ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

ZUR MYTHOLOGISCHEN METHODIK.

Ich habe Band XIII, S. 1 ff. der „Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Litteratur" eine Untersuchung der Orendelsage angestellt, welche sich zu der Behandlung einer größeren Gruppe zusammengehöriger Überlieferungen gleichen mythischen Gehaltes gestaltete und in der Feststellung eines pangermanischen, vielleicht sogar indogermanischen Jahreszeitenmythus gipfelte. Es sei gestattet, einige principielle Bemerkungen über diese und ähnliche Untersuchungen nachzutragen.

Die Mythologie als Wissenschaft ist in unseren Tagen in Mißcredit gerathen, derart, daß ernste Wissenschaftler ihr mit Verachtung den Rücken kehren und auf Bestrebungen in ihrer Richtung den spröden Bescheid ertheilen: ich glaube überhaupt, daß die meisten unserer Sagen sehr späten Ursprungs sind! ein Bescheid von merkwürdiger Wissenschaftlichkeit, da es 1. wohl der Mühe verlohnte, für einen derartigen Glauben den Beweis anzutreten, 2. die wissenschaftliche Bedeutsamkeit einer Überlieferung durchaus nicht lediglich von ihrem Alter abhängt.

Im Übrigen ist die Discreditirung der mythologischen Forschung eine nothwendig erzeugte. Als Jakob Grimm, der Begründer unserer germanistisch historischen Wissenschaften, das deutsche Volk mit einer deutschen Mythologie beschenkte, sah er sich veranlaßt, in Ermangelung einer geschlossenen Quellenüberlieferung, wie sie die Edden für den nordischen Glauben zu bieten schienen, eine Analogiensammlung aus allen erfindlichen Niederschriften anzustellen nach den nämlichen Principien, denen wir seine Analogiensammlungen zur Begründung einer deutschen Grammatik und einer deutschen Rechtsalterthumswissenschaft verdanken. Dabei widerfuhren ihm vornehmlich zwei Irrthümer: 1. schwebten ihm als ein Ideal religionsgeschichtlicher Überlieferung die Edden vor, die er, wie noch in unserer Zeit mancher vorzügliche Forscher, für eine Quelle erster Hand hielt, und er suchte ihre Sagen und Göttergestalten auf westgermanischem Boden wiederzufinden; 2. stand er, wie alle Begründer der deutschen Philologie, unter dem Banne der classischen Alterthumswissenschaften, faßte

GERMANIA. Neue Reihe XXI. (XXXIII.) Jahrg.

1

also den Begriff Mythologie in der ganzen Beschränktheit der mit festgefahrenen Terminis hausenden classischen Forschung und freute sich andererseits, classische Vorbilder auf germanischem Boden wieder zu entdecken. Damit begründete er die gefährlichste Krankheit dieser Wissenschaft: die Analogienwirthschaft, die frischweg deutsche Überlieferungen einerseits auf eddische Muster ausdeutete und andererseits mit ähnlichen griechischen und, später, vedischen Traditionen verglich und nach ihnen beurtheilte.

Aber mit diesen Analogiensammlungen, welche in der Analogienwirthschaft nur ins Kraut geschossen sind, wies Grimm den Weg zu einer ganz neuen Methode, welche weit über die von der classischen Philologie ausgebildete hinausging. Indem er einerseits zum ersten Male eine wohlgeordnete Sammlung mythischer Einzelüberlieferungen elementarer Gestalt bot unter Hinweisungen auf überraschende Parallelen fremder Mythik, bahnte er den Weg zu der Begründung einer vergleichenden Mythenforschung, welche Kuhn zuerst1) zum Princip erhob. Indem er andererseits seine Belege aus der Volksüberlieferung schöpfte, wies er den Weg zu der reinsten Quelle mythischer Belehrung, zu dem Volksleben, und wurde der eigentliche Begründer des berühmten Schwartzischen Princips, daß die Volksnatur, die Mutter der Mythik, mutatis mutandis noch heute unter gleichen Anlagen, Trieben, Gesetzen die Mythenbildung fortsetzt, daß ihr allein die Gesetze der Mythenbildung abzulauschen, und somit eine concrete Kritik und Ausnutzung der mythischen Überlieferungen aller Zeiten abzugewinnen ist. Der Weg zu dieser Erkenntniß der principiellen Seite einer wissenschaftlichen Mythologie ist nach diesem Gelehrten die Analogiensammlung zunächst auf deutschem Boden, aber unter Heranziehung außerdeutscher Analoga. Für letztere freilich mangelte ihm die philologische Genauigkeit, und er steuerte mit vollen Segeln in die Analogienwirthschaft hinein.

Die beiden neuen Richtungen combinirte Mannhardt in seinen berühmten germanischen Mythen, welche den, wenn auch mit noch so vielen Irrthümern versetzten, so doch zum ersten Male umfassenden Beweis führten, daß die germanische Mythik die Abzweigung eines indogermanischen Mythenstammes darstellt. Aber wenn Schwartz durch philologische Mängel das Zutrauen der exacten Gelehrtenwelt verscherzte, so war Mannhardt ein schwacher Historiker und ein

1) Ich sehe von Max Müller ab, der, abseits der deutschen Forschung, aus eigener Kraft zu bedeutsamen Resultaten gelangte.

noch schwächerer Psycholog. Von jeher hat er ohne scharfen historischen Blick unter jede Rubrik alle möglichen Überlieferungen durcheinander geworfen und nicht beachtet, daß zwischen dem Alf Loki und dem drückenden Alb oder den unterirdisch schmiedenden Krüppeln eine große Spanne Entwickelung lag. Das Princip der Entwickelung fehlte ihm nicht, aber er hat nicht verstanden es anzuwenden. Auch als ihn die Strahlen kritischer Erleuchtung trafen, die von Lachmanns Genie über alle philologische Forschung ausstrahlten, ist er, unselbständig seinen Mustern nachstrebend, immer auf halbem Wege geblieben; er hat angefangen, die griechischen Überlieferungen mit kritischer Sichtung zu behandeln; aber er ist nicht dazu gekommen, von der philologischen Quellkritik zu der psychologischen Analyse der Überlieferung überzugehen. Immer geneigt, eine Überlieferung als Ganzes hinzunehmen oder als Ganzes zu verwerfen, wußte er abermals dem Gedanken der Entwickelung nicht zu seinem wissenschaftlichen Rechte zu verhelfen. Begeisterung und treuliche Arbeit war sein bestes Eigenthum; aber ein bahnbrechender Geist wie Schwartz war er nicht, und das ist heute um so nöthiger hervorzuheben, als man anfängt über Schwartz' Einseitigkeit und kritischen Verirrungen zu vergessen, wieviel man ihm verdankt, und daß er der epochemachendere Wissenschaftler von beiden, daß Mannhardt sein an Genauigkeit (späterhin) weit überlegener, an intuitiver Erkenntniß (der ersten Bedingung wissenschaftlicher Großthat) weit ärmerer Schüler war.

Drei methodische Sätze sind es, in denen Schwartz' Forschungen gipfeln: 1. Ein Mythus ist nur zu deuten, indem man alle seine Belege sammelt und vergleicht, bis man zu einem erleuchtenden Punkte gelangt1); 2. die philologische Quellkritik darf nicht so weit gehen, Nachrichten einer zeitlich späteren Quelle unmittelbar als die inhaltlich minder zuverlässigen anzusehen, da der spätere Berichterstatter vielleicht den genaueren Bericht aus dem Volksmund erhielt oder aber getreuer aufzeichnete; über die Ursprünglichkeit des Beleges kann nur der Analogienvergleich entscheiden; 3. jede Ceremonie ist eine Pantomime: Apolls Drachenkampf ward durch eine irdische Wiederholung gefeiert. Vornehmlich auf dem ersten Satze fußend, gelangte Mannhardt dazu, die deutschen Volksgebräuche, für welche Grimm bereits zahlreiche Belege gesammelt hatte, umfassend zusammenzustellen. Dieselben waren vornehmlich ländlicher Natur, denn unser

1) Die eiserne Berta, ein Sturmdämon, wird erst verständlich, wenn der Nachtrabe, ebenfalls ein Sturmdämon, mit eiserner Schwinge eine Hürde zerschlägt.

[ocr errors]

Mythen wahrendes Volk ist vornehmlich ländlich. Mannhardt wurde aufmerksam, verfolgte den Volksglauben weiterhin und fand ihn allenthalben besonders lebendig in Haus, Feld und Wald. Er verfolgte die griechischen und römischen Volksbräuche: das gleiche Ergebniß. Und so kam er dazu, aus dem übereinstimmend ländlichen Charakter spätdeutscher, späthellenischer und spätrömischer Volksbräuche und Anschauungen zu schließen, daß auch die indogermanische Dämonie eine wesentlich vegetative gewesen sei, denn die Gottheit, welche die Vegetation gab, mußte ursprünglich selbst die Vegetation gewesen sein.

Das Register hatte aber ein Loch. Sämmtliche Gottheiten, die nach germanischer Überlieferung die Vegetation verliehen, waren atmosphärischer Natur: Odinn ein Windgott, Thor ein Gewittergott, Freyr als Vane wieder ein Windgott. Noch mehr: ein deutscher Vegetationsgott war gar nicht aufzutreiben; denn Njörðr war Vane, also wieder Windgott. Nicht besser stand es indisch: Indra, Agni, Vishnu, Varuna lauter atmosphärische1) Gottheiten. Ja, Welcker hatte, sogar mit guten Gründen behauptet, daß die Hauptgötter fast aller Völker atmosphärischen Charakter wiesen. Endlich hat man sogar einen pangermanischen Hauptgott Tyr-Ziu feststellen wollen, einen Himmelsgott, einen deutschen Zeus: allerdings ein arges Beispiel von Analogienwirthschaft. Man betrachte folgende Tabellen (auf Grund von Fick I, 108):

[blocks in formation]

1) Unter atmosphärischen Wesen begreife ich Wesen der in der Atmosphäre sich vollziehenden Erscheinungen: also auch Sonnenschein, Regenbogen, wie andererseits Nebelbildung, Lichtreflexe.

2) Unter freiem Himmel.

8) Mittägig.

[merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][ocr errors][ocr errors][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small]

Aus diesen Tabellen ergibt sich, 1. daß die indogermanischen Götternamen von der Wurzel di sämmtlich dem Thema div abgebildet sind; 2. daß diesem Thema nur im Skr. die Bedeutungen Himmel, Tag beiwohnten, griech. und latein. Weiterbildungen des Thema div; germ., lith., slav., kelt. überhaupt der Wurzel di Worte dieser Bedeutungen nicht abgebildet wurden; daß folglich von einem deutschen Himmelsgott Tiv keine Rede sein kann; 3. daß von der Wurzel di alle 1) indogermanischen Sprachen 2) ein Appellativ 'göttlich' abgebildet haben, welches somit der Bedeutung 'leuchtend, glänzend' entsprang; 4. daß mithin die Namen Dyaush, Joupiter, Zeus, Tiv nichts bedeuten als der Leuchtende'; eine Bedeutung, welche sie mit anderen Götternamen theilen, und die wohl auf ein großes Alter, keineswegs aber auf eine ehemalige Omnipotenz des germanischen Tiv zurückschließen läßt; 5. daß auf indogermanischer Stufe den Göttern die Eigenschaft des Leuchtens, Glänzens als wesentlich zugeschrieben wurde, mithin ihre atmosphärische Natur dominirte.

Dieses Ergebniß hat nichts Erstaunliches. Der primitive Mythus ist eine naive Naturanschauung, eine Auffassung des Unbegreiflichen nach Analogie des Begriffenen. Diese Auffassung konnte nur stattfinden, wenn ein tiefer Eindruck das Gemüth aufregte; nicht der Erkenntnißwerth: der Gefühlswerth bestimmt die Mythenwie jede Begriffsbildung. Die fürchterlichen Erscheinungen des atmosphärischen Übels und die wiederkehrende Wohlthat der Himmelsheiterkeit mußten die unmittelbar wirksamsten Factoren der Mythenbildung werden.

Die Vegetation als solche trat erst in den Gesichtskreis des Menschen, als er aus einem vornehmlich von Fleisch lebenden ein auch Pflanzen verzehrendes Wesen wurde. Zu jenem erzog ihn zu

1) Dem Westgerman, ist das Appellativ wohl nur verloren gegangen.

2) Das Griechische erst mittelbar.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »