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Hand voll mehr oder weniger in der Bussezeit gar nicht mehr ankommt.

Genauer besehen, erweist sich der ganze Begriff einer jenseitigen Vergeltung vor der Kritik als unhaltbar. Ein Gott der Liebe straft wie ein liebender Vater seine Kinder nicht, weil sie gefehlt haben, sondern damit sie nicht wieder fehlen; letzteres setzt aber die Möglichkeit ähnlicher Verfehlungen und hierzu das Gleichbleiben der gesammten Lebensverhältnisse voraus, welche Voraussetzung nach Abschluss des irdischen Lebens und nach Ablegung des nach der Kirchenlehre allein zur Sünde veranlassenden Fleisches (oàęš άuagrías) nicht zutrifft. Unter solchen Umständen bleibt einem Gott der Liebe gar nichts anders mehr übrig, als was jeder menschlich fühlende Mensch in solcher Lage zu thun sich verbunden fühlen würde: zu verzeihen. Obenein basirt die christliche Lehre vom Gericht auf der Voraussetzung, dass der jüngste Tag vor der Thür steht und erleidet eine fratzenhafte Verzerrung durch Elimination dieser Annahme, wobei nämlich herauskommt, dass Gott beim jüngsten Gericht Thaten bestraft, die vor Jahrtausenden vollbracht, also nach jeder humanen Rechtsanschauung längst verjährt sind.

Endlich verfällt ebenso wie der Begriff der jenseitigen Vergeltung auch der der Unsterblichkeit im Sinne der individuellen Fortdauer selbst der philosophischen Kritik, und an seine Stelle tritt derjenige der Ewigkeit der (gleichviel ob spiritualistisch oder materialistisch verstandenen) Substanz ohne Continuität des individuellen Bewusstseins über die zeitlich-räumlichen Schranken des Organismus hinaus. So erweist sich die transcendente Wendung des individual-eudämonistischen Moralprincips in der That zugleich als eine die Wahrheit überfliegende, als ein mythologischer Ikarusflug, der nach Schmelzung der wächsernen Flügel an der Sonne der wissenschaftlichen Erkenntniss zum Sturz aus der erträumten Höhe, zum Rückfall auf den Ausgangspunkt, die Erde, führt.

Wir sehen also, dass die jenseitige Vergeltung, wie man sie auch betrachten möge, nicht im Stande ist, für Menschen, die aus dem Zustande gedankenlosen Autoritätsglaubens herausgetreten sind, ein Motiv des sittlichen Handelns abzugeben. Wer diess dennoch will, muss nothwendig die Consequenz mit in den Kauf nehmen, dass das Volk in Verdummung, Gedankenlosigkeit, Aberglauben und sinnlicher Roheit erhalten werden müsse. Diess wäre nur dann zulässig, wenn man an

jedem andern versittlichenden und sittigenden Princip verzweifeln müsste; andernfalls muss der sittliche Schaden des Glaubens an Himmel und Hölle grösser erscheinen als sein Nutzen von dem Augenblick an, wo die Möglichkeit einer Cultivirung und anderweitigen sittlichen Hebung des Volks gegeben ist, an welcher Möglichkeit zu zweifeln bei unsern heutigen Volksbildungsmitteln unberechtigt wäre. Ja selbst dann, wenn es überhaupt kein wahrhaftes ethisches Princip gäbe, wäre es immer noch besser, sich allein auf die fortschreitenden Wirkungen der irdischen Klugheitsmoral bei fortschreitender politischer und socialer Organisation zu verlassen, als deren Lücken durch ein die Wahrheit überfliegendes transcendent-eudämonistisches Moralprincip stopfen zu wollen, dessen Wirksamkeit nur durch culturfeindliches Niederhalten jeder Volksaufklärung erkauft werden kann.

In der That aber bedarf es eigentlich gar keiner Kritik der theoretischen Voraussetzungen des transcendent-eudämonistischen Moralprincips, da dasselbe sich als selbstständiges Princip auch ohne Kritik seiner Grundlagen schon durch seine eigenen Consequenzen aufhebt. Wenn nämlich das irdisch-eudämonistische Moralprincip sagt: „sittlich ist, was das eigne Gesammtwohl fördert, unsittlich, was dasselbe schädigt", so ist durch ein hinlängliches Maass zu Gebote stehender eigner und fremder Erfahrungen dafür gesorgt, dass man die nöthige thatsächliche Unterlage zur Beurtheilung finde, welche Handlungen dem eigenen Gesammtwohl nützen und welche ihm schaden. Wenn dagegen das transcendent-eudämonistische Moralprincip sagt: sittlich ist, was die ewige Seligkeit fördert, unsittlich, was sie schädigt", so ist diese Definition so lange leer und werthlos, bis eine Declaration hinzukommt, welche Handlungen die ewige Seligkeit fördern, welche sie schädigen. Denn hier fehlt jede empirische Basis zur Constatirung des Causalzusammenhangs zwischen Handlung und rückwirkenden Folgen, wie sie im blossen Zusammenhang des irdischen Lebens thatsächlich vorliegt; es muss also an Stelle der empirischen Beobachtung eine überirdische Offenbarung darüber treten, welche Handlungen im Jenseits belohnt und welche bestraft werden. Diese Offenbarung kann nur von dem lohnenden und strafenden Gott selbst ausgehen, und es ist selbstverständlich, dass mit dieser Offenbarung das Gebot und Verbot verknüpft sein muss; denn da die rückwirkenden Folgen in Gestalt eines Rechtsprechens auftreten, so muss dieser Jurisdiction eine Gesetzgebung vorangehen,

auf welche das Gerichtsverfahren Bezug nimmt. Dann ist aber das eigentliche Princip der Moral nicht mehr die Rücksichtnahme auf Seligkeit oder Verdammung, sondern die Rücksichtnahme auf das Gebot dessen, der Seligkeit auf die eine und Verdammung auf die andere Classe von Handlungen gesetzt hat. Zwischen That und irdischer Rückwirkung auf das Wohl des Thäters besteht ein natürlicher Causalnexus, zwischen That und jenseitigem Gericht nur ein kunstlicher, der durch die souveräne Willkür einer Autorität gesetzt ist, über die hinaus es keine Appellation giebt. Aus diesem Unterschied in der Begründung folgt der Unterschied zwischen beiden. Moralprincipien, dass das erstere im natürlichen Gebiete verharrt, das andere aber in das metaphysische Gebiet hinüberdrängt und in das theologisch-autoritative Moralprincip umschlägt, das wir später betrachten werden.

Ist aber durch solchen Umschlag einmal die Existenz eines andern Moralprincips anerkannt, so kann das transcendent-eudämonistische Moralprincip sich auch nicht einmal neben und unter einem solchen als secundäres Princip behaupten, da es dann durch seine egoistische Natur sofort mit dem unselbstsüchtigen Charakter alles wahrhaft Ethischen in Conflict geräth. Dieser Punkt muss deshalb so nachdrücklich hervorgehoben werden, weil die Theologie, ausser Stande, den klaren Wortlaut und Sinn der Evangelien abzuleugnen, auf dem Wege des vermittelnden Compromisses noch heute das transcendent-eudämonistische Moralprincip wenigstens als untergeordnetes secundăres Princip aufrecht zu erhalten sucht. Giebt es aber überhaupt ein unselbstsüchtiges Moralprincip, so sinken alle aus der Selbstsucht abgeleiteten Handlungen sofort zur moralischen Indifferenz herab; dann wird also der ethische Werth einer aus unselbstsüchtigen Motiven möglichen Handlung sofort dadurch vernichtet, dass selbstsüchtige Motive und Ziele sich in den Motivationsprocess mit eindrängen und die selbstlose Lauterkeit der sittlichen Gesinnung mit gemeinem Egoismus durchtränken. Dies erkennen die vernünftigeren Theologen auch an, und fordern deshalb vom Menschen, er solle das Gute thun und das Böse lassen, nur deshalb, weil Gott es geboten habe, nicht um des Lohnes willen, oder um dem Schaden der Seele zu entgehen; so wird das jüngste Gericht und der ganze Unsterblichkeitsglaube wirklich ausgeschieden und als Grundlage moralischer Werthbestimmung, sowie als Motiv des sittlichen Handelns endgültig verworfen,

d. h. das transcendent-eudämonistische Moralprincip der Evangelien und des gesammten christlichen Entwickelungsganges definitiv aufgegeben. Aber selbst dieser kleinere Theil vernünftiger Theologen. wagt zum grösseren Theile doch wieder noch nicht mit dem Wortlaut und unzweideutigen Geist der evangelischen Verheissungen zu brechen und möchte deshalb die jenseitige Vergeltung als accidentielle Folge des sittlichen oder unsittlichen Handelns conserviren, nachdem er sie als Grundlage eines Moralprincips verworfen; er verlangt, dass der Mensch zwar selig sein soll in der Hoffnung der ewigen Seligkeit (Röm. 8, 24) und sein ganzes Leben erfüllt und durchleuchtet sein lassen soll von dieser Freude über die ihn für seine Tugend erwartende himmlische Freude, dass er aber trotzdem sich von dieser accidentiellen Folge seines Handelns auf keine Weise beim Handeln beeinflussen lassen soll. Diese Forderung widerspricht aber den unabänderlichen Gesetzen der Motivation, indem sie verlangt, dass der Mensch eine Vorstellung von stärkster Motivationskraft beständig vor Augen haben und dabei diese Vorstellung nicht als Motiv auf sich wirken lassen solle, obgleich er eben das thut oder thun soll, was aus jenem Motiv sich ergiebt oder ergeben würde. Wird diese Forderung trotz ihres psychologischen Widersinns dennoch festgehalten, so ergiebt sich aus ihr nothwendig die Selbsttäuschung, dass man die thatsächlich durch dies transcendent-egoistische Motiv hervorgerufenen Handlungen als Ausfluss einer durch keinerlei Selbstsucht getrübten rein ethischen Gesinnung ansieht. Solche Selbsttäuschung führt aber unmittelbar zu pharisäischem Tugendstolz, und bei der Unausbleiblichkeit richtigerer Einblicke in den wahren Motivationsprocess zu pharisäischer Heuchelei, zum Prunken mit einer durch die That erprobten ethischen Gesinnung, die in diesem Maasse gar nicht vorhanden ist, da ihre angeblichen Früchte auf 'anderem Baume gewachsen sind. Solche unwahre Zwitterstellung ist wie alle auf Halbheit beruhenden Compromisse schlimmer als der unhaltbar gewordene Standpunkt, dem man dadurch entfliehen will; sie drängt durch ihren inneren Widerspruch und die in ihr lauernde sittliche Gefahr des Pharisäismus unaufhaltsam zur durchgreifenden Reform, d. h. zum Verwerfen der jenseitigen Belohnung und Bestrafung ebenso wohl als accidentieller Folge wie als Princip des sittlichen Handelns. Wir sehen also, dass aus rein ethischen Gesichtspunkten der überirdische Vergeltungsglaube eben so dringend seine Verwerfung fordert, wie der

v. Hartmann, Phan. d. sittl. Bew.

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selbe aus den oben angedeuteten philosophischen Gründen theoretisch ohnehin unhaltbar ist. Zu dieser Consequenz konnte innerhalb der Theologie freilich erst eine Richtung gelangen, welche mit der Unfehlbarkeit der heiligen Schriften definitiv gebrochen hatte, d. h. die fortgeschrittenere Seite des Protestantenvereins, hauptsächlich hervorgegangen aus der Schule Schleiermachers.

Wir haben also als Resultat festzuhalten, dass das transcendenteudämonistische Moralprincip nur eine vorübergehende historische Bedeutung hat für die rohen Zeiten blinden Offenbarungsglaubens und kritiklosen sinnlichen Aberglaubens, dass es auch für diese Zeiten keine ethische Gesinnung, sondern höchstens eine gewisse äusserliche Legalität des Handelns erzielen kann, dass es aber bei fortschreitender Bildung und Selbstbesinnung in jeder Beziehung unhaltbar wird, da seine theoretischen Voraussetzungen sich als übel erfundene Mythen erweisen, seine moralischen Forderungen aber zu einem höheren theologischen Moralprincip hindrängen. Lassen wir nun dieses höhere theologische Moralprincip vorläufig bei Seite, so ist es klar, dass das transcendent- eudämonistische Moralprincip als solches unbrauchbar ist, um den Zweck zu erfüllen, zu dem es ursprünglich erfunden wurde, nämlich die Stopfung der offenkundigen Lücken des irdisch-eudămonistischen Moralprincips. Wollen wir also zunächst innerhalb des individual-eudämonistischen Moralprincips stehen bleiben und die Tragweite desselben gründlich erschöpfen, so sehen wir uns nach dem verfehlten Versuch einer überfliegenden Erweiterung desselben zurückgeworfen auf das irdische Leben und haben auf diesem Gebiete weiter zu betrachten, ob es in der Natur dieses Princips liegt, sich zu noch andern als den schon betrachteten Formen zu entfalten.

2. Die negativen individual-eudä monistischen Moralprincipien.

a. Die irdische negativ-eudämonistische Moral. Wir haben gesehen, dass aller Eudämonismus auf dem natürlichen Streben nach Befriedigung des Willens beruht. Bei einem bewussten Erfassen dieses Standpunktes als Lebensprincip ist aber offenbar die Voraussetzung stillschweigend als selbstverständlich zu Grunde gelegt. dass die Erreichung des erstrebten Zieles, dass die Befriedigung des

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