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Wärme immer weiter gen Norden vor, schmilzt das Eis der Flüsse und die Schneemassen, das abschmelzende Wasser fließt ab und läßt die Erde wieder zum Vorscheine kommen, gleichwie aus Ymis Leibe die Erde entsteht. Die materielle Welt wird also auf das Urwasser zurückgeführt; dieses ist aber von Anfang an räumlich beschränkt und in Bewegung begriffen; denn es befand sich ja ursprünglich nicht in dem Raum, in dem die Welt entsteht, sondern ist erst aus dem Niflheim in Ginnunga gap hineingeflossen.

Als das Eis auftaute, also zu derselben Zeit, wo Ymi ward, entstand auch die Kuh Audumla. Vier Milchströme rannen aus ihren Zitzen, und damit nährte sie den Ymi; die Kuh aber fristete dadurch ihr Leben, daß sie die salzigen Reifsteine beleckte. Das bittere, belebende Salz war dem Nordmann wichtiger als der süße Honig, und wenn die Urkuh aus einem Salzsteine den Ahnen der Götter leckt, so gibt sich darin das Bewußtsein von der Wichtigkeit des Salzes kund. Am ersten Tage, als sie leckte, kam eines Mannes Haar zum Vorscheine, am zweiten Tage der Kopf und am dritten der ganze Mann. Vermutlich hat eine Beobachtung aus dem Leben, das Belecken und damit gleichsam Gestalten des soeben geborenen Jungen durch das Muttertier, den Anlaß zu dieser merkwürdigen Vorstellung gegeben, die übrigens nur eine mythische Parallelbildung zu Ymi zu sein scheint. Der Name dieses Mannes war Buri, der Gebärer"; er war zweigeschlechtig, Mann und Weib zugleich: so ist auch Tuisto, der Stammvater der Deutschen, der Doppelte, Zwiefältige, und wie er der erdgeborene Gott genannt wird, so wird auch Buri aus den Steinen geleckt (Tacitus, Germ. 2). Buri war schön von Angesicht, groß und stark und gewann einen Sohn, der Bor hieß (der Geborene, der Sohn). Dieser vermählte sich mit Bestla (die Bastbinderin? oder die Ehefrau, Gattin? afries. bôst Ehe), der Tochter des „bösen Riesen" Bölthorn, und wie bei Tacitus von Mannus, dem Sohne des Tuisto, die drei Eponymi der Ingwäonen, Istwäonen, Erminonen abstammen, d. h. der uralte germ. Volksgott *Tius in seinen verschiedenen Bezeichnungen als Ingwaz, Istwaz, Ermnaz, so sind die Söhne des Götterpaares Bor-Bestla Odin, Wili, We, die Herrscher von Welt und Erde. Denn auch Ymi ist zweigeschlechtig; als er schlief, geriet er in Schweiß, da wuchs ihm in der Achselhöhle, wie in einem Neste, Mann und Weib, und sein einer Fuß zeugte mit dem andern einen sechsköpfigen Sohn (Vafpr. 33). Der Schlaf ist nur ein Symbol der Geistesabwesenheit und soll die Teilnahmslosigkeit des Riesen ausdrücken. Neben der Geburt vom Manne man vergleiche die Schenkelgeburt des Dionysos und Evas Geburt aus Adams Rippe tritt eine andere uralte auf: die Entstehung aus einem urweltlichen Zwillingspaare. Der Erzähler hat also zwei oder drei völlig einander entsprechende, parallele Berichte in einen

verarbeitet, freilich ungeschickt genug; beide bestätigen, trotz ihrer entschieden nordischen Färbung, die Richtigkeit der Taciteischen Überlieferung.

Die Götter stehen also nicht am Anfange der Schöpfung, sie sind vielmehr aus der Materie erzeugt, leiten aber die Geschichte ein und schaffen die Kultur. Der Stoff, aus dem und in dem die Götter schaffen, ist ohne ihr Zutun bereits geworden. Aber ihre Wirksamkeit besteht darum doch nicht im bloßen Scheiden, Ordnen und Umgestalten der Masse: sie ist in dem Sinne wahrhaft schöpferisch, daß sie ihren Bildungen eine neue Triebkraft, ein neues Gesetz des Daseins einpflanzt. Erst aus der Beratung der Götter kommt in die Stellung und Bewegung der Gestirne der leitende Gedanke; wieder im Rate der Götter wird die Erschaffung der Zwerge beschlossen, vor allem erweisen sie sich nicht bloß als Urheber und Ausspender weltbildender Gedanken, sondern auch als Geber vollen, selbständigen Geisteslebens, indem sie dieses den Menschen einhauchen. Sie sind also die Vermittler zwischen dem ungestalteten Urstoff und der gestalteten Materie, sie zerlegen Ymi in die Bestandteile, die er von vornherein enthält. Die Zerstücklung Ymis ist nur das grobmaterielle Bild einer Entwicklung.

