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Naglfari vermählt, in dritter Ehe mit Delling (oder Dögling) aus dem Asen-Geschlechte; beider Sohn war Dag (Tag); der war licht und glänzend wie sein Vater (Gg. 10). Nott, die Tochter des Nor, heißt „Nacht“ bei den Menschen (Alv. 30/1). Der freundliche Delling ist Vater des Dag, und Nott ist gezeugt von Nor (Vafþr. 25).

Jötunheim liegt im Osten und Norden; aus diesen Gegenden kommt die nächtliche Dunkelheit über die Erde, dort wohnt deshalb der Urheber des nächtlichen Dunkels, der riesische Vater der Nacht. Narfi ist auch ein Sohn Lokis, der von seinem Bruder Wali, den die Götter in einen Wolf verwandelt haben, zerrissen wird, und mit dessen Gedärmen dann Loki gefesselt wird. Lokis Sohn und der Vater der Nacht sind kaum voneinander verschieden, sie sind Dämonen des einbrechenden nächtlichen Dunkels.

Der Name des ersten Gatten der Nacht, Naglfari, kehrt auch bei dem Schiffe wieder, auf dem beim Weltuntergange die Zerstörer daherfahren. Naglfar ist das größte Schiff, das Muspells Söhne besitzen (Gg. 43). Es ist aus den Nägeln gestorbener Menschen verfertigt, und deshalb soll man niemand mit unbeschnittenen Nägeln sterben lassen; denn jeder, der das tut, fördert dadurch sehr die Vollendung des Schiffes Naglfar, von dem Götter und Menschen wünschen, daß es spät fertig werde (Gg. 51). Besteht zwischen dem ersten Gatten der Nacht und dem Schiffe, das, aus den Nägeln der Toten erbaut, am Weltende die Riesen herbeifährt, ein Zusammenhang? Zunächst ist klar, daß dadurch die ungeheure Ferne und das langsame Zustandekommen des Weltendes ausgedrückt werden soll: bis ein solches Schiff aus schmalen Nägelschnitzen der Leichen zusammengesetzt wird, verstreicht lange, lange Zeit, und sie leidet noch durch die warnende. Vorschrift Aufschub, allen Toten die Nägel zu schneiden. Ähnlich ist die Vorstellung des Berges der Ewigkeit, dem alle hundert Jahre ein Vogel nur ein Sandkorn zuträgt. Dieser märchenhafte Zug wird sonst nirgends für das Schiff Naglfari vorausgesetzt und ist ihm angedichtet, als man seine ursprüngliche Bedeutung nicht mehr verstand. Mit der nordischen Sitte, in ein Schiff gelegte Tote zu verbrennen oder

den Wellen zu überlassen, steht die Angabe jedenfalls in keinem Zusammenhange. Auch die Deutung des Namens ,,das zwischen Leichen fahrende" oder ,,das Totenschiff", auf dem die Totengespenster heraurücken, erklärt die Verknüpfung mit dem seltenen Bau des Fahrzeuges nicht genügend, abgesehen davon, daß eher der Name Naglafar zu erwarten wäre (nagl=vέxus, vezoós). Naglfar ist das ,,Nagelfahrzeug". Die nordischen Seefahrer verzierten ihre Schiffe gern mit blanken Nägeln, und so kann Naglfar das mit Nägeln beschlagene Schiff bezeichnen. Man erblickte in den Sternen glänzende Nägel, die am Firmament eingeschlagen seien. Schwäbischer Aberglaube hält die Sterne für die Köpfe silberner Nägel, die das Himmelsgewölbe zusammenhalten, und der Philosoph Anaximenes vertritt dieselbe volkstümliche Ansicht, daß die Sterne wie Nägel am ehernen Himmelsgewölbe befestigt seien. Der Himmel ist mit Sternen besetzt, wie das Schiff mit glänzenden Nägeln. Das langsame stetige Vorrücken des Himmels vergleicht sich der ruhigen, unaufhaltsamen Fahrt eines Schiffes, und so konnte man den Sternenhimmel wohl als Schiff ansehen und Naglfari zum Gatten der schwarzen Nacht machen. Da nach nordischer Vorstellung die Welt durch Wasser und Feuer zu grunde geht, die heiße Lohe aber bis an den Himmel leckt, so ist der Gedanke nicht wesentlich kühner zu nennen, daß auch die Meereswogen so hoch schlagen und den Sternenhimmel mit ihrer Flut davontragen: das flottgewordene Schiff benutzen dann die Feinde der Götter zum Angriffe. Die Deutung des Schiffes Naglfar als eines Sternenbildes, entsprechend der des gefesselten Fenriswolfes, läuft auf dasselbe hinaus. Als spätere Zeit das Naturbild nicht mehr verstand, dachte man bei dem Nagelschiffe nicht mehr an goldene oder silberne Nägel, sondern an Nägel des menschlichen Körpers und gelangte so zu der wunderlichen Vorstellung eines aus unbeschnittenen Nägeln Verstorbener erbauten Fahrzeuges.

Eine dritte Ehe endlich geht die Nacht mit Delling oder Dögling ein. Delling,,der Glänzende", ,,Leuchtende", vom Geschlechte der Asen, ist licht und schön, also eine

lichte Erscheinung während der Nacht, mit der er vermählt ist. In der Frühe öffnet er die Tore seines Vorhauses und entsendet seinen Sohn, den Tag: dann am hellen, lichten Tage kann jeder offenbar und deutlich die sichtbaren Dinge wahrnehmen (Hov. 159; FAS 1468). Er ist wie Heimdall der Gott des Frühlichtes, seinem Namen und Wesen nach ihm nahe. verwandt, vielleicht sogar dieselbe Person. Dögling, wie andere Lesarten haben, ist der dem Morgentau Entsprossene, also ebenfalls der Gott der Morgendämmrung (Sk. 62).

Mit der Nacht erzeugt nach alter schöner Vorstellung Delling den Dag (den Tag): so ist vielleicht auch der lichte Dioskur Baldr der Sohn des durchleuchtenden Himmels mit der Nacht. Auch Swipdag ist ein Sonnengott und vermutlich gleichfalls der Sohn der Nacht, die sterben mußte, indem sie dem Tage das Leben gab. Der Tages- und Sonnengott ist der Spender aller Wohltaten, des Erntesegens, der Fruchtbarkeit und der Vater des Menschengeschlechtes. Wie die Menschen Heimdalls Söhne genannt werden, so jubelt die nach langem Schlafe von Sigurd erlöste Brynhild:

Dem Tage Heil und des Tages Söhnen,

Der Nacht und der Tochter [Erde] demnächst!

Sehet auf uns mit segnenden Augen

Und gebet uns Sitzenden Sieg (Sigrdr. 3; Am. 62).

Die Parallelität von Tag und Nacht, Tagessöhnen und Tochter der Nacht, zeigt, daß der Tag als göttliche Persönlichkeit aufgefaßt ist.

Wie man sich Tag und Nacht von Sonne und Mond unabhängig dachte, so haben Tag und Nacht ihre eigenen Pferde und Wagen.

Skinfaxi (Leuchtmähne) oder Glad (der Heitere) heißt das Roß, das den schimmernden Tag an jedem Morgen den Menschen bringt; den Helden scheint er der Hengste bester, stets flammt ihm das Mähnenhaar (Vafpr. 12. 14; Gg. 15; Sk. 55). Hrimfaxi aber (Reifmähne) oder Fjörswartni (der Schwarze) heißt der Hengst, der den herrlichen Göttern täglich die Nacht herniederbringt; allmorgentlich träufeln ihm Tropfen vom Beißstahl, davon kommt in die Täler der Tau.

Die prosaische Wiedergabe umschreibt diese Strophen: Allvater nahm Nacht und Tag und setzte sie an den Himmel; er gab ihnen zwei Pferde und zwei Wagen, auf denen sie um die Erde fahren.

Nacht fährt mit Hrimfaxi, der die Erde mit seinen Gebißtropfen betaut; Tag hat den Skinfaxi, von seiner Mähne erglänzt Luft und Erde (Gg. 10).

Fenri und seine Sippe.

