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und Rat. Denn Hilfe befreundeter Geister kann man an allen Dingen erfahren, im Hause, im Felde, bei der Herde, im Kriege; den Rat gewinnt man durch das Seelenorakel. Der Tote in seinem Grabe weiß alles, was auf Erden vorgeht und nimmt ein lebhaftes Interesse und eingehenden Anteil daran. Man kann ihn in wichtigen Dingen um Auskunft ersuchen, und man wird nicht vergeblich bitten. Wenn die Seele vor die Fenster ihres Hauses tritt, also kurz vor dem Tode, ist ihr bereits der Blick in die Zukunft eröffnet.

Der auf den Tod verwundete Sigmund sagt den Ruhm seines noch ungeborenen Sohnes Sigurd voraus (Vols. S. 108). Brynhild prophezeit, nachdem sie sich selbst die Brust mit dem blitzenden Stahl durchbohrt hat, sterbend dem Gunnar sein und seiner Verwandten Schicksal (Sig. III 52 m.). Als Sigurd Fafni auf den Tod verwundet hat, richtet der Sterbende an den Sieger die heimtückische Frage nach seinem Namen. Sigurd verschweigt ihn aber und nennt einen Decknamen, weil es im Altertum Glaube war, daß eines sterbenden Mannes Wort viel vermöchte, wenn er seinen Feind mit Namen verwünschte" (Fáfn. 1; Saxo 254; FAS III 344. 589).

Es gab verschiedene Möglichkeiten, sich mit den Verstorbenen in Verbindung zu setzen. Von denen, die mit bestimmten rituellen Handlungen verbunden sind, sowohl dem volksmäßigen Betriebe, der mit dem Seelenkultus zusammenhängt, als dem höheren, der mit der Verehrung der Götter in Verbindung steht, wird passender in dem Abschnitte ,, Weissagung und Zauber" gesprochen. Noch aus dem 12. Jahrhundert wird von einem Norweger auf den Orkaden erzählt, daß er die Nächte auf den Gräbern der Toten zubrachte, um von ihnen Ratschläge und Weissagungen zu erhalten. Verstorbene weise Frauen wie Männer geben aus ihrem Grabe heraus ihr Wissen kund.

Am Hügel fleht der Sohn zur toten Mutter um Hilfe. In verschiedenen Liedern der Edda finden die Orakelkundgebungen am Grabe einer Wölwa statt; sie kommt aus dessen steinerner Tür hervor, und nachdem sie ihr Wissen mitgeteilt hat, kehrt sie wieder in das Grab zurück (Vol.; Baldrs dr.; Hyndl.; Svipd.; Helreip). Thor fragt Harbard-Odin, woher er die höhnischen Worte hole, und Odin antwortet:

Ich holte sie von den Menschen, den hochbejahrten,
die in den Hügeln der Heimat wohnen.

Herrmann, Nordische Mythologie.

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Thor erwidert:

Da gibst du den Gräbern einen guten Namen,

wenn du sie Hügel der Heimat nennst (Hárb. 43-45).

Allgemein ist die Sitte, draußen zu sitzen und Unholde oder Hügelbewohner zu wecken, um das Schicksal zu befragen. Auf Island und den Färöer wird das Draußensitzen am Kreuzwege besonders in der Julnacht oder am Sylvesterabend ausgeführt. Wer von Toten die Zukunft erforschen will, muß sich an der Stelle, wo vier Wege kreuzweis gehen, niederlegen, mit einer Kuhhaut bedecken und eine scharfe Axt zur Hand nehmen: gegen Mitternacht kommen dann seine verstorbenen Verwandten aus allen Windrichtungen, sagen ihm alles, was er zu wissen wünscht, Vergangenes und Künftiges über viele Menschenalter hinaus und schleppen Gold und kostbare Kleinodien herbei (s. u. Hausgeister). Der Isländer unterscheidet genau zwischen Wiedergängern und Erweckten, d. h. den Toten, die von einem andern aufgeweckt oder sofort zu seinem Dienste gezwungen werden. Wie im Altertume nimmt man noch heute die Hilfe der Erweckten zur Erforschung der Zukunft in Anspruch oder sendet sie Gegnern zu, um ihnen Schaden zu tun. Die isl. Volkssage ist reich an solchen ,,Sendungen". Eine Totenweckung ohne Zauberlieder aus alter Zeit, wobei die Verstorbenen nicht durch Worte, sondern durch symbolische Handlungen die Vergangenheit enthüllen, wird so geschildert:

