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Sonne herum werden im südlichen Island nicht selten gesehen. Wenn zwei Nebensonnen dort gleichzeitig gesehen werden, jede auf einer Seite der Sonne, die andere vor, die andere hinter ihr, so sagt man die Sonne sei in Wolfsnot (úlfakreppa), oder es werde der Sonne voraus- und nachgefahren", und beide Redensarten beziehen sich auf die Wölfe Skoll, der die Sonne, und Hati, der den Mond packen wollte. Zuweilen spricht man auch von einer Gilafahrt und nennt die Nebensonne, die vor der Sonne hergeht, Gill (= gildir, ,,Wolf?"). Das soll schlechtes Wetter bedeuten, wenn nicht zugleich eine Nebensonne der Sonne folgt, und letztere Nebensonne wird dann „,Wolf" genannt; daher stammt das Sprichwort: Selten ist Gill zu etwas gut, wenn nicht der Wolf hinterher fährt. Dem König Heidrek legt Gest der Blinde (Odin) das Rätsel vor:,,Deute mir das Wunder, das ich draußen sah vor Dellings (des Vaters des Tages) Türen (d. h. am hellen, lichten Tage)? Es leuchtet den Leuten über alle Lande, und Wölfe streiten sich stets darum." Heidrek rät das Rätsel richtig: ,,Das ist die Sonne; sie beleuchtet alle Länder, scheint über alle Menschen; aber Skoll und Hati heißen die zwei Wölfe; es läuft der eine vor, der andere hinter der Sonne" (FAS 1468). Die Röte am Himmel deutet auf folgendes großes Sterben. Man hat an die Schilderung bei Dickens erinnert:,,Die Sonne färbte die Landschaft rot, und es schien, wie wenn dieses Rot zum Himmel emporstiege, so wie man es von schändlich vergossenem Blute sagt" (Unser gemeinsamer Freund).

Während der Herrschaft von Licht und Tag ist der Dämon des Dunkels vom lichten Himmels- und Tagesgotte Tius-Ty getötet oder bei Beobachtung der wiederkehrenden Naturerscheinung in eine finstere Höhle gebannt, wobei aber der Gott selbst in seiner Macht geschwächt wird. Fenri ist bei den Göttern aufgezogen, soll aber seiner gefährlichen Größe und des von ihm drohenden Unheils wegen gefesselt werden; Ty allein wagt die mit Hilfe der Zwerge verfertigte, unsichtbare Fessel ihm anzulegen, büßt aber dabei seine Hand ein, die er dem Wolfe verpfändet hat. Dem gefesselten Ungeheuer,

das die Götter in einer unterirdischen Höhle bergen, wird der Rachen noch durch ein Schwert gesperrt, Geifer rinnt aus seinem Maule, das ist der Schaumfluß Wan. Dort liegt er bis zum Untergange der Götter (Lok. 38-41; Gg. 34).

Als die Vorstellung vom Weltuntergange mehr und mehr in die Form eines erbitterten Kampfes der Riesen und Götter umgeschmolzen wurde, ward der gefesselte Wolf für den Fall seines Freiwerdens ein gefürchteter Feind der Götter und der von ihnen bisher geschützten Menschen. Sein Freiwerden ward zu einem feindlichen Ansturm auf die bisherige Weltordnung. Wild reißt und zerrt der Wolf an seiner elastischen Kette, entsetzt gewahrt seine Umgebung, die Helbewohner, seine wachsende Wut, vom Reißen an der Fessel erbebt rauschend die Weltesche Yggdrasil, die Fessel dehnt sich und streckt sich, und der Fenriswolf ist frei (Vol. 47). Laut bellt der Höllenhund Garm vor Freude über das Loskommen des Wolfes und ermuntert Fenri und die Mächte der Hel, zum Angriff vorzugehen. Mit geöffnetem Rachen stürmt der Wolf einher, seine Kiefern klaffen vom Himmel bis zur Erde, und so verschlingt er den Himmelsgott. Odins Sohn aber, der schweigsame Widar, rächt den Vater und tötet das Ungeheuer, indem er mit seinem Fuße ihm in den Unterkiefer tritt. Die Rache tritt sofort ein, denn eine Sonnenfinsternis. dauert nur einige Zeit und pflegt für den Menschen mit dem Gedanken an die baldige Wiederkehr des Lichtes verbunden zu sein. Dieser Mythus besagt dasselbe wie der, daß die Sonne, ehe Feuri sie frißt, eine Tochter gebiert (Vafþr. 47). Das Aufreissen des Rachens durch Widar erinnert daran, daß gewissermaßen die Sonne einen freien Ausweg gewinnen sollte, durch den sie ihrem Gefängnisse entrinnen könnte.

Die Ansicht, daß der am Himmel von den Göttern mit geheimnisvollem Band gefesselte und zum beständigen Aufsperren der Kiefern genötigte Wolf ursprünglich das Sternbild,,Wolfsrachen" (ulfs keptr) in der Nähe der Milchstraße (= des Schaumflusses Wan) bedeute, von dem die Götter Unheil für sich und die Welt besorgten, wenn es auf die Welt herabstürzte, verdient Beachtung. Zugegeben muß

werden, daß ein am Himmel befindliches Sternbild einem Wolfe mit leuchtenden Augen und aufgesperrtem Rachen sehr wohl verglichen werden konnte. Die Vorstellung, daß Gestirne aus der Klasse der Fixsterne am Weltuntergange ihren festen Platz verlieren, bot die Möglichkeit einer Anknüpfung an die Ragnarökmythen. Aber auch diese Erklärung muß den am Himmel in Ketten gelegten Fenriswolf zuletzt mit dem die Sonne verfolgenden Wölfen gleichsetzen und den Wolf in die Schar der Götterfeinde einreihen mit der Begründung, daß er von dem Wunsche beseelt ist, für die Schmach so langer Fesselung an den Göttern Rache zu nehmen.

Dritter Hauptteil.

Naturverehrung.

Der Götterglaube.

Allgemeine Bemerkungen.

Die germanischen Götter sind fast ausschließlich die vergöttlichten Abbilder von Naturmächten, geistige Reflexe sinnlicher Naturerscheinungen. Die Götter, die nicht die Phantasie aus der lebendig gemachten Natur erzeugt hat, sind jung und kein Gemeingut des Volkes. Stimmt ein Mythus nicht mit der Natur des Landes überein, dem er entsprungen ist, so kann er nicht wurzelfest sein.

Aber der Zeit, der die Götter Menschen von mächtiger Grösse und Herrlichkeit waren, menschlich denkend, fühlend und wollend, geht eine andere rohere voraus, wo die Germanen die Naturgewalten noch nicht in menschliche Bildung zu bändigen vermochten, sondern sie sich als ungeheure Tiere vorstellten. Der Sturm erschien ihnen ein riesiger flügelschlagender Adler, das Meer eine Schlange, die sich um die Erde ringelt; die Sonne als Roß, Widder, Hirsch, Eber; Wolken und Wogen als Roß und Rinder; das wütende Schwein ist ein Tierbild für die Wetterwolke, die Eberzähne sind Blitze. Die Phantasie übertrug die Gestalt des irdischen Baumes auf baumartige Wolkengebilde, in denen sich die gewaltigen Naturerscheinungen von Wind und Wetter voll

zogen, und die Macht der großen Götter sich sehr fühlbar offenbarte. Uralter Mythensprache gehört die Vergleichung der funkelnden Sonnenstrahlen und Blitze mit Schwert und Speer an. Auch der Gott ist vielfach Tier oder wird zum Tier, er schwankt zwischen menschengleichem und tierischem Wesen das Verschwimmen das Verschwimmen der Grenze zwischen beiden gehört zu den für die Weltanschauung der Naturvölker charakteristischen Zügen. Ihre Phantasie verglich das große Geheimnis der Naturerscheinungen dem geheimnisvollen Tierleben, wie es ihnen in der Erde, im dunklen Walde, in Wasser und Luft entgegentrat, und faßte die Vorgänge in der Natur, vor allem in dem Luftreiche, in tierische Bilder: so entstanden die tiergestaltigen Naturdämonen und die Tierbildung der alten Götter. Odins Beiname ,,Adlerhäuptig" z. B. ist eine Spur, daß der Gott in sehr alter Zeit mit einem Adlerkopfe vorgestellt sein mag. Diese doppelte Auffassung der vergöttlichten Naturmächte als Tiere und Menschen hat ihre Entsprechung in den aus den Seelen hervorgegangenen übermenschlichen Wesen: da der Mensch zwischen sich und den Tieren eine geheime Verwandtschaft entdeckte, entstand - nach dem Vorbilde der sich häutenden Puppe oder Schlange der Glaube, daß die Seele des Verstorbenen wie des Schlafenden Tiergestalt annehmen könnte.

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Die Naturmythen sind also erste Versuche, über die Welt zu orientieren, Unverständliches und Geheimnisvolles zu erklären; sie sind Anfänge der Physik, eine Art Volksphilosophie und ein poetisches Schaffen, insofern die äußeren Vorgänge der Natur in Geschichten verwandelt werden. Beim Dichter, wie beim Mythenbildner walten dieselben geistigen Kräfte, nur dort mehr bewusst, hier unbewusst: beide haben die Aufgabe, dem Leblosen Atem und Leben zu verleihen. Aber der Vergleich mit den Vorgängen des täglichen Lebens, die novellistische Bearbeitung und Ausschmückung der Handlung zieht den Gott und sein mythisches Erlebnis aus der himmlischen Heimat auf die Erde herab. Der naturmythische Kern wird vergessen, die frei schaffende Phantasie des Dichters,,Jovis bewegliche, immer neue, seltsame

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