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leuten ihr Gut abzudringen und die Widerseßlichen todt zu schlagen beabsichtigt. Während des Aufruhres hörte man das Geschrei: ‚,die Reichen müssen mit uns theilen; wir wollen einmal die großen Köpfe stechen, daß ihre Kutteln auf die Erde fallen müssen; jezt haben wir das Schwert in der Hand, jezt steht die Sonn in unserm Zeichen. Gräuel, wie sie im spätern Bauernkriege alltäglich begangen wurden, kamen aber nirgends vor 1.

1 Ueber den armen Konrad und dessen Ausgang vergl. v. Stälin 4, 95–116. S. 98, Note 3 ein Verzeichniß der Quellen. Ueber einen Bauernaufstand in der windischen Mark, in Steiermark, Kärnthen und Krain in den Jahren 1515 und 1516 vergl. die Mittheilungen von Chmel im Notizenblatt, Beilage zum Archiv für Kunde österreich. Geschichtsquellen 1, 111-112. Frank, deutsche Chronika 267. Ueber Bauernunruhen in einigen Gegenden Tyrols vom Januar bis Juli 1521 vergl. Höfler, Zur Kritik und Quellenkunde der ersten Regierungsjahre Carls V. Abth. 2, 12. Am 15. März 1521 wurde Ulrich Gebhard von Brauneggen zu Innspruck mit dem Schwerte gerichtet, be= sonders deßhalb,,daß er je vermaint ein aufruhr unter der paurschaft zu machen wider den adel'. Kirchmair's Denkwürdigkeiten in den Fontes rer. Austr. 1, 453.

II. Allgemeine Ursachen der socialen Revolution.

Die während des fünfzehnten und im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts stattgefundenen häufigen Aufstände zeigen deutlich, daß die große sociale Revolution, welche im Jahre 1525 fast alle Gebiete des Reiches von den Alpen bis an die Ostsee erschütterte, nicht erst durch die Predigten und Schriften der deutschen Religionsneuerer veranlaßt wurde. Auch ohne das Auftreten Luther's und seiner Anhänger würde, wie man schon im Jahre 1517 auf dem Mainzer Reichstage besorgte, das,unzufrieden und allenthalben schwierig gewordene Gemüth des gemeinen Mannes' in Stadt und Land neue Aufstände und Empörungen erregt haben. Aber ihren Charakter der Allgemeinheit und der ‚unmenschlichen Furchtbarkeit erhielt die sociale Revolution erst aus den durch die religiösen Wirren geschaffenen oder entwickelten Zuständen des Volkes. Seit dem Ansbruch dieser Wirren war, ähn lich wie ein Jahrhundert früher in Böhmen, alle angestammte kirchliche Autorität planmäßig im Volke untergraben worden und damit alle Autorität überhaupt auf das Tiefste geschädigt. Die blutigsten Brandund Lästerschriften gegen geistliche und weltliche Obrigkeit wurden zu Tausenden in's Volk geschleudert, schmeichelten den Gelüsten des natürlichen Menschen und opferten zügelloser Freiheit und Willkür alle Zucht und Sitte. Gleichzeitig wurde durch die Predigt' die allgemeine Aufwiegelung fast wie ein Gewerbe betrieben. Unter christlich klingenden Redensarten, mit Berufung auf die Bibel verkündeten,Stürmer ohne Zahl das Evangelium des Hasses und Neides, und von Jahr zu Jahr mehrten sich hinter den Wühlern die verheßten Massen. Nachdem einmal der Saß aufgestellt war, daß das Volk seit vielen Jahrhunderten von den geistlichen Oberen. absichtlich irregeführt und aus selbstsüchtigen Ursachen ausgebeutet worden, kam man nothwendig bald dahin, auch die gesammte bestehende weltliche, mit der kirchlichen damals auf das Jnnigste verwachsene Ordnung als eine auf bewußte Ausbeutung der niederen Volksklassen abzielende zu verschreien und deren Umsturz als ein Gebot der göttlichen Gerechtigkeit zu verlangen. Mit der ganzen christlichen Vergangenheit sollte gebrochen werden. Geschichtliche Rechte und Entwickelungen sollten auf staatlichem und gesellschaftlichem Gebiete so wenig wie auf kirchlichem berücksichtigt werden;

in förmlich organisirter Verschwörung wurde daran gearbeitet, durch Blut` und Trümmer das Unterst nach Oben zu kehren und Erdengüter und Erdenmacht' denen zuzuwenden, welche,bisher die Geringsten gewesen und Nichts gegolten. Es bedurfte keiner astrologischen Deutereien, um vorauszusehen, was Sebastian Brant den Deutschen verkündete:

