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Gebet, Gottesdienst und Opfer.

Der Bittsteller, der vor seinem Häuptling auf die Kniee fällt, ihm ein Geschenk zu Füßen legt und dann seine demütige Bitte vorträgt, gewährt ein klares Bild von der anthropomorphischen Gestaltung des Opfers wie des Gebets. Das Gebet ist eine Bitte, die man an die Gottheit wie an einen Menschen richtet, und das Opfer ist ein Geschenk, das man der Gottheit darbringt, wie wenn sie ein Mensch wäre.

Das an. Wort für ,,beten" bedeutet,,durch Bitten überreden"; an. bón (ags. bén Gebet, porn, gnu) meint ursprünglich „Zaubersprüche hersagen," weist also auf den Ursprung des Gebetes aus dem Seelenglauben zurück. Das Opfer ist naturgemäß vom Gebete begleitet und für wiederkehrende heilige Handlungen bestimmt formuliert: es feiert die Taten, Macht und Herrlichkeit des jedesmal verehrten Gottes, ladet ihn zum Feste ein und befiehlt ihm die Wünsche des Opferers. Daneben gab es auch freie Gebete, wie sie die Not oder der Wunsch des Augenblickes eingab, ohne Opfer.,,Heil euch, Asen! Euch Asinnen, Heil! seht auf uns mit segnenden Augen und gebt uns Sieg!" ruft die erwachte Brynhild (Sigrdr. 3; Oddr. 9). Das ausführlichere Gebet des Jarls Hakon lautet:

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Hierher, o Thorgerd, wende deine Ohren, die offenen, und blicke auf den, der dir so viele Opfer darbrachte, der so viele nie vergebliche Bitten an dich tat, der dich allen andern Göttern immer vorzog, den du schon so oft aus drohendem Unglücke und je größer es war, desto lieber rettetest, auf diesen Mann blicke nun mit freundlichen Augen, laß ihn seinen Wunsch erreichen und hilf ihm in der äußersten Not durch Gewährung des Sieges an die Unsern. Du, die du alles, was ob der Erde lebt, und was darunter ist, unter deinem ewigen Befehle hältst, die Winde erregst und wieder beruhigst, Stürme, Hagel, ungeheure Regengüsse sendest, zeige nun deine Gewalt, damit alle deine Herrschaft erkennen und fürchten. Für überglücklich, und mit Recht, gelten die, die du so hervorragender und hoher Gaben für wert hältst, und denen du deine Gunst schenkst, und für die Unglücklichsten gelten jene, von denen du dich abkehrst. Denn die fürchterlichsten Strafen erkennst du ihnen zu, die deinen Zorn erregen. Und wenn du meine Bitten nicht erfüllst und dich mir ungnädig erweist, muß ich verzweifelnd glauben, daß du mir zürnst, ohne daß ich weiß, warum. Komm also meiner Torheit mit deiner trefflichen Weisheit Herrmann, Nordische Mythologie.

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zuvor, und beglücke den, der dich in Demut immer ehrte und deinen Befehlen immer gewissenhaft folgte, mit dem Siege! Darum bitte ich dich."

Bei diesem Gebete hatte sich Hakon auf beide Kniee niedergeworfen, sich nach Norden gewandt und die Formeln gebraucht, wie sie ihm am schönsten schienen. Das Verbum duga,,taugen“ wird für die Hilfe gebraucht, um die man die Götter angeht. Ich bitte alle Götter, dem Ottar zu taugen“ (= helfen, gnädig sein), erwidert Freyja auf die Verwünschungen der Hyndla (Hyndl. 51); auch der bereits getaufte Dichter Hallfred ruft, als er von einem Reisegenossen hinterlistig angefallen wird, Christus noch mit den Worten an:,,Nun tauge, weiser Christ!" (FMS II175). Als Thors Götterbild hereingetragen wird, springen die Bauern von Gudbrandstal auf und verneigen sich (S. 354); beim Gebete warf man sich vollends vor den Göttern nieder und betete liegend. Als Hakon Jarl die Thorgerd für Sigmund günstig stimmen will, warf er sich vor ihrem Bilde nieder und blieb da lange Zeit liegen (Fär. S. 23). Man hielt auch beim Beten die Hände vor die Augen, gleichsam vom Glanze der Gottheit geblendet (Nj. S. 89), oder man richtete umgekehrt den Blick gen Himmel, sie dort aufzusuchen: Thorhall wirft sich, als auf einer Entdeckungsreise nach Nordamerika schwerer Notstand eintritt, zu Boden, schaut in die Luft hinauf, sperrt Mund und Nase auf und murmelt ein Gebet an seinen Beschützer Thor während der Christengott die Seinen verläßt, schickt ihm der rotbärtige Donnerer einen mächtigen Wal (S. 345). Ibn Fadhlan gibt einen wertvollen Bericht über den Kultus der skandinavischen Russen; in seiner Beschreibung findet sich Bittgebet und -Opfer, Niederwerfen vor dem Götterbilde, Opferschmaus, Dankgebet und -Opfer.

