ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

das drachengestaltete Orakelwesen zur Aussage. Selbst von dem Blute des Toten geht noch eine zauberhafte Wirkung aus: Sigurds Auge und Ohr werden für ein Vogelorakel empfänglich, für die im Vogelgezwitscher kund werdenden Orakelweisungen. Als die Seele, die zäh bei ihrem Schatze wacht, ist die Schlange die Hüterin des Grabschatzes (S. 45); als Heros besitzt sie weissagende Kraft. Der Jomswiking Bui stürzte sich nach der Schlacht im Hjorungawag mit zwei schweren Kisten voll Gold über Bord. Allgemein glaubte man von ihm, er sei in eine ungeheure Schlange verwandelt worden, die, auf Gold liegend, in jenem Fjorde wohne: oftmals soll die Schlange später gesehen worden sein (FMS XI158). Höhlen und Totenhaine sind die typischen Grundlagen der Drachensagen. Drache und Gold sind seither so unzertrennlich geblieben, daß auch unser „Geizdrache" noch ein Überbleibsel dieser Vorstellung ist. Auch der Drache Nidhögg am Fuße der Weltesche, wo die Thursen ihre unterirdische Wohnung haben, wird in diesen Zusammenhang gehören.

Bedeutung von Schlaf und Traum für die Entstehung mythologischer Vorstellungen.

Der gewöhnliche Traum.

Die Erscheinungen des Traumlebens sind von höchster Bedeutung für die Vorstellung von der Fortdauer der Seele gewesen; vielleicht sind sie geradezu die Veranlassung zum Glauben an Geister und deren Eingreifen in das Menschenleben. Die Traumbilder werden in einer Zeit, der es an Einsicht in die Gesetze der Natur und des Seelenlebens fehlt, für volle Wirklichkeit genommen, und daraus ergibt sich der Glaube an Geister. Gerade so halbmateriell, so schattenartig verschwommen wie die Traumbilder haben sich die Völker auch zu allen Zeiten die Gestalten der Geister gedacht. Das gemeingerm. Wort Traum (an. draumr, ahd. mhd. troum, engl. dream) ist verwandt mit an. draugr, neunord. Draug, ahd. gi-troc,,Gespenst"; der Zustand, in dem die Schlafruhe

der Seele von den nächtlichen Besuchern, den dämonischen Wesen, beunruhigt wird, wurde drau(g) wmós genannt: Traum ist also die Toten- oder Gespenstertraumerscheinung. Die ursprüngliche Konstruktion des Verbums,,träumen" zeigt, wie fest der Glaube der Germanen an die Objektivität der Traumwelt war. Träumen hieß in den Zustand versetzen, der durch draumr bezeichnet wird." Die Person, von der nach unserer Anschauungsweise geträumt wird, galt als die erzeugende Ursache des Traumes; im an. heißt es nicht bloß unpersönlich,,mich träumte", sondern ganz gewöhnlich,,der Mann hat mich geträumt". Nicht die Traumerscheinung ist. der Inhalt des Traumes, sondern das, was sie den Schläfer träumen läßt: das Traumbild ist offenbar als ruhestörende, beängstigende Erscheinung gedacht.

Der gleiche Nervenreiz muß bei verschiedenen Personen gleichartige Träume hervorrufen. Jeder kennt aus eigener Erfahrung Träume, in denen man die Empfindung des Fliegens und Schwebens hat oder eines jähen Sturzes: sie rührt von einer leichten und freien Atmung oder von einer Erschlaffung der Beinmuskulatur her. Sicherlich hat diese Wahrnehmung den Glauben an die Gestalt der Seele als Vogel, Insekt oder Tier überhaupt gefestigt. Die Empfindung, nackt zu sein, entsteht, wenn die Bettdecke hinabgleitet und einen Teil des Körpers entblößt: daher der immer wiederkehrende Zug in den Alpgeschichten, daß, wenn der beängstigte Schläfer den Alp faßt oder festhält, sich dieser in ein nacktes Weib wandelt. Kein Traum ist so verbreitet und kann so weit in der Zeit zurück verfolgt werden, wie der Alptraum, der immer eintritt, wenn die Atmung durch irgend eine Ursache gehindert ist und durch Aufenthalt in ungesunden, kohlendunst-schwangeren Räumen Sauerstoffmangel des Blutes eintritt. Gewöhnlich tritt eine Hemmung der Atmung im Schlafe nur allmählich ein, und das erscheint dem Träumenden als ein schleichendes Herannahen des feindlichen Wesens, das dann plötzlich auf ihm hockt, reitet oder ihn tritt.