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Als das allen Ständen, hoch und niedrig, gemeinstes, mit jedem Jahr böseres Uebel, aus dem Unzufriedenheit mit dem Stand, worin man geboren, Uebervortheilung des Nebenmenschen, Neid, Haß, Ungehorsamkeit, Aufruhr und Empörung' hervorgehen müsse, betrachteten alle ernsten Beobachter der Zeit den wachsenden Lurus, die Genußsucht, die ‚in offenen Ta

1 Zarnce, Brant's Narrenschiff 161-162. Strobel, Narrenschiff 34-35. Die Prophezeiung ging auf das Jahr 1524, auf welches eine allgemeine Empörung und eine neue Sündflut voraus gesagt wurde. Nachdem etliche Jare her, sagt Lorenz Fries in seiner Geschichte des Bauernkrieges in Ostfranken 2—3, ‚von den trüben Wolfen gottlicher Verhenknus, die sich aus den manigveltigen dicken Nebeln und gein Himmel aufsteigenden Tempfen unsers suntlichen, schäntlichen Lebens hie uf Erden ufgezogen und versamlet, vil ergerliche sträfliche Leren und Opinionen gereget hatten, floßen in den Tälen bey dem gemeinen Manne die Wasser zusamen und namen durch hinlessig Zusehen der Prediger und Oberhand merklich zu, wuchsen auch zum leßten dahin, das si in dem Jare nach der Geburt unsers lieben Herren 1525 mit großer Ungestim ausbrachen, die alten und hohen Gebeue der Obrikait gewaltiglich umbrissen, auch sunst den Menschen, Vihe und Gutern merklichen, unwiederbringlichen Schaden thäten. Das was die erschrockenlich Sindfluß, darvon die Astronomi und Erfarnen des Himelslauf lang Zent here, ehe sich die zugetragen, geweysagt haben, ain erbermliche und jämerliche Sindfluß, nit des Wassers, darfür es die gemelten Astronomi und Sternseher geachtet haben, sonder ain Sindfluß des Blutes. Vergl. auch Knebel's Donauwörther Chronik bei Baumann, Quellen 249.

bernen und auf Festen und Banketten oft wahrhaft viehische Trunkenheit und Schwelgerei“ 1.

Der Lurus wurde das fressend Gift in Stadt und Land, unter Edlen und Unedlen, Handwerkern und Bauern'. ‚Es ist ziemlich und gebührlich,‘ sagten, die Aussprüche früherer Reichstage wiederholend, die im Jahr 1524 in Nürnberg versammelten Stände, daß ein Jeder seinem Stand nach durch måßige und unterscheidliche Kleidung und Geschmuck von den Fremden erkannt und geehrt werden möge. Darin aber wird dieser Zeit der Widersinn gehalten, also daß viel Leut von geringer Geburt sich mit Kleidung und Geschmuck viel köstlicher halten, denn die, die viel mehreren Standes sind. Bei unseren Eltern in deutscher Nation ist solche üppige Köstlichkeit nicht vorgekommen, sondern in kurzen neulichen Jahren also eingebrochen.' Mit jedem Jahre verschlimmere sich das Unwesen: der Lurus sämmtlicher fremden Völker sei eingeschleppt worden; die Kleider seien nicht bloß überköstlich, sondern sie würden auch schier alle Jahr verneuert und verändert'; dazu komme,überschwängliche Köstlichkeit im Essen und Trinken'. Das Alles gereiche dem Lande zu,mördlichem Schaden, Nachtheil und Verderben', immer beschwerlicher erfinde man die Minderung des Geldes und Goldes in hochdeutschen Landen'. Kurfürsten und Fürsten sollten an ihren Höfen bei dem Adel und ihrem weiblichen Hofstaate solchen Ueberfluß in Kleidung, Juwelen und Geschmeiden abschaffen, darüber auch mit ihrem Lehens- und Dienstadel gute Ordnung berathen und beschließen. Für die Bürger, Handwerker und Bauern sollten neue eigene Kleiderordnungen ge= macht werden, und damit diese ausgeführt würden, sollte Jeder aus dem Volke das Recht haben, den Uebertreter bei dessen ordentlichem Gerichtsstande zu belangen, und für sich erhalten, was von dem Beklagten gesetzeswidrig getragen worden. Man würde sonst nicht im Stande sein, das immer weiter um sich fressende Uebel auszureuten. Wie der Lurus in Kleidung, in Essen und Trinken, jo nehme auch die Verwilderung des Volkes zu in Gotteslästerung, Fluchen und Schwören; die Uebelthäter müßten von der Obrigkeit am Leben oder durch Abhauung der Glieder bestraft werden. Um der Völlerei entgegenzutreten, müsse man das Geseß erlassen, daß die in der Trunkenheit begangenen Verbrechen stärker bestraft würden, als andere. Der ständische Ausschuß, der über diese Luxus- und Sittengesetze verhandelte, machte mit Recht darauf aufmerksam, daß bei „den Gliedern und Unterthanen eine Besserung nur erreicht werden könne, wenn die Häupter selbst in ihren Ausschweifungen sich besserten' 2.