Ein an. Rätsellied fragt:,,Wer ist der Gewaltige, der über die Erde hin zieht? er verschlingt Seen und Wald; den Windzug fürchtet er, aber Männer nicht, und nimmt mit der Sonne den Kampf auf". Die Antwort lautet: ,,Das ist der Nebel; seinetwegen sieht man das Meer nicht; aber er macht sich sogleich davon, wenn der Wind kommt, und die Menschen können ihm nichts anhaben; er vernichtet den Schein der Sonne" (FAS 1464). Das ist zwar kein Mythus vom Nebel, und mit der ausgesprochenen Lösung des Rätsels schwindet die scheinbare Persönlichkeit des finstern Unbekannten, aber die Schilderung paßt Zug für Zug auf das Ungetüm, von dem am Ende der Tage der Himmelsgott (Odin) und die Sonne verschlungen werden sollen, den Fenriswolf. Die Vorstellung des,,verschlingenden" Nebels führt zum Bilde des riesenhaften Wolfes hinüber, und aus dem die Sonne verdunkelnden Nebel konnte leicht der Dämon der winterlichen Mächte der Finsternis werden. Aus dem Meere oder dem Sumpfe (an. fen) steigt der Nebel auf, und darum wurde das Ungeheuer Fenriswolf genannt, oder allgemein nach seiner Raubtiernatur,,der raubgierige Wolf" (an. fengi,,Beute, Raub").

In der letzten Hälfte des 9. Jahrh. begegnet bei den Skalden zuerst die Vorstellung, daß Loki „des Wolfes Vater" sei (Hlg. 8), den er mit der wilden Riesin Angrboda,,,die Schadenbotin" zeugte (Lok. 10; Hym. 23; Hyndl. 42; Gg. 34); Hel und die Midgardsschlange sind des Wolfes Geschwister. Ostwärts in dem endlosen, wilden und furchtbaren Walde, der den Wohnsitz der Menschen umgibt, d. h. bei den Riesen, gebar eine unbekannte Alte dem Fenri Kinder, den Mondwolf Hati (,,der Hasser") und den Sonnenwolf Skoll (zu got. skadus,,Schatten“). Diese Fenris - Kinder sind also Lokis Enkel (Vol. 40; Grímn. 39; H. H. 140, 41; Gg. 12) und im Grunde dieselben mythischen Wesen wie Fenri. Wie

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Herrmann, Nordische Mythologie.

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dieser selbst als Verschlinger der Sonne erscheint, so verfolgt auch das Untier in Wolfsgestalt, Skoll, die glänzende Göttin, und der Räuber des Gestirns" erwürgt sie. Er ernährt sich vom Fleische gefallener Männer und besudelt mit Blut den Sitz der Götter; so schnappt auch der graue Wolf Fenri selbst nach den Sitzen der Götter (Hkm. 20; Em. 6). Der andere Wolf Hati, der den Mond verschlingt, heißt darum auch Managarm (Mondwolf); auch er mästet sich vom Fleische gestorbener Männer und wird den Himmel mit Blut bespritzen: dann wird die Sonne ihren Schein verlieren. Daher ergibt sich die dringende Mahnung, die Leiber der Gefallenen nicht unbestattet auf freiem Felde liegen zu lassen und sie nicht den Wölfen und Raben zum Fraße oder der Verwesung preiszugeben; denn durch das Versäumen dieser heiligen Pflicht mästet man die beiden Scheusale. Die Verfinsterung eines Gestirns konnte man sich leicht als ein Verschluckt werden. durch ein Ungeheuer vorstellen, so erklärt sich leicht Fenris Wolfsgestalt und seine Verkörperung als des hereinbrechenden, gleichsam verschlingenden Dunkels. Der Mythus, daß die Sonne, bevor Fenri sie verschlingt, dereinst eine Tochter gebiert, die in der neuen Welt die Pfade der Mutter ziehen wird, beweist, daß die Nordleute glaubten, daß wenigstens bei totalen Verfinsterungen ein vollständiges Verschlingen und demgemäß auch eine Erneuerung des Gestirnes stattfindet. Der Mythus verschiebt den regelmäßigen Vorgang nur ans Ende der Welt, und die Erfahrung mochte die Nordleute gelehrt haben, oder wenigstens war es ihr Glaube, daß in den auf Sonnenfinsternisse folgenden Sommern das Wetter immer übelgesinnt", unbeständig und unfreundlich war.

Nach dem Volksglauben erzeugt die Sonnenfinsternis ansteckende Krankheiten. Das Röten des Göttersitzes mit rotem Blute geht auf die öfter, besonders morgens und abends blutrot erscheinenden Nebensonnen; in Schweden, Norwegen und Dänemark hieß eine Nebensonne,,Sonnenwolf" (sólvarg, sólulv). Die schwedische Frau Sonne verfolgt ein Sonnenwolf, eine Vädersol (Nebensonne), und ihr Erscheinen bedeutet Hunger und Sterben. Nebensonnen das sind Lichtflecke um die

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