ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

so werde ich nach Kräften dazu beitragen, sie ihrer wahren Bestimmung entgegenzuführen und die geheimen Absichten des Schicksals zu ihrem Heil zu unterstützen. Ich werde dieses allein sittliche Verhalten nicht davon abhängig machen, ob diejenigen, deren Leiden ich ermehre, es mir Dank wissen oder nicht, ob sie den tieferen Sinn meiner erbarmungsvollen Absichten zu würdigen wissen oder nicht, ob sie mit andern Worten in der Theorie bereits den Standpunkt der Willensverneinung erreicht haben, oder nicht; denn was ich thue, thue ich nicht in Hoffnung auf Dank oder aus Furcht vor Verkennung und Nachrede, sondern allein, um die Mitmenschen auf dem Wege zu ihrem wahren Heil zu fördern. Die Beschuldigungen des Unrechts oder der Rechtsverletzung können mich nicht irre machen, denn ich weiss, dass jene Begriffe auf dem Boden einer Moral gewachsen sind, welche von dem Gesichtspunkte der Willensbejahung ausgeht, sich also unter die Consequenzen des höheren ethischen Princips beugen muss, das aus dem Standpunkte der Willensverneinung emanirt. Habe ich also die Macht dazu, etwa als orientalischer Despot, so werde ich meine Unterthanen nach Kräften auf alle Weise bedrücken und schinden, die Quellen ihres Wohlstandes untergraben, ja sogar ich werde sie so viel als möglich mit ausgesuchten leiblichen Martern und Foltern bedenken, um den Willen zum Leben in möglichst Vielen zum Bruche zu bringen,

alles nur in der edlen Absicht, die Zwecke der Natur zu unterstützen, und mit tiefstem Schmerze über die physischen Leiden, welche ich über meine Mitmenschen verhänge.

Wir brauchen nicht weiter zu gehen, um zu zeigen, wohin die logisch folgerichtigen Consequenzen jenes Moralprincips der individuellen Willensverneinung führen, durch welches Schopenhauer die bisher in Europa gangbaren ethischen Doctrinen überbieten, beziehungsweise ersetzen zu wollen sich rühmt (II 696, 733 und 705; ,,Die Grundlage der Moral", Schluss). Wo bei einem richtig gerechneten Exempel so absurde Resultate herauskommen, da muss im Ansatz ein Fehler stecken. Dieser Fehler ist aber nicht etwa in der pessimistischen Weltanschauung, sondern in dem Glauben an die Möglichkeit einer individuellen Willensverneinung zu suchen, welche aus ganz denselben Gründen wie oben die definitive Erlösung vom Leben durch den Selbstmord bestritten werden muss (vgl. Ph. d. Unb. 8. Aufl. Cap. C. XIV S. 398–400). Denn wenn man die Individualität trotz ihrer Realität für phänomenal hält, so würde auch die Verneinung des Individualwillens oder Eigen

willens an der Unersättlichkeit und Unendlichkeit des all-Einen Weltwillens nichts ändern; wenn man aber das Individuum für nicht phanomenal, sondern substantiell erklärt, so ist der Individualwille erst recht nicht zu brechen, weil er ewig als solcher ist. Auf alle Fälle kann die Mortification des Willens durch Quietismus und Askese nur vermittelst einer eigenthümlichen Verblendung für ein Mittel zur Finalemancipation des Individuums vom Leben als solchen angesehen werden, als ein Auswuchs orientalischer Phantasie-Mystik, dessen Uebertragung in die Sprache moderner Metaphysik als ein gänzlich verfehlter Gedanke Schopenhauer's bezeichnet werden muss.

3. Der Bankerott des Egoismus und die
Selbstverläugnung.

Wir haben gesehen, dass die Bemühungen des IndividualEudämonismus nach einer transcendenten Befriedigung in Ermangelung einer irdischen ihrer Natur nach auf gleiche Weise scheitern mussten, mochten sie nun von einer positiven (optimistischen) oder negativen (pessimistischen) Weltanschauung ausgehen, weil das Individuum eben nur im Reiche der Individuation seine Stelle hat, und was es hier nicht findet, auch in keinem Jenseits für sich finden kann. Wie der positive Eudämonismus von seinen vergeblichen Hoffnungen auf ausgleichende Gerechtigkeit im Jenseits erbarmungslos auf das Diesseits zurückgeschleudert wird, ganz ebenso muss der negative Eudämonismus bei einiger kritischer Selbstbesinnung auf jeden Gedanken an separate Erlösung für seine Person durch Busse und Selbstpeinigung, oder wodurch sonst immer, resigniren. Wie der erstere nach seinem schmählich endenden Icarusflug sich dazu bequemen muss, auf die Himmelskrone zu verzichten und sich wohl oder übel mit dem Diesseits abzufinden, so muss der letztere jede Hoffnung fahren lassen, für seine Person einen Ausgang aus der Hölle des Daseins zu finden, und sein liebes Ich aus dem feurigen Kreislauf seitwärts salviren zu können, um die übrige Welt ihrem Schicksal zu überlassen.

Der Mensch muss sich an den Gedanken gewöhnen, dass der Tod ihm ebenso wenig einen Vorzug vor dem Leben, als das Leben einen Gewinn dem Tode gegenüber bieten kann, dass er ebenso ohnmächtig ist, zu vernichten als zu schaffen, und dass alle Versuche, sich gegen

den ehernen Kreislauf des Lebens aufzulehnen, nur ein vergebliches Rütteln an den Gittern des Kerkers sind, in den er ebenso wie seine. Mitgefangenen ohne sein Zuthun hineingekommen ist. Will er sich verblenden gegen die metaphysische Wahrheit der Phänomenalität des Individuums, will er, unbekümmert um den sofortigen Ersatz der von ihm leergelassenen Stelle und um die objective Gleichgültigkeit des leidenden Bewusstseinssubjectes, sein Ich für das ihm allein Wichtige erklären, weil es der Träger seiner Welt (nämlich seiner subjectiven Erscheinungswelt) ist, will er, gleichgültig gegen alles sonstige Geschehen, den Lebensfaden seines Ich zerschneiden, nur damit ihm die Welt untergeht und seine Person das Leid nicht mehr zu fühlen braucht, so mag er es thun; dieses vom Pistolenschuss zerschmetterte Gehirn wird es freilich nicht mehr erkennen lernen, dass sein Bemühen eitel war, und dass das Bewusstsein trotz des Wechsels der Gehirne fortfährt, zu hoffen und zu leiden, wie das auf dem Wasserfall stehende Spectrum fortfährt, farbig zu schimmern trotz des Wechsels der Wassertropfen. Was macht es aus, ob ich den Fall eines Tropfens im Wasserfall ein wenig beschleunige, was kommt darauf an, ob

ein Blatt vom Baume der Menschheit ein wenig vor dem Herbste sich abschnürt, da der Wind ohnehin so viel grüne Blätter herniederweht, und der Baum immer neue Sprossen treibt? Wer kann sagen, dass sein Leben, innerlich und äusserlich zusammengenommen, schlimmer sei als der Durchschnitt, schlimmer als das seine Stelle ausfüllende wahrscheinlich sein wird?

Im Grunde genommen heisst es freilich dem Egoismus als solchen eigentlich schon zu viel zumuthen, wenn man von ihm verlangt, er solle darauf Rücksicht nehmen, dass dieses bestimmte Ich nicht das Universum sei, und trotz der Discontinuität des Bewusstseins eine Continuität der Substanz oder auch nur eine gleichgültige Vertretbarkeit zwischen zeitlich auf einander folgenden Ich's oder gar eine Identität des Wesens zwischen räumlich getrennten Ich's stattfinde. Denn der ganze Egoismus beruht ja darauf, oder geht davon aus, dass das Ich sich praktisch für absolut nimmt, und sich gegen jeden praktischen Einfluss eines Zweifels an dieser Absolutheit gewaltsam versperrt. Demgemäss wehrt sich der Egoismus auch gegen jede metaphysische Theorie, deren Annahme ihn theoretisch zum Abdanken nöthigen würde; er hüllt sich so dicht als möglich in den Schleier der Maja und will nichts sehen und hören, was ihn an seiner Absolutheit irre machen

könnte. „Ich, Ich will glücklich sein", ruft er;,,was hilft es mir, wenn die ganze Welt beseligt wird, und Ich nichts davon habe; was kümmert es mich, wenn die ganze Welt immer elender wird, wenn ich nur den kleinsten Gewinn dabei habe! Was geht es mich an, ob das Weltwesen nach meinem Tode weiter lebt, oder ob ein anderes Bewusstsein an meine Stelle tritt, bin Ich es dann doch nicht mehr, der zu leiden hat!" Hiergegen lässt sich nichts einwenden; man muss sogar gestehen, dass der Egoismus hier sein alleraufrichtigstes Gesicht, seine allerconsequenteste Gestalt zeigt.