1 Glos und Comment auf LXXX Artickeln Bl. E.

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In den Frankfurter Reichstagsacten 39 fol. 7-18. Die Verhandlungen über ,Beschwerung, die auß Costlichait der Klayder volgen', auf dem Reichstage zu Worms 1521,

Aber gerade von den Häuptern, geistlichen und weltlichen, ging das Uebel aus. Man hört, daß die Fürsten und Herren und die edel Nitterschaft, heißt es in einer Klageschrift vom Jahre 1523, ,auf den Neichstägen, anderen Zusammenkünften und an ihren Höfen in überköstlicher Kleidung, Sammt, Seide, Damast, Perlen und Straußfedern, in überschwenglichem Bankettiren einer den andern übertreffen suchen, ich geschweige gemeiner Laster und des wüthigen Spieles um Geld. Die Spielwuth galt,als besonder Vergnügung und Ehr großer Herren' und Spielschulden waren ihnen schier allen gemein'. So verspielte beispielsweise der Deutschordenshochmeister Albrecht von Brandenburg auf dem Nürnberger Reichstage die nach damaligem Geldwerthe ungeheure Summe von sechshundert Goldgulden und Markgraf Casimir von Brandenburg brachte seine Spielschulden auf fast fünfzigtausend Gulden 2. Reiche Kaufleute und Großunternehmer blieben hinter den Fürsten nicht zurück, vielmehr prunkten,sie noch höher als diese'. So wurde einem Sohne und Schwiegersohne des Augsburger Banquiers Höchstetter nachgesagt, sie hätten auf einer Nacht in einem Bankett lassen aufgehen und verthan fünftausend oder zehntausend Gulden und auf einmal zehntausend bis zwanzig und dreißigtausend Gulden verspielt 3.

Die niederen Stände nahmen sich die höheren zum Muster. „Hantwerker und Bauern, Knecht und Viehmägd wenden ihr Geld an köstlich Kleidung und Geschmuck und wollen als Edelherren und Edelfrauen stolziren und was sie übrig hant, geet in den Wirthshüsern durch den Hals; insonderheit die jungen Bauern übernehmen sich, als offen am Tage liegt, in Puß und Trunk; und wird es damit mit jedem Jahre böser, daß Gottes Straf nit ausbleiben kann. 4,Niemand, klagte ein Dichter:

,Niemandts me halten wil sin Stot,
Der Bur dem Edelmann glich got.'

Wie die Landjunker und ihre Frauen kleideten sich Bauern und Bäuerinnen in Sammt und Seide, trugen goldene Ketten und übertrafen oft Adel und Städter in ,vil Zehrungen, vil Schleck, vil Spiel'. ‚Die richen Buren wollten ,es den Edelleuten zuvor thun und zeigen, daß sie mer Gelt hant, denn sie'; sie achteten darumb auch keinen Adel mehr und wollten von Diensten und Frohnden nichts mehr wissen'. Je mehr

Reichstagsacten 34 fol. 252-270. Ueber Gotteslästerung und Gottesschwüre fol. 274 bis 276. Vergl. Buchholz 2, 41-43.

1 Clag eines einfeltig Klosterbruders Bl. F.

2

Voigt, Preuß. Gesch. 9, 743. Droysen, Preuß. Politik 2 b, 456.

3 Bericht Clemens Sender's bei Greiff, Rem's Tagebuch 95-96.

• Clag eines einfeltig Klosterbruders Bl. F.

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