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theilung des Tristan und sagt: „Ich begnüge mich dieses in meinen Augen durchaus falsche und ungerechtfertigte Urtheil hier einfach anzuführen. Zur Polemik und Widerlegung ist hier nicht der Ort." Bewiesen hat Bechstein diese Behauptung nirgends. Ich will nun in der folgenden Untersuchung Kölbings Einleitung genau durchprüfen und sehen, ob seine Resultate als endgiltig entscheidende anzusehen sind. Er gibt ja selbst zu, „daß mancher Punkt strittig bleiben, manche Einzelauffassung als unrichtig nachgewiesen werden kann“, aber wie steht es dann mit dem unanfechtbaren Gesammtresultat? Wenn es gelingen sollte, mehrere Auffassungen, die sich auf die ästhetische Würdigung von Gottfrieds Werk beziehen, als unrichtig nachzuweisen, würde der alte Sänger von Straßburg dann nicht in ganz anderem Licht erscheinen, wäre dann die pessimistische Anschauungsweise" noch gerechtfertigt? Quellenuntersuchungen wie die Kölbings haben schon oft umgestaltend auf die Auffassung einzelner Autoren gewirkt, sei es in Bezug auf die Größe derselben vernichtend oder ihren Ruhm steigernd, immer aber müssen sie sorgfältig geprüft werden. So ist es auch in unserem Fall; Kölbings Urtheil, das er sich durch gründliches philologisches Studium erworben hat, ist da, es muß von allen Seiten angesehen werden und ist zu acceptiren, wenn es nicht widerlegt werden kann, unbekümmert um persönliche Vorliebe für Gottfried und sein Werk.

Zunächst werden wir auf einen Unterschied in der Behandlung des Stoffes geführt, bei Gottfried Poesie, im nordischen Prosaroman Prosa. Gottfrieds melodische Sprache, sein bilderreicher Stil ist öfters Gegenstand der Untersuchung geworden. Ist nicht auch die äußere Form maßgebend bei der ästhetischen Beurtheilung seines Gedichtes? Koberstein sagt einmal: „In der mhd. Poesie wird in der besten Zeit Alles individuell beseelt, mannigfaltig in Ausdruck und Wendung, die Perioden sind kunstreich und geschmackvoll gebaut und der Stil der Natur des Stoffes angepaßt trägt dabei das Gepräge der besonderen Persönlichkeit des Dichters." Also auch nach dieser Seite hin erkennen wir die charakteristisehe Richtung der mittelalterlichen Dichtweise. Es soll darum hier eine Darlegung folgen, inwieweit auch die Form, in der uns Gottfried sein Gedicht hinterlassen hat, sein individuelles Gepräge trägt, und in dieser Beziehung bringt die Arbeit von Lüth ein schätzenswerthes Material. Gottfried nimmt, was seine Sprache ihm bietet, und in besonderer Herrschaft und Überlegenheit bedient er sich derselben. Zierlich und leicht gleitet seine Rede dahin, sich dem Gange der Erzählung anschmiegend;

WO er betrachtend und reflectirend den Stoff ausdehnt, da geht auch sein Redestrom breitere Bahnen. Sein Ausdruck ist scharf und treffend, die Fülle und der Reichthum an Worten bewunderungswürdig. Die Verbindung allitterirender Worte, die Anapher, der Chiasmus, das Asyndeton, Gottfrieds weit ausgedehnte Synonymik, die Wortzusammensetzungen, Alles wird bei Lüth eingehend besprochen, und Gottfrieds meisterhafte Anwendung aller dieser Mittel hervorgehoben. Eine solche Sprache, ein solcher Stil reift nur durch jahrelange Übung heran (Bechstein, Einl.). Wie sein Stil, wie seine Worte, so tragen auch die Verse, zu denen er sie vereinigt, das individuelle Gepräge des Meisters. Er hat es verstanden, sie zu schönen, reinen, leicht dahingleitenden Paaren zu verbinden, mehr als einer der Kunstgenossen. Die Reinheit der Reime, die bei Gottfried geradezu bewundernswürdig ist, die zahlreichen rührenden Reime verrathen auf Schritt und Tritt den Künstler. Besonders ist es auch die Reimbrechung, die Gottfrieds Versen jene Lebendigkeit verleiht, die jeden Leser stets wieder mit neuem Vergnügen erfüllt 1). Dies Alles erwähnt Kölbing mit keiner Silbe, als ob jeder beliebige Mensch der mhd. Periode dies auch hätte ausführen können. Ein Übersetzer war sicherlich nicht im Stande, ein solches Werk zu schaffen. Kölbings Buch ist eine peinliche, streng wissenschaftliche Vergleichung der nordischen, englischen und deutschen Version der Tristansage, und als solche ist sie von der höchsten Bedeutung, aber bei einer ästhetischen Beurtheilung von Gottfrieds Tristan müssen alle von mir bisher erwähnten Momente in Betracht gezogen werden. Wir werden am Schlusse dieser Untersuchung sehen, ob und wie sie das Gesammtresultat verändern.

