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hange besondere Beachtung, obwohl sie weniger mit dem Gottesdienst als mit Zauberei und den Vorstellungen des Seelenglaubens zu tun haben.

Im westlichen Island wohnte in der zweiten Hälfte des 10. Jahrh. eine Frau namens Geirrid mit ihrem Sohne Thorarin. Ihr Geschlecht stammte aus Halogaland, der nördlichsten Landschaft von Norwegen, die mit den zauberkundigen Lappen der benachbarten Finnmark in steter Berührung stand; auch Geirrid wie ihr Vater galten als nicht recht geheuer. Der junge Gunnlaug, der Sohn Thorbjörns kam oft zu ihr herüber, um etwas von ihren Künsten zu lernen. Nicht weit entfernt wohnte eine Witwe Katla mit ihrem Sohne Odd, sie war schönen Aussehens, aber eine schlimme Zauberin, er war von bösartigem Charakter. Odd begleitete den Gunnlaug öfters auf seinen Wanderungen, und Katla lud ihn wiederholt ein, bei ihr zu übernachten; Gunnlaug aber lehnte das stets ab, und die eifersüchtige Katla warf ihm vor, er hätte mit der Geirrid ein Liebesverhältnis. Zu Anfang Winters war Gunnlaug mit Odd wieder bei Geirrid gewesen, bis tief in den Abend hinein; sie warnte ihn, noch in der Nacht heimzukehren: es seien viele Hexen auf der Fahrt, und oft verberge sich eine arge Unholdin unter einer schönen Haut, er selber aber sehe wenig glückverheißend aus. Trotzdem machten sich die beiden Männer auf den Weg; Katla, die bereits im Bette lag, forderte Gunnlaug durch ihren Sohn zum Bleiben auf; der aber erklärte, heim zu wollen. Gunnlaug kam indessen abends nicht nach Hause. Erst spät in der Nacht fand ihn sein Vater bewußtlos, von Blut überströmt und das Fleisch von den Knochen gerissen vor der Tür liegend. Gunnlaug lag den ganzen Winter über an seinen Wunden, und seine Krankheit wurde viel besprochen. Odd aber meinte, Geirrid würde ihn wohl geritten haben. Im nächsten Frühling, als die Zeit für die gesetzlichen Ladungen herankam, wurde Geirrid darum vor Gericht geladen, daß sie eine Nachtreiterin sei und Gunnlaugs Krankheit verschuldet habe. Zwölf Geschworene hatten in der Sache zu entscheiden. Ihr Bruder aber schwur auf den Tempelring, daß sie unschuldig sei, und der Spruch ergab „Nichtschuldig“ (Eyrb. 15. 16. 20).

Nach den nordischen Rechtsbüchern wird jemand, der durch Wort oder Zauber Krankheit oder Tod von Menschen oder Vieh verursacht, mit der Acht in ihrer strengsten Gestalt bedroht: der Beweis soll durch eine Zwölferjury erbracht werden. Der Rechtsstreit zwischen Thorbjörn und Geirrid war durch die gelungene Verteidigung der letzteren erledigt, aber ihre Unschuld kommt später noch glänzend an den Tag. Mit ihrer Hilfe gelingt es, trotz aller von Katla angewandten Zaubermittel sie mit ihrem Sohne Odd gefangen zu

nehmen und zu töten, die Mutter durch Steinigen, den Sohn durch Hängen, nachdem Katla zuvor noch ihre Schuld an Gunnlaugs Verletzung eingestanden hat. Das Auffallende ist also, daß gegen Katla und Odd sogleich mit der Exekution vorgegangen wird, ohne jede vorherige gerichtliche Verhandlung, und zwar wegen gemeinschädlicher Zauberei. Warum aber gegen Geirrid wegen desselben Verbrechens am Thinggerichte geklagt wird, ist nicht ganz klar, vielleicht weil sie ihrer Zauberkünste nicht wie nachher Katla an Ort und Stelle auf frischer Tat überführt werden konnte. Dann aber scheint es, als ob die Zauberei bereits im Heidentume als ein,,crimen exceptum" betrachtet wurde, bei dem die Einhaltung der gerichtlichen Formen nicht für nötig galt.

Geirrid war als Nachtreiterin angeklagt. Dieser Ausdruck umfaßt sowohl die elbischen Nachtmahren wie die Hexen, Unholdinnen wie irdische Weiber, die vermöge ihrer Zauberkunst bei Nacht ausfahren. Das westgötische Recht zählt zu den schwersten Scheltworten den gegen ein Weib erhobenen Vorwurf, daß man sie im Zwielichte in Trolls Gestalt losgegürtet und mit losen Haaren auf einer Zauntür habe reiten sehen (S. 73). Höchst interessant ist auch folgende Schilderung eines regelrechten Prozesses gegen Gespenster wegen Hausfriedensbruches und Tötung.

