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Vollstreckung der Strafe Erforderniss; für ihn, weil sie Gelegenheit zur sittlichen Zucht und Weckung des sittlichen Bewusstseins bietet, für die Gesellschaft, weil sie dieselbe vor der Wiederholung des Vergehens in einem gewissen Maasse schützt, insofern die Vergebung nicht nur diesen Uebelthäter, sondern auch andere zur Wiederholung ermuntern würde, während der Vollzug der Strafe sowohl diesem als anderen in ähnlichen Fällen als Gegenmotiv gegen die Versuchung dienen kann. Da die Gesellschaft als Ganzes wichtiger ist als der einzelne Verbrecher, so ist auch der Schutz der Gesellschaft wichtiger als die sittliche Zucht des Verbrechers, und daher letztere nur insoweit als Nebenzweck zu verfolgen, wie der Hauptzweck des Schutzes der Gesellschaft dies zulässt.

Diese Rücksichten und Zwecke sind es denn auch, welche heute allein noch die ursprünglich aus dem Vergeltungsprincip erwachsene Strafrechtspflege bestimmen dürfen. Jede Concession an die Forderung der talio um ihrer selbst willen muss uns als unsittlich gelten; wir strafen schlechterdings nicht mehr, weil gesündigt worden ist, sondern damit nicht gesündigt werde" (Seneca, Grotius), und erfüllen so in Wahrheit und mit Bewusstsein das unbewusst-vernünftige Ziel des blinden Vergeltungsinstinctes, der nur in diesem Ziele seine Rechtfertigung findet.

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Das Strafrecht darf sich zunächst nicht auf jede mögliche Verletzung erstrecken, sondern muss ein grosses Gebiet freilassen, in welches die Gerichte sich nicht einmengen, und wo es dem privaten Ermessen völlig freigegeben ist, die erlittenen Kränkungen, Verletzungen, Benachtheiligungen u. s. w. zu vergeben oder zu vergelten. Der so gewährte Spielraum kommt freilich ebensogut der Chicane und Rancune als der gesellschaftlich nothwendigen Zurückweisung unberechtigter Eingriffe zu Gute; aber dieser Spielraum ist eben zur Entfaltung privater Sittlichkeit (welche die Möglichkeit unsittlichen Verhaltens selbstredend einschliesst) durchaus nothwendig. Eine zweite Sphäre umfasst verschiedene Gruppen von Vergehen, welche zwar strafrechtlich verfolgbar sind, aber nur auf Antrag des Beschädigten, welcher Antrag theilweise bis zur Fällung des Urtheils zurückgenommen werden kann. Erst ein drittes Gebiet wird von der Gesetzgebung als unbedingt verfolgbar angesprochen, sobald der Thatbestand zur Kenntniss der Behörden gelangt. Diese Kategorie umfasst alle solche Vergehen und Verbrechen, welche vom Gesetzgeber

für zu gemeinschädlich und gemeingefährlich erachtet sind, um den Verbrecher straffrei ausgehen zu lassen, und ihn und andere dadurch möglicher Weise zur Wiederholung zu ermuntern. Aber auch hier kann die Gesetzgebung nicht verhindern, dass der Beschädigte die Anzeige unterlässt, und selbst dann, wenn der Thatbestand ohne Mitwirkung des Beschädigten zur Kenntniss der Behörde gelangt ist, hält die Gesetzgebung für besondere Fälle, wo die Vergebung bessere Früchte als die Bestrafung zu tragen verspricht, den Weg der Gnade offen, bei welchem ein Gnadengesuch des Beschädigten entscheidend wirken kann, wenn seine Motive an competenter Stelle Zustimmung finden.

So sehen wir selbst in der Strafrechtstheorie die Möglichkeit der Vergebung offen gehalten, soweit dieselbe nicht durch socialethische Rücksichten ausgeschlossen wird, und jedenfalls ist der höheren sittlichen Forderung der Vergebung gegenüber die Berufung auf die niedere der Vergeltung machtlos und wirkungslos. Deshalb muss aber auch endlich einmal mit dem Princip der talio, das noch immer in unserer Strafrechtstheorie sich breit macht, gründlich aufgeräumt werden. Man muss begreifen lernen, dass ein Instinct, der unbewussten Zwecken dient, kein Princip ist, auf das man sich in einer wissenschaftlichen Theorie versteifen darf*), am wenigsten, wenn dieser Instinct geschichtlich bereits seine Schuldigkeit gethan hat, wenn seine unbewussten Zwecke erfüllt und ihr Fortbestand durch anderweitige, inzwischen erstarkte und befestigte psychologische Grundlagen gesichert ist, und wenn er den höheren ethischen Forderungen widerspricht, welche die Anhänger der Vergeltungstheorie zwar im Allgemeinen zugeben müssen, aber in ihrer Geltung für dieses Rechtsgebiet bestreiten. Als ob die Sittlichkeit sich so willkürlich von gewissen Gebieten des menschlichen Lebens absperren liesse!

Der Vergeltungsinstinct ist für uns nur das Residuum einer sittlich roheren Zeit, dessen erziehlicher und vorbereitender Werth sich zwar heute noch an sittlich rohen und tief stehenden Individuen fortwährend bestätigt, das aber den Forderungen reinerer

*) Wie diess z. B. E. Dühring in krassester Weise thut (vgl. dessen Abhandlung: Die transcendente Befriedigung der Rache", Anfang zu der Schrift Der Werth des Lebens" erste Auflage S. 219-225, Breslau bei Trewendt 1865).

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Sittlichkeit zu sehr widerstrebt, als dass in der sittlichen Oeconomie eines gebildeten und gereiften Menschen dieser Instinct etwas anderes als Bekämpfung durch höher stehende sittliche Triebfedern erfahren könnte. Nur der positiven Aeusserung des Gegengefühls als Dankbarkeit ist ein gewisser Werth im sittlichen Budget nicht abzusprechen; jedoch erfordert dieselbe ebenfalls erhebliche Einschränkungen und grosse Vorsicht gegen Ueberrumpelung der Pflicht durch dieses Gefühl, und die ausdrückliche Pflege dieses Gefühls ist schon deshalb zu widerrathen, weil die Kräftigung des Vergeltungstriebes in Bezug auf das Böse von derjenigen in Bezug auf das Gute psychologisch schwer zu trennen sein dürfte, und erstere jedenfalls in sittlicher Hinsicht mehr Schaden stiftet als letztere jemals Förderung bringen kann.

5) Das Moralprincip des Geselligkeitstriebes.

In allen Ordnungen des Thierreichs, von den mund- und magenlosen Eingeweideinfusorien bis zu den Vorläufern des Menschen, giebt es Thierarten, die einzeln, und andere die gesellig oder herdenweise leben. Wo die Sonderung der Geschlechter eine Vereinigung zur Begattung erforderlich macht, wirkt diese doch nur theilweise auf ein vorübergehendes oder dauerndes Zusammenleben zweier Thiere verschiedenen Geschlechtes hin, da der Begattungsact wie bei den Spinnen zwischen einsam lebenden und vorher und unmittelbar nachher sich feindlichen Individuen vollzogen werden kann. Selbst die polygamischen Instincte lassen sich in ausgiebigem Maasse durch vereinzeltes Herumstreifen während der Brunstzeit befriedigen, ohne nothwendig zur Herdenbildung zu führen, während auf der andern Seite die Herde häufig mehr Individuen als die zu einer polygamischen Familie gehörigen umfasst. Der Trieb zum geselligen Zusammenleben, zum Zusammenrotten in Herden, ist also ein vom geschlechtlichen Paarungstrieb unabhängiger Instinct, wenngleich nicht geläugnet werden soll, dass er durch letzteren verstärkt und namentlich in der Art und Weise seiner Entfaltung mitbestimmt werden kann.

Der Geselligkeitstrieb ist ferner ein wirklicher unmittelbarer Instinct, d. h. er ist nicht durch Reflexion auf das durch das Zusammenleben hervorgerufene oder verstärkte eigene Wohlbehagen

bedingt. Wir sehen Thiere herdenweis leben, bei denen eine Förderung durch das Zusammenleben nicht ersichtlich ist, und eher eine Beeinträchtigung der Einzelinteressen durch Schmälerung der auf dem gemeinsamen Wege angetroffenen Nahrung aus demselben zu entspringen scheint (z. B. wilde Schafe, Hyänen, Hyänenhunde u. s. w.) Auch tritt der Geselligkeitstrieb zu Zeiten hervor, wo grade alle Bedürfnisse gestillt sind, ja sogar dann mitunter am stärksten; ein Stubenhund z. B. heult und wimmert, wenn er allein gelassen wird,. ein kleines Kind schreit aus demselben Grunde, auch wenn ihm gar nichts fehlt, bloss aus Verlangen nach Gesellschaft. Nach Schopenhauers treffender Bemerkung langweilen sich müssige Menschen lieber in Gesellschaft als allein; aber dass der Geselligkeitstrieb nur aus der Flucht vor der Langenweile herstamme (Parerga I 449), wird doch schon durch den Geselligskeitstrieb der Thiere widerlegt. Es gewährt an und für sich eine Befriedigung, mit seines Gleichen zusammen zu sein, auch ohne dass man etwas von denselben hat, und ohne dass die Gesellschaft einem ebenbürtig ist.

,,Die schlechteste Gesellschaft lässt Dich fühlen,
Dass Du ein Mensch mit Menschen bist."

(Goethe im Faust.)

Das blosse Zusammensein mit Individuen unserer Gattung könnte aber nicht eine solche Befriedigung in uns hervorrufen, wenn nicht ein starker Trieb nach Geselligkeit in uns lebte, der eben durch das Zusammensein befriedigt wird. Nur grosse innere Hülfsquellen, traurige und schreckliche Erfahrungen, oder eine krankhafte Degeneration des Geistes können diesen Trieb einschränken, zum Menschenhass oder zur Menschenscheu führen, und den geselligen Verkehr auf ein Minimum herabdrücken; vollständige Isolirung fällt stets in's Gebiet der Psychiatrie, und kommt am häufigsten durch asketische Verirrungen zu Stande. Jeder geistig gesunde Mensch wird eine gewisse Geselligkeit als Lebensbedürfniss empfinden, wenn auch die Befriedigung keineswegs von der extensiven Grösse des Verkehrs abhängig ist. Wie stark dieser Trieb ist, wird man am besten dann empfinden, wenn man unfreiwillig oder absichtlich auf längere Zeit allen Verkehr gemieden hat; man ist dann ordentlich erfrischt durch ein Gespräch mit einem gewöhnlichen Manne, dem man etwa auf dem Felde begegnet. Die Nichtbefriedigung des Geselligkeitstriebes ist daher auch

eine erhebliche Verschärfung der Gefängnissstrafe in Gestalt der Einzelhaft.

Der Mensch gehört entschieden zu den geselligen Thieren, nicht zu den einzeln lebenden, wenngleich man ihn als eigentliches Herdenthier deshalb nicht bezeichnen kann, weil seine Geselligkeit vielseitiger und feiner gegliedert ist als in dem homogenen Aggregat einer Herde. Es kommt dies daher, weil einerseits die höhere geistige Entwickelung des Menschen eine grössere Mannichfaltigkeit in die geselligen Beziehungen und Berührungen bringt, und weil andererseits das vollkommenere Mittheilungsmittel der menschlichen Sprache die gesellige Wechselwirkung sehr erleichtert und dadurch wieder häufiger und intimer macht. Erhält somit im menschlichen Leben die Geselligkeit eine weit höhere Bedeutung, als sie im thierischen irgend beanspruchen kann, so ist auch die Energie des menschlichen Geselligkeitstriebes im Verhältniss zum thierischen nicht zu verwundern.

Der Geselligkeitstrieb steht auf der Uebergangsstufe von den egoistischen zu den socialen und moralischen Instincten. Er ist, wie schon oben bemerkt, keineswegs aus egoistischer Reflexion entsprungen, wenngleich er nachträglich mit derselben (in Bezug auf die aus der Gesellschaft für das eigne Wohl zu schöpfenden Vortheile) Hand in Hand gehen kann; er ist aber doch insofern egoistisch, als bei dem Aufsuchen der Geselligkeit der aus der Befriedigung des Geselligkeitstriebes zu erwartende Genuss mehr oder minder deutlich dem Bewusstsein als Ziel des Handelns vorschwebt. Nichtsdestoweniger tritt er mit dem andern Fusse bereits auf das Gebiet der socialen und moralischen Instincte hinüber, nicht nur dadurch, dass er die allgemeinste Vorbedingung und Grundlage derselben bildet (da ohne geselliges Zusammenleben sociale und moralische Instincte gar keinen Boden zur Entfaltung hätten), sondern auch schon dadurch, dass er seine eigene Befriedigung bewusstermaassen nur durch gleichzeitige Mitbefriedigung der gleichen Triebe in den Anderen erreicht, und sich dieser Solidarität in demselben Maasse bewusst ist, wie seine eigene Befriedigung als Ziel des Handelns in sein Bewusstsein fällt. Wer Gesellschaft aufsucht, ist eben so bereit, gesellig zu geben als zu empfangen wenigstens ist dies das normale Verhältniss, das durch überwiegenden Egoismus oder überwiegende Gutmüthigkeit freilich dahin modificirt werden kann, dass entweder das gesellige Empfangen oder das Geben zum Hauptziel oder alleinigen Ziel des Handelns

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