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Büchern, seien es gelehrte Werke oder religiöse Volksschriften, gibt es auch nicht ein einziges, worin nicht die Lehre von der Rechtfertigung durch Christus allein enthalten wäre. Aus feinem konnte Luther demnach seine irrige Ansichten über Werkheiligkeit und Selbstgerechtigkeit schöpfen.

Luther's selbstquälerischer Zustand fand auch, wie dieß überhaupt bei krankhaft skrupulösen Naturen der Fall, in dem Empfange des Bußsacramentes keine Linderung. Vergebens legte er zweimal in Erfurt eine Generalbeichte ab, vergebens suchte er in Rom durch eine neue Generalbeichte 1 Erleichterung seiner Qualen. Sein ganzes Wesen war so überspannt, daß es ihm in Rom, wie er in späteren Jahren schrieb, schier leid' that, daß seine Eltern noch nicht todt seien, da er sie gern mit seinen,Messen und anderen mehr trefflichen Werken und Gebeten aus dem Fegfeuer erlöset hätte. Er würde, versicherte er, um der Religion willen, ,der grausamste

sich halten sol bei einem sterbenden menschen'. 1482. Fac-simile avec une introduction par L. Dacheux. Paris-Francford 1878. Geiler gab diese freie Ueber= sebung von Gerson's Schrift De arte moriendi als eigene Broschüre für's Volk heraus, ‚es kost ein pfenning, das kauf', sagt er. Vergl. S. 7. Die Vorschriften der Synoden stimmen mit dem Gesagten vollständig überein. So schärft zum Beispiel die Baseler Synode vom Jahre 1503 den Priestern die Pflicht ein, jeden Gläubigen zu ermahnen, ,ut de peccatis doleat, omnem spem in merito passionis Christi ponat, in fide Christi et ecclesiae constans maneat . . . moneatur etiam, ne rem alienam scienter detineat, et ut omnibus amore Christi ex corde ignoscat'. Hartzheim, Concilia Germaniae 6, 29. Vergl. die Anweisung der Bamberger Synode von 1491 bei Hartzheim 5, 630.

1 Er selbst gibt die Ablegung einer Generalbeichte als Grund seiner im Jahre 1511 unternommenen Romreise an. Köstlin, Luther's Leben vor dem Ablaßßtreit 50, gegen Jürgens 2, 271. Daß Luther, wie oft behauptet wird, durch seinen Aufenthalt in Rom ein Feind des Papstthums geworden, ist unbegründet. Daß ihm die Verweltlichung des päpstlichen Hoses keineswegs gefiel, ist leicht erklärlich, und er wußte nach seinem Bruch mit der Kirche darüber und über die Sittenlosigkeit des italienischen Clerus Vieles zu erzählen, aber seine streng kirchliche Stellung gegenüber dem Oberhaupte der Christenheit blieb noch mehrere Jahre nach seiner Rückkehr aus Rom_unerschüttert. Der vom Herzog Georg von Sachsen gegen Luther erhobene Vorwurf, er sei dem Papste auf's Höchste Feind geworden, weil derselbe ihn ‚jenesmal zu Rom' nicht von der Kutte habe entbinden und Erlaubniß zur Verehelichung habe geben wollen, ferner weil er ihn nicht alsbald zu einem Bischof oder Cardinal mache' (vergl. das Citat bei Schnorr von Carolsfeld, Archiv für Literaturgesch. 4, 119), ist ohne Zweifel grundlos. Luther bekam in Italien auch viele günstige Eindrücke. Er freute sich der schönen, sauber eingerichteten Spitäler, welche christliche Wohlthätigkeit errichtet hatte und in welchen ehrbare Frauen freiwillig die Kranken verpflegten. Bei der Bevölkerung fand er besonders ihre Nüchternheit im Gegensaße zur deutschen Trunksucht lobenswerth. Auch äußerte er sich zufrieden mit dem wohlgeordneten Proceßgange der obersten päpst= lichen Behörde, vor welche die kirchlichen Rechtsfragen zu bringen waren. Vergl. Köstlin, Martin Luther 1, 101.

