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Montags, den 28. Juni.

Ueber drei Stunden weilte ich bei ihm. Er war heiterer Laune und sehr mittheilend, zeigte mir eine Menge eigener Zeichnungen. Es kann nicht Alles gerathen wie es sollte; das ist eben das Leben; was ist's nun weiter? Erhard, der Arzt, den Varnhagen trefflich schildert, war eben auch ein hübsches Talent, ein guter Kopf, aber einer von den unzulänglichen Menschen, die einem so viel Qual machen, weil sie sich einbilden etwas zu sein, etwas zu können, etwas zu sollen, dem sie nicht gewachsen sind, und aus ihrer Sphäre herausgehen.

Als ich mich über Varnhagens Productivität wunderte, sagte er: Gott, der Tag ist lang, man kann entsetzlich viel thun, wenn man mit Folge arbeitet und Langeweile flieht." Als ich ihm Elsholzens Hofdame2 gab, entgegnete er: „Die guten Menschen, wenn sie nur auch was Gutes machen könnten."

Dann erzählte er vom! Aufbau des Klosters im Park und von der Wiederauffindung des darauf bezüglichen Sigmund v. Seckendorfischen Gedichtes. 3

Bonnet nannte er den wackern, guten Naturhans! Voltaire, einer der größten Geister, hatte im hohen Alter die Schwachheit, noch ein neues Trauerspiel von sich aufführen zu lassen; ich dagegen spüre immer mehr Neigung, das Beste was ich gemacht und noch machen kann, zu secretiren.

Er erzählte von der ehemaligen Freitagsabendgesellschaft bei sich zu literarischen Zwecken. Der Herzog habe öfters beige: wohnt und einst, als ihm eine Vorlesung des Staatsraths, damaligen Hofmedicus Hufelanda sehr gefallen, alsobald beschlossen, ihn zum Professor in Jena zu machen. Ueberhaupt habe der Herzog eine wahre Passion für Jena gehabt. Jene literarische

1 Denkwürdigk. des Philosophen und Arztes Jh. Benj. Erhard. Stuttgart 1830.

2 Lustspiel von 1830.

3 Gedruckt in Goethe's Auffah: das Louisenfest. Vergl. Riemer II. 66. Goethe's Werke Ausg. von 1842. 8. p. 229.

4 Kam 1793 nach Jena.

Gesellschaft, wie überhaupt alles Gemeinsame, Harmonische unter Weimars ersten Männern habe eigentlich Böttiger gestört durch seine Klatschereien. Alles was er zu sehen oder zu hören be kommen, habe er nur zu seinen egoistischen Zwecken zu benußen gestrebt.

Montags, 2. Juli.

Er lobte meine Rede am Johannisfest.1 Ein mäßiger Enthusiasmus, wie er sich nothdürftig rechtfertigen läßt; Alles wohl zusammen gestellt, gute rhetorische Motive: „Ich bin alt genug, um das, was mir zu Ehren geschrieben wird, wie ein Unparteiischer beurtheilen und loben zu können.“

Sodann zeigte er eine herrliche Handzeichnung von Ludwig Carracci, ein Wunder mit verwandelten Rosen vorstellend, und stimmte in mein Lob über l'âne mort et la femine guillotinée.

„Der ärgerliche Fall2 mit Reinhards Schwiegersohn ist ein wahrhaft tragischer; denn tragisch nenne ich eine Situation aus der kein Ausgang war, keine Composition gedenkbar ist."

Zufriedenheit mit meinen Aeußerungen über die Geschichte seines botanischen Studiums.

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Man darf die Grundmaxime der Metamorphose nicht allzu breit erklären wollen; wenn man sagt: sie sei reich und productiv wie eine Idee, ist das beste. Man muß lieber sie an einzelnen Beispielen verfolgen und anschauen.

Das Leben kehrt eben so gut in der kleinsten Maus wie im Elephanten-Koloß ein und ist immer dasselbe; so auch im kleinsten Moos wie in der größten Palme.“

Als ich sagte: das unendlich üppige Entfalten des kleinsten Samenkorns zu einem riesenhaften Baume sei wie eine Schöpfung aus Nichts, erwiederte er: ja, aus Etwas. Verstünde die Natur nicht, auch das Kleinste, uns gänzlich Unmerkbare im Raume zusammen zu ziehen und zu consolidiren, wie wollte sie es da anfangen, ihren unendlichen Zwecken zu genügen?

1 In der Loge Amalia zur Feier des 50jährigen Maurerjubiläums. 2 Discrete Privatsache.

v. Müllers Unterhaltungen mit Goethe.

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Den 5. Januar 1831.

Ich war von 6 bis 8 Uhr Abends bei ihm. Er genehmigte völlig den lezten Testamentsentwurf und zeigte sich sehr dankbar dafür, daß ich ihm diese große Sorge von der Brust nahm. Wir sprachen dann von Sternbergs schöner Beschreibung seiner Fahrt nach Helgoland. Walter Scotts Briefe über Geistererscheinungen und Hererei hatte Goethe eben gelesen und lobte sie sehr; auch berührte er Niebuhrs gehaltvollen Brief bei Uebersendung des zweiten Theils seiner Römischen Geschichte, in deren Vorrede ein Zeitalter der Barbarei als Folge der französischen Revolutionen geweissagt wird. Der Wahnsinn des französischen Hofes, äußerte Goethe, hat den Talisman zerbrochen, der den Dämon der Revolutionen gefesselt hielt."

„Die Phantasie wird durch Niebuhrs Werk zerstört, sagte Goethe; aber die klare Einsicht gewinnt ungemein."

Darauf sprach er von dem merkwürdigen Condolenzbrief des Kaufmanns Massow in Calbe an Goethe und dessen Dankbrief an Vogel.

