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wie Rabaut zum Herzoge überhaupt in Beziehungen stand, die man beinahé innige nennen konnte. Da für die Befreiung der Gefangenen Geldsummen gezahlt werden mußten, so sammelte man für sie auch im Auslande, besonders in Holland, und so hatte sich die Zahl derselben, die 41 im Jahre 1759 betragen hatte, im Jahre 1764 bis auf 20 vermindert, welche im December 1764 sich an den Grafen von Eu, Prinzen aus königlichem Geblüte, mit Namensverzeichniß flehend wendeten, und bei der allgerühmten Güte und Milde desselben ihn angelegentlich baten, das zärtliche und mitleidsvolle Herz des Königs für sie rühren. Aehn liche Bittschriften, und zwar alle mit der Unterschrift: „Die Protestanten Frankreichs in der Wüste", wurden an den Herzog von Orleans, ersten Minister, an den Herzog von Usèz, ersten Pair, an den Grafen von St. Florentin, an den Her: zog von Praslin, an die übrigen Minister und an den ersten Präsidenten des Parlaments von Paris gesendet; aber auch an den König von Großbritannien durch seinen Gesandten in Paris, Herzog von Bedford. Dieser verwendete sich auch dringend; aber nach drei Monaten war erst ein Einziger, der 23 Jahre lang auf den Galeeren geschmachtet hatte, entlassen, vermittelst eines vom Herzog von Choiseul unterzeichneten Gnadenbriefs, weßhalb Rabaut eine zweite Bittschrift an den englischen Gesandten richtete.

Auch auf Voltaire's Verwendung beim Herzog von Choi: seul wurde ein Mann, Namens Chaumont aus Genf, von den Galeeren entlassen; wann der letzte der Verurtheilten dieses Glück erlangte, kann man nicht genau angeben; nur das ist noch gewiß, daß gegen Ende des Jahres 1769 Alexander Chambon aus Vivarais, nach 27 Strafjahren als 80jähriger Mann entlassen, und deßhalb von seinen Glau bensgenossen mit 12 Livres monatlich unterstüßt wurde.

Im Thurme zu Aigues-Mortes waren im Jahre 1754 noch 25 Gefangene weiblichen Geschlechts gewesen, aber im

Jahre 1759 waren nur noch 19 vorhanden, aber darunter zwei von 84 Jahren, drei andere von 70, und noch eine 80jährige mit 36jähriger Gefangenschaft, alle wegen ihres Religionsbekenntnisses, und während dieses jammervollen Schicksals dienten ihre Söhne in den Heeren des Königs. Die gefangenen Frauen aber, und besonders im Namen aller, Marie Durand, suchten immer Trost in ihrem Briefwechsel mit Rabaut, und wurden in ihrer armseligen Lage, besonders bei Krankheiten, durch Zusendung milder Gaben, hauptsächlich aus den Gegenden von Languedoc und Provence, unterstüßt.

Aus einem Briefe der Frau Durand, den sie aber mit S. E. unterzeichnet hatte (vom 26. August 1764), geht in geschichtlicher Hinsicht als merkwürdig hervor, daß man seit dem Jahre 1762 die Ungerechtigkeit ihrer Einsperrung durch die Zurückgabe der Einkünfte von ihrem in Beschlag genommenen Vermögen milderte; aber wie wenig dabei herauskam, das ergiebt sich daraus, daß man von den Häusern, welche Frau Durand besißen sollte, das eine, welches sie von ihrem Bruder, einem im Jahre 1732 hingerichteten Geistlichen, hätte ererben sollen, dem Erdboden gewaltsam gleich gemacht, und das andere in den baufälligsten Zustand hatte gerathen lassen.

Durch die gütige Verwendung des Fürsten von Beauvau wurden im Jahre 1756 drei Paar gefangene Frauen in kurzen Zwischenräumen entlassen, und im Jahre 1768 waren nur noch fünf derselben im Thurme. Das Merk würdigste bei diesem Gefängnißleben war dieß, daß man die Frauen ihr Abendgebet nach ihrem Glauben ungestört verrichten ließ, daß die Franciscaner-Geistlichen sie nur besuchten, um ihnen die Botschaft naher Befreiung von Zeit zu Zeit zu bringen, und daß die Frauen nicht nur Briefe an Paul Rabaut schrieben, sondern auch die seinigen ohne Hinderniß in ihre Hände bekamen. So sieht man, wie der

Geist der Unduldsamkeit sich langsamen Schrittes vor den zunehmenden Einsichten, vor der Nothwendigkeit der Verbesserungen im Staatswesen und vor der festen und besonnenen Haltung der Gläubigen und der Bekenner zurückzog.

Im Juli 1769 war endlich der Thurm von allen Gefangenen leer geworden, wie dieß der Pfarrer Journet aus Bearn an Rabaut schriftlich bezeugte. Die Frau Durand empfing die mitleidsvolleste Unterstüßung, besonders von Amsterdam, wo in der Wallonischen Kirche eine Behörde zur Unterstüßung der Bekenner und Gefangenen aller Art in Frankreich schon seit länger her aufgestellt worden war. Diese verwilligte ihr eine lebenslängliche Unterstüßung jähr lich zu 200 Livres und sandte ihr noch dazu eine solche Voraussumme. (6. Juli 1772.)

Wie jämmerlich übrigens das Leben im Thurme Constance gewesen war, das hat auf die ergreifendste Weise ein Augenzeuge, Boissy d'Anglas, geschildert, dessen Leben auf die denkwürdigste Weise an die Schicksale der Frau Durand gekettet war; denn dieser Mann hatte die Tochter derselben geheirathet, welche sie, im Stande der Schwangerschaft eingesperrt, in jenem Thurme geboren hatte. Dieß erzählte Boissy seinen Kindern, und fügte folgende Schilderung des Gefängnißthurms bei: Derselbe enthält zwei große runde Säle über einander, deren unterer das Tageslicht vom obern durch ein rundes Loch von ohngefähr 6 Fuß im Durchmesser empfing, durch welches auch der Rauch aufsteigen mußte, um oben durch ein gleiches Loch im platten Dache hinauszuziehn. Außen herum in jedem der Säle standen viele Betten für die Gefangenen; das Feuer wurde in der Mitte geschürt; durch die nämlichen Oeffnungen aber, durch welche das Licht hereinfallen sollte, drang der Rauch hinaus und der Regen herein. Dennoch hielt die Frau Durand dort 38jährige Gefangenschaft aus. Sie kehrte in das Dorf ihrer Geburt zurück, wo sie 8 bis 10 Jahre nach ihrer

Befreiung verstarb, nachdem sie ihrem Leidensgenossen, dem armen Chambon, noch 40 Livres zugesendet hatte, dessen 80jährige Arme so eben von den Galeerenketten frei geworden waren.

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Es ist eine befriedigende und durchaus nothwendige Beschäftigung, die Aufeinanderfolge der Gedanken zu erforschen, die später in das Duldungs - Edict Ludwigs XVI. ausgelaufen sind.

Viel günstiger als Voltaire, der nicht thun mochte, was er so leicht gekonnt hätte, trat Jacques Turgot, später StaatsMinister, damals königlicher Beamter für die Bittschriften, mit seinen Ansichten über die Duldung auf. Er ließ mit einiger Vorsicht ein kleines Werkchen erscheinen mit dem Titel: Der Vermittler. (Brief eines Geistlichen an eine obrigkeitliche Person über die jetzigen Angelegenheiten. 1754.) Darin zeigt er die falschen Grundsäße des Hofs, der zu gleicher Zeit den Jansenisten gegen die Geistlichkeit, und den Verfolgern gegen die Protestanten Recht geben wolle. Er unterscheidet zwischen der religiösen und der politischen Duldung, und sagt: Das Glaubensbekenntniß thut nichts zur weltlichen Macht hinzu. Augustus war eben so gut Herr scher als Constantin, Trajan eben so gut, als Theodosius. Dem Könige von Frankreich legt er folgende nothwendige Erklärung gegen die Protestanten in den Mund: „Ich seufze zwar und muß seufzen, weil ich euch von der Einheit getrennt sehe; meine Ueberzeugung, daß die Wahrheit sich

nur im Schooße der katholischen Kirche findet, und meine Zärtlichkeit gegen euch erlauben mir nicht, euer Loos ohne Schmerz zu betrachten; aber ob ihr gleich im Irrthum seid, werde ich euch nichts desto weniger als meine Kinder behandeln; unterwerft euch den Geseßen; fahrt fort, dem Staate nüßlich zu seyn, und ihr werdet bei mir den nämlichen Schuß wie meine übrigen Unterthanen finden. Meine. Sendung ist diese, euch Alle glücklich zu machen.“

Wie weit sind nicht diese Ansichten von den erblichen Gefeßen Ludwigs XIV. und von den Sendbefehlen des Grafen von St. Florentin schon entfernt! Und nun seine Aeußerungen über die Versammlungen:

Aber werden diese, die für jede Religion unentbehrlich sind, nicht gefährlich werden können? Ja, ohne Zweifel, wenn ihr sie ächtet; denn dann wird man dort nur auf Mittel denken, sich aufrecht zu erhalten, und seinen unterdrückten Glauben zu rächen. Aber laßt den Menschen die Freiheit, sich an einem Orte zusammenzufinden, und Gott die Verehrung darzubringen, die nach ihrem Urtheile ihm angenehm ist, und ihre Versammlungen, von welcher Art auch ihr Gottesdienst seyn mag, werden nicht gefährlicher als die katholischen seyn. Alle Arten derselben können aufwieglerischen Menschen zum Vorwande dienen; keine wird einen dazu suchen, wenn sie frei seyn werden; und wenn ein Uebelgesinnter sie dazu mißbrauchen wollte, so würde es leicht seyn, den Fortschritt des Uebels aufzuhalten. Die Versammlungen der Protestanten sind heimliche, weil sie verboten sind; als verstattete werden sie eben so öffentlich wie die unsrigen seyn. Warum will man, daß die Versammlung einer Secte schäd licher für den Staat, als die andere sey; daß dieß in England die katholische, in Frankreich die protestantische, und überall diejenige sey, welche nicht wie der Fürst denkt? Jede bürgerliche Versammlung, die aufwieglerischer Art

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