Vor allen Dingen war es Gottfrieds Sache, seinen Stoff aus der großen Menge der vorhandenen Sagenkreise auszuwählen. Wenn er auch nicht mit dem Namen „Dichter“ zu bezeichnen wäre, so liegt doch immerhin ein kleines Verdienst darin, daß er als feinsinniger Übersetzer sich einen Stoff wählte, der von so allgemeinem Interesse war, daß seine poetische Reproduction der Vorlage auf Theilnahme. beim Publikum rechnen durfte. Dies ist ihm nun im vollsten Umfange gelungen, seine Zeitgenossen hielten ihn für einen großen Dichter, ja sie lasen sein Werk auch, was die vielen Handschriften bis ins 15. Jahrh. reichend beweisen. Er fand im Mittelalter zwei Fort

1) Über dieses ästhetisch schöne Princip der Reimbrechung werde ich im Zusammenhang in dieser Zeitschrift sprechen.

setzer, und in der Neuzeit haben Männer wie Immermann, Kurz, R. Wagner u. A. den Stoff nicht verschmäht.

Eine andere Frage, die mir am wichtigsten erscheint, ist die, ob der nordische Prosaroman, der sicher Gottfrieds Tradition vertritt, überhaupt in vollem Sinne als competent anzusehen ist, um von ihm Rückschlüsse auf den deutschen Tristan zu machen. Es ist zu bedenken, daß er selbst nur das Spiegelbild des Originals ist; wir vergleichen also nur zwei Überarbeitungen eines nicht vorhandenen Originals mit einander und schließen daraus auf den Werth der einen. Der nordische Prosaroman ist 1226 aus dem Französischen übertragen, uns nur in wenigen Bruchstücken in einer Membrane des 15. Jhd. erhalten, während die Sage vollständig nur in einer Papierhandschrift des 17. Jhd. aufbewahrt ist. Diese Thatsache hat Kölbing nicht berücksichtigt, aber bei der Wichtigkeit der Frage ein bisher als gottbegnadet bezeichneter deutscher Dichter wird zum „geistreichen Übersetzer" degradirt darf man sie nicht aus den Augen lassen, um gerecht zu urtheilen. Bei allen Schlüssen ist zu beachten, daß das französische Original allein unanfechtbare Folgerungen gestattet. Aber vielleicht ist dasselbe auf ewig verloren, und Kölbings Edition bleibt immerhin eine verdienstvolle Leistung. Sie zeigt uns, daß Gottfrieds Gedicht sich in allen wichtigen Punkten an das französische Original anschloß, und dies wußten wir allerdings auch vorher. Gottfried selbst sollte neue Züge erfunden haben? Dann wäre er allerdings kein mhd. Dichter, er stände da wie ein einsamer Fels im Meer, einzig in seiner Zeit. Man muß doch bei der Beurtheilung eines Dichters. an erster Stelle die Zeitverhältnisse betrachten, unter denen er lebt. Was einem ganzen Zeitalter widerspricht, ist von vornherein mit Vorsicht aufzunehmen und hat sich noch in den meisten Fällen als unhaltbar erwiesen. Gottfried wie alle mhd. Dichter thut sich im Gegentheil viel darauf zu Gute, daß er seiner Quelle so genau folgt, besonders anderen Traditionen gegenüber, die er als minder schön erkannt hat.

Also der Werth des nordischen Prosaromans scheint mir von vornherein für eine Werthschätzung von Gottfrieds Tristan sehr gering zu sein. Im Folgenden will ich die Vergleichung der Prosabearbeitung mit dem Gedicht Gottfrieds vornehmen und die Schlüsse Kölbings prüfen, die dieser aus der Vergleichung gezogen hat.

Der Prosaroman sagt in der Einleitung, daß die Geschichte von Tristram und der Königin Isond im Jahre 1226 p. Chr. auf Befehl des Königs Hakon vom Bruder Robert aufgezeichnet sei und zwar

in norwegischer Sprache. Gottfrieds Einleitung umfaßt die Verse 1—242, und in diesen wenigen Eingangsstrophen liegt eine ungeheuere Menge von Lebenserfahrung und dichterischem Genie. Eine Quelle, woraus Gottfried hätte schöpfen können, lag hier sicherlich nicht vor, diese Strophen sind sein unantastbares Eigenthum, hier ist er sicher kein geistreicher Übersetzer"; und an solchen Stellen können wir ja gerade sein Dichtertalent erkennen, wo er frei mit seiner Sprache schaltet ohne Rücksicht auf die franz. Vorlage. Er wendet sich au die Guten und Edelgesinnten, daß sie die Kunst fördern helfen und das Verdienst anerkennen, denn nur durch Anerkennung entwickelt es sich.

v. 17: Tiur unde wert ist mir der man
der guot und übel betrahten kan,
der mich und iegelîchen man

nâch sînem werde erkennen kan.

Darauf tadelt Gottfried solche, die durch Verkleinerungssucht alles Verständniß und jede Fähigkeit der Beurtheilung auslöschen; er selbst dichtet für die edle Welt

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Er schreibt uns sein Gedicht zur Kurzweil und Freude; das ist schöne und edle Freude, sich betrachtend und mitfühlend hingeben dem Schicksale derer, die einst waren.

Dann kommt der Dichter auf sein Thema, die Geschichte der beiden Senedaere, „die reine sene wol tâten schîn, ein senedaere, ein senedaerîn."

Wer immer diese Einleitung zu Gottfrieds Tristan mit jenem Verständniß liest, das er selbst für gute Bücher verlangt, kann dem deutschen Sänger weder Originalität, noch Anmuth in der Rede, noch einen tief sittlichen Charakter absprechen. Jedenfalls wird er nach der Lectüre dieser wenigen Verse es für seine heiligste Pflicht halten, allen Anschauungen, welche Gottfried zu einem Übersetzer machen wollen, nicht eher zu glauben, als bis er sich durch den Vergleich überzeugt hat.

Kölbing sagt p. XVII über diese Einleitung zum Tristan: „Diese ergibt für unseren Zweck nichts", was ganz richtig ist, da er ja nur nach Übereinstimmungen zwischen dem englischen Tristan, Gottfrieds

Werk und der nordischen Sage sucht; aber für das letzte Urtheil über den Werth des deutschen Dichters hätte gerade diese Einleitung nebst den übrigen von mir schon erwähnten Punkten berücksichtigt werden müssen. Ich bin überzeugt, daß die gerechte Würdigung dieser Einleitung allein schon das Endurtheil zu Gunsten Gottfrieds verändert hätte, wenigstens Achtung erweckt hätte für den Mann, der sich in der folgenden Erzählung nur als geistreicher Übersetzer“ präsentirte.

Schreiten wir nun zur Vergleichung einzelner Partien aus dem Tristan und der nordischen Sage. Gottfried beginnt v. 243 die Geschichte Riwalîns und Blancheflûrs.

Ein hêrre in Parmenîe was,
Der jâre ein kint, als ich ez las:
der was, als uns diu wârheit
an sîner âventiure seit,

wol an gebürte künege genôz,
an lande fürsten ebengrôz,
des lîbes schoene und wunneclîch,
getriuwe, küene, milte, rich;
und den er fröude solte tragen,
den was der hêrre in sînen tagen
ein fröude berndiu sunne.

er was der werlde ein wunne,
der ritterschefte ein lêre,

sîner mâge ein êre,

sînes landes zuoversiht.

S1).

Á Bretlandi var eitt ungmenni, hinn fridasti maðr á líkamans fegra, hinn vildasti ríkra gjafa, pflugr ok auðugr ríkra kastala ok borga, koenn til mangrar kunnáttu, hinn roskvasti at riddaraskap, hinn øruggasti at allskonar drengskap etc.

Gerade an dieser Stelle, wo es sich um die Beschreibung von allen möglichen Eigenschaften eines mächtigen Fürsten handelt, kann man die Unterschiede deutlich darlegen. Der Prosaroman beginnt mit der Hervorhebung der äußeren Schönheit, die ja auch Gottfried als mhd. Dichter durchaus nicht zu erwähnen vergißt (v. 249: „des lîbes schöne und wunneclîch"). In plastischer Weise erklärt er das „hêrre" durch „an gebürte künege genôz, an lande fürsten ebengrôz." Das „künec" geht an dieser Stelle auf die Geburt, das „fürste" auf die Herrschaft, und die Wirkung liegt darin, daß die Vergleichung im zweiten Glied gesteigert wird. Der Prosaroman schildert die Vorzüge des Riwalin in concreten Ausdrücken: „reich an Kastellen und Städten, bewandert in manchen Kenntnissen u. s. w." So etwas er

1) Ich gebe den Text hier ganz genau nach Kölbings Ausgabe; einzelne Bemerkungen über Stellen, wo meiner Ansicht nach anders zu lesen ist, werde ich am anderen Orte bringen,

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