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Grenzen und Ausdehnung der Reformation in

der evangelischen Kirche.

Die protestantische Kirche befindet sich in einer peinlichen Krisis. Man macht ihr Alles streitig. Man heißt sie stillstehen, wo sie fortschreiten soll; man treibt sie zum Fortschritt, wo sie stillstehen will. Sie hat an den neuerwachten Bestrebungen der katholischen Kirche einen heftigen Feind gegen sich, einen noch gefährlicheren an dem spekulativen Rationalismus in ihr selbst.

Die katholische Kirche macht es der protestantischen zum Vorwurfe, daß sie die Bibel von der Kirche getrennt und die Schriftauslegung unbedingt freigegeben habe; und sieht es als consequenten Fortschritt dieser Kirche an, wenn der Geist sich in stufenweiser Vollendung der Auktorität der Schrift entziehe und die Kirche endlich in sich selbst zerfalle. So Drey in der Vorrede zum zweiten Bande seiner Apologetik, Mainz 1843. 6. IX ff.

Der speculative Nationalismus gibt dies Urtheil dem katholischen Theologen zu, erklärt aber die völlige Emancipation von der Bibel für den legten Gedanken des Protestantismus, für sein innerstes Princip, und sieht eben in diesem Fortschritt die consequente Durchbildung, die wahre Verklärung des Protestantismus. So Zeller in Schweglers Jahrbüchern der Gegenwart, Juni 1844.

Diese Berührung der äußersten Extreme muß bedenklich machen, und es kann nicht schwer sein, nachzuweisen, daß das

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Princip der evangelischen Kirche von beiden Parthien unrichtig aufgefaßt, und bei Feststellung desselben die Geschichte nicht zu Rathe gezogen worden ist. Denn es ist nicht wahr, wenn von Drey gesagt wird: „Der Protestantismus trennte die Bibel von der Kirche." Drey hätte sollen bestimmter sagen: von der katholischen d. h. römischen Kirche. Die römische Kirche aber hatte sich längst von der Bibel getrennt, und von dieser Seite sprach es der Protestantismus nur aus, daß die römische Kirche und die Bibel im Widerspruch sich befinden; eine Beobachtung, welche bis auf den heutigen Tag jeder erleuchtete Katholik machen wird. Von der eigenen Kirche d. h. der Kirche überhaupt sich getrennt zu haben, wird Drey nicht sagen können, indem ja vielmehr als Thatsache feststeht, daß Bibel und Kirche in der protestantischen Kirche gewissermaßen Wechselbegriffe find. Die Bibel ist es, deren Urtheil sich die protestantische Kirche unterwirft, die sie als Auktorität ebenso über sich anerkennt, wie die römische Kirche den Ausspruch des Pabstes als Trägers der Tradition. Der Unterschied ist hiebei nur, daß die Auftorität der evangelischen Kirche sich auf die Urquellen des Christenthums zurück bezieht, die der katholischen aber auf abgeleitete Bäche. Die evangelische Kirche ist also auch dann noch im Vortheil, wenn der Unterschied der Auktorität nicht als der des Göttlichen und Menschlichen gefaßt wird. Somit löst sich also dieser unbegründete Vorwurf gegen das Prinzip der evangelischen Kirche in einen begründeten gegen das Prinzip der katholischen Kirche auf.

Nicht anders verhält es sich mit dem zweiten. Es ist nicht wahr, wenn von einer unbedingten Freigebung der Schriftauslegung als von einem Prinzip der evangelischen Kirche die Rede ist. Wäre dies das Prinzip der evangelischen Kirche, so hätte sie demselben im Augenblick ihres Entstehens schnurstracks widersprochen. Nicht nur die Sakramentirer, auch die Wiedertäufer, Schwenkfelder, Servet und Socin erkannten die Schrift als Auktorität an, und beriefen sich auf dieselbe. Warum

hat die evangelische Kirche sich ihnen entgegengestellt, sie nicht als die Ihrigen anerkannt? Eben weil sie die Schriftauslegung nicht freigegeben hat, nicht unbedingt freigeben konnte. Warum hat sie die drei ältesten Hauptsymbole in ihr Bekenntniß aufgenommen, wenn sie nicht ihren Zusammenhang mit der Kirche bis zum fünften und sechsten Jahrhundert bekennen, wenn sie nicht der Schriftauslegung Grenzen ziehen wollte? Warum hat sie die Rechtfertigung des Menschen durch Christum vermittelst des Glaubens so stark ausgesprochen, wenn dies nicht der Angelpunkt war, um welchen sich die ganze Anschauung in der protestantischen Kirche von Anfang an drehte? Warum hat sie das augsburgische Bekenntniß abgefaßt, wenn sie nicht damit bekennen wollte, daß sich die evangelische Kirche dem Sinn und Geist dieses Bekenntnisses unterwerfe?

Allerdings ist es eine Thatsache, daß sich, nachdem die Kirche in die Knechtschaft einer äußerlichen Orthodorie gerathen war, und das Leben unter einer starren Form verkümmern wollte, durch den Pietismus und noch mehr durch den Rationalismus der Geist dieser Auktorität in stufenweiser Vollendung zu entziehen suchte, und daß es namentlich der speculative Nationalismus ist, welcher die völlige Emancipation nicht nur von dem materialen, sondern auch von dem formalen Prinzip des Protestantismus, von der Bibel, als die consequente Durchbildung desselben betrachtet. Aber hat nun Drey Recht, wenn er uns eben hieraus beweisen will, wie verderbt und verfehlt das Prinzip des Protestantismus in Absicht auf die Lehre war? Hat er Recht, wenn er S. 579 bei Schwegler (Jahrb. Juni 1844) sagt: „So hat eine Entwicklung des Grundprinzips die andere nach sich gezogen; und auf diesem Standpunkt hat die neueste Schule nicht Unrecht, wenn sie behauptet, daß das Prinzip des Protestantismus erst durch sie zu seinem vollen Rechte gelangt sey, und ihr Standpunkt das legte Ziel der Entwicklung des christlichen Bewußtseyns bezeichne. Gegen diesen konsequenten. Fortschritt vermögen polizeiliche

Verbote, Konfiskationen und dergleichen nichts"? Um hier bei dem legten anzufangen, so hat allerdings die evangelische Kirche das, was der katholischen bis jezt verborgen blieb, gleich von Anfang zu begreifen gesucht, daß der Geist nicht durch äußere Mittel, am wenigsten durch Autodafe's gedämpfet werden soll, und Luther hat nicht umsonst den Sag ausgesprochen, man müsse die Geister auf einander plagen lassen; aber sie hat niemals dies als eine Entwicklung ihres Grundprinzips betrachtet, indem sie dasselbe nie in die unbedingte Negation, und in die Freiheit gesezt hat, welche zugleich eine Freiheit von der Bibel und ihrer Auktorität ist. Ihr Grundprinzip ist die Bibel, und diejenige Gesammtanschauung ihrer Lehre, welche sich aus den Schriften des Apostels Paulus insbesondere ergibt, und als die Gerechtigkeit aus dem Glauben ohne Zuthun der Werke ausgesprochen ist. Was der Pietismus, der vulgäre und speculative Rationalismus zu Tage gefördert hat; das benügt die evangelische Kirche, um ihren Lehrbegriff innerhalb ihres Prinzips immer mehr zu läutern und zu verklären, weil sie weiß, daß die menschliche Ausbildung der Lehre nicht irrthumslos ist; aber sie wird sich deßhalb weder von dem materialen noch von dem formalen Prinzip abtreiben lassen. Denn gäbe sie die Auktorität der Bibel auf, wie Zeller es deutlich fordert; so würde sie jeden festen Boden verlieren, und ihr Haus nicht nur auf den Sand, sondern in die Luft bauen. Es ist daher als ein blauer Dunst zu betrachten, wenn Zeller in Schweglers Jahrbüchern S. 579 sagt: „Man braucht weder ein Feind der Kirche noch ein irreligiöser Mensch zu sein, sondern eben nur ein konsequenter Protestant, um mit allen andern menschlichen Auktoritäten auch die einer von Menschen verfaßten, überlieferten, beglaubigten und erklärten Schrift zu verwerfen, und die Religion und Religionswissenschaft einzig und allein auf ihre innere Bewährung für den denkenden Geist zu gründen." Mit einer solchen Gesinnung ist man kein Protestant im historischen Sinne des Wortes, kein evangelischer

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