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triebene Werth, welchen die sensible Natur der Inder auf die passive Eigenschaft des mitleidigen Affects und der Empfänglichkeit für denselben legte, und der passive Zug der energielosen Duldung, welcher die Gefühlsmoral des Buddhismus und in geringerem Maasse auch die des Urchristenthums durchzieht, mochte dazu beitragen, ihn zu seinem Irrthum zu verleiten oder doch in demselben zu bestärken. Wir aber können in dem Mitgefühl wohl eine der geschichtlich am frühesten in Action tretenden ethischen Triebfedern und ein für alle Zeiten wichtiges, in gewissem Grade sogar unentbehrliches Hilfsmoment für die Grundlage der Moral erkennen, aber nicht dieselbe als in diesem Princip erschöpft ansehen, und müssen der dänischen Akademie Recht geben, dass sie eine so einseitig aufgefasste Grundlegung der Moral, wie die Schopenhauers ist, nicht prämiiren konnte.

7. Das Moralprincip der Pietät.

War das Mitgefühl ein natürlicher Instinct mit sittlich verwerthbaren Folgen, aber ohne unmittelbare sittliche Beziehungen, so erkennen wir in der Pietät zum ersten Mal ein Gefühl in Bezug auf Andere, das wesentlich auf sittlichen Beziehungen beruht. Das Mitgefühl ist die natürliche Resonanz des Gefühls mit fremder Lust und fremdem Leid, die Pietät aber ist die Reaction, mit welcher das Gefühl auf die unwillkürliche Anerkennung eines sittlichen Charakters in Anderen antwortet. Das Mitgefühl wirkt kräftiger und directer auf das Zustandekommen guter Handlungen hin, die Pietät trägt mehr zur Entwickelung des sittlichen Bewusstseins bei. Während der Vergeltungstrieb zuerst und am nachdrücklichsten die Ahnung einer sittlichen Differenz der Handlungen wachruft, weil sie aus der unmittelbaren Empfindung ihres Effects auf den Betroffenen entspringt, erhebt die Pietät das so geweckte Bewusstsein zur Stufe der Unparteilichkeit, indem sie sich auf den sittlichen Charakter von Handlungen, ganz

genügt, um die Identität von Nächstenliebe und Mitleid zu begründen, mit der bewunderungswürdigen psychologischen Feinheit und Vielseitigkeit, mit welcher Schiller in seinen Briefen an Körner vom 18. und 19. Februar 1793 denselben Gegenstand behandelt.

abgesehen von der Person des Betroffenen bezieht. Die Pietät schliesst sich daher unmittelbar an das moralische Selbstgefühl an; ist dieses das moralische Gefühl, das man vor sich selber hat, so ist jenes das moralische Gefühl, das man vor Anderen hat.

Die Handlungen, aus welchen man den sittlichen Charakter der Person erkennt, wirken strenggenommen auf das Gefühl nur als Symptome des Charakters, und insofern ist die Person, gegen welche sie gerichtet sind, gleichgültig; ohne Zweifel aber wird die Güte der Handlungen am nachdrücklichsten zu Gemüthe geführt, und daher das Gefühl der Pietät am lebhaftesten hervorgerufen, wenn dieselben gegen den Urtheilenden selbst gerichtet sind. Hieraus erhellt die nahe Verwandtschaft und das häufige Verbundensein der Pietät mit der Dankbarkeit, d. h. die Erhöhung des moralischen Gefühls, das man vor Anderen hat, durch das moralische Gefühl, das man gegen sie hat. Denn auch rückwärts wird die Pietät wiederum die Dankbarkeit steigern, weil die Pietät dafür bürgt, dass die zum Dank verpflichtenden Handlungen auch wirklich aus reinen, edlen und uneigennützigen Motiven entflossen sind, also den nächstliegenden und meist willkommenen Vorwand, um sich der Dankespflicht ganz oder theilweise zu entziehen, die Annahme selbstsüchtiger Motive zur guten Handlung, abschneidet. Die Pietät kann aber ebensowohl durch das Mitansehen solcher Handlungen geweckt werden, bei denen man gar nicht betheiligt ist, z. B. eine grossartige That des Mitgefühls gegen einen Dritten, welche unwillkürlich Achtung gegen den opferwilligen Barmherzigen einflösst, wenn wir denselben auch vorher gar nicht gekannt haben. In der Regel aber wird eine einzelne oder einige wenige Thaten nicht hinreichen, um uns eine sichere Ueberzeugung von dem sittlichen Werth einer Person beizubringen; vielmehr ist dazu meistens eine längere persönliche Bekanntschaft erforderlich, bei deren persönlichen Berührungen eine Mitbetheiligung an den Wirkungen ihres Handelns kaum ausbleiben kann. Ersatz für solche persönliche Bekanntschaft kann nur die Publicität eines Lebenslaufes bilden; eine solche aber ist wiederum am meisten bei solchen in das Staats- oder Culturleben eingreifenden Persönlichkeiten der Gegenwart oder Vergangenheit vorauszusetzen, von deren Wirken man in höherem oder geringerem Maasse, und sei es in noch so vermittelter Gestalt, die segensreichen Früchte mitgeniesst. In allen solchen Fällen wird

