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zu sein (76), oder dass die von menschlichen Autoritäten ausgegangenen Gebote fälschlich einer göttlichen Autorität untergeschoben worden sind? Wenn das Beharrungsvermögen die Wirksamkeit der Gebote noch einige Zeit nach dem Erlöschen der Autorität aufrecht erhält, so kann doch diese Nachwirkung immer nur eine sehr begrenzte sein (66), und das Endresultat kann nur das sein, dass das aus dem Moralprincip der Heteronomie herstammende Sittliche bei fortschreitender Bildung in Folge der kritischen Zerstörung des Glaubens an die Autoritäten verschwindet, wo dann, wenn man ein aus anderer Quelle fliessendes Sittliche leugnet, der Rückfall in die individual-eudämonistische Surrogat-Moral der Klugheit unvermeidlich ist (201). Hiernach hebt der Versuch Kirchmann's, eine Sittlichkeit auf Grund des Moralprincips der Heteronomie zu erbauen, sich selbst auf; was bei diesem Versuch zu Stande kommt, ist nichts, was vor dem Denken bestehen kann, also keine wahre Ethik, die auch den Philosophen befriedigen soll, sondern bloss,,eine Vorstufe, welche nur so lange nöthig ist, als der Macht der Triebe durch die Klugheit allein nicht die genügende Mässigung auferlegt werden kann. Das Sittliche ist dann nur ein Erziehungsmittel der Menschheit, was nach vollendeter Erziehung zurückzutreten hat" (201).

Es ist selbstverständlich, dass jeder, der diese Auffassung des Sittlichen sich zu eigen gemacht hat, und dabei Selbstachtung und Selbstständigkeit genug besitzt, um sich nicht mehr für unmündig und erziehungsbedürftig zu halten, nothwendiger Weise das Sittliche als einen überwundenen Standpunkt wenigstens für seine Person betrachten muss, und diess ist wohl auch eigentlich Kirchmann's innerliche Meinung, die er nur Bedenken getragen hat, gerade herauszusagen. Was nur eine provisorische Gültigkeit für die Stufe der Unmündigkeit der Individuen und Völker hat, das kann auch nur als Durchgangspunkt der philosophischen Betrachtung ein Interesse gewähren, aber nimmermehr ihren Endpunkt bilden.

Für den mündig gewordenen Menschen ist das Moralprincip der Heteronomie unbrauchbar das hat Kirchmann richtig eingesehen; was bewog ihn nun aber dazu, für den Mündigen die Sittlichkeit lieber ganz zu eliminiren, anstatt sein Princip einer Revision zu unterziehen? Diess waren offenbar seine drei Grundirrthümer, erstens, dass die Sittlichkeit keine Beziehung zu Lust- und Unlustgefühlen haben dürfe, zweitens, dass die Achtungsgefühle wirklich solcher Beziehung ent

behrten, und daher allein und ausschliesslich zu subjectiven Trägern der Sittlichkeit geeignet und zulässig seien, und drittens, dass alle Achtung vor sittlichen Anforderungen nur auf der Autorität eines fremden Willens beruhen könne.

Die Unrichtigkeit der beiden ersten Annahmen ergiebt sich aus dem gemeinsamen Grunde, dass ganz allgemein keine Willensbethätigung möglich ist ohne Befriedigung oder Nichtbefriedigung, d. h. ohne Lustoder Unlust-Gefühle. Wenn das jeweilige Wollen die Resultante der jeweilig erregten Begehrungen ist, so heisst das: die jeweilig intensivsten Begehrungen sind es, welche dem Wollen seinen Stempel aufdrücken und zur realen Bethätigung gelangen, und ist es dabei ganz gleichgültig, ob diese jeweilig im Wollen dominirenden Begehrungen sittlicher oder unsittlicher Art sind, da das Resultat stets dasselbe sein muss, dass nämlich die Realisirung des resultirenden Wollens das jeweilig erreichbare Maximum von Lust gewährt, das Scheitern dieser Verwirklichung an äussern Hindernissen aber das jeweilig grösste Maass von Unlust bewirkt (unbeschadet der weiteren Frage, was für indirecte Folgen sich für das Gefühl aus den verschiedenen Arten zu handeln ergeben). Man sieht hieraus, dass es für diese Frage ganz gleichgültig sein muss, welche Arten des Wollens man als sittliche definirt, da auf jeden Fall dieses Wollen, wenn es zu Stande kommt, d. h. wenn die zu ihm führenden Triebfedern, Beweggründe und Begehrungen prävaliren, das bei dem momentanen Gemüthszustand erreichbare Maximum von Lust gewähren wird, grade so gut wie ein unsittlicher Wille, wenn ein solcher sich als Resultante ergäbe, es thun würde. Hierin kann es also auch keinen Unterschied machen, wenn man mit Kirchmann das Gebot einer fremden Autorität als Beweggrund und die Achtung vor dieser Autorität als die Triebfeder ansieht, aus welcher das sittliche Wollen entspringt. Kirchmann verkennt demnach das primitivste Grundgesetz der Psychologie des Willens, wenn er die Achtungsgefühle den Lustgefühlen schroff entgegensetzt (S. 5) und erstere für durchaus frei von jeder Lust- oder Unlust-Empfindung glaubt. Schon die Gefühle, die er als Besonderungen des Achtungsgefühls bezeichnet (Staunen, Bewunderung, Ehrfurcht, Andacht, Heiligung, Aufgehen in die Herrlichkeit und Majestät eines erhabenen Wesens S. 51; Gewissen S. 61, 74) hätten ihm in Erinnerung rufen können, dass überall Lust- und Unlustgefühle auf das Engste mit den Achtungsgefühlen verknüpft sind und untrenn

bar zu deren Wesen gehören, wie in der gemüthlichen (Pietät), religiösen (Ehrfurcht, Erbauung) und ästhetischen Auffassung des Erhabenen, oder in dem ängstigenden oder ermuthigenden Gewissen.

Kirchmann sagt: „Das sittliche Handeln gewährt nur die Ruhe der Seele aber keine Lust; im Gegentheil es wird aufgehoben, wenn diese sich als Motiv eindrängt" (S. 102). In diesem Satze ist die Quelle seines Irrthums enthüllt; er verwechselt hier nämlich im ersten Theil des Satzes Lust mit Glückseligkeit und im zweiten Theil Lust als Motiv und Lust als nothwendiges Accidenz des Wollens.

Glückseligkeit kann die Sittlichkeit freilich nicht gewähren, weil diese ein dauernder Zustand ist, der dem Willen überhaupt unerreichbar ist, und es selbst dann noch wäre, wenn er nicht beständig an äusseren Widerständen bei seiner Realisirung scheiterte, aber momentane Lust bereitet dem Tugendhaften seine opferwillige Förderung fremden Wohls ebensogut wie dem Tobsüchtigen die Befriedigung seines Zerstörungstriebes.

Ferner hat Kirchmann darin ganz Recht, dass, wo die eigene Lust als entscheidender bewusster Beweggrund, als eigentliches Ziel des Handelns vor die Seele tritt, der Handlung eine sittliche Qualität nicht mehr zukommt, weil dieselbe dann eine rein egoistische That ist. Dieser Fall kann auch bei dem Handeln aus Achtung vor der Autorität stattfinden, wenn die Triebfeder der Pietät (die die Phrenologie bekanntlich zu einem eigenen Grundvermögen mit dem Sitz auf dem Scheitel des Kopfes macht) besonders stark entwickelt ist. und das Individuum bewusstermaassen nur in der Absicht dem Gebote der Autorität gemäss handelt, um sich den Genuss seiner befriedigten Pietät zu verschaffen, der z. B. bei religiösen Gemüthern eine ausserordentlich intensive und verhältnissmässig lange nachklingende Lust repräsentiren kann. Andrerseits kann die Absicht, durch das Handeln eigne Lust zu erzielen, auch bei dem Handeln aus andern Triebfedern als aus Achtung dem Bewusstsein völlig fern liegen, wie wir diess in der ganzen Reihe der nachfolgenden Untersuchungen an den verschiedenartigsten Beispielen sehen werden.

In solchen Fällen ist zunächst kein Grund abzusehn, warum solchen Handlungen die Qualität des Sittlichen weniger zukommen sollte, als denen aus Achtung vor der Autorität, im Gegentheil werden wir genöthigt sein, die wahre Sittlichkeit wenn überhaupt irgendwo grade dort zu suchen, da eben die auf der heteronomen Autorität

gegründete nach Kirchmanns eigener Ansicht nur eine provisorische Vorstufe für die Zeit der Unmündigkeit der Menschen und Völker bildet. Wir werden deshalb die Triebfeder der Achtung nicht bei Seite zu werfen brauchen, sondern sie als ein mächtiges psychologisches Moment für den Aufbau der Sittlichkeit conserviren; wir werden uns aber fragen müssen, ob es denn wirklich das Gebot eines fremden Willens sein müsse, welchem die Achtung gezollt werde, ob auf einer solchen Befolgung eines heteronomen Gesetzes Sittlichkeit überhaupt beruhen könne, oder ob nicht vielmehr nur die Selbstgesetzgebung oder Autonomie den selbstbewussten Geist zur sittlichen Persönlichkeit machen könne, d. h. ob es nicht gerade der Inhalt des Gesetzes sein müsse, welcher die Achtung vor demselben zu begründen habe, wenn dieselbe einen wahrhaft sittlichen Werth beanspruchen wolle. Bevor wir aber diesen Fragen näher treten, müssen wir noch den verschiedenen concreten Gestalten der heteronomen Pseudomoral eine nähere Betrachtung widmen.

2. Das Moralprincip der Familienautorität.

Der menschliche Typus ist wie alle Naturdinge durch Entwickelung entstanden, d. h. aus einem noch nicht menschlichen aber diesem nahe stehenden thierischen Typus herausgebildet, welcher näher bestimmt den anthropoïden Affen ähnlich gewesen sein muss. Man wird bei der Flüssigkeit des allmählichen genetischen Ueberganges vom Affen- zum Menschentypus nicht behaupten dürfen, dass grade von einem bestimmten Zeitpunkt dieser Uebergangsperiode an der Typus menschlich heissen müsste; man wird nur sagen können, dass von einem gewissen noch affenartigen Typus an sich der Habitus stetig demjenigen genähert haben müsse, welchen wir jetzt unter dem menschlichen verstehen. Brauchen wir aber der Kürze halber doch den Ausdruck ,,die ersten Menschen," so wird man sich den socialen Zustand derselben annähernd vergegenwärtigen können, wenn man von den Zuständen der tiefststehenden jetzt lebenden Wilden und den der Affen etwa die Mitte nimmt. Wenigstens soviel ist aus dieser Betrachtung zu entnehmen, dass „die ersten Menschen" nicht wie Adam und Eva in der jüdischen Legende unvorbereitet, hülflos und sittenlos sich in diese ihnen gänzlich neue und fremde Welt gesetzt fanden, sondern dass sie mit Art- und Individualcharakteren geboren, eine Menge von Prädispositionen für ihr

Benehmen in den wichtigsten ihnen begegnenden Lebenslagen schon mit auf die Welt brachten, durch Anweisung und Erziehung ihrer Eltern und durch Nachahmung ihrer Artgenossen dieselben vervollständigt erhielten, und so in die Sitten und Manieren ihrer Art unbewusst hineinwuchsen. Leider wissen wir nichts darüber, ob die unmittelbaren Vorfahren der ersten Menschen heerdenweise lebten wie z. B. die Paviane, oder paarweise vereinzelt wie die jetzt noch lebenden anthropoïden Affen; jedenfalls ist aus der Annahme des letzteren Falles ein Rückschluss nicht statthaft, und es scheinen manche Gewohnheiten der Wilden fast mehr für die erstere Annahme zu sprechen. In diesem Falle würde der junge Nachwuchs sogleich den Vater als Oberhaupt der Heerde, also als erste und höchste Autorität kennen gelernt haben; im andern Falle würde das Kind sich wesentlich auf die Erziehung und Nachahmung seiner Eltern angewiesen gesehen haben, und würden dann erst auf späteren Entwickelungsstufen die Menschen eine Auffassung der Familie im weiteren Sinne, als Gezammtheit der Descendenz des Familienoberhaupts, gewonnen haben. Wie dem auch sei, so ist doch die Autorität der Eltern über die Kinder eine so selbstverständliche Sache, dass sie sich bei allen Thieren und Menschen in höherem oder geringerem Grade zeigt. Die Autorität des Vaters kann freilich erst da im Thierreich eine Bedeutung erlangen, wo das, gleichviel ob monogamische oder polygamische Familienverhältniss einen dauernden Charakter annimmt, und wo sich der Vater überhaupt um die Jungen bekümmert; eine besonders hohe Entfaltung aber muss, sie da erlangen, wo das männliche Geschlecht an Kraft, Muth, Ausdauer u. s. w. dem weiblichen überlegen ist, und deshalb eine Autorität über die Weibchen ausübt, so dass die Kinder die Autorität der Mutter von der des Vaters überboten sehen.

Die Heerde besteht meistens aus einer einfachen polygamischen Familie, der eine Anzahl unfreiwilliger Junggesellen attachirt sind. Erweist sich ein jüngeres Männchen als kräftig genug, sich auch seine Weibchen zu erkämpfen, so bildet es mit diesen eine neue Heerde. Einen organischen Aufbau von einfachen Familien zu einer Familie im weiteren Sinne, oder einem Geschlecht, kennen wir bei Thieren nicht, sondern nur bei Menschen. Hier erstreckt sich die Autorität des Vaters auch über die Zeit der Verheirathung der Kinder hinaus, deren Weiber mit in seine Familie Aufnahme finden. Es ist dieser Entwickelungsgang wohl wesentlich aus der Ausbildung der Eigen

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