ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

der Adel verarmte, desto höher stieg das Selbstgefühl und der Uebermuth der wohlhabenden Bauern. Wenn im Dorf Hochzeit war oder Kindtauf oder Kirchweih, dann gings offten mit Kleiderprunken, Essen und Trinken viel köstlicher als auf dem Schloß, wo der verarmte Edelmann saß und wenig Zehrung hatte. So verkauft oder versezt denn der nit selten ein Stück Land nach dem andern, um auch bei Gelegenheit köstlich Zehrung zu halten und für Weib und Töchter köstlich Kleider und Geschmuck zu kaufen. Ich kenne Bauern,' schrieb Wimpheling, ‚die bei der Hochzeit von Söhnen oder Töchtern, oder bei Kindtaufen so viel Aufwand machen, daß man dafür ein Haus und ein Ackergütchen nebst einem kleinen Weinberg kaufen könnte. Schlemmerei und Trunk' stürzte,viele Bauern in Schulden, davon sie sich nit mehr erholen konnten. Schon Thomas Murner sagte in seiner Narrenbeschwörung von den Bauern:

[ocr errors]
[ocr errors]

Im Würzhuß sizens Tag und Nacht

Und hont ir Arbeit nimmer Acht.

Sie verspielent und verzeren

Mer dann ir Pflug in mag erneren,

Wer mir deß nit glauben wolt,

Der selb im Würzhuß sehen solt

Die Ringlin an der Wand geschrieben,
Die Cruz sind all uff Borg beliben,
Dann verkouffen sy mit List

Ir Frucht, die noch nit gewachsen ist.“ 2

Saufen, fressen, geistlich und weltlich Oberkeit schumphiren,' schrieb ein anderer Satiriker, ist jeßund Sache eines rechten jungen Buren worden, der do wol sprechen soll:

„Ich muß in köstlich Kleidern gan,
Dann bin ich Bur ein Edelman,
Muß saufen auch als vil ich kan,

Muß fluchen, schwören, tapfer liegen,

Mit Gwicht und Maß die Städt betriegen,
Nit minder spielen umb groß Geld:

So will es jepund alle Welt.
Muß über Glauben disputiren,
Und evangelisch Lehr hantieren,

Und Pfaffen schimpfen für und für

Im Wirzhuß stracks bei Wein und Bier. 3

1 Vergl. unsere Angaben Bd. 1, 370–371. 463 und oben S. 230. Bensen, Bauernkrieg 29-31.

2 Narrenbeschwörung Bl. x1. Vergl. unsere Angaben über den Lurus und die Schlemmereien der Bauern Bd. 1, 303–306. 372-373.

3 Dem von uns aus der Fuldaer Franciscanerbibliothek benußten Exemplar der

In den Tabernen und Badstuben verhandeln die Gemeinen aus dem Volk alle Ding. Da sizen sie beim Gesuff und Gefräß und Spil und wollen Alles regiern. Da wissen Buren, Schneider, Schuster und andere vom Handwerk und Gesellen aller Art, welchen Glauben man verfechten sollt, jeder weiß am besten, wie Papst und Bischöfe, Kaiser und Fürsten handeln sollen; schimpfiren alle Welt und thuent, als läge ihn Alles auf dem Nacken und hätten sie für Alles zu sorgen. Nur was ihres Gewerbs und Hantwerks ist, besorgen sie nit, und weiß Frau und Kind darüber wohl zu klagen1. Und lernen die Jungen frühe von den Alten den Müßiggang, Unmäßigkeit und andere Laster.'