Sobald ihre Schiffe an den Ankerplatz gelangt sind, geht jeder ans Land, hat Brot, Fleisch, Zwiebeln, Milch und berauschend Getränk bei sich und begibt sich zu einem aufgerichteten hohen Holze, das wie ein menschlich Gesicht ist und von kleinen Statuen umgeben ist, hinter denen sich noch andere hohe Hölzer aufgerichtet befinden. Er tritt zu der großen, hölzernen Figur, wirft sich vor ihr zur Erde nieder und spricht: „O mein Herr, ich bin aus fernem Lande gekommen, führe so und so viele Mädchen mit mir und von Zobeln so und so viele Felle." Und wenn er so alle

seine Handelsware aufgezählt hat, fährt er fort: „Dir hab ich dies Geschenk mitgebracht; legt dann, was er gebracht, vor die hölzerne Statue und sagt: „Ich wünsche, du bescherest mir einen Käufer, der brav Gold- und Silberstücke hat, der mir alles abkauft, was ich möchte, und der mir in keiner meiner Forderungen zuwider ist. Dann geht er weg. Wenn nun sein Handel schlecht geht, und sein Aufenthalt sich zu sehr verzieht, so kommt er wieder und bringt ein zweites und abermals ein drittes Geschenk. Und hat er noch immer Schwierigkeiten, zu erreichen, was er wünscht, so bringt er einer von jenen kleinen Statuen ein Geschenk dar und bittet sie um Fürsprache, indem er sagt: „Dies sind ja unseres Herrn Frauen und Töchter". Und so fährt er fort, jede Statue, eine nach der andern, besonders anzugehen, sie zu bitten, um Fürsprache anzuflehen und sich vor ihr in Demut zu verbeugen. Oft geht dann sein Handel leicht und gut, und er verkauft all seine mitgebrachte Ware. Da sagt er: „Mein Herr hat mein Begehr erfüllt: jetzt ist es meine Pflicht, ihm zu vergelten." Darauf nimmt er eine Anzahl Rinder und Schafe, schlachtet sie, gibt einen Teil des Fleisches an die Armen (= Sudgenossen?), trägt den Rest vor jene große Statue und vor die um sie herumstehenden kleinen und hängt die Köpfe der Rinder und Schafe an jenes Holz auf, das in der Erde aufgerichtet steht. In der Nacht aber kommen die Hunde und verzehren alles. Dann ruft der, der es hinlegte, aus: „Mein Herr hat an mir Wohlgefallen, er hat mein Geschenk verzehrt.“

Auch darüber, wie man der Gottheit nahte, haben wir Nachrichten. Räumt man den Schutt beiseite, der sich über den Trümmern einer längst verschollenen Zeit aufgehäuft hat, und zieht zur Beleuchtung der mysteriösen Gebräuche einer prähistorischen wilden Periode ethnologische Parallelen heran, so gewahrt man leicht, daß die Nacktheit bei den gottesdienstlichen Handlungen und im Zauberwesen überaus weit verbreitet und von außerordentlicher Bedeutung gewesen ist. Der bittende und opfernde Mensch durfte der Gottheit ursprünglich nur nackt nahen, losgelöst von dem unreinen, gewöhnlichen Leben, befreit von den durch den Verkehr mit dem Irdischen befleckten Hüllen. Nackt waren ja auch die überirdischen Wesen, besonders der unteren Stufe, die eine Vermittlung zwischen Himmel und Erde bilden und mit den vom Leibe getrennten Seelen zusammenhängen, die Wasserund Wolkengeister und jene elementaren Dämonen, die wir Alp und Drude nennen.

Darum wagt nach isl. Glauben kein Gespenst, einen ganz nackten Menschen anzugreifen; erwartet man daher ein solches, so ist es am

rätlichsten, alle Kleider auszuziehen. In volkstümlichen Gebräuchen, die auf einen Einblick in die Zukunft und die Erkenntnis geheimnisvoller Erscheinungen zielen, ist noch heute völlige oder teilweise Nacktheit erforderlich. Will ein Mann wissen, wen er zur Frau bekommt, so setzt er sich am Weihnachtabend in Frauenkleidern oder ohne Laken, d. h. ganz nackt auf einen Stuhl, dann erscheint ihm die Zukünftige; das neugierige Mädchen aber läßt sich auf einer vollständigen Männerkleidung nieder (N.; s. u. 454). Wer sich nackt im heilsamen Tau der Johannisnacht wälzt, wird von jeder Krankheit gesund, welche es auch sei (Isl.). Nach jütischem Glauben muß ein an einer unheilbaren Krankheit Leidender ganz nackt in die Kirche treten, dreimal auf die Altarstufen laufen und dreimal laut den Namen seiner Krankheit sagen.

Um sich von Gebresten zu befreien, ist es ein weit bezeugter und noch heute geübter Brauch, durch ein Loch oder eine Öffnung in der Erde, in Felsen oder Bäumen oder durch eine künstlich gebildete Höhlung durchzukriechen. Es ist eine rituale Handlung, die die symbolische Wiedergeburt als gesunder Mensch bedeutet.

Runde Öffnungen zusammengewachsener Äste heißen „Elfenlöcher“, und Frauen werden in Kindesnöten hindurchgezwängt (S.). Das Durchkriechen oder Durchziehen muß dreimal ausgeführt werden, wenn es wirksam sein soll (D.). Oft ist dieser Brauch mit einem Backopfer verbunden die Mutter eines rachitischen Kindes muß Mehl von neun Orten zusammenbetteln, den daraus verfertigten Teig um ein Faß legen und durch das so entstehende runde Gebäck dreimal ihr Kind hindurchziehen (S.). Daß diese Handlung wirklich ein Opferritus war, beweisen die von den Durchgekrochenen oder Durchgezogenen gebrachten Opfer an Kleidungsstücken oder Kleiderfetzen, die sich neben den Spaltbäumen, oft an heilsamen Quellen, noch jetzt aufgehängt finden. Durch das Loch einer Eiche bei Fakse auf Seeland muß ein an Gicht oder Halsdrüsen Erkrankter ganz nackt hindurchkriegen. Drei oder neun Späne werden aus dem Baume geschnitten und zusammen mit einem Kleidungsstücke am Fuße der Eiche niedergelegt: alles muß schweigend nach Sonnenuntergang geschehen. Mädchen sichern sich für die Zukunft leichtes Gebären, wenn sie um Mitternacht nackt durch die ausgespannte Geburtshaut eines Füllen hindurchkriechen (D.). Aber die Geister verlangen dafür ein Opfer: die Knaben werden Werwölfe und die Mädchen Maren. Oft legt man auch kupferne Münzen als Opfer neben den Baum, durch dessen Spalt man gekrochen ist, und knüpft Fäden und Bänder, die von dem Kranken getragen worden, um einen Ast des Baumes. Berühmt in schw. Westmannland ist eine uralte, hohe Eiche als „Durchzug-Eiche" (Abbildung 13).

Noch heute werden kranke Kinder durch das Loch dieser Eiche gezogen. Das betreffende Kind wird drei Donnerstag Abende unter strengstem

Schweigen behandelt, und dreimal wird bei Sonnenuntergang an den. selben Tagen die „Elfenmühle“ geschmiert mit Schmeer oder Butter. Die ringförmigen Höhlen in Steinen, die das Wasser ausgeschliffen hat, stammen von den Elfen her, Elfkessel", wie die runden Löcher in den Elfenmühlen: in beiden wird für kranke Kinder geschmiert oder geopfert.

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Verwandt mit diesem Glauben ist ein altnordischer Rechtsbrauch, der Gang unter das Erdband (s. u. Recht), eine symbolische Darstellung des Geburtsaktes, bei dem die Erde als Mutter, der unter den übergespannten Rasenstreifen

Fig. 13.

Getretene als im Mutterleibe befindlich gedacht wird. Nimmt man Rasen, ein Stück der heiligen mütterlichen Erde auf den Kopf, so wird man unsichtbar und erkennt die Hexen; denn durch das Stellen unter den Rasen wird der Mensch ein Unterirdischer und erlangt dessen übermenschliche Eigenschaften, Unsichtbarkeit und verschärften Verstand. In höherer Auffassung wird so das Gehen unter den Erdstreifen ein Symbol der Wiedergeburt im Schoße der Erde. Noch heute schneidet man in Dänemark für kranke Kinder drei Rasen

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