ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Der Salon ist jezt geschlossen, nachdem die Gemälde desselben seit Anfang Mai ausgestellt worden. Man hat sie im Allgemeinen nur mit flüchtigen Augen betrachtet; die Gemüther waren anderwärts beschäftigt und mit ängstlicher Politik erfüllt. Was mich betrifft, der ich in dieser Zeit zum ersten Male die Hauptstadt besuchte und von unzählig neuen Eindrücken befangen war, ich habe noch viel weniger als Andere mit der erforderlichen Geistesruhe rie Säle des Louvers durchwandeln können. Da standen sie neben einander, an die dreitausend, die hübschen Bilder, die armen Kinder der Kunst, denen die geschäftige Menge nur das Almosen eines gleichgültigen Blicks zuwarf. Mit stummen Schmerzen bettelten sie um ein Bischen Mitempfindung oder um Aufnahme in einem Winkelchen des Herzens. Vergebens! die Herzen waren von der Familie der eigenen Gefühle ganz angefüllt und hatten weder Raum noch Futter für jene Fremdlinge. Aber das war es eben, die Ausstellung glich einem Waisenhause, einer Sammlung zusammengeraffter Kinder, die sich selbst überlassen gewesen und wovon keins mit dem anderen verwandt Sie bewegte unsere Seele wie der Anblick unwürdiger Hülflosigkeit und jugendlicher Zerrissenheit.

war.

Welch verschiedenes Gefühl ergriff uns dagegen schon beim Eintritt in eine Gallerie jener italienischen Gemälde, die nicht als Findelkinder ausgesezt worden in die kalte Welt, sondern an den Brüsten einer großen, gemeinsamen Mutter ihre Nahrung eingesøgen und als eine große Familie, befriedef und cinig, zwar nicht immer dieselben Worte, aber doch dieselbe Sprache sprechen. Die katholische Kirche, die einst auch den übrigen Künsten eine solche Mutter war, ist jest verarmt und selber hülflos. Jeder Maler malt jezt auf eigene Hand und für eigene Rechnung; die Tageslaune, die Grille der Geldreichen oder des eigenen müßigen Herzens gibt ihm den Stoff, die Palette gibt ihm die glänzendsten Farben und die Leinwand ist geduldig. Dazu kommt noch, daß jezt bei den französischen Malern die mißverstandene Romantik grassirt, und, nach ihrem Hauptprincip, jeder sich bestrebt, ganz anders, als die Anderen, zu malen, oder wie die cursirende Nedensart heißt: seine Eigenthümlichfeit hervortreten zu lassen. Welche Bilder hierdurch manchmal zum Vorschein kommen, läßt sich leicht errathen.

Da die Franzosen jedenfalls viel gesunde Vernunft besiyen, so haben sie das Verfehlte immer richtig beurtheilt, das wahrhaft Eigenthümliche leicht erkannt, urd aus einem bunten Meer von Gemälden die wahrhaften Perlen leicht heraus

gefunden. Die Maler, deren Werke man am meisten besprach und als das Vorzüglichste prieß, waren A. Scheffer, H. Vernet, Delacroix, Decamps, Lesfore, Schnes, Delaroche und Robert. Ich darf mich also darauf beschränken, die öffentliche Meinung zu referiren. Sie ist von der meinigen nicht sehr abweichend. Beurtheilung technischer Vorzüge oder Mängel will ich, so viel als möglich, vermeiden. Auch ist dergleichen von wenig Nußen bei Gemälden, die nicht in öffentlichen Gallerien der Betrachtung ausgestellt bleiben, und noch weniger nüßt es dem deutschen Berichtempfänger, der sie gar nicht gesehen. Nur Winke über das Stoffartige und die Bedeutung der Gemälde mögen legterem willkommen sein. Als gewissenhafter Referent erwähne ich zuerst die Gemälde von

A. Scheffer.

Haben doch der Faust und das Gretchen dieses Malers im ersten Monat der Ausstellung die meiste Aufmerksamkeit auf sich gezogen, da die besten Werke von Delaroche und Robert erst späterhin aufgestellt wurden. Ueberdieß, wer nie etwas von Scheffer gesehen, wird gleich frappirt von seiner Manier, die sich besonders in der Farbengebung ausspricht. Seine Feinde sagen ihm nach, er male nur mit Schnupftaback und grüner Seife. Ich weiß nicht, wie weit sie ihm Unrecht thun. Seine braunen Schatten sind nicht selten sehr affectirt und verfehlen den in Rembrandtscher Weise beabsichtigten Lichteffekt. Seine Gesichter haben meistens jene fatale Couleur, die uns manchmal das eigene Gesicht verleiden konnte, wenn wir es, überwacht und verdrießlich, in jenen grünen Spiegeln erblickten, die man in alten Wirthshäusern, wo der Postwagen des Morgens stille hält, zu finden pflegt. Betrachtet man aber Scheffers Bilder etwas näher und länger, so befreundet man sich mit seiner Weise, man findet die Behandlung des Ganzen sehr poetisch, und maŋ sieht, daß aus den trübsinnigen Farben ein lichtes Gemüth hervorbricht, wie Sonnenstrahlen aus Nebelwolken. Jene mürrisch gefegte, gewischte Malerei, jene todmüden Farben mit unheimlich vagen Umrissen, sind in den Bildern von Faust und Gretchen sogar von gutem Effekt. Beide sind lebensgroße Kniestücke. Faust figt in einem mittelalterthümlichen rothen Sessel, neben einem mit Pergamentbüchern bedeckten Tische, der seinem linken Arm, worin sein bloßes Haupt ruht, als Stüße dient. Den rechten Arm, mit der flachen Hand nach außen gekehrt, stemmt er gegen seine Hüfte. Gewand seifengrünlich blau. Das Gesicht fast Profil und schnupftabacklich fahl; die Züge desselben streng edel. Troß der kranken Mißfarbe, der gehöhlten Wangen, der Lippenwelkheit, der eingedrückten Zerstörniß, trägt dieses Gesicht dennoch die Spuren seiner ehemaligen Schönheit, und indem die Augen ihr holdwehmüthiges Licht darüber hingießen, sieht es aus wie eine schöne Nuine, die der Mond beleuchtet. Ja, dieser Mann ist eine schöne Menschenruine, in den Falten über diesen verwitterten Augbrau

nen brüten fabelhaft gelahrte Eulen, und hinter dieser Stirne lauern böse Gespenster; um Mitternacht öffnen sich dort die Gräber verstorbener Wünsche, bleiche Schatten dringen hervor, und durch die öden Hirnkammern schleicht, wie mit gebundenen Füßen, Gretchens Geist. Das ist eben das Verdienst des Malers daß er uns nur den Kopf eines Mannes gemalt hat, und daß der bloße Anblick desselben uns die Gefühle und Gedanken mittheilt, die sich in des Mannes Hirn und Herzen bewegen. Im Hintergrunde, kaum sichtbar und ganz grün, widerwärtig grün gemalt, erkennt man auch den Kopf des Mephistopheles, des bösen Geistes, des Vaters der Lüge, des Fliegengottes, des Gottes der grünen Seife.

Gretchen ist ein Seitenstück von gleichem Werthe. Sie sigt ebenfalls auf einem gedämpft rothen Sessel, das ruhende Spinnrad mit vollem Wocken zur Seite; in der Hand hält sie ein aufgeschlagenes Geberbuch, worin sie nicht liest und worin ein verblichen buntes Muttergottesbildchen hervortröstet. Sie hält das Haupt gesenkt, so daß die größere Seite des Gesichtes, das ebenfalls fast Profil, gar seltsam beschattet wird. Es ist, als ob des Faustes nächtliche Seele ihren Schatten werfe über das Antlig des stillen Mädchens. Die beiden Bilder hingen nahe neben einander, und es war um so bemerkbarer, daß auf dem des Faustes aller Lichteffekt dem Gesichte gewidmet worden, daß hingegen auf Gretchens Bild weniger das Gesicht, und desto mehr dessen Umrisse beleuchtet sind. Lezteres erhielt dadurch noch etwas unbeschreibbar Magisches. Gretchens Mieder ist saftig grün, ein schwarzes Käppchen bedeckt ihre Scheitel, aber ganz spärlich, und von beiden Seiten dringt ihr schlichtes, goldgelbes Haar um so glänzender hervor. Ihr Gesicht bildet ein rührend edles Oval, und die Züge sind von einer Schönheit, die sich selbst verbergen möchte aus Bescheidenheit. Sie ist die Bescheidenheit selbst, mit ihren lieben blauen Augen. Es zieht eine stille Thräne über die schöne Wange, eine stumme Perle der Wehmuth. Sie ist zwar Wolfgang Göthes Gretchen, aber sie hat den ganzen Friedrich Schiller gelesen, und sie ist viel mehr sentimental als nais, und viel mehr schwer idealisch als leicht graziös. Vielleicht ist sie zu treu und zu ernsthaft, um graziös sein zu können, denn die Grazie besteht in der Bewegung. Dabei hat sie etwas so Verläßliches, so Solides, so Reelles, wie ein baarer Louisd'or, den man noch in der Tasche hat. Mit einem Wort, si ist ein deutsches Mädchen, und wenn man ihr tief hineinschaut in die melan. cholischen Veilchen, so denkt man an Deutschland, an duftige Lindenbäume, an Hölty's Gedichte, an den steinernen Roland vor dem Nathhaus, an den alten Conrektor, an seine rosige Nichte, an das Forsthaus mit den Hirschgeweihen, an schlechten Taback und gute Gesellen, an Großmutters Kirchhofgeschichten, an treuherzige Nachtwächter, an Freundschaft, an erste Liebe, und allerlei anbere süße Schnurrpfeifereien. Wahrlich, Scheffers Gretchen kann nicht

beschrieben werden. Sie hat mehr Gemüth als Gesicht. Sie ist eine gemalte Seele. Wenn ich bei ihr vorüberging, sagte ich immer unwillkührlich: Liebes Kind!

Leider finden wir Scheffers Manier in allen seinen Bildern, und wenn sie seinem Fauft und Gretchen angemessen ist, so mißfällt sie uns gänzlich bei Gegenständen, die eine heitere, klare, farbenglühende Behandlung erforderten, 3. B. bei einem kleinen Gemälde, worauf tanzende Schulkinder. Mit seinen gedämpften, freudlosen Farben hat uns Scheffer nur einen Nudel kleiner Gnomen dargestellt. Wie bedeutend auch sein Talent der Portraitirung ist, ja, wie sehr ich hier seine Originalität der Auffaffung rühmen muß, so sehr widersteht mir auch hier seine Farbengebung. Es gab aber ein Portrait im Salon, wofür eben die Scheffersche Manier ganz geeignet war. Nur mit diesen unbestimmten, gelogenen, gestorbenen, charakterlosen Farben konnte der Mann gemalt werden, dessen Ruhm darin besteht, daß man auf seinem Gesichte nie seine Gedanken lesen konnte, ja, daß man immer das Gegentheil oarauf lus. Es ist der Mann, dem wir hinten Fußtritte geben könnten, ohne daß vorne das stereotype Lächeln von seinen Lippen schwände. Es ist der Mann, der vierzehn faische Eide geschworen, und dessen Lügentalente von allen auf einander folgenden Regierungen Frankreichs benußt wurden, wenn irgend eine tödtliche Perfidie ausgeübt werden sollte: so daß er an jene alte Giftmischerin erinnert, an jene Lokusta, die, wie ein frevelhaftes Erbstück, im Hause des Augustus lebte, und schweigend und sicher dem einen Cäsar nach dem andern und dem einen gegen den andern zu Dienste stand mit ihrem diplomatischen Tränklein. Wenn ich vor dem Bilde des falschen Mannes stand, den Scheffer so treu gemalt, dem er mit seinen Schirlingsfarben sogar die vierzehn falschen Eide in's Gesicht hinein gemalt, dann durchfröstelte mich der Gedanke: wem gilt wohl seine neueste Mischung in London ?

Scheffers Heinich IV. und Ludwig Philipp I., zwei Reitergestalten in Lebensgröße, verdienen jedenfalls eine besondere Erwähnung. Ersterer, le roi par droit de conquête et par droit de naissance, hat vor meiner Zeit gelebt; ich weiß nur, daß er einen henry-quatre getragen, und ich kann nicht bestimmen, in wie weit er getroffen ist. Der andere, le roi des barricades, le roi par la grâce du peuple souverain, ist mein Zeitgenosse, und ich kann urtheilen, ob sein Portrait ihm ähnlich sieht oder nicht. Ich sah leyteres, ehe ich das Vergnügen hatte, Se. Majestät den König selbst zu sehen, und ich erkannte ihn dennoch nicht im ersten Augenblick. Ich sah ihn vielleicht in einem allzu sehr erhöhten Seelenzustande, nämlich am ersten Festtage der jüngsten Revoluzionsfeier, als er durch die Straßen von Paris einherritt, in der Mitte der jubelnden Bürgergarde und der Juliusdekorirten, die alle wie wahnsinnig die Parisienne und die Marseiller Hymne brüllten, auch mitunter

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »