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seiner Führung wurde alle alte Religion abgethan; alle Kirchenzier, Altäre, Bilder, Tafel mit großem Ungestüm zerrissen und zerschlagen; die Priesterschaft verjagt. Seine Anhänger rühmten, Hubmaier käme,aus Ordinirung und sonderlicher Schickung Gottes, und der neue Nath der Stadt glaubte keine Ungnade verdient zu haben von dem städtischen Oberherrn, Erzherzog Ferdinand, denn er habe nur das Wort Gottes verkünden lassen. Daß ihr wollet anziehen,' schrieb am 3. October 1524 der Nath von Freiburg im Breisgau an die Waldshuter, ihr hättet nicht Anders gehandelt, denn das ihr das Wort Gottes verkünden lasset, das wird euch bei fürstlicher Durchlaucht und nirgendwo gnädigen und guten Willen bringen können, in Ansehung, daß euch euer Pfaff weit ab= geführt und unterstanden hat, unerlaubt aller Obrigkeit in den verdammten husitischen, kezerischen Glauben ganz zu bringen, und in alle Ungehorsam zu führen. Dem habt ihr gefolgt und ihn über alle Gebot und Warnung enthalten. Solltet ihr dann vermeinen, daß ihr daran nicht Unrecht ge= than hattet, so möchten fürstliche Durchlaucht und ihr Negiment und gehorsamen Unterthanen gedenken und dafür achten, ihr hieltet sie für Verdrücker des Gotteswortes. Darum stehet ab und geschweiget das mit Worten und Geschriften; denn ihr habt des keinen Fug. Ihr möget auch erachten: sollt es in unserm heiligen Glauben also gelten, daß wir einem jeden ausgelaufenen, vertriebenen Mönch oder Pfaffen Glauben geben, die heilige Schrift seines Gefallens auszulegen und der alten auch heiligen Concilien Beschlüsse und Sagungen auszutreiben, so müßten wir doch alle Tage ein Neues vor Handen nehmen und könnten nicht reden noch sagen, daß wir einen beständigen christlichen Glauben hätten. Das nehmt zu Herzen und bleibet bei den alten Sazungen der christlichen Kirche.‘1

Die allgemeine Verwirrung auf religiösem Gebiete war für Luther eine schwere Prüfung. Mit einer Zuversicht und einem Siegesgefühle sonder Gleichen hatte er so oft verkündet, daß er sein Evangelium vom Himmel erhalten habe und Niemanden, nicht einmal die Engel, darüber wolle richten lassen; daß sein Mund Christi Mund sei und wer seine Lehre nicht annehme, nicht selig werden könne 2. Jezt sah er unter denen, welche, seinem Beispiele folgend, von der Kirche abgefallen, allenthalben Evangelisten auftauchen mit einem neuen Evangelium. Auch diese Evangelisten beriefen sich, ihn und seine Lehre anfeindend und bekämpfend, auf eine ihnen zu Theil gewordene höhere, göttliche Mission. Schon im Anfange des Jahres 1525 war es so weit gekommen, daß Luther sich zu dem Bekenntnisse ge=

1 Vei Schreiber, Bauerukrieg 1, 100-101.
2 Vergl. oben S. 80. 82. 203. 219. 223.

nöthigt sah: Dieser will keine Taufe haben, Jener leugnet das Sacrament; ein Anderer setzt noch eine Welt zwischen dieser und dem jüngsten Tage. Etliche Lehren: Christus sei nicht Gott; Etliche sagen dieß, Etliche das, und schier sind so viel Secten und Glauben als Köpfe. Kein Rülze ist jetzt so grob, wenn ihm etwas träumet oder dünket, so muß der Heilige Geist ihm eingegeben haben und will ein Prophet sein.‘1

Zustände religiöser Anarchie, wie sie in einem großen Theile des Reiches vorherrschend geworden, hatten ernste Beobachter seit Jahren aus der von Luther heraufbeschworenen Bewegung vorhergesagt: aus Deutschland, klagten sie, werde ein zweites Böhmen werden, denn dieselben Lehren, welche im fünfzehnten Jahrhundert Johannes Hus in Böhmen verkündigt, würden jetzt durch Luther verbreitet 2.

Noch im Jahre 1519 hatte Luther erklärt, daß er mit Hus keine Gemeinschaft habe und in Ewigkeit kein Schisma billigen werde; daß die Husiten übel gehandelt durch ihre Trennung von der Einheit des römischen. Stuhles 3. Bald darauf aber betheuerte er, zur Erkenntniß gekommen zu sein, daß er ein Husite sei und Alles lehre, was Hus gelehrt habe: Hus habe bereits die rechte evangelische Wahrheit gepredigt, diese aber sei auf dem Concile zu Costniß verdammt worden; an Stelle des Evangeliums habe man dort die Lehren des höllischen Drachen' aufgesezt 4. Nach dem Vorgange von Hus und der Hujiten verwarf er die Autorität des apostolischen Stuhles, die Autorität der allgemeinen Concilien, die ganze hierarchische Ordnung und viele der wichtigsten Grunddogmen der Kirche. Wie ,die böhmischen Brüder' stellte er die heilige Schrift als einzige Erkenntnißquelle des Glaubens hin, hob, wie diese, den Unterschied zwischen Priestern und Laien auf und lehrte das allgemeine Priesterthum sämmtlicher Christen, bezeichnete den Papst als den wahren Antichrist und die ganze alte Kirche mit ihren Lehren und Anstalten, mit ihrer Verfassung, ihren Gesetzen, Rechten und Gewohnheiten als eine Ausgeburt der Hölle 5. Was in Folge

1 Brief an die Christen zu Antwerpen aus dem Anfang des Jahres 1525 bei de Wette 3, 61.

2 Vergl. oben die Aussprüche von Emser, Murner, Aleander, Usingen und Herzog Georg von Sachsen S. 108-110. 128-129. 152. 192. 206. 215.

3 Vergl. oben S. 85-86.

4 Vergl. oben S. 87-88.

5 Daß der Papst der Antichrist sel, hatte zuerst Wiclef gelehrt. Dieser sagte wiederholt über den Papst: .... homo peccati antichristus insignis loquitur, quod sit summus Christi vicarius. Kein Mensch auf Erden sei zum Antichrist und Statthalter

aller dieser Säße früher in Böhmen eingetreten, nämlich jene,ungeheure Ungebundenheit in der Religion', von der Augenzeugen im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts berichteten, mußte nothwendig auch in Deutschland eintreten. Wie Luther im Jahre 1525 über Deutschland schrieb, es seien jezt schier so viel Secten und Glauben als Köpfe vorhanden, so hatte ähnlich im Jahre 1502 Bohuslav Hassenstein über Böhmen geschrieben, es gäbe dort Glaubensmeinungen und Secten ohne Zahl: Wiclefiten und Picarden, Läugner der Gottheit Christi, Läugner der Hölle, Läugner der Unsterblichkeit der Seele, Leute, welche jeden Glauben zur Seligkeit für gleich geeignet hielten; Greise und Knaben, Männer und Frauen träten als Erklärer der heiligen Schrift auf und seien mit einander in Streit über Glaubensjachen 1.

Nachdem die angestammte kirchliche Autorität untergraben worden, hatte, wie damals in Böhmen, so jetzt in Deutschland, Nichts mehr festen Bestand in den Gedanken und Herzen des Volkes.

Auch auf socialem Gebiete wurde erst in Böhmen, dann in Deutschland die ganze bestehende Ordnung erschüttert durch die Predigt husitischer Grundsäge.

Satans geeigneter, als der Papst; ...,ut sit vicarius principalis Satanae et praecipuus Antichristus' u. s. w. Selbst in seinen Predigten seyte Wiclef den Namen Antichrist ohne Weiteres an die Stelle des päpstlichen Namens. Vergl. Lechler 1, 583 bis 584. 601 Note 3. Die Beziehungen zwischen Wiclef, Hus und Luther werden in einem husitischen Cantionale der Stadt Prag bildlich so dargestellt: oben steht Wiclef, wie er Feuer schlägt, unter ihm hus, wie er die Kohle anzündet, noch tiefer unten Luther, eine leuchtende Fackel schwingend. Vergl. Lechler 2, 285 Note 2.

1 Vergl. unsere Angaben Bd. 1, 601.

Drittes Buch.

Die sociale Revolution.

I. Einwirkung der socialen Grundsätze der Husten · Vorspiele der socialen Revolution.

Auf Johannes Hus und seine Anhänger, sagt ein Zeitgenosse der socialen Revolution des sechzehnten Jahrhunderts, lassen sich fast alle jene falschen Grundsätze über die Gewalt geistlicher und weltlicher Obrigkeit und über den Besitz irdischer Güter und Rechte zurückführen, welche, wie früher in Böhmen, so jezt bei uns Aufruhr und Empörung, Naub, Brand und Mord und die schwerste Erschütterung des ganzen Gemeinwesens hervorgerufen haben. Das Gift dieser falschen Säße fließt schon seit langer Zeit aus Böhmen nach Deutschland, und wird überall, wohin es sich verbreitet, dieselben verheerenden Wirkungen ausüben.'1

Johannes Hus hatte alle geistliche und staatliche Gewalt in Frage gestellt durch seinen Satz, daß kein Mensch, welcher eine Todsünde begangen habe, ein Bischof, Prälat oder weltlicher Herr sein könne,,weil dann seine weltliche oder geistliche Herrschaft, sein Amt und seine Würde nicht von Gott gebilligt werde'. Das Urtheil hierüber fiel ‚dem gläubigen Volk“ an= heim. Hus hatte ferner der ganzen gesellschaftlichen Ordnung den Krieg erklärt durch die Behauptung, alle Diejenigen, welche ihren Besitz gegen göttliches Gebot verwalten und gebrauchen, haben kein Recht an diesem Besitz', vielmehr ist der Besitz irgend eines Gutes von Seite eines Ungerechten und Gottlosen ein Diebstahl und ein Naub'. Er wendete diese Säße zunächst gegen den reichen Besitz der Geistlichkeit an, welcher, weil schlecht ge= braucht, nothwendig in die Hände der Weltlichen übergehen müsse. Der

1 Contra M. Lutherum et Lutheranismi fautores fol. 14.

Besitz des Clerus, sagte er, verschulde vorzugsweise die Unfreiheit des Bauernstandes und die Verarmung des Adels, der dann in Folge dieser Verarmung gezwungen werde zu Diebstahl, Raub und Bedrückung seiner Unterthanen. Die Kirchengüter, auch die durch Schenkung erworbenen, müßten darum in die Hände derjenigen zurückfallen, welche sie ehemals besessen; von Rechtswegen kämen sie den weltlichen Herren zu, deren Vorfahren in unüberlegter Freigebigkeit und zum Verderben der Seele gegen alle Gebote der heiligen Schrift die Geistlichkeit mit Gütern ausgestattet hätten. Durch solche Behauptungen gewann Hus einen großen Theil des Adels für sich. Er gewann aber auch den gemeinen Mann, indem er lehrte: die Güter der Geistlichkeit seien,Güter der Armen, durch welche diese ernährt werden sollten, und die Armuth sei überhaupt nur ein von Gott geduldetes Uebel, an welchem die Reichen Schuld trügen. Nur die Gläubigen' hätten Recht auf Besitz 1.

Welche Zustände die versuchte Durchführung dieser alle Rechts- und Besitzverhältnisse umstürzenden, alle niederen Leidenschaften der Besizlosen aufwühlenden Sätze hervorrief, trat in den Husitenkriegen furchtbar zu Tage. Ganz Böhmen wurde in den Revolutions- und Kriegsjahren in Feuer und Flammen gesetzt. Aus Handwerkern und Bauern, aus dem städtischen und ländlichen Proletariate sammelten sich zahlreiche Heere, jubelnd, daß endlich der Tag der Nache, von Gott gesendet, gekommen sei“, daß der Kampf,des auserwählten Volkes Gottes gegen die Philister' erneuert werde. Verflucht ist jeder Gläubige,' lautete der taboritische Grundsatz, ,der sein Schwert vom Blute der Widersacher Christi fern hält, er muß vielmehr seine Hände in ihrem Blute baden und heiligen. Wir wollen, erklärten Ziska und seine Anhänger in einer Kriegsordnung vom Jahre 1423,,alle Gottlosen mit Strafen verfolgen, peitschen, schlagen und erschlagen, köpfen, hängen, ersäufen, verbrennen und mit jeder Art von Nache,

1 Vergl. in Zöllner's Abhandlung zur Vorgeschichte des Vauernkriegs den Abschnitt: Das sociale Element in der husitischen Bewegung' 20-65. Johannes Hus und die böhmische Commune, im Katholik, Jahrg. 1873 S. 92-108. Hus entnahm seine Säße größtentheils aus den Schriften Wiclef's. Dieser lehrte, weltliche Herren seien nicht bloß berechtigt, sondern verpflichtet, der Kirche, wenn diese beharrlich fehle, ihre Güter zu nehmen, Klöster aufzuheben und das Klostergut einzuziehen. Auch seien sie befugt, Geistliche, welche der Religion Christi sich entfremdet, ihres Amtes zu entseßen. In Wiclef's evangelischem Zukunftsstaat sollte kein Privateigenthum vorhanden, sondern Alles Gemeingut sein.,... Tunc necessitaretur respublica redire ad politiam evangelicam, habens omnia in communi. Er gehe, sagte Wiclef, darauf aus, den Stand der Kirche auf die Anordnung Christi, in Gemäßheit seines Wortes, zurückzuführen, wobei er freilich nicht allein den Antichrist, das heißt den Papst, und dessen Jünger, sondern auch den Teufel und seine Engel wider sich habe. Vergl. Lechler 1, 597-598. 600-601.

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