Todtschläger gewesen sein, wenn sich dazu eine Gelegenheit geboten hätte'. ,Ich wäre bereit gewesen,' sagt er, ,Alle, wenn ich gekonnt hätte, zu tödten, die dem Papste auch nur mit einer Silbe den Gehorsam verweigerten.‘1 Ein solcher Zustand mußte zu einem Rückschlag führen. Zu seiner innern Zerrissenheit und Gewissensfolter verfiel Luther allmählich aus einem Extrem in's andere. Hatte er bisher vermessen auf eigene Kraft vertraut und aus eigener Kraft frei von Sünden und selig werden wollen, so wollte er nunmehr ohne eigene Mitwirkung an der Rechtfertigung und Seligkeit sein Heil erreichen. Er fing an zu glauben, daß der Mensch in Folge der Erbsünde durch und durch böse geworden sei und keinen freien Willen besize, daß alles menschliche Thun, also auch das auf das Gute gerichtete, ein Ausfluß seines bösen Willens und demnach vor den Gerichten Gottes eigentlich nur Todsünde sei, der Mensch nur allein durch den Glauben selig werden könne. Indem wir, lehrte er, an Christus glauben, machen wir seine Verdienste zu unserem Eigenthum, ziehen das Kleid der Gerechtigkeit an, welches unsere ganze Schuld und stete Sündhaftigkeit zudeckt, und außerdem jeden Mangel menschlicher Gerechtigkeit in Ueberfluß ersezt; darum brauchen wir, wenn wir glauben, nicht mehr ängstlich im Gewissen besorgt zu sein. Wer mit festem Glauben an Jesus sich ergibt, dem sind um desselben Glaubens willen alle Sünden vergeben; er ist fromm und hat alle Gebote erfüllt, und ist frei von allen Dingen.'2

Diese neue Lehre von der Rechtfertigung allein durch den Glauben betrachtete Luther als den Alles beherrschenden Mittelpunkt und Hauptartikel des ganzen Christenthums; sie wurde für ihn das heilige Wort, die heilige Schrift, welche so lange unter der Bank verborgen gelegen'; er nannte sie kurzweg,das Evangelium', welches die einzige Arznei für die Rettung

1 Sämmtl. Werke 40, 284. Vergl. Kahnis 1, 149. 174.

2 Besonders bezeichnend sind folgende Stellen: Ita vides, quam dives sit homo christianus sive baptisatus, qui etiam volens non postest perdere salutem suam quantiscunque peccatis, nisi nolit credere. Nulla enim peccata eum possunt damnare, nisi sola incredulitas. Caetera omnia, si redeat vel stet fides in promissionem divinam baptisato factam, in momento absorbentur per eandem fidem.' ,Fides sola est pax conscientiae, infidelitas autem sola turbatio conscientiae. In der Schrift De Captivit. Babyl. Eccl., Op. latina 5, 59. 55. Am schroffsten spricht sich Luther in einem Briefe an Melanchthon aus am 1. August 1521: Esto peccator et pecca fortiter, sed fortius crede et gaude in Christo, qui victor est peccati, mortis et mundi: peccandum est, quam diu sumus. Vita haec non est habitatio justitiae, sed expectamus, ait Petrus, coelos novos et terram novam, in quibus justitia habitat. Sufficit, quod agnovimus per divitias gloriae Dei agnum, qui tollit peccatum mundi: ab hoc non avellet nos peccatum, etiamsi millies, millies uno die fornicemur aut occidamus. Putas, tam parvum esse pretium et redemtionem pro peccatis nostris factam in tanto ac tali agno? Bei de Wette 2, 37.

der Christenheit darbiete. Seine Lehre, schrieb er, enthalte das Evangelium so rein und lauter, fast als die Apostel gehabt haben, und heißet das Wort Evangelium nichts Anderes, denn eine neue gute fröhliche Botschaft oder Lehre und Predigt, die etwas verkündigt, das man herzlich gerne hört. Das muß nicht sein Gesetz oder Gebot, so da von uns fordert und treibt, und wo wir's nicht thun, mit Strafe oder Verdammniß dräuet, denn das hört Niemand gerne 1.

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Dieses neue Evangelium bildete sich bei Luther allmählich aus, seitdem er im Jahre 1508 auf Veranlassung seines Ordensprovincials Johann von Staupit vom Kurfürsten Friedrich von Sachsen als Professor der Philosophie an die im Jahre 1502 gegründete Universität Wittenberg berufen worden. Er widmete sich dort vorzugsweise theologischen Studien, empfing im Jahre 1512 die theologische Doctorwürde und hielt unter großem Beifall Vorlesungen über die paulinischen Briefe, insbesondere den Römerbrief, über die Psalmen und über den hl. Augustinus; auch als Prediger in der Stiftskirche gewann er gewaltigen Ruf. Dieser Bruder hat tiefe Augen, sagte Martin Pollich, der erste Nector der Wittenberger Universität, über Luther, er wird wundersame Phantasien haben. Schon mehrere Jahre vor dem Ausbruch des Ablaßstreites stand Luther mit seinen Anschauungen über Gnade, Rechtfertigung und Unfreiheit des menschlichen Willens außerhalb der Lehre der Kirche; schon im Jahre 1515 wurde er, wie sein Lobredner Mathesius berichtet, als Ketzer gescholten 3. Unsere Gerechtigkeit, sagte er in einer am zweiten Weihnachtstage 1515 gehaltenen Predigt, sei nur Sünde, Jeder müsse darum lediglich die von Christus dargebotene Gnade annehmen. Lerne, theurer Bruder, schrieb er am 7. April 1516 an den Augustiner Georg Spenlein in Memmingen, ,an dir selbst verzweifeln und zu sagen: Du, Herr Jesus, bist meine Gerechtigkeit, ich bin Deine Sünde 5. Du hast an= genommen, was mein ist und mir gegeben, was dein ist. Nur durch ihn, durch zuversichtliche Verzweiflung an dir und deinen Werken wirst du den Frieden finden; lerne überdieß von ihm, daß, wie er dich aufgenommen, deine

1 Vergl. diese und andere Aussprüche bei Döllinger, Reformation 3, 173–187. 2 Vergl. Köstlin, Martin Luther 1, 96.

3 Historien 9. Die entscheidende Wendung in Luther's Entwicklung scheint um 1513-1514 erfolgt zu sein. Er habe, schreibt er, ‚wohl drei Jahre in Wittenberg ge= predigt, bevor er seine Lehre ins Volk gebracht (Brief vom 16. Oct. 1523 bei de Wette 2, 422), in Predigten aber trug er sie schon im Anfang des Jahres 1517 vor. In Petri & Beeck Aquisgranum (Aquisgrani 1620) pag. 255 wird erzählt, Luther habe frühzeitig, bevor er öffentlich seine Lehre verbreitet, die Gewohnheit gehabt, in den Bibliotheken, die er besuchte, vorzugsweise kezerische Schriften zu studiren.

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Lutheri Op. latina 1, 57.

,... tu, Domine Jesu, es justitia mea, ego autem sum peccatum tuum."

Sünden zu den seinigen gemacht hat, er ebenso auch seine Gerechtigkeit zu der deinigen macht. Er war schon so fest überzeugt von der Wahrheit dieser Lehre, daß er ein Anathem hinzufügt. Verflucht sei, wer dieses nicht glaubt. In schroffster Form finden sich seine Säße in einer im September 1516 an der Universität gehaltenen Disputation, für die er sich den Vorsitz, welcher der Ordnung nach einem Andern gebührte, erbeten hatte. Es wurde in derselben unter anderen die These vertheidigt: der Mensch sündigt, wenn er thut, was an ihm ist, da er aus sich weder wollen, noch denken kann 2. In den neunundzwanzig Thesen, welche Luther im August 1517 für einen Doctoranten schrieb, lautet die vierte: Die Wahrheit ist, daß der Mensch, nachdem er ein fauler Baum geworden, nichts als Böses wollen und thun kann,' und die fünfte: ‚Es ist falsch, daß der freie Wille sich nach beiden Seiten hin entscheiden kann, vielmehr ist er fein freier, sondern ein gefangener Wille' 3. Auch in Predigten für's Volk fing er während der Fasten 1517 an seine Sätze zu verkündigen. Er ereiferte sich darin gegen die,unnüßen Schwäßer, die die ganze Christenheit voll geplodert haben und die armen Leut verführt mit ihren Lehren, von der Kanzel, wie man einen guten Willen, gute Meinung, guten Fürsaß habe und machen soll. Denn man soll frei daran verzweifeln, daß Jemand einen guten Willen, gute Meinung, guten Fürsaß haben oder machen möge. Wo kein Wille sei, da sei allein Gottes Wille der allerbeste."4

Schon im Juli 1517, drei Monate vor dem Beginn des Ablaßstreites, äußerte Herzog Georg von Sachsen seine Furcht vor den Wirkungen solcher Lehren auf das Volk. Als Luther am 25. Juli in Dresden in einer Predigt, die er auf Wunsch des Herzogs hielt, auseinanderseßte, daß die alleinige Ergreifung des Verdienstes Christi die Gewißheit der Seligkeit gebe, und Niemand, der nur den Glauben besize, an seiner Seligkeit zweifeln dürfe, da sagte der Herzog mehr als einmal über Tisch, nicht ohne scharfen Ernst: ,er wolle viel darum geben, wenn er diese Predigt nicht gehört, als welche das Volk nur sicher und ruchlos mache' 5.

Luther's Lehre, für die er Stützpunkte beim hl. Augustinus zu finden glaubte und die er darum sein,Augustinisches Bekenntniß' nannte, beherrschte

1 Bei de Wette 1, 16-18.

2,Homo, quando facit, quod in se est, peccat, cum nec velle nec cogitare ex se possit. Op. latina 1, 235.

3 Op. latina 1, 315. Luther war voller Spannung, was man wol auswärts zu so paradoren' Säßen sagen werde; man werde sie kakadore Säße nennen; uns, fügt er bei, können sie nur orthodore sein. Bei de Wette 1, 60–63.

Sämmtl. Werke 21, 192-193.

5 Vergl. Seidemann, Leipziger Disputation 4-5.

schon im Jahre 1516 die ganze Wittenberger Universität1. Verbreitung in Deutschland gewann sie seit dem 31. October 1517.

An diesem Tage schlug Luther auf Veranlassung der Ablaßpredigten des Dominicanermönches Johann Tezel an der Schloßkirche zu Wittenberg fünfundneunzig Thesen zum Zwecke einer Disputation über die Kraft des Ablasses an2. Tezel, ein beliebter Volksredner, war nämlich vom Erzbischof Albrecht von Mainz zum Untercommissar ernannt worden, um im nördlichen Deutschland den vom Papste Leo X. für den Bau der Peterskirche ausgeschriebenen Ablaß3 zu verkündigen; er predigte allenthalben unter großem Zulauf des Volkes. In der von ihm den Pfarrern und Beichtvätern zugestellten Instruction wurde den Gläubigen, welche des Ablasses theilhaftig werden wollten, die kirchliche Pflicht eingeschärft, zuvor zu beichten und die hl. Communion zu empfangen und am Tage vor der Beichte zu fasten; die Ablaßprediger wurden angehalten, ein ehrbares Leben zu führen, Wirthshäuser und verdächtigen Umgang zu meiden und keine unnüßen Ausgaben zu machen. Gleichwol kamen schwere Mißbräuche vor und das Auftreten der Prediger, die Art der Darbietung und Anpreisung des Ablasses erregten mancherlei Aergernisse 4.

Aber nicht vorzugsweise diese Mißbräuche waren es, welche Luther zu seinem Vorgehen gegen den Ablaß veranlaßten, sondern die Lehre von dem Ablaß selbst, überhaupt die seinen Anschauungen über Rechtfertigung und Unfreiheit des menschlichen Willens entgegenstehende kirchliche Lehre von den guten Werken. Christus, sagte er in seinen Fastenpredigten von 1517, seze ,die Genugthuung ins Herz,,also daß du nit darfst gen Rom, noch zu

1 Von dem Augustinischen Bekenntniß' spricht der Nürnberger Rechtsgelehrte Christoph Scheurl in einem Briefe an Luther vom 2. Januar 1517. Scheurl's Brief= buch 2, 1.,Theologia nostra et St. Augustinus,' schrieb Luther am 18. Mai 1517 an Joh. Lange,,prospere procedunt et regnant in nostra universitate Deo operante.' Bei de Wette 1, 57.

2 Mit Recht bemerkt Prantl, Universität Ingolstadt 1, 144 Note 5 :,Wer die damals allgemein üblichen Gebräuche der Universitäten und besonders der theologischen Facultäten betreffs der Disputationen kennt, findet in dem Anschlagen der DisputationsThesen an einer Kirchenthüre weder eine Merkwürdigkeit, noch eine kühne That.'

3 Vergl. oben S. 65.

* Vergl. Rohrbacher-Schulte, Universalgeschichte der katholischen Kirche (Münster 1873) 18-24. Sogar Hieronymus Emser spricht von der Schuld der geizigen Commissarien, Monich und Pfaffen, die so unverschämt davon (von dem Ablaß) gepredigt.. und mehr auffs Geld, dann auf Beicht, Reu und Leid gesezt.' Wider das unchristenliche Buch Luthers an den tewtschen Adel Bl. G 4. Cardinal Sadolet schreibt über die von Leo X. ertheilten Ablässe: quas ego indulgentias atque adeo potius indulgentiarum illarum ministros neque nunc defendo, et tunc cum decretae illae atque publicatae sunt, recordor me contradixisse' u. f. m. Sadoleti Opera (Moguntiae 1607) pag. 753.

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