Goethe meinte: „es müsse doch ein innerlicher, empfindungswarmer Mensch sein.

Ja, ja, es leben doch hier und da noch gute Menschen, die durch meine Schriften erbaut worden. Wer sie und mein Wesen überhaupt verstehen gelernt, wird doch bekennen müssen, daß er eine gewisse innere Freiheit gewonnen.

Die Abende in Calbe mögen manchmal lang sein; da freut sich denn so Einer, wenn er eine Ahnung bekommt, was eigentlich im Menschen steckt. Aber was hilft es ihm wohl? Zum rechten Durchdringen kommt es doch nicht leicht. Ach es ist unsäglich, wie sich die armen Menschen auf der Erde abquälen?"

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Es schien ihm Bedürfniß diesen Abend recht viel, was mir interessant sein möchte, mitzutheilen. Man sollte das öfter thun, sagte er, oft kann man damit einem Freunde Freude machen und mancher gute Gedanke keimt dabei auf. Nun, wenn ich nur erst meine Testamentssorge vom Herzen habe, dann wollen wir wieder frisch auftreten. Zehn neue Bände meiner Schriften sind

fast schon parat. Vom zweiten Theil des Faust der fünfte Akt und der zweite fast ganz; der vierte muß noch gemacht werden, doch im Nothfall könnte man ihn sich selbst construiren, da der Schlußpunkt im fünften Akt gegeben ist.“

Ich fand Goethen diesen Abend ganz besonders liebenswürdig und mild, und ich jammerte fast wegeilen zu müssen, um Devrient noch in der Aussteuer zu sehen.

Dienstags, den 30. März.

Abends war ich nur eine halbe Stunde bei Goethe. Er war freundlich, doch minder theilnehmend und lebendig, wie sonst, weil er noch immer etwas leidend am Fuße ist. Nach Außen lehnte er jede Beziehung ab; „ich will nichts von den Freuden der Welt, wenn sie mich nur auch mit ihren Leiden verschonen wollte. Wenn man etwas vor sich bringen will, muß man sich knapp zusammen nehmen und sich wenig um das kümmern was Andere thun."

Donnerstags, den 31. März.1

Heute brachte ich mehrere Stunden bei ihm zu. Anfangs mit Conta, der von München erzählte, dann kam der Großherzog, später noch Spontini auf seiner Rückreise von Paris. Er gefiel mir sehr wohl als feiner, lebendiger Mann; jetzt beschäftigt ihn die Composition einer von Jouh gedichteten Oper „Les Athéniennes, deren Motive Goethe sehr lobte:

Daß ich ihn im vordern, sogenannten Deckenzimmer traf, war schon ein gutes Zeichen, er hatte früh Besuch von der Hoheit gehabt. Im Ganzen war er heute viel munterer, Spontini und mehreres Politische und Literarische, was ich erzählte, heiterten ihn

1 Eckermann II. 335 und III. 350. An lezter Stelle ist bei Eckermann ein Jrrthum. Mittwoch kann 1831 nicht auf den 31. März fallen. 2 Goethe's Werke XXIX. 107. Goethe-Zelters Briefwechsel VI. 361, 365 sind für den weitern Verlauf der Sache zu lesen.

auf. Walter Scotts Napoleon könne man nur dann mit Behagen lesen, wenn man sich einmal entschließe, eine stock englische Sinnes und Urtheilsweise über jene große Welterscheinung kennen zu lernen. In solcher Beziehung habe er Geduld genug gehabt, es im Englischen völlig hinaus zu lesen. Viel sprach er über Klingers Tod, 1 der ihn sehr betrübt hat. „Das war ein treuer, fester, derber Kerl, wie keiner."

"In früherer Zeit hatte ich auch viele Qual mit ihm, weil er auch so ein Kraftgenie war, das nicht recht wußte was es wollte. Seine Zwillinge gewannen den Preis vor Leisewißens Julius von Tarent wegen der größeren Leidenschaftlichkeit und Energie. Seinen „Weltmann und Dichter“ habe ich nie gelesen. Es ist gut, daß Klinger nicht wieder nach Deutschland kam; der Wunsch darnach war eine falsche Tendenz. Er würde sich in unserem sansculottischen Weimar und resp. Deutschland nicht wieder erkannt haben, denn seine Lebenswurzel war das monarchische Princip."

Zuletzt erzählte er eine Anekdote von den zwei vornehmen Zöglingen im Cadetten-Institut, die Klinger absichtlich gegen die Gesetze ausprügeln ließ.

B. Mittwoch, 20. April.

Bei Goethe traf ich Schweizer; später kam der Großherzog. Goethe war ausnehmend munter und anmuthig in seinen Gesprächen; er verglich Franz Tettau mit dem Hofnarrengeschlecht, dessen Eigenschaften vorzüglich im groben bon sens und furchtloser Aufrichtigkeit beständen. Ferner erzählte er von den Frankfurter Meßanstalten; und wie er im seiner Jugend noch einen Kopf von den drei im 17. Jahrhundert hier gerichteten Rebellen gegen die Stadt oben am Brückenthurm nach Sachsenhausen zu aufgesteckt gesehen. Nur wer ehemals als Page, fuhr er fort,

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1 25 Januar 1831.

2 Er lebte im v. Egloffsteinischen Hause, war ein halb blödsinniger Mensch, der zu allerlei Dienstleistungen verwandt wurde.

3 Aus dem Fettmilch'schen Aufstande. Vergl. über die Geschichte des Aufstandes: Kirchners Ansichten von Frankfurt 1. 133, Lange's Geschichte von Frankfurt S. 251, Archiv für Frankfurter Geschichte und

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