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Weisheit zu prüfen und zu gewinnen, kehrt auch im alten Wegtamsliede wieder. Als Wegtam,,Weggewohnt" scheut er den furchtbaren Gang in das Reich der Hel nicht, um die tote Seherin zu erwecken und Kunde zu erfahren, wie dem drohenden Verderben, Baldrs Tode, begegnet werden könne. Als Gest der Blinde legt er König Heidrek seine Rätsel vor und entfaltet den ihm innewohnenden Hort der Dichterweisheit (Herv. S. 15):

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Unter König Heidrek lebte in Jütland ein mächtiger Herse, mit Namen Gest [Gast], der Blinde. Als er dem Könige die Schatzung vorenthielt, wurde er vor Gericht entboten, sonst solle die Schlacht entscheiden. Keins von beiden gefiel dem Hersen, und er beschloß, dem Odin zu opfern, damit der ihm hülfe. Eines Abends spät meldete sich bei ihm ein Fremdling, der gleichfalls Gest hieß und sich erbot, statt seiner zu Heidrek zu gehen. Sie wechselten Aussehen und Gewand, und der Fremdling Gest begab sich zum König. Willst du, fragte ihn dieser zürnend, als er die Halle betrat, dich dem Urteile meiner rechtskundigen Männer unterwerfen?" Gest fragte, ob es nicht mehrere Weisen gebe, sich zu lösen. Es gibt deren, erwiderte Heidrek, du sollst Rätsel aufgeben, die ich nicht lösen kann, und dir damit Frieden erkaufen." Gest zog dies dem Gerichtswege vor und legte dem König eine Reihe von Rätseln vor, die dieser alle erriet. Die letzte Frage aber war die, was Odin Baldr ins Ohr gesagt habe, bevor dieser auf den Scheiterhaufen getragen ward. Niemand kann das wissen wie du selbst*, rief der König zornentbrannt, entblößte sein Schwert und wollte nach Gest schlagen. Aber dieser, der eben Odin war, verwandelte sich plötzlich in einen Falken und entflog durch das Fenster.

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Während sonst Odins Fragen die Götterwelt und Menschenschicksale betreffen, beschäftigen sich die Rätsel Gests mehr mit Naturbildern und menschlichen Dingen. Der Name,,Gest" paßt natürlich nur für den als Wanderer ankommenden Odin, nicht auf den Hersen, der zu Hause bleibt, und der Beiname ,,der Blinde" eignet sich gleichfalls nur für den einäugigen Gott.

Kein Gedicht aber hat das Denken Odins als des Schöpfers, Erhalters und Regenten der Welt erhabener und ernster dargestellt, als die Weissagung der Seherin", der Wölwa (Voluspá).

Ihr wird die Kunde von den Schicksalen der Welt in den Mund gelegt. Aber sie ist kein irdisches Weib, sondern gehört zu den Riesen, den uralten, mit Weissagung begabten Wesen; Riesen haben sie

aufgezogen, von ihnen hat sie ihre Weisheit, sie kennt alle Orte auf der Erde und unter der Erde. Sie wendet sich nicht an den einzelnen Fürsten und Herren vor seinem Gefolge, nicht an wenige Menschen, die ihrer Kunst bedürfen, sondern von Odin selbst aufgefordert, verkündet sie der gesamten Menschheit die Schicksale der Welt und der Götter. Weil sie Zauberkraft und Prophetengabe besaß, womit im Sinne unserer Vorfahren die höchste Weisheit umschlossen war, weil ihr durch die sinnende Betrachtung der Vergangenheit und Gegenwart geschärfter Blick auch in die Zukunft drang, war Odin zu ihr gegangen. Als er sie auf ihre Weisheit prüfte, bewährte sich diese vor ihm, und die Seherin gab ihm zu verstehen, daß sie auch seine innersten Geheimnisse kannte: sie offenbarte sich ihm als Zeugin seines Handels mit Mimi, als Mitwisserin dessen, was keinem sonst kund war. Aber wie Wölwen zu tun pflegen, wollte sie schweigen, wenn sie nicht Gaben erhielte, und darum schenkte ihr Odin Ringe und Kleinode. Ob sie nach Art und Weise der irdischen Wölwen in der Nacht am Kreuzweg saß, als Odin sie besuchte, oder ob sie Odin, als Zaubergott und Totenvater, aus dem Grabe gerufen hat, ist nicht deutlich zu erkennen. Aber Odin sucht eine andere riesische Seherin in der Unterwelt auf und weckt sie aus dem Grabe durch Totenzauber, um von ihr Baldrs Geschick zu erfahren, und wo sonst in der Edda von der Befragung einer Wölwa die Rede ist, wird überall deren Tod vorausgesetzt. Nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hat, versinkt sie wieder, d. h. sie kehrt wieder in ihr Grab zurück.

Mit seinen Brüdern Wili (Wille) und We (Heiligkeit) hat Odin Himmel und Erde aus dem Chaos gehoben und die organische und sittliche Weltordnung eingesetzt. Als Windgott verleiht er den ersten Menschen den Atem, die Grundbedingung des physischen Lebens. Er eröffnet als Kriegsgott die Fehde zwischen Asen und Wanen, und als der Friede geschlossen ist, erhält er, der König des Götterstaates, seine Weltordnung fort und fort aufrecht. In der Sorge und Voraussicht für das Wohl der Welt trifft er nach der Ermordung des riesischen Baumeisters, womit der endlose Streit mit den Riesen um die Erhaltung der Welt anhebt, zwei Maßregeln. Er läßt erstens Heimdalls Horn bis zu dem Augenblicke, wo alle Wesen zum Kampfe aufzurufen sind, in sichere Verwahrung bringen und unter dem Weltbaume verbergen; denn bis zum Anbruche des jüngsten Tages soll es zu keinem allgemeinen Kampfe mehr kommen. Er geht zweitens, scheinbar unter dem schwersten Opfer am eigenen Leibe, die Verbindung mit Mimi ein; durch sie fließt ihm eine ewige Quelle

der Weisheit, und dem Weltbaume Kraft und Gedeihen zu. Er ruft die tapfersten Helden zu sich, damit es ihm in der Stunde der Not nicht an Kämpfern gebricht, und Lokis unholde Brut sucht er so lange wie möglich unschädlich zu machen. Er verschafft sich Gewißheit über Baldrs bevorstehenden Tod und die Bestrafung des Mörders, indem er in das grausige Reich der Tiefe reitet. Wo Weisheit bei überirdischen Wesen und Königen zu finden ist, geht er hin, sein Wissen zu bereichern. Und noch im Augenblicke der Entscheidung eilt er zu Mimis Haupt und erfährt, was bevorsteht. Die alte Welt geht aus den Fugen, aber in unermüdlicher Fürsorge sie so lange wie möglich zu erhalten, auch unter den schwersten eigenen Opfern das ist ihm ge

lungen.

Als Schöpfer und Ordner im Reiche der Natur und alles höheren Lebens heißt Odin darum seinem Wesen nach Wak (der Wachsame), Thekk (der [den Menschen] Willkommene), seiner Stellung nach Omi (der Höchste); er ist der Herr oder Gott der Erde", ,,Gott der Männer", ,,Vater der Menschen oder Zeiten", der „,allmächtige Herr der Zeit“, der ,,hohe Herrscher",,,Lehrmeister der Götter",,,Gott der Götter", ,,Allvater": er waltet über alles in seinem Reiche, Großes und Kleines (Gg. 3). Wie mächtig auch die andern Götter sind, so dienen sie ihm doch alle wie Kinder dem Vater. Thor, Baldr und Höd, Njörd, Widar, Wali und Hermod sind seine Söhne. Die nordischen Fürstenhäuser legen großen Wert darauf, Odins echte Nachkommen zu sein: Skjöld, der mythische Stammvater der Dänen, Säming, der Ahnherr des norw. Fürstenstammes von Halogaland, Sigi, der Gründer des Wölsungengeschlechtes, führen ihren Ursprung auf Odin zurück.

Der Name,,Allvater" klingt christlich, aber schon bei dem ältesten Skalden, Bragi, wird Thor Allvaters Sohn genannt. Nachdem Odin einmal der alles überragende Himmelsgott geworden war, und man die Götter in ein verwandtschaftliches System gebracht hatte, konnte sich diese Vorstellung sehr wohl auf nordischem Boden entwickeln. Noch in der Mitte des 11. Jhd. konnte ein christlicher Dichter (Sk. 2) Odin

als Allvater bezeichnen: so fest haftete dieses Beiwort an Odin, daß der Dichter es unbefangen gebrauchte, ohne sich dessen bewußt zu werden, daß für ihn, den Christen, nur der Christengott diesen Namen tragen durfte. Snorri hat natürlich der allmächtige Christengott vorgesch webt, aber das war nur möglich, weil die Ansätze dazu alle bereits im Heidentume vorgebildet waren. Viel christlicher sieht die Dreiheit Odin, Wili, We aus: Odin als Allvater scheint Gott den Vater, Wili Christus, den die Kirchenväter als Voluntas oder Velle bezeichnen, We den heiligen Geist zu meinen. Aber Odin als Wilis Bruder begegnet bereits in den ältesten Skaldenliedern (Yt. 4), und die Alliteration mit *Vóđenn zeigt, daß Wili und We spätestens in das 8. Jhd. fallen müssen. Den Einfluß christlicher Trinität verraten dagegen Har, Jafnhar, Thridi (S. 16); unentschieden muß Tweggi (der Zweifache) bleiben, was vielleicht auf Odins Doppelnatur, die physische und ethische geht, oder auf sein dem Krieger bald holdes, bald feindliches Wesen.

Im Mimi-Mythus erscheint Odin deutlich als der Himmelsund Sonnengott, und nur ein anderer Ausdruck für die Auffassung der Sonne als Auge des Himmels ist es, wenn Wodan durch ein Fenster des Morgens gen Osten ausblickt, oder wenn Odin von seinem Hochsitze Hlidskjalf die ganze Welt übersieht und aller Menschen Tun wahrnimmt. Seitdem Odin die Stelle des alten Himmelsgottes eingenommen hat, besitzt er auch den Ring Draupni (Tropfer), von dem acht ebenso schwere Ringe jede neunte Nacht tropfen (Skírn. 21). Ihn haben die Zwerge geschmiedet; ihn, das Symbol der Fruchtbarkeit und des Lebens, legt Odin auf Baldrs Scheiterhaufen, als Wahrzeichen seiner künftigen Auferstehung; es ist derselbe Ring, den nach älterem Mythus der Himmelsgott Frey der geliebten Gerd anbietet. Wie die Heckringe jede neunte Nacht ihre Kraft äußern, wie der Märchenheld täglich unter seinem Kissen ein Goldstück findet (K.H.M. Nr. 60), so tropfen von Draupni jede neunte Nacht acht gleichschwere Ringe ab. Ob in diesem Mythus die altgerm. neuntägige Woche fortlebt, mag dahin gestellt bleiben. Nach ihm, dem Sonnengotte,

ist auf Island die Pflanze,,Odins Hahn" benannt (Tringa lobata), und der März heißt ,,Odins Monat".

Odins gesamtes Wesen fassen am schönsten die Verse zu

sammen:

Laßt uns Heervater bitten,
der gern dem Gefolge
dem Hermod gab er
ein schneidiges Schwert

Dem einen gibt Sieg er,
Weisheit vielen

dem Seemann Fahrwind,
männliche Tatkraft

seine Huld zu gewähren,
sein Gold spendet;
Helm und Panzer,
schenkt er dem Sigmund.

dem andern Schätze,

und gewandte Rede;

dem Sänger Dichtkunst,
manchem Helden (Hyndl. 2,3).

Und wie Paulus Diaconus von Wodan sagt: „er wird von allen Stämmen Germaniens als Gott verehrt", wie der Christ Snorri berichtet: ,,alle Völker meinen, daß sie Odins Namen nach ihrer Sprache umwandeln müssen, um selber zu ihm beten zu können" (Gg. 20), so weiß auch Saxo von Odin, den er sonst nicht allzu günstig beurteilt (281):,,Odin erstrahlte über den ganzen Erdkreis in solchem Glanze des Ansehens, daß alle Völker ihn wie ein der Welt geschenktes Licht ansahen, und daß kein Ort auf der Welt war, der sich nicht der Macht seiner Hoheit beugte."

Thor.

In einer prächtigen, humorvollen Scene hat ein Dichter die beiden großen Götter Odin und Thor einander gegenübergestellt (Hárbarþsljóþ):

Thor ist auf dem Heimwege von einer Ostfahrt begriffen und kommt an einen Sund, auf dessen anderer Seite Odin steht; er hat das Amt eines Fährmannes auf sich genommen und nennt sich Harbard (Graubart). Thor ruft ihm zu: Fahre mich über den Sund; ich gebe dir dafür gute Kost, die ich in meinem Korbe auf dem Rücken habe, Hafergrütze und Hering. Odin erwidert: Rühme dich nicht, Bauer, deines guten Frühstückes; wenig Grund hast du, so übermütig zu sein - vielleicht ist deine Mutter inzwischen gestorben. Thor antwortet: Traurige Kunde würde das sein, wenn sie wahr wäre. Nein, nicht wie ein Bauer, fährt Harbard fort, siehst du aus, der drei gute Gehöfte hat; barbeinig stehst du da, in Bettlergewand der richtige Landstreicher! Thor tut, wie wenn er den beißenden Spott nicht hört und fordert ruhigen Tones den Fergen auf, mit seinem

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