Während bisher die Entwicklung der Welt nach Naturgesetzen erfolgte, ohne die Einwirkung einer höhern Macht, übernehmen jetzt die drei Götter die Rolle des Weltbildners:

Sie erschlagen Ymi, und aus seinem Körper läuft soviel Blut, daß sie darin das ganze Geschlecht der Reifriesen ertränken. Nur Einer entkommt mit seinen Angehörigen, und von ihm stammen die (jüngeren) Geschlechter der Reifriesen; in einem Boote (Lade?) ward der erfahrene Riese geborgen (Vafpr. 39). Die Götter aber schleppten Ymi in die Mitte der gähnenden Kluft und schufen aus Ymis Fleisch die Erde, aus dem Blute das brausende Meer, die Berge aus dem Gebein, die Bäume aus den Haaren, das schimmernde Himmelsdach aus dem Schädel. Aus Ymis Wimpern schufen sie für die Menschen Midgard und aus dem Hirne die hartgesinnten Wetterwolken (Vafpr. 21; Grímn. 40. 41). Der prosaische Bericht fügt hinzu: Aus den Zähnen und den zerbrochenen Gebeinen schufen die Götter das Gestein und benutzten zur Errichtung eines Burgwalles gegen die feindlich gesinnten Riesen Ymis Wimpern. Seinen Schädel setzten sie über die Erde als Himmelsgewölbe auf vier vorstehenden Spitzen, und unter jede Spitze setzten sie nach den vier Himmels

richtungen einen Zwerg. Dann nahmen sie die Funken aus Muspellsheim und setzten sie mitten in Ginnunga gap oben und unten an den Himmel, um die Erde zu erleuchten. Allen Lichtern gaben sie ihre Stellen; danach werden Tage und Jahre gezählt.

In denselben Vorstellungskreis gehören die Mythen, daß Odin oder Thor die Augen des erschlagenen Riesen Thjazi als Gestirne an den Himmel wirft, oder daß Thor die erfrorene Zehe des Aurwandil gleichfalls als Sternbild an den Himmel setzt.

Sintflutsagen begegnen wir bei den verschiedensten Völkern; ihre Grundlage ist das dunkle Andenken an eine furchtbare Verheerung größerer Landstriche durch Wasser; in den ältesten Zeiten, als die Wasserläufe durch Natur oder durch Menschenhand noch wenig geregelt waren, mußten solche Überschwemmungen nur um so gewaltiger sein. So entstanden unabhängig von der babylonisch-alttestamentlichen Flutsage solche bei den Ariern, und selbst bei den Mexikanern, Peruanern, Kubanern finden sie sich. Daß die nordische Sintflut durch die Erzählung von Noah beeinflußt sei, läßt sich nicht im geringsten erweisen. Die Nordleute können ebensogut wie andere Völker durch eigene Erfahrung zur Gestaltung dieser Sage gekommen sein. Viel mehr Beachtung verdient die Annahme, daß geschichtliche Ereignisse von großen Fluten mit den Erzählungen von dem göttlichen Lichtknäblein verknüpft wurden, das übers Meer kommt und an dem Berge des Lichtes landet; das Aufsteigen des neugeborenen Lichtes wurde mit einer Flutwelle verglichen, die den Sonnenball wie mit einem Ruck emporzuheben scheint. In der Truhe wird der junge Himmelsgott von der Flut auf den Berg getragen, und durch sein Erscheinen auf der Höhe wird er Beginner und Vater der Menschenwelt. Dieser Zusammenhang zwischen Flut- und Lichtmythen erhellt deutlich aus der Sage von Deukalion, dem ,,Zeusknäblein", das auf dem Lykoreus, dem,,Lichtberge" landet und Stammvater der Griechen wird. Wie Noah und Moses die Begründer des Menschengeschlechtes und des selbständigen Judentums sind, wie Romulus und Kyros Stifter des römischen und persischen

Reiches sind, so stammt auch das jüngere Riesengeschlecht von dem einen überlebenden und ausgesetzten Reifriesen ab. Auch er scheint damals noch sehr jung gewesen und in einer Lade oder Wiege schwimmend der Sintflut entronnen zu sein.

Die Vorstellung, nach der der menschliche Leib auf eine sinnreiche Weise mit dem Ganzen der Welt verglichen wird und ebenso als eine Welt für sich erscheint, oder als Mikrokosmus dem Makrokosmus gegenüber gestellt wird, findet sich bei mehreren Völkern. Außer an die indische und cochinchinesische Überlieferung sei an den pantheistischen griechischen Hymnus erinnert, der den Himmel Zeus Haupt, sein Augenpaar Sonne und Mond, die Luft seine Brust, die Erde seinen Bauch und das Meer seinen Gürtel nennt. Wie es nahe liegt, die mütterlich sorgende Erde als einen menschenähnlichen Organismus, und zwar als ein Weib aufzufassen, so konnte der schon auf einer höheren Stufe der Entwicklung als das ungeformte Urwasser stehende Weltbildungsstoff als ungeheurer Mann, als Riese gedacht werden. Mit der Vorstellung der Erde als eines menschlichen Wesens war eine Vergleichung der Teile von vornherein gegeben. Knochen und Fleisch bildeten das natürliche Gegenbild zu Berg und Erde; Sonne und Mond als Augen des Himmels sind noch uns geläufige Metaphern. Die Zusammenstellung von Haar und Pflanzen findet sich schon in der ältesten Poesie. Uralt ist die Vorstellung des Himmels als eines Schädels; beide wurden mit demselben Worte bezeichnet, weil für beide der Begriff der Wölbung charakteristisch erschien (zoilos, caelum =an. heili Gehirn, fries. heila Kopf). Ebenso alt ist der Vergleich der See mit dem menschlichen Blute; Blut ist die rinnende, sprudelnde Flüssigkeit. Der Begriff der beweglichen Flüssigkeit ist hier, wie der des gewölbten Hohlraumes dort, der Ausgangspunkt der Vergleichung. Aus diesem einfachen, volkstümlichen Kerne läßt sich der ganze nordische Mythus von Ymi zwanglos erklären. Einer Herleitung aus Stellen der Kirchenväter bedarf es nicht.

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Herrmann, Nordische Mythologie.

Die Schöpfung der Zwerge und Menschen.

Ein Vergleich der beiden Kosmogonien ergibt, daß in der dichterischen Überlieferung keine Grundvorstellungen vorkommen, die bei Snorri ganz fehlen, und daß sich andererseits jene Vorstellungen, durch die Snorris Kosmogonie über die der ältern hinaus erweitert ist, den Grundgedanken der letzteren widerspruchslos einfügen, bis auf geringe Unterschiede in Einzelheiten. Es sind also nicht zwei grundverschiedene, sondern dem Kerne nach zwei derselben Vorstellung entspringende Kosmogonien. Das wird auch durch den Bericht über die Schöpfung der Zwerge und Menschen bestätigt.

Auf die Erbauung der Götterburg und die Schilderung der Zeit des sorglosen Lebens der Götter folgen in dem dichterischen Berichte einige eingeschobene Verse, die von der Erschaffung der Zwerge handeln:

Die Götter beratschlagen, wer als Zwergenfürst erschaffen werden soll, und zwar schaffen sie aus den in Fäulnis übergegangenen Gliedmassen Ymis zwei Zwergenfürsten. Da es keine weiblichen Zwerge gibt, pflanzt sich das Geschlecht der Zwerge nicht durch Zeugung fort, sondern die beiden Zwergenfürsten machen mit der den Zwergen eigenen Kunstfertigkeit aus der Erde menschenähnliche Gebilde d. h. die anderen Zwerge. Ihrem Ursprunge gemäß sind es nicht die Elbe überhaupt, nicht die Wasseroder Luftelbe, sondern vornehmlich die in Erde, Fels und Gestein hausenden Wichte. Ein Teil von ihnen zieht von den steinigen Hochplateaus durch schuttbedeckte Ebenen nach den niedriger gelegenen sandigen Feldern (Vol. 9-16).

Dichterischen oder spekulativen Wert wird niemand der Erschaffung der Zwerge beilegen, sie ist nur eine weitere, gelehrte Zutat zu der Aufteilung des Urriesen Ymi. Noch viel gröber aber ist die prosaische Darstellung:

Die Götter setzten sich auf ihre Sitze und begannen ihres Amtes zu walten. Sie erinnerten sich daran, wie die Zwerge im Erdboden tief unter der Oberfläche entstanden waren, wie Maden im Fleisch. Sie hatten nämlich zuerst sich gebildet und Leben gewonnen in Ymis Fleisch und waren bis dahin Maden. Nach der Bestimmung der Götter erhielten sie aber jetzt menschlichen Verstand und menschliche Gestalt; doch lebten sie wie vorher in der Erde und im Gestein (Gg. 14).

Durchaus abzulehnen ist die Ansicht, daß die beiden

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