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halb Knabe und halb schon Jüngling, ist eine überaus rührende Gestalt. Ein gefangener König, wie Sterne so richtig fühlt, ist schon an und für sich ein wehmüthiger Gedanke; und hier ist der gefangene König noch beinahe ein unschuldiger Knabe und hülflos preisgegeben einem tückischen Mörder. Troß seines zarten Alters, scheint er schon viel gelitten zu haben; in seinem bleichen, kranken Antlig liegt schon tragische Hoheit, und seine Füße, die, mit ihren langen, blausammtnen Schnabelschuhen, vom Lager herabhängen und doch nicht den Boden berühren, geben ihm gar ein gebrochen Ansehen, wie das einer geknickten Blume. Alles das ist, wie gesagt, sehr einfach, und wirkt desto mächtiger. Ach! es hat mich noch um so mehr bewegt, da ich in dem Antlig des unglücklichen Prinzen die lieben Freundesaugen entdeckte, die mir, so oft zugelächelt, und mit noch lieberen Augen so lieblich verwandt waren. Wenn ich vor dem Gemälde des Delaroche stand, kam es mir immer in's Gedächtniß, wie ich einst auf einem schönen Schlosse im theuren Polen, vor dem Bilde des Freundes stand und mit seiner holden Schwester von ihm sprach und ihre Augen heimlich verglich mit den Augen des Freundes. Wir sprachen auch von dem Maler des Bildes, der kurz vorher gestorben, und wie die Menschen dahinsterben, einer nach dem andern- ach! der liebe Freund selbst ist jezt todt, erschossen bei Praga, die holden Lichter der schönen Schwester sind ebenfalls erloschen, ihr Schloß ist abgebrannt, und es wird mir einsam ängstlich zu Muthe, wenn ich bedenke, daß nicht blos unsere Lieben so schnell aus der Welt verschwinden, sondern sogar von dem Schauplah, wo wir mit ihnen gelebt, keine Spur zurückbleibt, als hätte nichts davon eristirt, als sei alles nur ein Traum.

Indessen noch weit schmerzlichere Gefühle erregt das andere Gemälde von Delaroche, das eine andere Scene aus der englischen Geschichte darstellt. Es ist eine Scene aus jener entseßlichen Tragödie, die auch in's Französische überseßt worden ist und so viele Thränen gekostet hat, diesseits und jenseits des Kanals, und die auch den deutschen Zuschauer so tief erschüttert. Auf dem Gemälde sehen wir die beiden Helden des Stücks, den einen als Leiche im Sarge, den andern in voller Lebenskraft und den Sargdeckel aufhebend, um den todten Feind zu betrachten. Oder sind es etwa, nicht die Helden selbst, sondern nur Schauspieler, denen vom Direktor der Welt ihre Rolle vorges schrieben war, und die vielleicht, ohne es zu wissen, zwei kämpfende Prinzipien tragirten? Ich will sie hier nicht nennen, die beiden feindseligen Prinzipien, die zwei großen Gedanken, die sich vielleicht schon in der schaffenden Gottesbrust befehdeten, und die wir auf diesem Gemälde einander gegenüber sehen, das eine schmählich verwundet und verblutend, in der Person von Karl Stuart, das andere keck und siegreich, in der Person von Oliver Cromwel.

In einem von den dämmernden Sälen Whitehalls, auf dunkelrothen Sam

metstühlen, steht der Sarg des enthaupteten Königs, und davor steht ein Mann, der mit ruhiger Hand den Deckel aufhebt und den Leichnam betrachtet. · Jener Mann steht dort ganz allein, seine Figur ist breit unterseßt, seine Haltung nachlässig, sein Gesicht bäurisch ehrenfest. Seine Tracht ist die eines gewöhnlichen Kriegers, puritanisch schmucklos: eine langherabhängende dunfelbraune Sammiweste ; darunter eine gelbe Lederjacke; Reiterstiefeln, die so hoch heraufgehen, daß die schwarze Hose kaum zum Vorschein kommt; quer über die Brust ein schmuziggelbes Degengehänge, woran ein Degen mit Glockengriff; auf den kurzgeschnittenen dunkeln Haaren des Hauptes ein schwarzer, aufgekrämpter Hut mit einer rothen Feder; am Halse ein übergeschlagenes weißes Kräglein, worunter noch ein Stück Harnisch sichtbar wird; schmußige gelblederne Handschuhe; in der einen Hand, die nahe am Degengriffe liegt, ein kurzer, stüzender Stock, in der andern Hand der erhobene Deckel des Sarges, worin der König liegt.