Es stellt sich hier eben zweifellos heraus, dass dieser Egoismus, wenn er von keinen Nebenrücksichten beirrt wird, und mit einem hinreichend klaren Intellect verbunden ist, um die Illusionen des Lebens, von denen er sich bis dahin zu Gunsten ihm fernliegender Naturzwecke prellen liess, zu durchschauen, dass er dann nothwendig zur Blausäure oder zu einem anderen rationellen Mittel des Selbstmords greifen muss, und das sobald als möglich, da es schade ist um jede noch an dieses elende Leben verschwendete Stunde. *) Der Egoismus, der so kühn mit stolz geblähten Segeln die Fahrt des Lebens begann, sieht sich schliesslich ohne Compass und Ruder seekrank und hoffnungslos auf hohem Meere treiben und sprengt sich endlich selbst in die Luft. Derselbe Irrthum, dem er seine Entstehung verdankt, der Glaube an seine Absolutheit, bringt ihn dahin, den Urtheilsspruch, dass er nicht werth ist, da zu sein, durch Selbstvernichtung des Individuums an sich zu vollstrecken; er gelangt aber factisch dadurch nicht zum Ziele, denn der Egoismus fährt ja trotz so vieler Selbstmörder mit ungeschwächten Kräften fort, da zu sein, wie wir alle täglich sehen.

So sehen wir den Individualeudämonismus, nachdem er alle seine principiellen Gestaltungen durchlaufen, beim schmählichsten Bankerott anlangen, nachdem er auf verschiedenen Stufen vergeblich versucht hatte, theils durch Hereinziehen unhaltbarer Hypothesen theils durch Stehenbleiben auf halbem Wege, haltbare Standpunkte der praktischen Philosophie zu erobern und zu begründen. Ausgehend von dem Princip, dem Ich die wahre Glückseligkeit zu verschaffen, muss er endlich bei

*) Vgl. Schurich: ,,Aus dem Tagebuch eines Materialisten". Der Verfasser schloss nicht nur sein Buch mit dieser Consequenz, sondern gleich darauf auch sein Leben.

dem Geständniss der absoluten Unmöglichkeit ausmünden, nicht nur eine positive Glückseligkeit, sondern selbst nur eine definitive Erlösung vom Elend des Daseins zu erringen; das consequent verfolgte Glückseligkeitsstreben des Eigenwillens hebt sich durch inneren Widerspruch gegen die Natur dieses Willens selber auf, und der recht verstandene Eudämonismus schlägt in Resignation, die zu Ende gedachte Selbst sucht in Selbstverläugnung um. Dieses kostbare Ich, um dessentwillen der Eudämonismus zuerst Himmel und Erde hatte in Bewegung setzen wollen, dieses Ich wirft der von allen Illusionen des Lebens zurückgekommene Egoist fort wie einen werthlosen Plunder, den es nicht der Mühe lohnt aufzuheben, oder er unterlässt selbst diess, weil es nicht einmal der Mühe des Wegwerfens mehr lohnt. Was sich so unendlich werthvoll vorkam, dass die ganze Welt nur dasein sollte, um ihm zu dienen, das ist jetzt als das absolut Werthlose erkannt;*) der einst so hoffnungsvoll beim Auszuge zum Kampf zum Herrn erwählt war, der wird nun, nachdem er sich unfähig nicht nur zu den verheissenen Eroberungen, sondern selbst zum Zurückführen des Heeres erwiesen, verläugnet. Der Mensch kehrt sich voll Ekel ab von dem Götzen, dem er so lange geopfert, und dessen Hohlheit er nun erkannt; nicht gern und nicht freiwillig, sondern zerschlagen, ingrimmig und nothgedrungen wendet er sich endlich ab. von dem Idol, das ihn so lange geäfft und ihm doch nichts zu bieten hat.

Noch ist das Leben da, aber es ist inhaltslos; könnte man es mit einem neuen Inhalt erfüllen, für den der Egoismus vorher keinen Platz liess, so könnte es nun erst zu voller Herrlichkeit erblühen; denn der bornirte Eigenwille ist als Herr abgedankt, und seine beschränkte Kraft könnte, einem andern Principe dienend, Tüchtiges leisten, wenn nur etwas da wäre, dem er dienen könnte. Der nach Befriedigung strebende Eigenwille, der schmählich Fiasco machte, als er direkt das Seine suchte, und sein Wohl zum Zweck seiner Thätigkeit machte, würde dann wenigstens ohne Rückfall in selbstsüchtige Illusionen aus seinem unnatürlichen Quietismus befreit und würde

*) Wenn sich später herausstellen sollte, dass dem Ich gleichwohl ein sehr bedeutender Werth beizumessen sei, so kann dieses Resultat nur noch aus der Anlegung eines ganz anderen Maassstabes als des individualeudämonistischen entspringen; vom Standpunkte des Egoismus aber, von dem aus wir hier allein die Frage erörtern, ergiebt sich nach Enthüllung der Illusion, dass das Ich im strengsten Sinne das absolut Werthlose ist.

V. Hartmann, Phân. d. sittl. Bew.

4

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »