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Ist nun aber Herzog Ulrich von Württemberg nicht der Dichter des Liedes, wer ist es dann? Daß die Merkmale, welche gerade unser Druck an die Hand gibt, zur Bestimmung desselben an sich genügend sind, ist wohl außer Frage. Ließe sich Jemand nachweisen, auf welchen alle jene Chiffern passen, der ferner den Wahlspruch „Gott mit uns" geführt hätte und der endlich zugleich der reformatorischen Bewegung mit so lebendigem innerem Interesse zugethan gewesen wäre, wie wir es bei dem Verfasser des Liedes voraussetzen müssen, so dürften wir ihn, zumal wenn auch noch poetische Begabung sich bei ihm constatiren ließe, ohne Weiteres für den Dichter halten. Denn daß es auch nur zwei Männer zu gleicher Zeit gegeben haben sollte, bei welchen dies alles zugetroffen wäre, ist ja nicht anzunehmen. Nun ist es aber eben nicht leicht, auf Grund der genannten Merkmale deren Träger festzustellen. Die adeligen Geschlechter findet man ja gewöhnlich nur nach dem Hauptnamen, nicht nach dem von den verschiedenen Besitzungen hergenommenen vollen Titel bezeichnet; selbst die Adelslexika u. dgl. machen dabei keine Ausnahme, sie führen nicht einmal immer die Besitzungen an. Ähnlich schwierig steht die Sache mit den andern Merkmalen; denn was z. B. den Wahlspruch betrifft, so ist es nur zufällig, wenn die Devisen Einzelner uns überliefert worden sind; in unserem Falle lassen uns hierüber auch die Specialwerke von Dielitz u. A. im Stich. So ist es uns denn auch nicht gelungen, bei irgend einem Manne alle angegebenen Merkmale nachzuweisen, aber einen können wir doch nennen, bei welchem wenigstens die wichtigsten derselben zutreffen. Dieser Mann ist der kursächsische Rath Anark Herr zu Wildenfels, Schönkirchen und Ronneburg. Wie man sieht, passen auf seinen Namen ganz genau die unter dem Liede stehenden Chiffern A. H. Z. W. S. V. R. 1). Welches aber seine Stellung zur Reformation gewesen ist, geht schon aus der Thatsache hervor, daß er bei den zum Zwecke der Reformirung des Landes angeordneten Kirchenund Schulvisitationen im Kurfürstenthume Sachsen betheiligt war. So war er im Spätjahre 1528 mit Dietrich v. Starschedel, Georg Spalatin und Anton Musa im Kreise Meißen und im Voigtlande als Visitator thätig. Dabei war - bezeichnender Weise in der Annahme der lutherischen Lehre" gerade sein Herrschaftsgebiet, „die

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1) Der Name ist dabei nicht etwa willkürlich diesen Chiffern angepaßt worden (durch Umstellung oder dergleichen), vielmehr genau so, wie wir ihn angegeben haben, kommt er in gleichzeitigen Urkunden vor (vgl. Chr. Löber, Historien von Ronneburg, 1722, S. 245. Anhang S. 60. 63. 69).

Ronneburger Gegend weit voraus: dort hatte das Papstthum verhältnißmäßig viel an Boden verloren". (Burkhardt, Geschichte der sächsischen Kirchen-und Schulvisitationen, 1879, S. 43. 73). Auch später, 1533, ward er mit Anderen zum Visitator genannter Gegenden bestellt (ebd. S. 125). Bedeutsamer noch ist eine andere Thatsache, die schon aus dem Anfange des Jahres 1527 von ihm berichtet wird. Als nämlich der spätere Kurfürst Johann Friedrich auf seiner Hochzeitsreise durch Düsseldorf kam, predigte der Franziskanermönch Johann Korbach gegen die Anhänger Luthers und erklärte sich zu einer Disputation bereit. Da war es eben der im Gefolge des Prinzen befindliche Herr von Wildenfels, der den Mönch beim Worte nahm und trotz seinem anfänglichen Widerstreben ihn zu einer Disputation mit Friedrich Mykonius nöthigte. Diese Disputation fand am 19. Februar 1527 in Anwesenheit des Prinzen, seines Gefolges und vieler Anderen vom Adel und von der Bürgerschaft in des Herrn v. Wildenfels Wohnung statt, wobei der Letztere den Verhandlungen präsidirte, auch mehrmals persönlich eingriff und namentlich einmal in emphatischer Weise für die evangelischen Prediger Zeugniß ablegte. (Ledderhose, Fr. Mykonius S. 131 ff.) Aus dem allem geht hervor, daß Anark von Wildenfels auch jenes andere wichtige Erforderniß aufzuweisen hat, welches wir bei dem Dichter des Reformationsliedes voraussetzen müssen, nämlich die lebendigste persönliche Theilnahme für die von Luther ausgegangene Bewegung. Bedenken wir nun, wie außerordentlich selten die bei diesem Manne zutreffenden Merkmale sich sonst wohl vereinigt fanden: wie wenig der adeligen Familien überhaupt gewesen sein mögen, auf welche die Chiffern W, S und R paßten, wie viel weniger noch derer, welche damals zugleich ein Glied aufzuweisen hatten, zu dessen Vornamen der erste Buchstabe der Chiffernreihe, A, stimmte1) und wie dann das weitere Merkmal der persönlichen evangelischen Überzeugung den Fall erst recht zu einem seltenen stempelt, so wird man gestehen müssen: die Identität Anarks v. Wildenfels mit dem Verfasser unseres Liedes hat wirklich