Der fär. Häuptling Thrand ließ im Hause ein großes Feuer anzünden, vier Gitter in geschlossenem Viereck um dieses herumsetzen und zog neun Kreise um dieses herum; dann setzte er sich selbst zwischen Feuer und Gitter und gebot den Anwesenden Schweigen. Nach einiger Zeit trat ein Mann ein, den man als den verstorbenen Einar erkannte, ganz naß; er ging auf das Feuer zu, wärmte sich die Hände und entfernte sich dann. Kurz darauf erschien Thori in derselben Weise; endlich aber kam Sigmund Brestisson, ganz blutig und das eigene Haupt in der Hand tragend. Nachdem auch er sich entfernt hatte, stand Thrand auf, holte tief Atem und erklärte, jetzt zu wissen, wie die drei Männer ums Leben gekommen seien: zuerst müsse Einar im Wasser erfroren und ertrunken sein, dann Thori, Sigmund aber müsse ans Land gekommen und hier im Zustande der Ermattung ermordet worden sein (Fär. S. 40).

Der Aufenthaltsort des Toten.

Der Aufenthaltsort der Toten war das Grab selbst, die Tiefe der Erde. Das Grab hieß hel und wurde seit Urzeiten als Haus eingerichtet (S. 32). In vorgeschrittener Zeit wurde das Totenhaus Hel als Halle mit hohen Sälen vorgestellt, wo der Met schäumte und die Becher kreisten. Wie Walhall vom Golde glänzt und mit Zieraten und Waffen geschmückt ist, so strahlt die Unterweltshalle im Glanze goldbelegter Dielen, blitzender Schilde und funkelnder Armringe (Baldrs dr. 6. 7). Aber trotz allen Prunkes ist das Leben dort unheimlich und beschränkt.

Wie die Menschen selbst, so bilden die Geister der Tiefe allmählich politische Verbände, über die besondere Götter oder Göttinnen als Könige oder Königinnen herrschen. Der griech. Hades und die germ. Hel haben von der Örtlichkeit des Totenreiches ihren Ausgang genommen; hades ist Ort der Unsichtbarkeit, hel Ort der Verbergung, Grab. In der Urzeit lebten die Toten zunächst ,,Jenseits von Gut und Böse": besondere Lustörter für die Guten wie Elysium und Walhall, und besondere Straförter wie Tartaros und Niflhel sind verhältnismäßig spät aufgekommen.

Das an. Wort für Seele ond gehört zu anan und sagt dasselbe aus wie aveuos, anima: Seele und Wind gehört also zusammen. Floh der Lebenshauch aus dem erstarrten Körper, so schwebte er in die Luft empor, und die Seelen flogen im Sturme daher. Beim Sturme fährt die wilde Jagd, in Norwegen die Aasgaardsreia (eigentlich Aaskereia; schw. åska Blitz, reid Donner) durch die Luft, Seelen, die nicht so viel Gutes taten, daß sie den Himmel, nicht soviel Böses, daß sie die Hölle verdienten. An der Spitze des gespenstischen Zuges fährt die Gurorysse oder Reisarova d. i. Guroschwanz (an. gýgr Riesin) und Sigurd Snarenswend. Der Zug reitet über Wasser wie über Land, nimmt Vieh und Menschen mit sich, und sein Erscheinen bedeutet Kampf und Tod. Hört man den Zug nahen, so muß man aus dem Wege weichen oder sich platt auf den Boden werfen. Wo sie ihre

Sättel auf ein Dach werfen, muß augenblicklich ein Mensch sterben. Man setzt für die Aasgardsreia etwas vom Weihnachtsessen und einen Krug Bier auf den Hof hinaus; am nächsten Morgen ist alles verzehrt und so ist die jährliche Sitte bis weit hinab in unsere Zeit gewesen."

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War der Sturm als die Vereinigung von Seelen gedacht, so mußte den Geistern, während der Wind ruhte, ein bestimmter Ruheort zugeschrieben werden. Aus dem Berge bricht der Wind hervor, in die Berge kehrt der Wind zurück. Berge sind darum das Heim der Toten.

Flosi träumt, daß er hinausgeht und den Fels ansieht. Der öffnet sich, und ein Mann [ein Bergriese] kommt aus dem Felsen heraus, in einem Ziegenfelle und mit einem Eisenstabe in der Hand, und der rief seine Leute, einige früher und andere später. Dann stieß er einen lauten Schrei aus und schlug mit seinem Stabe nieder. Flosi aber ward der Traum dahin gedeutet, daß alle die „feig" [dem Tode verfallen] wären, die er gerufen hätte (Nj. 134). Die Angehörigen des Thorolf Mostrarskegg glaubten, allesamt nach ihrem Tode in den Berg Helgafell d. h. Heiligenberg zu gelangen (Landn. II 12). Thorstein Thorskabit, der Sohn dieses Thorolf, war auf dem Fischfange verunglückt. Ein Hirt sieht am Abend, wie sich der Berg Helgafell öffnet und große Feuer darin brennen; er hört Lärm und Hörnerschall in der Richtung dahin und vernimmt bei genauem Aufhorchen, wie sein Herr Thorstein nebst seinen Fahrtgenossen begrüßt und aufgefordert wird, sich auf den Hochsitz seinem Vater gegenüber zu setzen. Niemand durfte ungewaschen nach dem Helgafell gehen, nichts Lebendes durfte dort getötet werden; niemand durfte die Friedstätte mit Blut oder irgend etwas Unreinem besudeln, um nicht die Alben, d. h. die Seelen der in den Berg verstorbenen Vorfahren zu vertreiben (Eyrb. 4, 10, 11). Selthori und seine ganze Verwandtschaft glauben in die Thorisbjörg zu versterben, KrakuHreidar wählt in den Berg Mälifell zu versterben (Landn. II, III7). Aus dem Bjarnarfjord kommt die Nachricht, daß Swan beim Fischfang auf der See, von einem Sturm überfallen, zu grunde gegangen ist. Aber die Fischer, die zu Kaldbak waren, glaubten zu bemerken, wie Swan in den Berg Kaldbakshorn hineinging und dort freundlich begrüßt wurde. Indes einige widersprachen dem und stellten es in Abrede; aber das wußten alle, daß er nirgends gefunden wurde, weder lebend noch tot (Nj. 14). Der erschlagene Jarl Sigurd erscheint dem Harek auf den Orkaden und holt ihn in den Berg ab; nicht einen Fetzen sah man von Harek mehr (Nj. 158). Ein Isländer sieht die Landgeister in den geöffneten Bergen sich vor dem Christentume marschfertig machen (FMS II 215). Der Riese Armann soll in einer Berghöhle im Armansfell verstorben sein. König Sveigdi wird von einem Zwerge in einen Berg gelockt mit dem Versprechen, daß er dort

Odin treffen werde (Yngl. S. 12). Im dänischen Volksliede geht Orm zu dem Berge, in dem sein verstorbener Vater Siegfried wohnt und bittet ihn um sein Schwert. Holger Danske (d. h. Oddgeir der Däne) sitzt unter dem Fels von Kronborg bei Kopenhagen im tiefen, finstern Keller. Er ist in Eisen und Stahl gekleidet und stützt sein Haupt auf die starken Arme; sein langer Bart hängt über den Marmortisch hinaus, in dem er festgewachsen ist; er schläft und träumt, aber im Traume sieht er alles, was oben in Dänemark vorgeht. Gerät Dänemark in Gefahr, so wird sich der alte Holger Danske erheben, so daß der Tisch birst, wenn er den Bart zurückzieht; dann kommt er hervor und schlägt drein, daß es in allen Ländern der Welt gehört wird.

Die Helgafellgeschichte zeigt, daß den Verstorbenen ein. Ahnenkult geweiht war. Noch deutlicher erhellt dies aus einer der merkwürdigsten Erzählungen der Besiedelungsgeschichte Islands:

Aud, die sehr verständige, oder, wie sie auch genannt wird, die sehr reiche, die Witwe des norw. Königs Olafs des Weißen von Dublin, war nach Island gekommen. Obwohl sie getauft und fest im Glauben war, hatte sie doch nach heidnischer Weise durch das Auswerfen der Hochsitzsäulen den Ort ihrer Niederlassung bestimmen lassen. Sie hatte ihre Gebetstelle auf Hügeln, und weil sie auf ihnen Kreuze aufgestellt hatte, hießen sie „Kreuzhügel“. In hohem Alter richtete sie einem Enkel, den sie zu ihrem Erben einsetzte, eine glänzende Hochzeit aus, zu der sie alle Blutsfreunde und Verschwägerten einlud. Sie bereitete ein köstliches Mahl, und nachdem dieses drei Nächte gedauert hatte, wählte sie für ihre Freunde Geschenke aus und sagte, daß das Hochzeitsmahl noch drei Nächte währen und zugleich ihr Erbmahl sein sollte. In einem Schiffe liegend ward sie mit vielen Kostbarkeiten im Hügel beigesetzt. Ihre Nachkommenschaft verfiel wieder dem Heidentum, mit abergläubischer Scheu aber betrachtete sie die kreuzgeschmückten Hügel, und es bildete sich die Meinung, daß die Toten des Geschlechtes in diese Hügel eingehen und dort fortleben würden. Man errichtete sogar einen Tempel mit einem Altar, als die Opfer zunahmen (Landn. II 12, 16, 19; Laxd. 5. 7).

Die Gebetstelle der Stammmutter wird also zu einer heidnischen Opferstätte umgeschaffen, und nach einer eigentümlichen Ironie des Schicksals findet eine der ersten Christinnen Islands nach ihrem Tode als Ahnfrau und Schutzgeist des Geschlechtes göttliche Verehrung von ihren Nachkommen.

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