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Im Sommer desselben Jahres, in dem das Christentum gesetzlich auf Island eingeführt wurde, also des J. 1000 kam mit einem Dublinfahrer eine reiche Frau von den Hebriden, namens Thorgunna nach Island und nahm auf dem Hofe zu Froda ihre Unterkunft. Dort starb sie noch im Herbste, als Christin, und ihrem Wunsche gemäß ließ der Hausherr Thorodd ihre Leiche nach Skalaholt, dem nachmaligen Bischofssitze schaffen und bei der dortigen Kirche beisetzen. Aber zuwider seinem Versprechen, das er der Verstorbenen gegeben hatte, ließ er deren Bettzeug nicht verbrennen, und nun geht sofort der unheimliche Spuk los. Schon während der Überführung ihrer Leiche nach Skalholt war Thorgunna umgegangen; als dann die Begleiter der Leiche heimkamen, sah man an der Wand einen Halbmond [,Mond der Norne Urd"] in verkehrter Richtung dahinziehen, der als Vorzeichen eines kommenden Sterbens galt. Dann wurde ein Schafknecht auf dem Hofe heimgesucht und starb, und nach ihm starb eine Reihe anderer Leute daselbst; ein gespenstischer Seehund erschien, als ein Vorzeichen vor dem Tode Thorodds selbst, der selbsechst

in der See ertrank, und als man ihm das Erbbier hält, erschien er mit seinen Genossen in nassen Gewändern. Die sämtlichen Toten gingen jetzt allabendlich zum Schrecken der Überlebenden um: 18 von den 30 Leuten auf dem Hofe starben. Endlich weiß der in der Nähe wohnende mächtige und kluge Häuptling Snorri godi Rat. Vor allem muß, was von Thorgunnas letztem Willen unerfüllt ist, ausgeführt und gegen die Wiedergänger ein gerichtliches Verfahren eröffnet werden, und zwar ein Türengericht d. h. eine Gerichtssitzung, die vor der Türe des Hauses gehalten wird; darnach muß ein Geistlicher das Gehöft unter Gebeten mit Weihwasser besprengen und die Lebenden beichten hören. Snorris Ratschläge werden befolgt. Die Wiedergänger, die sich am Abend ans Feuer setzen, werden der Reihe nach zum Türengericht“ geladen, wegen unerlaubten Umgehens und wegen der Schädigung von Menschen an Leib und Leben. Draußen vor der einen Tür der Stube setzen die Kläger die von ihnen zu ernennenden Urteiler nieder, tragen ihre Sache vor und lassen Nachbargeschworene über den Tatbestand aussagen - alles wie an den Thinggerichten. Zuletzt wird gegen jeden einzelnen der Wiedergänger das Urteil abgegeben. Da steht jeder von diesen, wie die Reihe an ihn kommt, drinnen in der Stube auf und entfernt sich durch die Hintertür nicht ohne in einem kurzen Spruche mit trockenem Humor sein Gehen zu begründen. Dann trägt noch der Priester Weihwasser und Reliquien in allen Gebäuden herum und hält am folgenden Tage Gottesdienst ab: damit ist dann aller Spuk zu Ende. Das ist die Geschichte vom Frodawunder, das auf Island sprichwörtlich geworden ist (Eyrb. 50—55).

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Die Wiedergänger haben also die Achtung der Lebenden vor dem Gesetze bewahrt; sie weichen, weil das Gesetz es fordert, indes ungern, da sie sich sehr wohl am Feuer fühlen: unmöglich hätte man gegen Gespenster wegen Hausfriedensbruches und Tötung vor einem Türengerichte verhandeln können, wenn dieses nicht auch gegen lebende Menschen in gleichem Falle als kompetent gegolten hätte. Daß neben den Hilfsmitteln der heidnischen Zeit auch noch die des neuen Glaubens zur Anwendung gebracht wurden, entspricht ganz einer Zeit, die soeben erst den Glaubenswechsel erlebt hatte, und zumal auch der Persönlichkeit Snorris selbst, der beiden Religionen. gleich gläubig oder ungläubig gegenüberstand. Es ist höchst wahrscheinlich, daß wir hier den Ursprung zu den eigentümlichen Prozessen haben, die man später in der christlichen Kirche gegen Feldmäuse, Maikäfer und ähnliches Ungeziefer führte. Die Verurteilung im Tierprozeß ist nicht sowohl als Verurteilung von Tieren wie als zauberisches Bannen von

Menschen- oder Dämonenseelen aufzufassen, eine Parallele. zu dem bekannten Seelenaustreiben. Eine Zubehör jenes Zaubers aber ist der Prozeß. Der Tierprozeß ist Gespensterprozeß, und die angeführte Stelle beweist, daß es einen Prozeß in voller Form Rechtens gegen Gespenster und zum Zweck ihrer Abwehr in heidnischer Zeit gegeben hat.

Der Götterdienst im Wirtschaftsverbande.

Aufs engste verknüpft mit der Zeitteilung eines Volkes sind die religiösen Feste, die es feiert. Da die Götter die ins Große gefaßten Verkörperungen der Erscheinungen des Naturlebens sind, war der Gottesdienst der Germanen im wesentlichen ein Naturdienst: durch den Wechsel des Jahres zogen sich die Naturfeste. So fiel das natürliche Jahr mit dem religiösen zusammen, und der bürgerliche Kalender war zugleich der gottesdienstliche. In ältester Zeit unterschied man nur Winter und Sommer; der Winter ward vorangestellt, wie die Nacht dem Tage, nach der uralten allgemeinen Ansicht, daß aus dem Dunkel und der Kälte das Licht und die zeugende Wärme geboren würden. Man zählt also nach Nächten und nach Wintern. Winter und Sommer zerfielen durch die Sonnenwenden im Mittwinter und im Hochsommer in zwei gleiche Hälften: dort ist der längste Tag, hier die längste Nacht, dort beginnt die Abnahme, hier die Zunahme der Tage. Die Wende im Winter erhielt ihre Bedeutung namentlich dadurch, daß von hier das Aufwachen des erstorbenen Naturlebens beginnt: zu dieser Zeit brachten die Nordgermanen die großen Opfer für die Fruchtbarkeit dar (Yngl. S. 8). Winter- und Sommeranfang lagen an den Tagund Nachtgleichen. Das germ. Jahr begann also Ende September oder Anfang Oktober, und der Sommer hub Ende März oder Anfang April an. Diese vier Festzeiten beruhen demnach auf der Beobachtung der Solstitien und Äquinoctien.

Statt dieser Vierteilung des Jahres wird vielfach eine Dreiteilung angenommen: im Norden habe die Winterjahreszeit am 11. Oktober begonnen, der Beginn des Frühsommers

Herrmann, Nordische Mythologie.

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am 10. Februar, wenn die Tage sichtlich zunehmen, das dritte Fest fiel auf den 9. Juni; erst 940 habe König Hakon der Gute das Frühlingsanfangsfest vom 10. Februar auf den Tag des Jesusgeburtsfestes verlegt (Flt. I53/54). Zur Begründung der Annahme einer ursprünglichen Dreiteilung zieht man folgende Angaben heran:

um

Es war Sitte, ein Opfer darzubringen gegen den Wintersanfang für ein gutes Jahr; Mitte Winters ein zweites zur Erzielung von Fruchtbarkeit; ein drittes mit Sommerbeginn, das war das Opferfest zum Zwecke des Sieges (Yngl. S. 8). Die Drontheimer Bauern hielten um Wintersanfang stark besuchte Gastmähler und große Trinkgelage zur Besserung des Jahrganges, zu Mittwinter opferten sie für den Frieden und guten Verlauf des Winters: ihre Sitte war, ein Opfer im Herbst zu haben, den Winter zu begrüßen, ein anderes zu Mittwinter, ein drittes am Sommersanfange, da begrüßen sie den Sommer (FMS IV 102–104). Der vornehme Norweger Sigurd hatte die Gewohnheit, drei Opferfeste jedes Jahr zu halten, eins bei Wintersanfang, das zweite um Mittwinter, das dritte gegen den Sommerbeginn; nachdem aber das Christentum allmählich üblich geworden war, behielt er die alte Gewohnheit wegen der Gastmähler: da hatte er im Herbste ein Freundesmahl, ein Julgelage im Winter, ein drittes Mahl hielt er auf Ostern (FMS IV 112; Flt. II 227; Olafs. S. h. 117). Der südnorweg. Bauer Harek hielt in jedem Jahre drei Hauptmahle, eine Julgasterei und Mittwinters und zu Ostern (FMS XI Hak. p. Harekss. 1).

Von einer heidnischen Feier des Festes der Sommersonnenwende ist also nichts ausdrücklich überliefert, und man erklärt die scheinbare Festlosigkeit des Sommers damit, daß der Nordmann um diese Zeit mit dem Felde und der Weide genug zu tun hatte, oder daß die Männer dann auf dem Meere umherschweiften. Das letztere mag für die Wikingerzeit passen. Aber der Sonnenwendtag, die hochheilige Zeit der blühenden und reifenden Natur, ist im Johannistage erhalten: die Feuer deuten noch auf die alte Heiligkeit des Tages, am Johannistage haben die Wassergeister besondere schädliche Macht und verlangen ein Menschenopfer, an ihm sind die Quellen besonders heilkräftig, darum finden an ihm die Brunnen wallfahrten statt. Die Unsicherheit wird vollends dadurch gesteigert, daß von vielen Forschern dem Julfeste jeder Zusammenhang mit der Wintersonnenwende abgesprochen wird (s. u. 507).

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