sed sunt multa uti numina ita et nomina: Jupiter, Sol, Apollo, Moses, Christus, Luna, Ceres, Proserpina, Tellus, Maria. Sed haec cave enunties. Sunt enim occultanda silentio tanquam Eleusinarum dearum mysteria. Utendum est fabulis atque enigmatum integumentis in re sacra. Tu Jove, hoc est optimo maximo deo propitio contemne tacitus deos minutos. Quum Jovem nomino, Christum intelligo et verum Deum. Satis de his nimium assurgentibus. Aus dem Codex Manuscriptus Mutianischer Briefe auf der Frankfurter Stadtbibliothek, fol. 90 b. Vergl. Strauß 2, 47.

3 Bei Tentzel 18.

Aergerniß seiner Mitcanoniker, sich der Darbringung des heiligen Meßopfers und des Empfangs der heiligen Communion enthielt, daß er die Stunden im Chor als verlorene Zeit betrachtete, die Ohrenbeichte verwarf1, die Bettelmōnche kuttentragende Unthiere nannte und die Fastenspeisen als Thorenspeisen bezeichnete. Nur die Dummen, schreibt er, suchen das Heil im Fasten. Ich bin träg und dumm. Daran ist Schuld die Speise der Dummen, um nichts Härteres zu sagen. Esel sind es, fürwahr Esel, welche keinen ordentlichen Imbiß zu sich nehmen und Kohl und Stockfische verzehren. 2 2 Ich lachte immer recht herzlich,' berichtete er dem Humanisten Petrejus Eberbach, wenn Benedictus von den Klagen deiner Mutter erzählte, daß du so selten in die Kirche gingest, nicht fasten wolltest und Eier äßest gegen den allgemeinen Gebrauch. Ich entschuldigte dann dieses unerhörte schreckliche Verbrechen auf folgende Weise. Recht und klug handelt Petrejus, wenn er nicht in die Kirche geht, denn die Tempel können einstürzen, die Bilder herunterfallen; viel Gefahr ist vorhanden. Ferner bekommen bloß die Priester Geld, die Laien bekommen Salz und Wasser, wie die Ziegen. Darum nennen wir das Volk eine Heerde, denn Heerde ist ein Haufe von Ziegen und Schafen. Das Fasten aber haßt er deßwegen, weil er weiß, was seinem Vater begegnet ist: er fastete und starb. Hätte er gegessen, wie er früher zu thun pflegte, er wäre nicht gestorben.' Als Jener dieses hörte,' fährt er fort,,runzelte er die Stirn und sagte: wer wird euch schlechte Christen absolviren? Ich antwortete: das Studium und die Wissenschaft. 3

Zu den Büchern, deren Lectüre Mutian den Freunden anempfahl, gehörten die zuerst im Jahre 1506 erschienenen Facetien des Humanisten Heinrich Bebel aus Tübingen, eine lateinisch abgefaßte Sammlung von allerlei schlüpferigen, satirischen, selbst blasphemischen Anecdoten, kleinen Erzählungen und Schwänken. Bebel's skeptischer Spott richtet sich nicht bloß gegen die Geistlichkeit und deren Wandel, gegen das Fasten und andere kirchliche Vorschriften, gegen den Ablaß und die Verehrung der Heiligen und der Reliquien, sondern auch gegen mehrere Grunddogmen des

1 . . auriculariam confessionem improbo' u. s. w. Bei Tentzel 178.

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In Briefen an seinen Freund Heinrich Urbanus, einen humanistisch gebildeten Cisterzienserpater in Georgenthal bei Gotha, spricht er sich voll Unwillen über seine Mitcanoniker aus. Dii pecus scabiosum, schrieb er über sie, ,in tartara detrudant. Dann führt er an, was sie gegen ihn vorbringen: ,Mutianus helt keyn messe. Urbanus ist auch ein poete. Hec simplicia verba sunt, sed pestiferi homines veneWalen esse garriunt. Frankfurter Coder num suum eo modo evomiunt et nos fol. 154.

3 Camerarius Lib. novus epistolarum (Lipsiae 1568) BI, J. 4. Vergl. Haz

gen 1, 328.

Christenthums. In gemeiner Weise wird über die heilige Dreieinigkeit, über das Erlösungswerk gesprochen; die christlichen Trostgründe in den Leiden des Lebens werden lächerlich gemacht. Wie man aber bei widerchristlichen Ansichten gleichwol der geltenden Kirchenlehre höhnisch den Tribut äußerer Anerkennung zollen könne, lehrte Bebel durch eine Anecdote aus dem Leben des Humanisten Peter Luder, der, zu Rede gestellt über Spöttereien gegen die heilige Dreieinigkeit, zur Antwort gab: Nun gut, ich will nicht steif und unbesonnen auf meiner Meinung beharren, denn ehe ich mit dem Feuer Bekanntschaft mache, glaube ich auch an die Viereinigkeit. 2 ,Schaffe dir recht bald, mahnte Mutian den Herebord von der Marthen, ,die Facetien Bebel's an. Es ist nicht zu leugnen, daß im Leben oft gemeine Anecdoten sehr viel vermögen. Sie werden schnell erzählt, dringen auf der Stelle ein, werden lange im Gedächtniß behalten. Er äußerte Lust, eine ähnliche Sammlung herauszugeben. 3

In dem Geiste, der in seinen Briefen sich ausspricht, beeinflußte Mutian auch persönlich die in seinem Hause häufig verkehrenden Humanisten. Im Gespräche mit Mutian und seinen Genossen nannte Crotus Rubianus, unter allgemeinem Beifall, die heilige Messe eine papistische Comödie, die Reliquien Knochen vom Rabenstein, den Horagesang in der Kirche ein Hundegeheul; Cicero, sagte er, sei ein heiliger Apostel und ein größerer römischer Oberpriester, als Papst Leo X. 4

Der Verachtung der Kirche und ihrer Heilslehre entsprach eine oft schrankenlose sittliche Ungebundenheit. Neber geschlechtliche Vergehen seiner humanistischen Freunde sprach sich Mutian mit einem Cynismus aus, gegen welchen die Erotiker des Alterthums fast als züchtig gelten können. Sogar die Schändung und Entführung einer Nonne behandelte er beinahe wie einen Gegenstand des Scherzes 5.

Man kann sich darum nicht wundern, daß in Erfurt und Gotha und

1 Näheres aus den Facetien und über sie bei Hagen 1, 331-334, 393–406. Vorreiter 123-125.

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2 sis bono animo, ait, domine doctor, nihil enim temere aut pertinaciter affirmo: nam priusquam ignem subirem, ego crederem quaternitatem. Facetiarum H. Bebelii libri tres (Tubingae 1570) fol. 28 b.

3 Bei Tentzel 178-179. Bebel's Triumphus Veneris wurde von Tiloninus, einem Jünger Mutians, nachgeahmt. Kampschulte 1, 180, Note 1.

4 Olearius, Epist. Anonymi ad Crotum Rubianum (Arnst. 1720) 14. Böcking,

drei Abhandlungen über reformationsgeschichtliche Schriften 92.

5* Zur Charakteristik seiner cynischen Auffassung und Ausdrucksweise seien aus einem Briefe an Urbanus, der sich dieser Schändung schuldig gemacht, folgende Stellen mitgetheilt: Nemo coget amicam tuam, Urbane, conceptum a se abigere. Solvatur vulva in nomine sanctae Junonis. . Dent veniam puerperae quatuor illae primae Vestales a Numa electae Vere Barbarae, vere Ursulae, quae amatores suos odisse

allenthalben, wo die jüngeren Humanisten das neue Evangelium vom classischen Alterthum verkündeten und dafür Propaganda zu machen suchten, bei allen ernsteren und streng kirchlich gesinnten Männern eine Scheu und Abneigung dagegen entstand. Bei manchen steigerte sich diese schließlich bis zu einer völligen Feindschaft gegen alle,poetische Bildung'. Man beurtheilte das neue Evangelium nach dem Lebenswandel seiner Apostel, und nach den geistigen Früchten, die diese zu Markte trugen und die größtentheils entweder kernlos oder giftig waren. Ich finde es nicht auffallend,' schrieb Cochläus,,daß jezt auch häufig solche entschiedene Widersacher der humanistischen Studien geworden, welche sich denselben ehedem freundlich und förderlich erwiesen. Denn was thun die vielen Poeten, die jezt gleichsam als Schauspieler oder als Fechthähne Deutschland durchziehen? Wohin sie kommen, erregen sie Feindschaften und Streit; ihre Sitten sind, um nicht mehr zu sagen, locker und frech; Achtung vor dem Heiligen und Ehrwürdigen trifft man bei ihnen nur in seltenen Fällen an; stark sind sie nur im Beschimpfen und Verhöhnen alles Bestehenden, und wer nicht mithelfen will, um dieses über den Haufen zu stürzen, ist in ihren Augen ein Barbar.'

Deutschland wurde überreich an literarischen Parasiten, Pfuschern und Libellisten, welche als einen besonderen Zweig ihrer neu errungenen Weisheit die Anfeindung der Kirche und des geistlichen Standes mit Behagen pflegten, vor Allem das Ordenswesen mit Hohn und Spott überschütteten. Es lag darum in der Natur der Sache, daß gerade die Mönche aus aller Kraft gegen die Poeten' ankämpften, und leicht erklärlich ist, daß sie in diesem Kampfe, argwöhnisch und unduldsam aus Noth, nicht selten unwissend aus Furcht vor falschem Wissen, die Schranken der Mäßigung oft weit überschritten. Auf Lehrstühlen und Kanzeln wurde von den Ordensgeistlichen und scholastischen Theologen gegen die Poeten geeifert als die Vertreter eines unchristlichen Wissens, welchen das Schönreden mehr gelte als die Wahrheit selbst; als die Verbreiter eines Studiums, welches die Jünglinge von aller gründlichen und nüßlichen Geistesarbeit abziehe; sie galten als gottlose und vom Heidenthum angesteckte Leute. Es sei jetzt, sagten Lehrer und Prediger, leider die Zeit erfüllt, wo die Menschen nach dem Ausspruche des Apostels von der Wahrheit zu allerlei menschlichem Tande sich wenden würden, und darum thue Einhalt dringlichst Noth; die Predigt

solent. Desinant nobis obtrudere Paulum Tharsensem, quod dicat: fugite fornicationem. Urbanus fornicarius non est: quamvis virgines maritatasque cupidissime futuat: ad unguem doctus clinopalen et amatoriam militiam' u. s. w. Frankfurter Coder fol. 81. Vergl. auch Strauß 1, 336. Ein obscönes Gedicht Mutian's findet sich im Frankfurter Coder fol. 92.

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