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Vorwort.

Grade ein Jahrzehnt nach dem Erscheinen der Philosophie des Unbewussten bin ich in der Lage, der Oeffentlichkeit mein zweites Hauptwerk zu übergeben, das zwar einen enger begrenzten Stoff, aber dafür auch, wie ich hoffe, in um so gründlicherer und abschliessenderer Form behandelt, zugleich einen Stoff, der in das praktische Leben und dessen brennende Zeitfragen weit unmittelbarer eingreift, als metaphysische, naturphilosophische oder selbst psychologische Betrachtungen dies im Stande sind.

Das vorliegende Werk will nicht ein System der Ethik sein, sondern nur der erste einleitende Theil zu einem solchen, nicht eine Wissenschaft des Seinsollenden, sondern eine Phänomenologie des sittlichen Bewusstseins, d. h. eine möglichst vollständige Aufnahme des empirisch gegebenen Gebietes des sittlichen Bewusstseins nebst kritischer Beleuchtung dieser inneren Daten und ihrer gegenseitigen Beziehungen und nebst speculativer Entwickelung der sie zusammenfassenden Principien. Dasselbe hält sich demnach innerhalb der Grenzen der inductiven Methode, wie ich dieselbe verstehe, und wenn eine inductive Behandlung der ethischen Grundprobleme in ihrem Zusammenhang überhaupt in Angriff genommen werden sollte, so ist es klar, dass es nur in der hier versuchten Art und Weise geschehen konnte.

Das Buch ist weder eine Darstellung der psychologischen Genesis der moralischen Triebe, Gefühle und Vorstellungen, noch eine Geschichte der Ethik als Wissenschaft. Bevor man sich an die Erklärung der Genesis eines derartigen Erscheinungsgebietes mit einiger Aussicht auf Erfolg wagen darf, muss erst die vollständige und sorgfältige Durchforschung des Gebietes und die Feststellung der quaestio facti erledigt sein; diese Aufgabe ist aber bisher noch gar nicht versucht, sondern es sind nur mehr oder minder einseitige Vorstudien zu derselben unternommen worden. Weil uns bis jetzt eine wissenschaftliche Ethik fehlt, darum besitzen wir auch bis heut noch keine Geschichte der Ethik als Wissenschaft, sondern nur eine referirende zusammenhangslose Aufzählung der von verschiedenen Seiten gemachten Anläufe, oder aber aneinandergereihte tendenziöse Kritiken ausgewählter Moralisten. Vielleicht trägt grade dieses Buch dazu bei, sowohl den neuerlich hervorgetretenen genetischen Erklärungsversuchen umfassendere Ziele zu stecken und die eigentliche Bedeutung ihrer Aufgabe klarer zu machen, als auch den Philosophiehistorikern leitende Gesichtspunkte für eine kritische Geschichte der bisherigen Moralphilosophie an die Hand zu geben und dadurch zu einem solchen Unternehmen Muth und Lust anzuregen.

In einer Phänomenologie des sittlichen Bewusstseins konnte die Anführung geschichtlich gegebener Formen nur den Werth einer verdeutlichenden Illustration haben; hier kam es nur auf Vollständigkeit der principiell möglichen Formen des sittlichen Bewusstseins, nicht aber auf vollständige Berichterstattung über die historisch wirklich gewordenen Formen desselben an, um so mehr als letztere selten rein und ungemischt genug auftreten, also die Sauberkeit der phänomenologischen Entwickelung durch allzueifriges Heranziehen jener leicht hätte beeinträchtigt werden können. Wo die Illustration durch geschichtliche Beispiele mir nützlich zur Klärung der gegebenen sachlichen Erörterungen schien, habe

ich sie herangezogen, wo aber die geschichtlich ausgeprägten Formen sich nicht genau mit der jeweilig entwickelten Stufe des sittlichen Bewusstseins deckten, habe ich solche Anführungen lieber unterlassen, um nicht das Verständniss der Leser unnöthig zu verwirren. Die wichtigeren Moralphilosophen repräsentiren oft mehrere Stufen des sittlichen Bewusstseins in ihrer Verbindung, und musste auf dieselben alsdann wiederholentlich bei verschiedenen Abschnitten verwiesen werden: aber auch in dieser Hinsicht lag allseitige Vollständigkeit ausser der Absicht dieser Arbeit.

Das Gebiet der Sittlichkeit beginnt erst mit dem Anlegen des Maassstabes eines irgend wie gearteten sittlichen Bewusstseins an das menschliche Thun und Lassen, Sinnen und Trachten (vgl. Phil. d. Unb. S. Aufl. I S. 230-232); welcher Art also auch immer die unbewussten Vorbedingungen der Sittlichkeit sein mögen, so beginnt der Gegenstand der ethischen Fragen im engeren Sinne doch erst mit dem Erwachen des sittlichen Bewusstseins. Sind,,sittlich und unsittlich" Prädicate, welche erst das Bewusstsein den menschlichen Handlungen und Gesinnungen aufheftet, so hängen alle im Bereich des Ethischen aufzuwerfenden Fragen von der Art und Beschaffenheit des sittlich differenten Bewusstseins ab, welches die Prädicate ,,sittlich oder unsittlich" vertheilt. Wie die Reform der theoretischen Philosophie dadurch von Kant eingeleitet wurde, dass er das Erkenntnissvermögen selbst zum Gegenstand seiner fundamentalen Untersuchungen machte, so ist eine grundlegende Reform der praktischen Philosophie nur dadurch zu erreichen, dass man das sittliche Bewusstsein selbst zum Gegenstand der Untersuchung macht.

So lange man annehmen wollte, dass das Bewusstsein die Prädicate „sittlich und unsittlich" nach Laune oder Willkür vertheilte, würde es schlechthin unverständlich bleiben, wie bei solcher grundlosen Entscheidung das Bewusstsein zu der Einbildung kommen sollte, an diesen Prädicaten einen sich gleichbleibenden Begriffsinhalt zu besitzen; sobald eine Ver

theilung dieser Prädicate nach festen und bestimmten Gesichtspunkten angenommen wird, besitzt das so verfahrende Bewusstsein eine Richtschnur des Urtheilens, gleichviel ob oder in welchem Grade es sich anfänglich derselben als Richtschnur der Bildung seiner Urtheile bewusst ist. Erreicht aber, wie es bei der aufstrebenden Entwickelungsrichtung des Menschheitsbewusstseins nicht ausbleiben kann, das Bewusstsein die höhere Reflexionsstufe, sich der Richtschnur seiner ethischen Urtheile auch bewusst zu werden, so erfasst es eben dadurch sich selbst als ein sittliches Bewusstsein und zwar als ein an diesem Princip hängendes, d. h. es gewinnt den Charakter als seiner selbst bewusstes, principiell bestimmtes sittliches Bewusstsein. Insoweit es sich nicht als principielles erfasst, ist es sich über sich und in sich selbst noch unklar; sowie es sich selbst versteht, erfasst es die Richtschnur seiner Urtheile als das Princip seiner selbst, d. h. als das Princip, dessen Erfassung und Bethätigung allererst es zum sittlichen Bewusstsein gemacht hat. Die Untersuchung der möglichen Formen des sittlichen Bewusstseins wird so zugleich zur Untersuchung der möglichen Gestalten, welche das Princip der Sittlichkeit im menschlichen Bewusstsein annehmen kann, und die Phänomenologie des sittlichen Bewusstseins enthüllt sich zugleich als ethische Principienlehre. Aber sie unterscheidet sich doch wesentlich von allen bisherigen Untersuchungen über das Princip der Moral" durch ihre empirische Ausgangsbasis, durch ihre inductive Behandlung, durch ihre wesentlich den Gegenstand erschöpfende Allseitigkeit und vor allen Dingen durch die Vorurtheilslosigkeit, mit welcher sie gänzlich dem Laufe der phänomenologischen Untersuchung anheimgiebt, ob es Sittlichkeit gebe oder nicht, ob dieselbe eine Realität oder eine Illusion sei, ob sie ein Princip habe oder nicht, ob eventuell dieses Princip einfach oder vielfach, egoistisch oder altruistisch, heteronom oder autonom, subjectiv, objectiv oder absolut sei u. s. w.

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