Gewöhnlich wird die Deutung eines Traumes, in dem

sich lebende Wesen gezeigt haben, mit den Worten eingeleitet:,,das müssen die Fylgjen großer Männer gewesen sein“. Diese enge Verbindung zwischen Träumen und Geistern kann kein Zufall sein, sondern muß als ein Beweis für die Entstehung des Geisterglaubens aus den Traumbildern gelten. Da die Nordleute für philosophische Spekulationen wenig veranlagt waren, ist es leicht verständlich, daß sie den Glauben an Geister nicht sonderlich weit und tief entwickelt, und sich vielmehr im wesentlichen darauf beschränkt haben, Geister da anzunehmen, wo die Erfahrung sie unmittelbar zu zeigen schien nämlich in den Träumen (S. 41).

Die Vorliebe der Nordleute für Träume ist außerordentlich stark. Es gibt kaum eine Sage, in der nicht wiederholt von Träumen und deren Auslegung die Rede ist. Gewisse Menschen haben eine besondere Gabe, zu träumen und Träume zu deuten. Von einem Weibe heißt es:,,immer wird sie im Traume solche Dinge gewahr, deren Eintreffen ihr wahrscheinlich dünkt" (Fóstbr. 97) und von einem Manne: ,,er deutete Träume besser als andere Leute" (Thorst. S. Siduh. 3.). Die Unfähigkeit, zu träumen, galt geradezu als eine Krankheit. König Halfdan, der niemals träumte, wandte sich des halb um Rat an einen weisen Freund (FMS X169). Traumlosigkeit schlägt für keinen Mann gut aus, denn es ist wider die Natur des Mannes, daß er nie träumt (FMS VI198). ·

Die Traumdeutung erfolgte nicht nach bestimmten Regeln, hatte also kein wissenschaftliches Gepräge, sondern war Sache einer augenblicklichen Inspiration. Denn der Träumende war selten mit der Auslegung zufrieden, sondern erklärte geradezu, daß wohl eine bessere Deutung hätte gefunden werden können (Gunnlaugs S. 1).

Gleichwohl war man fest überzeugt, daß der richtig gedeutete Traum sich unweigerlich erfüllen würde. Daher finden wir verschiedene Beispiele dafür, daß man sich scheute, beunruhigende Träume zu erzählen; denn man wünschte sie nicht in ungünstigem Sinne gedeutet zu sehen (FAS III 560; FMS VI402), und man zieht es oft vor, den Traum eines anderen ungedeutet zu lassen, um sich nicht seinem Zorn oder

seiner Ungnade auszusetzen (FAS I 371, III 560; FMS VI402, VII 163, X312). Hat man aber erkannt, daß das im Traume angekündigte Schicksal unausbleiblich ist, so weiß man sich mit Heldenmut darin zu fügen. Der Fatalismus des Germanen, der so gern eine Frage an das Schicksal frei haben wollte, der den Orakeln in allen Angelegenheiten des Lebens eine so hohe Bedeutung beimaß, ließ ihn auch unerschrocken der Gefahr ins Auge sehen, wenn er sie als unvermeidlich erkannt hatte. Wie er sich jauchzend in das Wetter der Speere stürzte, wie er mit unheimlicher Folgerichtigkeit auch das letzte Schicksal seiner Götter erwog, so ergab er sich stumm und stolz in das vom Traume gewiesene Los. Gunnars Gattin Glaumwör sieht im Traume tote Frauen ins Gemach eindringen, die ihn entführen wollen: die Schicksalsfrauen, glaubt sie, haben ihm den Schutz aufgesagt Gunnar aber erwidert:

...

Die Warnung kommt zu spät, nicht wandl' ich den Entschluß . . Obwohl ich's kaum bezweifle, daß kurz unser Leben sein wird (Am. 27. 28). Und Gudrun gesteht dem Atli schließlich offen ein:,,Nicht sind die Träume gut, aber sie werden in Erfüllung gehen: deine Söhne werden totgeweiht sein" (Vols. S. 33). Aus dieser Überzeugung entwickelt sich die trotzige fatalistische Ergebung. Träume können den Helden von dem einmal gefaßten Vorhaben nicht abhalten:

Wieviel die Helden auch warnten, nicht hörten die Recken darauf (Am. 30).

So konsequent wird schließlich der Fatalismus getrieben, daß man dem Traume direkt die Kraft zuschrieb, die Todesgeweihtheit herbeizuführen, den Tod also als eine unmittelbare Folge des Traumes hinstellte (Isl. S. II67).

Häufig erscheinen die Seelen von Menschen dem Träumenden in Tiergestalt, nicht nur als schattenhafte Geister, und zwar besucht die Fylgja ausschließlich den Träumer in Tiergestalt, als Wolf, Bär, Eisbär, Eber, Hirsch, Ochse, Pferd, Hund, Vogel, Adler, Rabe, Schwan, Habicht, Falke, Schlange, Drache u. s. w. Kostbera, Högnis Gattin, sieht einen Adler in die offene Halle hineinfliegen: das deutet auf arges Unheil; alle bespritzt er mit Blut; am gefährlichen Dräuen

glaubt sie den Hunnenkönig Atli erkannt zu haben (Am. 18). Fridthjofs Vater deutet die Bären und Wölfe, die ihm ein Traumgesicht vor Augen führt, auf die Feinde, die ihn am nächsten Morgen überfallen würden (FAS II 413).

Der Wunsch, mit Hilfe des Traumes die Geheimnisse der Zukunft enthüllt zu sehen, veranlaßte die Nordleute zu einer sorgfältigen Erkundung derjenigen äußeren Umstände, unter denen bedeutsame Träume von selbst eintreten mußten oder willkürlich hervorgerufen werden konnten. Die Heiligkeit des Neuen, Ersten, Unberührten und Keuschen spielte dabei eine große Rolle, wie man nach allgemeinem Volksglauben noch heute auf die Träume besonders achten soll, die man in einem neuen Wohnhause, in der ersten Nacht in der Fremde träumt. König Halfdan übernachtet auf den Rat seines klugen Freundes in einem Schweinestalle, um einen die Zukunft kündenden Traum zu erzielen (Halfd. S. sv. 7, FMS XI169): dem Grunzen der Schweine wird besonders zu Weihnacht in Österreich und Baden weissagende Kraft zugeschrieben.

König Gorm schläft auf den Rat seiner Gemahlin aus demselben Grunde die erste Winternacht und die beiden folgenden Nächte in einem an einer neuen Stelle neugebauten Hause (Jómsvík. S. 2; s. auch Saxo 319). Königin Aud läßt ihrem Gatten in einem abgelegenen Raume ein Bett bereiten, wo ihm durch einen Traum der Blick in die Zukunft eröffnet wird (FAS II 367). Ein Isländer legt sich, um sichere Träume zu haben, in neuem Gewande in ein neues Bett an einer neuen Stelle (FMS V 334). Ein Mann wünscht von zwei zauberkundigen Brüdern zu erfahren, wo sich der Mörder seines Bruders befinde: sie schließen sich darauf drei Tage in einer einsamen Hütte ein und können dann das Versteck des Gesuchten angeben (FAS II 411).

Daß solche Träume mit den Offenbarungen des Tempelschlafes (Inkubation) aufs engste zusammenhängen, leuchtet ein, ebenso, daß diese mit dem Hypnotismus in inniger Beziehung stehen. Der Kranke ist an heiligen Orten hochgradig suggestibel durch sein Vertrauen zur Gottheit, und diese Suggestibilität wird durch alle möglichen Mittel bis zu einem ekstatischen Zustande noch gesteigert (vgl. das Zubringen der Nächte auf Gräbern S. 49). Aber es liegt außer

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »