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(System, Genealogie) einerseits, zu Religion, Cultus, Ceremonie andererseits. Auf diese Weise wird man eruiren: I. eine Summe verschiedenenorts und verschiedenzeitig entstandener Naturanschauungen, II. die Gesetze, nach welchen dieselben entstehen, und III. nach welchen sie sich fortbilden. Es ist dann schon eine wissenschaftliche That, eine einzige Sage zu isoliren und nach ihrer Natur, Verbreitung, Wandelung und Wanderung zu ergründen, einerlei, ob sie älter oder jünger, hieratisch oder profan, urdeutsch oder eingewandert, dem einen oder dem anderen Gotte zugeschrieben sei. Dann sind die Aufgaben der Mythologie als der Wissenschaft von den Naturanschauungen hieratischer Bedeutung (und ihren Fortbildungen in Sage und Dichtung) nur lösbar als Theil einer Geisteswissenschaft, welche anstrebt, den Gesammtbestand der überlieferten Sagengedichte, Sagenprosen und Märchen; Ceremonien und Qacksalbereien wie Fetischismen; Götterhimmel und Dämonenreiche wie Schamanismen und Popanzen; Naturanschauungen hieratischen wie profanen Inhalts zu untersuchen auf die Gesetze ihres Werdethums und ihrer Entwickelung. So schwer für eine derartige Wissenschaft eine umfassende Benennung zu finden wäre, so bestimmt steht ihr Programm da: wie die Sprachwissenschaft die Sprache als ein spätes und complicirtes Product einer unabsehbar langen Entwickelung auffaßt und deren Entwickelungsgesetze, Urelemente, spätere Bereicherungen zu ergründen sucht, so hat eine Wissenschaft von Volksglauben, -Brauch und -Überlieferung das überkommene Material (zunächst national) als Entwickelungsproduct aufzufassen und diese Entwickelung: ihre Gesetze, die Urelemente, die Anwüchse oder Verschiebungen, festzustellen; wie die Sprachgeschichte darthut, daß alle Sprachen unserer Völkerfamilie einem gemeinsamen Mutterboden entwachsen sind, so sind die nationalen Überlieferungen an Glauben, Brauch und Sage zurückzuführen auf einen indogermanischen gemeinsamen Bestand von Urelementen; wie unter den sprachlichen Urelementen verschiedene Wurzeln die gleiche Bedeutung aufweisen, also verschiedenenorts zur Befriedigung eines identischen Bedürfnisses entstanden, durch Wanderung Gemeingut und im Compromiß verglichen wurden, so haben sich auf dem Gebiete der Naturanschauungen indogermanischer Zeit für den nämlichen Vorgang verschiedenenorts die verschiedensten Auffassungen gebildet, durch Wanderung vermischt, in Compromissen geschlichtet oder innige Verbindungen eingegangen; und so sind ferner aus der Polydämonie verschiedenenorts verschiedene Gottheiten von nahezu identischem Gehalt erwachsen, die durch Wanderung von Mund zu Mund sich zusammenfanden und im Compromiß genealogisch und systematisch vereinbart wurden.

Eine historisch-kritische Zurückführung der gegebenen hieratischen wie nicht hieratischen Überlieferungsmasse an Sage und Brauch, Glauben und Aberglauben auf ihre Urelemente und Entwickelungsgesetze, ein indogermanischer Bestand gemeinsamer Urelemente, eine principielle Entwickelungsgeschichte dieser Elemente zu ihren späteren Gebilden in Religion und Sagenthum: das ist das Prognostikon, das dieser Geisteswissenschaft zu stellen ist.

BERLIN, 21. Mai 1887.

L. BEER.

DER NORDISCHE TRISTANROMAN UND DIE ÄSTHETISCHE WÜRDIGUNG GOTTFRIEDS VON STRASSBURG.

Bis zum Jahre 1878, wo Kölbing den nordischen Tristanroman edirte1), wußte man, daß Gottfrieds Tristan, die Bruchstücke des Thomas (bei Fr. Michel), das englische Gedicht und die nordische Sage im Allgemeinen derselben Tradition folgten. Vollständig bekannt gemacht wurde der nordische Prosaroman zuerst von Kölbing und konnte daher auch erst von diesem Zeitpunkte ab in Bezug auf seinen Werth für die Beurtheilung des deutschen Tristan dichters geprüft werden. Kölbing hat dies in der Einleitung zu seiner Ausgabe gethan und ist zu einem Resultat gekommen, welches die frühere Auffassung von Gottfrieds Werk gänzlich verwirft. Wegen der Wichtigkeit dieses Urtheils für meine ganze Untersuchung will ich hier Kölbings Worte vorausschicken; er sagt Einleitung p. CXLVII ff.: „Am resultatreichsten erscheint mir die auf dem vorigen Bogen gebotene Untersuchung für Gottfried von Straßburg zu sein. Wir wissen jetzt ziemlich sicher, daß er nach dem Gedichte des Thomas gearbeitet hat. Als Repräsentant für dessen verlorene Abschnitte gilt uns die Saga. Jetzt erst sind wir wenigstens annähernd in der Lage, uns über das Verhältniß dieses Dichters zu seiner Quelle ein Urtheil zu bilden. Wir können dasselbe dahin zusammenfassen, daß Gottfried sich in Allem, was den sachlichen Inhalt seiner Vorlage angeht, peinlich genau an dieselbe gehalten, ja lange Stellen fast Wort für Wort über

1) Die nordische und die englische Version der Tristansage, herausgegeben von E. Kölbing. I. Theil: Tristrams Saga ok Isondor, herausgeg. von E. Kölbing. Heilbronn 1878.

GERMANIA. Neue Reihe XXI. (XXXIII.) Jahrg.

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tragen hat. Modificationen oder Weglassungen hat er sich nur dann erlaubt, wenn sein für das wirklich Poetische fein angelegter Geschmack sich gegen ein Thema oder einen Ausdruck ablehnend verhielt, aber selbst dann weist er uns wenigstens an einer Stelle selbst darauf hin. Gottfried ist, ebenso wie Hartmann, ein feinsinniger Übersetzer, nur daß er freilich die Befähigung hierzu in noch wesentlich höherem Grade besitzt als jener; als einen Dichter, welcher in selbständiger Gestaltungskraft über seinem Stoffe steht, der Unebenheiten des Originals bessert oder ausgleicht, die Darstellung modernen Verhältnissen näher bringt, sich volksthümlicher zeigt, aus bewußter Welt- und Menschenkenntniß ändert, Charaktere veredelt im Verhältniß zu seiner Quelle, mit einem Worte, als einen so idealen und großen Geist, als welchen ihn Heinzel1) hinstellen möchte, werden wir ihn von jetzt ab nicht mehr zu betrachten haben. Diese herbe Enttäuschung wird nun vielleicht dazu dienen, einer in neuerer Zeit vielfach vertretenen Richtung, als deren geistreichsten und scharfsinnigsten, aber zugleich doch auch wohl am wenigsten maßhaltenden Vertreter sich Heinzel in seiner Abhandlung über Gottfried gezeigt hat, der Neigung, denjenigen unserer mhd. Dichter, welche nach französischen Quellen gearbeitet haben, diesen gegenüber eine übergroße Fülle von Subjectivität und selbständigem Urtheil zu vindiciren, ein- für allemal ein Ende zu machen. Gerade hier ist eine pessimistische Anschauungsweise nur allzu gerechtfertigt. Es wird sich vielmehr in Zukunft das Augenmerk in wesentlich höherem Grade, als dies bisher geschehen, auf die stylistischen Unterschiede zwischen den altfranz. Quellen und ihren mhd. Übertragungen richten müssen, und gerade dabei werden die Vorzüge wie die Schwächen der letzteren in ein neues und helleres Licht treten.

„Daß mancher einzelne Punkt in meiner Abhandlung strittig bleiben, vielleicht auch manche Einzelauffassung als unrichtig nachgewiesen werden wird, daran zweifle ich keineswegs. Die hier am Schlusse aufgeführten Gesammtresultate aber werden hoffentlich unanfechtbar sein."

Kölbing nennt sein Resultat eine herbe Enttäuschung, und eine solche ist es ohne Zweifel, wenn man betrachtet, wie hervorragende Männer unserer Wissenschaft über Gottfried und sein Werk geurtheilt haben.

Der alte Docen in seinem für die Werthschätzung Gottfrieds

1) Über Heinzels Arbeiten werde ich später sprechen.

epochemachenden Aufsatze (Museum für altdeutsche Literatur und Kunst, herausgeg. von v. d. Hagen, Docen u. Büsching, Berlin 1809) sagt von den mhd. Dichtern insgesammt: „Sie arbeiteten und schufen mit jenem lebendigen Gefühl eigenen Bildens, ohne welche die Poesie nur ein mühsames Nachzeichnen, keine neue Belebung des gegebenen Stoffes gewesen wäre. Mit diesem Gefühl wurde von den griechischen Tragikern und den Malern Italiens immer derselbe Gegenstand erneuert dargestellt, ohne daß Jemand hier nach dem Verdienst der ersten Erfindung gegeizt hätte."

Auch J. Grimm nennt den Tristan „das anmuthigste Gedicht der Welt“, und Maßmann (Dichtungen d. d. Mittelalters, Bd. II, Einl. p. 9, Leipzig 1843) sagt von dem Tristan dichter: „Er ist ein Dichter im ganzen Sinne des Wortes, der seinen Stoff mit vollster Freiheit beherrschte und gestaltete, daß sein Tristan als durchaus neu und sein Eigen erschien, ein Werk vorher nicht dagewesener Schilderungsgabe, voll lieblicher Anmuth, seltener Seelenkunde und reichster Gedankenfülle, ein Werk wahrhaft künstlerischer Formvollendung."

Dann ist es vor allen Dingen R. Bechstein, der Herausgeber von Gottfrieds und Heinrichs von Freiberg Tristan, der Gottfried das höchste Lob spendet. Schon sein auf die Herausgabe der Werke des Meisters und seines bedeutendsten Schülers verwandter Fleiß gibt ein Zeugniß von seiner Verehrung; ausgesprochen hat er dieselbe an verschiedenen Stellen seiner Werke. Er sagt [Ausgabe d. Tristan, 1869, Einl. p. IV]: „Die Literaturgeschichte hat ihr Urtheil dahin festgestellt, daß Gottfried von Straßburg als einer der hervorragendsten Dichter, den Deutschland je geboren, in Ehren zu halten ist, als ein wirklicher Classiker unseres Alterthums": p. XXXVII: „So spricht und dichtet niemals ein Übersetzer, sondern nur ein freier Künstler." Bechstein schließt die Einleitung zu seiner Ausgabe mit den Worten: Zum Schlusse sei mir vergönnt den Wunsch auszusprechen, daß meine Bemühungen für dieses goldene Gedicht dazu beitragen möchten, seine Freunde ihm noch näher zu verbinden und neue Bewunderer ihm zu gewinnen."

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Ebenso weiß R. Heinzel in seinen beiden ausgezeichneten Aufsätzen1) Gottfrieds ungemeine Empfänglichkeit für die Welt der Schönheit, des Genusses und vor allen Dingen der Liebe, seine bewußte

1) 1. Über Gottfried v. Straßburg, Ztschr. f. d. österr. Gymn. 1868, p. 533–563. 2. Gottfrieds v. Straßburg Tristan und seine Quelle, Ztschr. f. d. Alt. XIV (II), 1869, p. 272-446.

Welt- und Menschenkenntniß, sein Geschick in der Composition u. a. m. nicht genug zu rühmen.

Schon 1876 sagt R. Bechstein [Tristan und Isolt in deutschen Dichtungen der Neuzeit, Anm. 3]: „Quellenforschungen sind jetzt an der Tagesordnung. Aus ihnen wird später auch die ästhetische Beurtheilung Gewinn ziehen. Es wird sich immer mehr herausstellen, wie unsere alten Dichter gearbeitet haben, inwieweit sie der Quelle unterthan und inwieweit sie in der Benutzung des Stoffes selbständig sind. Manches, was ich als bezeichnend für die Dichtung der Vorzeit aufgestellt, mag künftighin modificirt werden."

Zwei Jahre später erschien Kölbings Buch, und die Beurtheilung von Gottfrieds Werk wurde dadurch nicht in einigen Punkten modificirt, sondern fast umgestoßen und durch eine andere ersetzt, wie Kölbings Worte oben selbst gezeigt haben. In demselben Jahre, wo Kölbing den nordischen Prosaroman edirt, sagt E. Lobedanz [Das französische Element in Gottfrieds von Straßburg Tristan, Rost. Diss. 1878, p. 71, der sehr wahrscheinlich Kölbings Buch noch nicht kannte, über das Verhältniß unserer mhd. Epen zu ihren Vorbildern: „Es waren dies keineswegs Nachdichtungen im modernen Sinne. Diese haben gleiche oder ähnliche Grundlagen wie ihre Vorbilder, aber sie tragen doch den Stempel einer neuen geistigen Individualität. Im Mittelalter beschränkte der Nachahmer sich wesentlich auf eine freie Übersetzung des Originals, die er durch eigene Betrachtungen sittlichen oder psychologischen Inhalts glossirte."

Gegen diese Ansicht von Lobedanz hat sich schon K. Lüth [Der Ausdruck dichterischer Individualität in Gottfrieds Tristan, Parchim 1881, Programm] ausgelassen, aber Kölbings Ansicht erwähnt er mit keinem Worte. Seine Arbeit enthält ein ausgezeichnetes Material zur Widerlegung von Kölbing, denn nachdem dieser sich in so absprechender Weise über Gottfried geäußert hatte, durfte kein späterer mehr wagen, über den Ausdruck dichterischer Individualität in Gottfrieds Tristan zu schreiben, ohne gegen Kölbing in der heftigsten Weise zu polemisiren. Der Einzige, der Kölbing widersprochen hat, ist R. Bechstein. Im „höfischen Epos" [Stuttgart 1881] nennt er die von ihm abgedruckte Stelle aus dem Tristan [p. 10807-11370] unbeirrt durch Kölbings Resultate eine, die zu großem Theile in Composition und Ausführung das volle Eigenthum des Dichters ist, die Gottfrieds feine und mit Humor durchwürzte Darstellungskunst in schönstem Lichte zeigt." [Einl. p. V]. Einleitung p. XXIV spricht der Verfasser von Kölbings Edition des Prosaromans und seiner Beur

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