V. Hartmann, Phan. d. sittl. Bew.

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sich also mit der Pietät ein gewisser Beisatz von Dankbarkeit verbunden finden, ein Element, das in der gewöhnlichen Auffassung mit dem Begriff der Pietät fast bis zur Unabtrennbarkeit verwachsen erscheint, während eine sorgfältigere psychologische Analyse die Abstammung aus verschiedener Quelle nicht aus dem Auge verlieren darf.

Wie mit der Dankbarkeit, so ist die Pietät auch mit der Liebe verwandt; das Gefühl, dass wir vor einem Menschen empfinden, fliesst gar leicht in dasjenige über, das wir für denselben hegen. Ohne das Fundament einer Achtung vor dem sittlichen Werthe fehlt es der Liebe an der nöthigen Grundlage, wenngleich die Liebe wiederum durch ihre Nachsicht und langmüthige Milde die Bewahrung der Pietät möglich macht, wo der sittliche Kern der Persönlichkeit durch die hässlichsten Fehler entstellt ist. Aber irgend ein sittlicher Kern muss vorhanden sein, sonst kann auch die Liebe durch ihre vergebende Beschönigung der Flecken das Zugrundegehen früher bestandener Pietät nicht aufhalten, und eine solche Liebe ohne Pietät ist entweder blosse dämonische Leidenschaft im Kampf mit den Wünschen und der Einsicht des Bewusstseins, oder sie ist eine bloss noch auf Mitleid und Erbarmen ruhende Liebe, welche, ohne innere Befriedigung in der Fortdauer des Verhältnisses zu finden, dasselbe nur noch aufrecht erhält, weil und insofern sie den Unwürdigen vor tieferem Falle schützen zu können glaubt. Wo hingegen Pietät und Dankbarkeit sich vereinigen, da ergiebt sich ein Gefühl, das nur noch eines ganz geringen Zusatzes bedarf, um selbst schon eine Art von Liebe zu repräsentiren.

Dieser Art kann z. B. das Gefühl der Landeskinder gegen, vor und für einen geliebten Fürsten sein; es kann aber auch das hinzukommende Gefühl der Liebe für den Landesvater in patriarchalischen Verhältnissen so stark werden, dass es durch seine vertrauliche Herzlichkeit die Pietät in den Hintergrund drängt. Denn die einen gewissen Grad übersteigende Intimität ist dem Respect nicht förderlich, der besser bei einer gewissen Fremdheit und Fernhaltung gedeiht, als da, wo die kleinen menschlichen Schwächen den Blick von der Hauptsache, von dem inneren Werth des sittlichen Kernes der Persönlichkeit ablenken. Nichtsdestoweniger bleibt die Pietät im Grunde unversehrt, auch wo die Vertraulichkeit der Liebe für gewöhnlich wenig Pietät erkennen lässt; denn der tägliche Verkehr dreht sich eben um klein

liche Aeusserlichkeiten, bei denen die kleinen äusserlichen Schwächen und wunderlichen Absonderlichkeiten des Menschen sich fühlbar machen, während erst bei hervortretender ernster Veranlassung, wo das tiefere Wesen des Menschen allein zur Sprache kommt, auch die unerschütterte Achtung der nächsten Vertrauten vor diesem sittlichen Kern der Persönlichkeit zu Tage tritt. Die echte tiefe Liebe schädigt daher nur scheinbar die Pietät, und wirkt vielmehr selbst dahin, die kleinen. Schwächen noch in weit höherem Grade zu beschönigen und zu übersehen, als die eigentlichen Flecken und Fehler des Charakters. Es bedarf hiernach kaum noch des Hinweises, dass, wie eng auch die Pietät mit der Liebe verschwistert sein mag, sie doch noch weniger mit dieser confundirt werden darf als mit der Dankbarkeit; die Liebe ist ein Gefühl für (d. h. zu Gunsten) einen Andern, die Pietät ein Gefühl vor einem Andern; die Liebe setzt das Ich an die Stelle des Andern; die Pietät zieht eine Schranke zwischen beiden; die Liebe identificirt, die Pietät sondert, und fixirt den Abstand.

Die Pietät darf endlich nicht mit der blossen Achtung verwechselt werden; Achtung ist der weitere Begriff, Pietät der engere; erstere ist das generelle Gefühl, das man bei Anerkennung irgendwelcher Tüchtigkeit, letztere das specielle, das man bei Anerkennung sittlicher Tüchtigkeit empfindet. Achtung oder Respect hat auch eine Spitzbuben- oder Räuberbande vor einem Erzspitzbuben, aber Pietät haben sie nicht vor ihm. Achtung zollt man auch der intellectuellen Tüchtigkeit, aber Pietät nur einem Menschen, der seine intellectuelle Begabung zu sittlichen Zwecken fruchtbar gemacht und dadurch zugleich seine sittliche Tüchtigkeit bewährt hat. Die Achtung kann selbst bis zur Bewunderung einseitiger Virtuosität oder Ueberlegenheit führen, und doch wird sie nicht zur Pietät werden, wenn sie nicht zugleich zur moralischen Anerkennung sich genöthigt findet. Die Pietät z. B., die man einem Lehrer bewahrt, hängt nicht von seiner intellectuellen Befähigung, sondern von dem moralischen Einfluss ab, den er durch die Totalität seiner sittlichen Persönlichkeit auf den Schüler geübt hat. Ist es demnach erst die Achtung vor dem Sittlichen als solchen, dessen Anerkennung in einer Person die Pietät gegen dieselbe begründet, so ist es nicht die Beschaffenheit des Achtungsgefühles als solchen in seinem Unterschied von andern Gefühlen, sondern die Beschaffenheit des Sittlichen als solchen

in seinem Unterschiede von andern Objecten der Achtung, welche den moralischen Charakter des Pietätsgefühls bedingt. Nicht etwa dadurch wird etwas als sittlich oder unsittlich gestempelt, weil es zufällig Gegenstand der Achtung geworden (denn die Achtung richtet sich wie gesagt noch auf ganz andere Gebiete der Tüchtigkeit und Ueberlegenheit als bloss auf das Sittliche), sondern es wird ein Achtungsgefühl erst um desswillen zum Pietätsgefühl, d. h. zum specifisch ethischen Achtungsgefühl, wenn der Gegenstand der Achtung um seines ethischen Charakters willen die Achtung erweckt.

Es erhellt hieraus, wie verkehrt der von Kirchmann eingeschlagene Weg ist, aus dem Achtungsgefühl als solchen in seinem Unterschiede von anderen Gefühlen *) das Wesen des Sittlichen ableiten zu wollen, während im Gegentheil das Pietätsgefühl nur eine Form ist, in welcher die Idee des Sittlichen aus ihrer substantiellen Unbewusstheit sich zum Bewusst werden emporringt. Nur da, wo noch nichts als das Resultat des psychologischen Entstehungsprocesses der Pietät in's Bewusstsein dringt, kann das causale Verhältniss zwischen der Achtung der Person und der Achtung ihres sittlichen Charakters so auf den Kopf gestellt werden, wie Kirchmann es thut; wo hingegen das ethische Bewusstsein sich bereits entfaltet hat, da ist es sich auch vollkommen klar darüber, dass es der Person nur desshalb Achtung zollt, weil dieselbe diejenigen sittlichen Qualitäten besitzt, welche, ganz abgesehen von ihrem Träger, rein um ihres ethischen Inhalts willen zur Achtung nöthigen.

Andrerseits ist nicht zu bestreiten, dass bei noch wenig entwickeltem sittlichen Bewusstsein, wo der objective Grund der Pietät vor bestimmten Personen unbewusst bleibt, doch thatsächlich diese unbewusst entstandene Pietät genügen kann, um den eigenen Willen dem Rath oder Gebot der verehrten Person zu unterwerfen, und auf diese Weise durch die Pietät

*) Dieser Unterschied ist überdies von Kirchmann, wie schon oben bemerkt, auf eine den allgemeinen psychologischen Gesetzen widersprechende Weise dahin bestimmt worden, dass die Achtungsgefühle frei von jeder Lust- oder Unlustempfindung seien, was gleichbedeutend mit der Behauptung wäre, dass sie gar keine Gefühle seien. Die von ihm selbst (Grundbegr. d. R. u. d. Moral S. 50 bis 51) hervorgehobene Verwandtschaft mit Bewunderung, Andacht und dem ästhetischen Gefühl des Erhabenen hätte allein hinreichen sollen, ihn eines Bessern zu belehren. Man kann auch in Pietät schwelgen und mit der selbstsüchtigen Absicht handeln, sich diesen Genuss zu verschaffen.

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