Die Todten haben überhaupt einen Ausdruck im Gesichte, wodurch der Lebende, den man neben ihnen erblickt, wie ein Geringerer erscheint; denn sie übertreffen ihn immer an vornehmer Leidenschaftslosigkeit und vornehmer Kälte. Das fühlen auch die Menschen, und aus Respekt vor dem höheren Todtenstande tritt die Wache ins Gewehr und präsentirt, wenn eine Leiche vorübergetragen wird, und sei es auch die Leiche des ärmsten Flickschneiders. Es ist daher leicht begreiflich, wie sehr dem Oliver Cromwel seine Stellung ungünstig ist bei jeder Vergleichung mit dem todten Könige. Dieser, verklärt von dem eben erlittenen Märtyrerthume, geheiligt von der Majestät des Unglücks, mit dem kostbaren Purpur am Halse, mit dem Kuß der Melpomene auf den weißen Lippen, bildet den herabdrückendsten Gegensaß zu der rohen, der lebendigen Puritanergestalt. Auch mit der äußeren Bekleidung derselben kontrastiren tiefschneidend bedeutsam die lezten Prachtspuren der gefallenen Herrlichkeit, das reiche grünseidene Kissen im Sarge, die Zierlichkeit des blendend weißen Leichenhemds, garnirt mit Brabanter Spizen.

Welchen großen Weltschmerz hat der Maler hier mit wenigen Strichen ausgesprochen! Da liegt sie, die Herrlichkeit des Königthums, einst Trost und Blüthe der Menschheit, elendiglich verblutend. Englands Leben ist seitdem bleich und grau, und die entseßte Poesie floh den Boden, den sie ehemals mit ihren heitersten Farben geschmückt. Wie tief empfand ich dieses, als ich einst, um Mitternacht, an dem fatalen Fenster von Whitehall vorbeiging, und die jezige kaltfeuchte Prosa von England mich durchfröstelte! Warum war aber meine Seele nicht von eben so tiefen Gefühlen ergriffen, als ich jüngst zum ersten Male über den entsezlichen Plaz ging, wo Ludwig XVI. gestorben? Ich glaube, weil dieser, als er starb, kein König mehr war, weil er, als sein Haupt fiel, schon vorher die Krone verloren hatte. König Karl verlor aber die Krone

nur mit dem Haupte selbst. Er glaubte an diese Krone, an sein absolutes Recht; er kämpfte dafür, wie ein Ritter, kühn und schlank; er starb adelig stolz, protestirend gegen die Geseßlichkeit seines Gerichts, ein wahrer Märtyrer des Königthums von Gottes Gnaden. Der arme Bourbon verdient nicht diesen Ruhm, sein Haupt war schon durch eine Jacobinermüze entfönigt: er glaubte nicht mehr an sich selber, er glaubte fest an die Kompetenz seiner Richter, er betheuerte nur seine Unschuld; er war wirklich bürgerlich tugendhaft, ein guter, nicht sehr magerer Hausvater; sein Tod hat mehr einen sentimentalen als einen tragischen Charakter, er erinnert allzusehr an August Lafontaines Familienromane: — eine Thräne für Ludwig Capet, einen Lorbeer für Karl Stuart!

Un plagiat infame d'un crime étranger, sind die Worte, womit der Vicomte Chateaubriand jene trübe Begebenheit bezeichnet, die einst am 21. Januar auf der Place de la concorde stattfand. Er macht den Vorschlag, auf dieser Stelle eine Fontaine zu errichten, deren Wasser aus einem großen Becken von schwarzem Marmor hervorsprudlen, um abzuwaschen — ,,ihr wißt wohl, was ich meine,“ sezt er pathetisch geheimnißvoll hinzu. Der Tod Ludwigs XVI. ist überhaupt das beflorte Paradepferd, worauf der edle Vicomte sich beständig herumtummelt; seit Jahr und Tag exploitirt er die Himmelfahrt des Sohns des heiligen Ludwigs, und eben die raffinirte Giftdürftigkeit, womit er dabei deklamirt, und seine weitgeholten Trauerwiße zeugen von keinem wahren Schmerze. Am allerfatalsten ist es, wenn seine Worte wiederhallen aus den Herzen des Faubourg St. Germain, wenn dort die alten Emigrantenkoketterien mit heuchlerischen Seufzern noch immer über Ludwig XVI. jammern, als wären sie seine eigentlichen Angehörigen, als habe er eigentlich ihnen zugehört, als wären sie besonders bevorrechtet, seinen Tod zu betrauern. Und doch ist dieser Tod ein allgemeines Weltunglück gewesen, das den geringsten Tagelöhner eben so gut betraf, wie den höchsten Ceremonienmeister der Tuilerien, und das jedes fühlende Menschenherz mit unendlichem Kummer erfüllen mußte. O, der feinen Sippschaft! seit sie nicht mehr unsere Freuden usurpiren kann, usurpirt sie unsere Schmerzen.

Es ist vielleicht an der Zeit, einerseits das allgemeine Volksrecht solcher Schmerzen zu vindiziren, damit sich das Volk nicht einreden lasse, nicht ihm gehörten die Könige, sondern einigen Auserwählten, die das Privilegium haben, jedes königliche Mißgeschick als ihr eigenes zu bejammern; andererseits ist es vielleicht an der Zeit, jene Schmerzen laut auszusprechen, da es jezt wieder einige eiskluge Staatsgrübler giebt, einige nüchterne Bacchanten der Vernunft, die, in ihrem logischen Wahnsinn, uns alle Ehrfurcht, die das uralte Sakrament des Königthums gebietet, aus der Tiefe unserer Herzen herausdisputiren möchten. Indessen, die trübe Ursache jener Schmerzen nennen

wir keineswegs ein Plagiat, noch viel weniger ein Verbrechen und am allerwenigsten infam; wir nennen sie cine Schickung Gottes. Würden wir doch die Menschen zu hoch stellen und zugleich zu tief herabseßen, wenn wir ihnen so viel Niesenkraft und zugleich so viel Frevel zutrauten, daß sie aus eigener Willkühr jenes Blut vergossen hätten, dessen Spuren Chateaubriand mit dem Wasser seines schwarzen Waschbeckens vertilgen will.

Wahrlich, wenn man die derzeitigen Zustände erwägt und die Bekenntnisse der überlebenden Zeugen einsammelt, so sieht man, wie wenig der freie Menschenwille bei dem Tode Ludwigs XVI. vorwaltete. Mancher, der gegen den Tod stimmen wollte, that das Gegentheil, als er die Tribüne bestiegen und von dem dunkeln Wahnsinn der politischen Verzweiflung ergriffen wurde. Die Girondisten fühlten, daß sie zu gleicher Zeit ihr eigenes Todesurtheil aussprachen. Manche Neden, die bei dieser Gelegenheit gehalten wurden, dienten nur zur Selbstbetäubung. Der Abbé Sieyes, angeekelt von dem widerwärtigen Geschwäge, stimmte ganz einfach für den Tod, und als er von der Tribüne herabgestiegen, sagte er zu seinem Freunde: j'ai voté la mort sans phrase. Der böse Leumund aber mißbrauchte diese Privatäußerung; dem mildesten Menschen ward als parlamentarisch das Schreckenswort “la mort sans phrase" aufgebürdet, und es steht jezt in allen Schulbüchern und die Jungen lernen's auswendig. Wie man mir allgemein versichert, Bestürzung und Trauer herrschte am 21. Januar in ganz Paris, sogar die wüthendsten Jakobiner schienen von schmerzlichem Mißbehagen niedergedrückt. Mein gewöhnlicher Kabrioletführer, ein alter Sanskülotte, erzählte mir, als er den König sterben sehen, sei ihm zu Muthe gewesen,,,als würde ihm selber ein Glied abgesägt." Er seßte hinzu:,,es hat mir im Magen weh gethan und ich hatte den ganzen Tag einen Abscheu vor Speisen.“ Auch meinte er,,,der alte Veto" habe sehr unruhig ausgesehen, als wolle er sich zur Wehr sehen. So viel ist gewiß, er starb nicht so großartig wie Karl I., der erst ruhig seine lange protestirende Rede hielt, wobei er so besonnen blieb, daß er die umstehenden Edelleute einige Mal ersuchte, das Beil nicht zu betasten, damit es nicht stumpf werde. Der geheimnißvoll verlarfte Scharfrichter von Whitehall wirkte ebenfalls schauerlich poetischer, als Samson mit seinem nackten Gesichte. Hof und Henker hatten die lehte Maske fallen lassen, und es war ein prosaisches Schauspiel. Vielleicht hätte Ludwig eine lange christliche Verzeihungsrede gehalten, wenn nicht die Trommel bei den ersten Worten schon so gerührt worden wäre, daß man kaum seine Unschuldserklärung gehört hat. Die erhabenen Himmelfahrtsworte, die Chateaubriand und seine Genossen beständig paraphrasiren: "fils de Saint Louis, monte au ciel!" diese Worte sind auf dem Schaffote gar nicht gesprochen worden, sie passen gar nicht zu dem nüchternen Werkeltagscharakter des guten Edgworth, dem sie in den Mund

gelegt werden, und sie sind die Erfindung eines damaligen Journalisten, Namens Charles Hiß, der sie denselben Tag drucken ließ. Dergleichen Berichtigung ist freilich sehr unnüß; diese Worte stehen jezt ebenfalls in allen Compendien, sie sind schon längst auswendig gelernt, und die arme Schuljugend müßte noch obendrein auswendig lernen, daß diese Worte nie gesprochen worden.

Es ist nicht zu läugnen, daß Delaroche absichtlich durch sein ausgestelltes Bild zu geschichtlichen Vergleichungen aufforderte, und wie zwischen Ludwig XVI. und Karl I. wurden auch zwischen Cromwel und Napoleon beständig Parallelen gezogen. Ich darf aber sagen, daß beiden Unrecht geschah, wenn man sie mit einander verglich. Denn Napoleon blieb frei von der schlimmsten Blutschuld; (die Hinrichtung des Herzogs von Enghien war nur ein Meuchelmord) Cromwel aber sank nie so tief, daß er sich von einem Priester zum Kaiser salben ließ, und, ein abtrünniger Sohn der Revoluzion, die gekrönte Vetterschaft der Cäsaren erbuhlte. In dem Leben des Einen ist ein Blutfleck, in dem Leben des Andern ist ein Delfleck. Wohl fühlten sie aber beide die geheime Schuld. Dem Bonaparte, der ein Washington von Europa werden konnte, und nur dessen Napoleon ward, ihm ist nie wohl geworden in seinem kaiserlichen Purpurmantel; ihn verfolgte die Freiheit wie der Geist einer erschlagenen Mutter, er hörte überall ihre Stimme, sogar des Nachts, aus den Armen der anvermählten Legitimität schreckte sie ihn vom Lager; und dann sah man ihn hastig umherrennen in den hallenden Gemächern der Tuilerien, und er schalt und tobte; und wenn er dann des Morgens, bleich und müde, in den Staatsrath kam, so klagte er über Ideologie, und wieder Ideologie, und sehr gefährliche Ideologie, und Corvisart schüttelte das Haupt. Wenn Cromwel ebenfalls nicht ruhig schlafen konnte und des Nachts ängstlich in Whitehall umherlief, so war es nicht, wie fromme Kavaliere meinten, ein blutiges Königsgespenst, was ihn verfolgte, sondern die Furcht vor den leiblichen Rächern seiner Schuld; er fürchtete die materiellen Dolche der Feinde, und deßhalb trug er unter dem Wamms immer einen Harnisch, und er wurde immer mißtrauischer, und endlich gar, als das Büchlein erschien: „Tödten ist kein Mord," da hat Oliver Cromwel nie mehr gelächelt.

Wenn aber die Vergleichung des Protektors und des Kaisers wenig Aehnlichkeiten bietet, so ist die Ausbeute desto reicher bei den Parallelen zwischen den Fehlern der Stuarts und der Bourbonen überhaupt, und zwischen den Restaurationsperioden in beiden Ländern. Es ist fast eine und dieselbe Untergangsgeschichte. Auch dieselbe Quasilegitimität der neuen Dynastie ist vorhanden, wie einst in England. Im Foyer des Jesuitismus werden ebenfalls wieder wie einst die heiligen Waffen geschmiedet, die alleinseligmachende Kirche seufzt und intriguirt ebenfalls für das Kind des Mirakles, und es fehlt nur noch,

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