(2

Die lautesten Klagen über die Verwilderung des Volkes, insbesondere der heranwachsenden Jugend, erhob Luther. Beim Beginne seines Auftretens hatte er wiederholt die zuversichtliche Erwartung ausgesprochen, daß sein Evangelium auf das religiöse und sittliche Leben aller derer, die dasselbe bereitwillig und gläubig aufnähmen, gute Wirkungen ausüben würde. Aber bitter enttäuscht mußte er später eingestehen: Unsere Evangelischen werden siebenmal ärger, denn sie zuvor gewesen. Denn nachdem wir das Evangelium gelernt haben, so stehlen, lügen, trügen, fressen und saufen wir, und treiben allerlei Laster. Er habe die rechte, lautere Lehre des Evangeliums, aber er size,mitten in Sodoma und Gomorra und Babylonien', schrieb er im Jahre 1523, und wisse keinen so feinen, züchtigen

Lucubrationes theologicae sind in einer Handschrift des 16. Jahrhunderts drei Blätter beigeschrieben, welche obige Stellen enthalten, und noch weitere Verse ‚von den Dorfpfaffen, ‚vom gemeinen Povel' u. s. w. Wir theilen diese unten mit. Das lezte Blatt bricht ab mit einigen Säßen aus den Schlußworten der deutschen Schrift von Cochläus über den Bauernkrieg.

1 Die politischen Kannegießer werden schon von Thomas Murner treffend ge= zeichnet in der Schelmenzunft XXV Von Reichstätten reden:

,Mancher will als richten auß

Was in dem Reich ist und darauß,
Wie das Römisch Reich bestand

Mit teutschem und mit wälschem Land ..
Der Tag und Nacht hat große Sorgen,
Wem die Venediger Gelt erborgen,
Und wie sie es wöllen widergeben,

Und wie der Papst hält Hauß darneben,
Und wie des Römischen Königs Pund

Der Franzos nit halten kund,

Und nimpt sich vil des Königs an

Der im nye fain Befelh hat than,

Der mag wol sein ein Geugkelman' u. s. w.

2 Glos und Comment auf LXXX Artickeln Bl. G.

Wandel äußerlich anzurichten', wie ein solcher, nach dem was er höre, bei den Waldensern vorhanden, daß man nicht so schwelgt, frißt und säuft, flucht und schwöret, pranget und öffentlich übel thut, wie bei uns1. ‚Alz ich noch jung war, gedenke ich, daß der mehrere Theil, auch aus den Reichen, Wasser tranken, und die allerschlechteste Speise, und die leicht zu überkommen war, Etliche huben auch kaum in ihrem dreißigsten Jahre an Wein zu trinken. Jezund gewöhnt man auch die Kinder zu Wein, und zwar nicht zu schlechten und geringen, sondern zu starken und ausländischen Weinen, auch wol zu distillirten oder gebrannten Weinen, die man nüchtern trinkt. Wie eine Sündflut, sagt er an einer andern Stelle, sei die Trunkenheit eingerissen und habe Alles überschwemmt. Sie sei,ganz ein gemeiner Landbrauch worden, und nicht mehr allein unter dem groben, gemeinen, ungezogenen Pöbel, auf den Dörfern unter den Bauern und in offenen Tabernen, sondern in allen Städten und schier in allen Häusern, und sonderlich auch unter dem Adel und zu Fürstenhöfen. Ich gedenke, da ich jung war, daß es unter dem Adel eine treffliche große Schande war, und daß löbliche Herren und Fürsten mit ernstlichem Verbot und Strafen wehrten. Aber nun ist es unter ihnen viel ärger und mehr denn unter den Bauern', ,bis es dahin kommen ist, daß auch Fürsten und Herren selbs von ihren Jungherren solches gelernt, und sich nun nicht mehr deß schämen, und schier will eine Ehre und fürstliche, adelige, bürgerliche Tugend heißen; und wer nicht mit ihnen eine volle Sau sein will, der wird verachtet. Ja, was sollt mehr hie zu wehren sein, weil es auch unter die Jugend ohne Scheu und Scham eingerissen, die von den Alten solches lernet und sich darinnen so schändlich, muthwillig, ungewehret, in ihrer ersten Blüth verderbt, wie das Korn vom Hagel und Plazregen geschlagen, daß jezt das mehrer Theil unter den feinesten, geschicktesten jungen Leuten, sonderlich unter dem Adel und zu Hofe vor der Zeit und ehe sie recht zu ihren Jahren kommen, sich selbs um Gesundheit, Leib und Leben bringen. Und wie kann es anders zugehen, wo die, so andern wehren und strafen sollen, selbs solchs thun."2

Aehnliche Klagen wie Luther erhob auch Erasmus über die unter dem Einfluß des neuen Evangeliums wachsende Zuchtlosigkeit und Verwilderung des Volkes. Unter dem Vorwande der evangelischen Freiheit,' schrieb er im Jahre 1523 einem Freunde, suchen die Einen unsinnige Licenz, ihren fleischlichen Lüsten zu dienen; Andere schielen nach den geistlichen Gütern; wieder Andere verschwenden tapfer das Ihrige durch Saufen, Huren und Spielen, indem sie sich mit dem Raube fremden Gutes trösten; endlich gibt

1 Sämmtl. Werke 28, 420 und 36, 411. 300.

2 Sämmtl. Werke 8, 293–297; ferner 18, 350 und 20, 273.

es auch Solche, deren Sachen so stehen, daß die Ruhe ihnen Gefahr bringt." Stärker noch drückte er sich im Jahre 1524 in mehreren Briefen aus. ,Unter dem Vorwande des Evangeliums sehe ich ein neues freches, unverschämtes, unbändiges Geschlecht heranwachsen.' ‚Alle haben die fünf Worte im Munde: Evangelium, Gottes Wort, Glaube, Christus, Geist, aber ich sehe Viele sich so aufführen, daß ich nicht zweifele, sie seien vom Teufel besessen. Das neue Evangelium zeigt uns nun auch eine neue Menschengattung, zeugt Troßige, Unverschämte, Falsche, Lästerer, Lügner, unter sich Uneinige, Nichtsnußige, Allen Schädliche, Aufwiegler, Rasende, Zänker und Stänker. Einst machte das Evangelium, sagt er in einem Briefe an Melanchthon,,die Wilden sanft, die Räuberischen wohlthätig, die Händelsüchtigen friedfertig, die Fluchenden verwandelten sich in Segnende. Diese aber, die Anhänger des neuen Evangeliums, werden wie besessen, stehlen fremdes Gut, fangen allenthalben Aufruhr an, reden auch den Wohlverdienten Böses nach. Ich sehe neue Heuchler, neue Tyrannen, aber nicht einen Funken evangelischen Geistes.' ‚Die öffentlichen Gebete sind verworfen,' schreibt er anderwärts, ,jezt betet eine große Menge gar nicht mehr. Die Messe ist beseitigt, aber Besseres ist nicht an ihre Stelle getreten. Der größte Theil der Predigten besteht in Schmähungen über das Leben der Priester, und in Wahrheit sind die Predigten mehr zur Erregung von Aufruhr, als zur Erweckung der Frömmigkeit geeignet. Die Beicht ist abgeschafft, nun beichten die Meisten nicht einmal mehr Gott. Fasten und Abstinenzgebote sind abgekommen, inzwischen aber ergibt man sich dem Trunke. Die Ceremonien sind mit Füßen getreten, aber ohne Gewinn für den Geist, der vielmehr meines Erachtens wesentlichen Abbruch erlitten hat. Welche Aufstände erregt von Zeit zu Zeit jenes evangelische Volk! Wie oft greift es wegen der geringfügigsten Ursachen zu den Waffen! Nicht einmal ihren eigenen Geistlichen gehorchen sie, wenn sie nicht ihren Ohren schmeicheln, vielmehr müssen diese gewärtigen, sofort weggejagt zu werden, sobald sie mit einigem Freimuthe das Leben ihrer Zuhörer tadeln. Während sie Niemand lieben als sich, während sie weder Gott, noch den Bischöfen, noch den Fürsten und Obrigkeiten gehorchen, während sie dem Mammon, dem Bauche und der schnöden Lust fröhnen, wollen sie für evangelisch gehalten sein, und berufen sich auf Luther als ihren Lehrer und Meister. Luther predigt überall den Glauben, und wo ist dieser? Wir sehen bei den Meisten nur Werke des Fleisches, keine Spur des Geistes. Schließlich behauptete er sogar: Die Meisten unter ihnen sind Leute, die Nichts zu verlieren haben, Bankerottirer, Flüchtige, abtrünnige Mönche und Priester, Menschen, die nach Neuerungen und Ungebundenheit lüstern sind, unreife junge Leute, gedankenlose Weiber, Taglöhner, charakterloses Volk, Abenteurer, Soldaten, auch manche durch ihre Verbrechen Gebrandmarkte. Ich sehe,' schrieb er im Jahre 1524 in einem

Briefe an Luther, daß diese Neuerungen viele verdorbene und aufrührerische Leute erzeugen und fürchte einen blutigen Aufstand" 1.

[ocr errors]

In Folge des in allen Ständen zunehmenden Lurus in Kleidung und Nahrung hatte sich in den Städten immer mehr der Großwucher ausgebildet, den insbesondere die Handelsgesellschaften betrieben. Sie vorzugsweise zogen Nugen aus dem Grundübel der Zeit, indem sie den Handel mit den ausländischen Luruswaaren fast allein in Händen hatten, die Preise dieser Waaren nach Willkür festsetzten, und binnen wenigen Jahren auf das Doppelte und noch höher hinauftrieben. Wegen der unleidlichen und bösen Beschwerung, so aus den großen Gesellschaften komme', erklärte ein von den Ständen auf dem Nürnberger Reichstage vom Jahre 1523 ge= wählter Ausschuß, seien in etlichen Städten Empörungen des gemeinen Mannes entstanden und noch größere seien zu besorgen, wenn nicht Abwendung geschehe'. Aus den jährlichen Kaufzetteln und Verzeichnissen der Kaufleute selbst legte der Ausschuß dem Reichstage tabellarische Angaben vor über die ungeheuere Masse der von den Gesellschaften eingeführten. fremden Waaren, und über die fortwährend steigenden Preise derselben. Alljährlich führe man, abgesehen von Allem was aus Venedig komme, aus Lissabon allein sechsunddreißigtausend Centner Pfeffer, vierundzwanzigtausend Centner Zimmt, tausend Ballen Safran ein. Ein Pfund Safran, welches im Jahre 1516 zwei und einen halben Gulden und sechs Kreuzer gekostet, koste jezt vier und einen halben Gulden und fünfzehn Kreuzer; das Pfund Pfeffer sei seit dem Jahre 1518 von achtzehn Kreuzern auf dreiunddreißig gestiegen, ein Pfund Galgant von einem halben Gulden oder sechsunddreißig Kreuzern auf einen Gulden fünfzehn Kreuzer; für einen Centner Zucker habe man im Jahre 1516 elf bis zwölf Gulden bezahlt, im Jahre 1518 bereits zwanzig Gulden; venediger Weinbärlein seien seit dem Jahre 1521 von fünf Gulden auf neun Gulden im Preise erhöht worden. Bei aller Vertheuerung würden die Waaren obendrein noch verfälscht 2.

Durch die Handels- und Aufkaufsgesellschaften, sagten die Grafen, Herren und Ritter in einer dem Reichstage im Jahre 1523 übergebenen Beschwerdeschrift, gerathe das deutsche Volk in Unrath und Verderben. Ez ist offenbar, klagten sie, wie die großen Kaufmannsgesellschaften in deutscher

[ocr errors]

1 Vergl. diese und noch andere Aussprüche des Erasmus über die Früchte des neuen Evangeliums bei Döllinger, Reformation 1, 6—18.

2 Die Gutachten und Tabellen im Frankfurter Archiv, Reichstagsacten 38 fol. 241-271. Die Angaben bei Ranke 2, 43-44 stimmen damit an vielen Stellen nicht. Janssen, deutsche Geschichte. II. 5. Abdruck.

27

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »