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drittes Element das ruzov oder vuoɛidés (Muth oder Energie) ein, um eine vollständigere Parallele zwischen diesen Theilen der Seele und den drei Ständen seines Idealstaates (Beamtenstand, Wehrstand und Nährstand) zu gewinnen. So werthlos diese Parallele zu einer wirklichen Begründung seines ethischen Princips ist, so nützlich ist sie doch zur Illustration desselben: wie die richtige Verfassung und das vollkommene Leben des Staats auf der Harmonie der Stände beruht, so die Gerechtigkeit, unter welcher Platon die alle Specialtugenden unter sich befassende Eine Universaltugend versteht, auf der Harmonie der drei Theile der Seele, wohingegen die Laster aus Disharmonie der Seele, aus einem Ueberwuchern einseitiger Triebe entspringen.

Wie unzulänglich und verfehlt auch der platonische Eintheilungsversuch der Seelenvermögen befunden werden möge, so ist doch der Satz, dass eine gewisse Harmonie, ein Ebenmaass oder ein Gleichgewicht zwischen den Kräften des Geistes die psychologische Grundlage der Tugend sei, eine für alle Zeiten gültige Wahrheit. Alles was in der menschlichen Natur überhaupt je zu Tage getreten ist, oder noch zu Tage treten kann, das Erhabenste und Niedrigste, das Edelste und Gemeinste, Engels-Güte und Teufels-Bosheit, Humanität und Bestialität das alles liegt in jedem einzelnen Individuum ohne Ausnahme potentiell beschlossen, und es kommt nur darauf an, welche dieser Keime am stärksten zur Entfaltung drängen, oder welche durch äussere Umstände am meisten genährt werden. Es giebt nichts, wozu nicht jeder Mensch fähig wäre, d. h. wozu er nicht einen gewissen Trieb besässe, dessen Wirksamwerden nur davon abhängt, welches sein Stärkeverhältniss gegen die andern der Handlung widerstrebenden Triebe ist. Von dem gegenseitigen Stärkeverhältniss der Triebe (einschliesslich des Vernunfttriebes und seiner Besonderungen) hängt es also, abgesehen von den äusseren Umständen, allein ab, wie der Mensch handeln muss, und ob er sittlich oder unsittlich genannt wird. Stehen die Triebe in einem solchen Stärkeverhältniss, dass die Impulse zum Bösen stets durch hinreichende Erregung andrer Triebe paralysirt werden, dass hingegen die Motivation zum Guten nicht durch Miterregung entgegenwirkender Triebe überwogen wird, so wird das Gesammtresultat das sein, dass der Mensch sittlich ist; findet das umgekehrte Verhältniss statt, so ist er unsittlich.

Was hierbei besonders den Begriff der Harmonie bedeutungsvoll macht, ist der Umstand, dass das böse Handeln vorzugsweise durch das Uebergewicht eines einzelnen oder doch einer Combination von sehr wenigen Trieben zu Stande zu kommen pflegt, während der Widerstand gegen das Böse meist aus einem Zusammenwirken einer grösseren Anzahl von Trieben hervorgeht, deren jeder einzelne gewöhnlich viel zu schwach wäre, um den meist aus den mächtigsten und leidenschaftlichsten Trieben und zum Theil aus ihrer unmittelbaren sinnlichen Erregung entspringenden Antrieb zum Bösen zu überwinden. Dieses Zusammenwirken der zahlreichen durch das böse Handeln verletzten Triebe setzt nun eben ein allgemeines Zusammenstimmen derselben voraus, um durch den Gesammteffect das Gleichgewicht gegen die zum Bösen führenden Triebe herzustellen. Jeder Sieg der letzteren aber erscheint als eine Störung dieses psychischen Gleichgewichts, als ein vordringliches Heraustreten eines einzelnen Instruments aus der Harmonie des Orchesters, sei es dass dieses einseitige Ueberwuchern eines (innerhalb seiner Grenzen zwar berechtigten, über diese hinaus aber verwerflichen) Triebes zu einem einmaligen aber selten wiederholten Verbrechen führt, sei es dass die Disharmonie durch dauernde Wiederholung zur lasterhaften Anomalie verhärtet. Bietet das tägliche Leben die reichste Gelegenheit, um die Genesis des Lasters in der disharmonischen Ueberwucherung eines einseitigen Triebes zu studiren, so liefert die Geschichte, und in noch philosophischerer Gestalt die Dichtkunst, insbesondere in ihrer höchsten Gestalt als Tragödie, reichliches Material zur Erläuterung des Satzes, dass jede übermächtige Steigerung eines nach Alleinherrschaft in der Seele ringenden Triebes sich nach aussen hin als Zerstörung der gesellschaftlichen Ordnung projiciren muss, welche innerlich und äusserlich vernichtend auf das Haupt dessen zurückfällt, dem die innere Harmonie in solchem Grade abhanden gekommen ist. (Vgl. meine ,,Ges. Stud. u. Aufsätze" S. 300.)

Die Harmonie der Geistesanlagen ist der köstlichste Schatz, den der Mensch als Mitgift bei seiner Geburt von der Mutter Natur empfangen kann; wer sie besitzt, der findet sich in allen Lebenslagen zurecht und ist einer jeden gewachsen, weil stets die der Situation entsprechenden Triebe wachgerufen werden, weil er sich überall harmonisch benimmt, d. h. einheitlich in der durchgehenden Uebereinstimmung mit sich selbst, mannichfaltig in der steten Angemessenheit

an die zu bewältigenden Aufgaben, ebenmässig und abgerundet in der ausseren Erscheinung. *) Solche in sich harmonische Menschen verdienen die Bezeichnung der ,,schönen Seele"**), ein Ausdruck, der von einer romantischen Sentimentalität nur zu sehr um den Credit gebracht ist. Was die schönen Seelen" unsrer romantischen Periode erstrebten und in sich zu realisiren suchten, war in der That jene innere Harmonie der Seele; aber sie fingen die Sache am verkehrten Ende an, und verunstalteten das Maass von Harmonie, das ihnen die Natur geschenkt hatte, durch naturwidrige Hypersentimentalität. Diess ist aber das grade Gegentheil der natürlichen Harmonie, welche weit häufiger als unbewusst-naiver Besitz auftritt, als sie durch innere. Arbeit an sich selbst erworben wird. Die düftelnde psychologische Reflexion und eitle Selbstbespiegelung zerstört nur den naiven Besitz, ohne einen Ersatz dafür zu gewähren; insoweit die Harmonie erworben werden kann, pflegt dies nur durch die Schule schwerer Schicksale und ernster, selbstverläugnender nüchterner Arbeit zu geschehen, um als später, theuer erkaufter Siegerkranz eines mühereichen und entsagungsvollen Lebens dem resignirten friedlichen Alter die müden Schläfen zu kühlen.

Die Schwierigkeit, an der Harmonie der eignen Seele mitzuwirken, besteht nicht bloss in Bezug auf den Angriffspunkt zur Herbeiführung einer beabsichtigten Modification des Stärkeverhältnisses der Triebe, auch nicht bloss in Bezug auf die Selbsterkenntniss oder der Erkenntniss der thatsächlichen Stärkeverhältnisse der eignen Triebe (diese beiden Schwierigkeiten kehren nämlich überall wieder), sondern auch in Bezug auf das Erkennen der behufs Herstellung der Harmonie nothwendigen Modificationen. Mit andern Worten: das Wesen der inneren Harmonie der Seele ist ganz ebenso undefinirbar wie das Wesen der rechten Mitte zwischen extremen Verhaltungsweisen; hier wie dort bleibt es dem Geschmack überlassen, dem Princip seine concrete Anwendung zu geben. Man kann freilich sagen; die Harmonie der Seele ist der Zustand, welcher sich im tugendhaften Handeln offenbart; aber damit würden wir uns nur im Kreise drehen, da wir so

*) Vgl. Schiller's Ideal der Weiblichkeit in dem Gedicht,,Würde der Frauen“ und den Epigrammen,,Tugend des Weibes",,,Macht des Weibes“ und „Das weibliche Ideal (An Amanda)“.

**) Vgl. Schiller's Excurs über diesen Begriff in dem Aufsatze über "Anmuth und Würde".

eben das tugendhafte Handeln durch unser Princip als dasjenige Handeln bestimmt hatten, welches aus einer harmonisch gestimmten Seele folgt. Wüssten wir schon anderweitig, was das tugendhafte Handeln ist, so könnten wir daraus den harmonischen Zustand der Seele rückwärts bestimmen, aber das Princip sollte uns ja eben erst lehren, was tugendhaftes Handeln sei. Bei Klängen oder Figuren kann man dem Geschmack wenigstens durch Aufsuchen möglichst einfacher Geschmacksurtheile und Constatiren der hierbei zu Grunde liegenden Zahlen- und Form-Verhältnisse zu Hülfe kommen: aber solche Behelfe versagen bei der Frage, was denn die Harmonie der Geisteskräfte sei, vollständig den Dienst und lassen den individuellen Geschmack souverän und unverantwortlich auf diesem Gebiete

herrschen.

Die Harmonie darf ebenso wenig wie die rechte Mitte als einförmige Schablone verstanden werden; es giebt sowenig ein für alle Menschen passendes harmonisches Maassverhältniss der Triebe, als es ein für alle Menschen passendes Mittelmaass der Bethätigung giebt. Eine andre ist die Harmonie in der Seele des Mannes, eine andre in der des Weibes, eine andre in der des Künstlers, des Gelehrten, des Staatsmannes, des Kriegers, des Seelsorgers, des Kaufmanns u. s. w. Jeder entfernt sich mehr oder minder von dem reinen abstracten Gleichgewichtszustande der Geistesanlagen, Triebe und Kräfte, weil bei jedem der Schwerpunkt seines Daseins und Wirkens auf andere Triebe und Functionen fällt. Selbst die höchsten und universalsten Geister, die Genien der Menschheit, bei denen die Harmonie zur höchsten Vollkommenheit gelangt ist, bedürfen einer Störung des Gleichgewichts der Geisteskräfte, eines Uebergewichts nach einer bestimmten Richtung, wenn ihr Schaffen und Walten fruchtbringend und segensreich werden soll. Wie viel mehr ist die Disharmonie im Individuum bei dem Mittelschlage der Menschen nothwendiges Erforderniss, um durch Concentration ihrer Kräfte nach einer einseitigen Richtung sie überhaupt erst leistungsfähig zu machen, und je complicirter der Organismus unsrer Cultur wird, je schärfer sich die Arbeitstheilung zuspitzt, um so hervorstechender müssen die Disharmonien in den Seelen der Einzelnen werden, um so bedenklicher wird aber auch das Princip der inneren Harmonie.

Das Bedenken löst sich, wenn wir uns daran erinnern, dass die wachsenden Disharmonien in den Individual seelen doch nur dazu da

sind, um die Harmonie des grossen Ganzen zu erhöhen, so wie die Disharmonien innerhalb eines Musikstücks nur dazu dienen, den harmonischen Einblick des ganzen Stückes zu vertiefen und zu bereichern. Nicht der Gesichtspunkt der Harmonie ist unrichtig gewählt, sondern nur seine Anwendung auf die einzelne Seele als solche ist unzulänglich; man muss von der individuellen Harmonie zur universellen fortschreiten und die ästhetisch-ethische Angemessenheit der Individualseele nach ihrer Stellung zur Natur und Gesellschaft beurtheilen. Was an sich disharmonisch erscheint, kann in der Stelle, die es einnimmt, sehr wohl zum Ganzen harmoniren. So wird der Geschmack sich auch mit disharmonischen Erscheinungen, die er, für sich allein betrachtet, als sonderbare Käuze verurtheilt, versöhnen, sobald er mit einem Blick auf das Ganze erkennt: ,,es muss auch solche Kauze geben."

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b. Das Moralprincip der universellen Harmonie. Jedes Einzelne ist nur Theil des grossen Ganzen; das ästhetische Urtheil kann nicht an dem Einzelnen und wäre es auch das allerwichtigste die eigene Seele haften bleiben, sondern muss den Blick aus der zeitweisen willkürlichen Beschränkung auf das eigene kleine Ich hinausschweifen lassen auf den Reichthum des Universums. War es die Harmonie, nach welcher der Geschmack sich sehnt, so muss er auch die Harmonie im grossen Ganzen suchen und die Einheit in der Mannichfaltigkeit des Universums bewundern, in welcher alles Einzelne zu einander auf wunderbare Weise passt und stimmt. Jedes Thun des Menschen, welches diese Harmonie befördert oder erhöht, wird seinen Beifall erwecken, jedes Handeln, welches sie stört oder verletzt, sein Missfallen hervorrufen. Das positive oder negative Verhalten des Menschen zu der universellen Harmonie kann direct oder indirect auf dieselbe Einfluss haben; sein Handeln kann entweder unmittelbar seiner eigenen Stellung im Weltganzen (als Mensch, als Mann, als Beamter, als Familienvater u. s. w.) unangemessen sein, oder aber es kann andere Wesen oder Individuen zu einem Verhalten veranlassen, welches ihrer Stellung in der universellen Harmonie unangemessen ist. Die erste Seite entspricht der Forderung, die innere individuelle Harmonie als eine durch die Einordnung in die universelle Harmonie individuell bedingte zu verstehen; die zweite Seite tritt mit der Forderung hinzu, beim Handeln auf das Wesen und die Bedeutung der

Y. Hartmann, Phan, d. sittl, Bew.

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