1) So würden die Chiffern H. Z. W. S. V. R. z. B. wohl auf die Herren zu Wied, Selters und Runkel oder auf die Huntpiß zu Waltrams, Siggen und Ratzenried passen, aber es ließ sich kein Glied dieser Familien aus der fraglichen Zeit finden, dessen Vorname mit A begonnen hätte. Umgekehrt wo Vor- und Hauptname stimmen und auch die protestantische Gesinnung unzweifelhaft ist, wie bei Adam von Wolfstein oder Alexander von Wildenstein die in der Begleitung des Markgrafen von Brandenburg bezw. Ottheinrichs und Philipps von der Pfalz auf dem Augsburger Reichstag von 1530 waren da kommt man mit den letzten Chiffern S. V. R. in Verlegenheit.

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496 K. STEIFF, MITTHEILUNGEN A. D. KÖN. UNIV.-BIBLIOTHEK TÜBINGEN.

sehr viel Wahrscheinlichkeit und hat dies, auch wenn es nicht gelingen sollte, sonstige Belege für seine dichterische Begabung oder aber jene Schlußformel Gott mit uns", wenn sie anders des Dichters Wahlspruch war, als seine Devise nachzuweisen 1). Vielleicht aber

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1) Man könnte daran denken, auch auf den Druckort des Liedes als eine Instanz zur Lösung der Frage zu recurriren. Allein fürs erste wird sich der Druckort überhaupt nicht leicht feststellen lassen, da die in dem Druck vorkommenden Typen hiefür zu wenig eigenthümlich, die Ornamente desselben aber, weil höher als das gewöhnliche Folioformat, wohl so selten zur Anwendung gekommen sind, daß man sie kaum je in einem anderen Druck finden dürfte. Zum anderen aber: auch wenn der Druckort constatirt wäre, würde er doch keinen sicheren Fingerzeig für unsere Frage geben, so lange es nicht gewiß ist, daß wir in dem Einblattdruck wirklich den vom Verfasser veranlaßten Originaldruck des Liedes vor uns haben. Bei der hohen Wahrscheinlichkeit, die es nun aber jedenfalls hat, daß Anark von Wildenfels der Dichter ist, sind vielleicht noch einige Notizen über seine Person hier am Platze. Viel ist es freilich nicht, was wir haben ermitteln können. Er gehörte einem sehr alten Geschlechte an, welches sich nach der in seinem Besitze befindlichen Stadt und Herrschaft Wildenfels im sächsischen Erzgebirge nannte, übrigens im Jahre 1602 (nicht wie v. Hellbach, Adels-Lexikon II, 1826, S. 744 und Andere sagen, 1593) ausgestorben ist. Der Sohn eines älteren Anark von Wildenfels der seltene Vorname kommt in diesem Geschlechte öfter vor muß er spätestens im letzten Decennium des 15. Jahrhunderts geboren sein. Denn schon im Jahre 1517 ward ihm von dem Kurfürsten Friedrich dem Weisen von Sachsen die Herrschaft Ronneburg verliehen, was 1527 von dessen Nachfolger unter Ertheilung weiterer Rechte bestätigt wurde. Im Jahre 1521 oder 1522 (nicht 1526) heiratete er eine Gräfin Elisabeth von Gleichen. Wie sein Vater, der 1493 Friedrich den Weisen in das heilige Land begleitet hatte, war er in Diensten der sächsischen Kurfürsten, bei denen er wichtige Stellungen einnahm. Einiges ist schon oben angeführt worden. Wir erwähnen noch, daß er zunächst Amtmann in Altenburg war. Des Weiteren finden wir ihn unter den Räthen Johanns des Beständigen auf dem Reichstage zu Augsburg von 1530. Ein Jahr darauf ist er als Gesandter seines Kurfürsten bei dem Landgrafen Philipp von Hessen thätig, als es sich um die Vorbereitungen zur Restitution des vertriebenen Herzogs Ulrich von Württemberg handelte. Später erscheint er anläßlich von Differenzen, die sich zwischen dem Kurfürsten Johann und dem Landgrafen erhoben hatten, als einer der Vermittler und Schiedsrichter, und eine ähnliche Vertrauensstellung ward ihm auch in anderen derartigen Fällen zu Theil. Seiner Thätigkeit scheint der Tod übrigens frühe ein Ziel gesteckt zu haben, wenn es anders richtig ist, daß er ums Jahr 1538 gestorben. Gewiß ist, daß er in der Kirche zu Härtensdorf bei Wildenfels begraben liegt, wo noch um 1722 Löber sein Bild und seinen Grabstein sah, ohne freilich das Datum seines Todes darauf entziffern zu können. (Vgl. die oben angeführte Historie von Ronneburg Christian Löbers von 1722, S. 110 ff., besonders S. 114-123. 136. 244 f., Zedler's Universal-Lexikon Bd. 56, 1748, Sp. 816 f., (C. Sturm) Warhafftig anzaygung wie Kaiser Carl der fünft ettlichen Fürsten auff dem Reychstag zů Augspurg im MCCCC.XXX jar gehalten Regalia gelihen, was auch jr Kai. Maie. und derselben bruder... auch andere Churfürsten u. s. w. für Räthe und Adelspersonen auff solchem Reichstag gehept haben.)

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gelingt es einem Leser dieser Zeilen, was uns nicht ganz geglückt ist: die Kette zu schließen und die Wahrscheinlichkeit zur Gewißheit zu erheben, oder aber es ist dies freilich nicht wahrscheinlich mittelst der gegebenen Anhaltspunkte in einem Anderen den Dichter zu entdecken. In jedem Falle wäre es der Mühe werth, den Namen des Mannes der Vergessenheit zu entreißen, der so frühe schon ein so echt evangelisch gedachtes und zugleich so tief empfundenes, so mächtig wirkendes Lied gedichtet hat.

STUTTGART.

KARL STEIFF.

ZU GERHARD VON MINDEN.

Fab. 11, 4:

De vos ne hât is nicht gesein,

men horen scrigen unde lêp

do na dem arne.

Im Corr pondenzblatt f. niederd. Sprachforschung XII, 6 hatte ich horen in hôr ên aufgelöst. Sprenger dagegen will Germ. XXXIII, p. 460 horen in hôre ên auflösen und läßt hôre durch Contraction aus horde entstanden sein, ähnlich wie sê aus segde bei Schambach S. 189. Zunächst muß ich bemerken, daß letzterer Vergleich durchaus unzutreffend ist, da se nicht aus segde, sondern aus sede, welche Form heute noch lebt, entstanden ist; sede aber mit Ausfall von g aus segede. Die Form sê scheint im Mnd. nicht vorhanden zu sein, wenigstens findet sie sich weder im mnd. Wb. noch in Lübbens mnd. Grammatik. Die Form hore für horde würde jedoch auf einem anderen Lautgesetze beruhen, das zwar heute in fast allen niederdeutschen Mundarten zu gelten scheint, in der mnd. Schriftsprache aber so gut wie gar nicht anzutreffen ist. Sprenger hat daher auch seine Annahme durch keine Beispiele gestützt, und auch Lübben hat in seiner mnd. Grammatik keine angeführt, wenn man nicht etwa die Form leve hierher rechnen kann, die für levede, contrahirt lefde, stehen soll. Da mir die Stelle, wo leve vorkommt, nicht bekannt ist, so kann ich nicht darüber urtheilen. Schambach hat für das Göttingisch-Grubenhagen'sche lêwede und lêfde, aber kein lêwe. In Kattenstedt am Harz heißt allerdings hei lêwe 'er lebte'. Hier ist lêwe aber wohl nicht aus lêvde, sondern aus lêwede mit Abfall von de entstanden.

Als ich meine Bemerkungen zu Gerhard von Minden schrieb, glaubte ich die Form hore nicht ansetzen zu dürfen, weil ich für den

IA. Neue Reihe XXI. (XXXIII.) Jahrg.

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Ausfall des d nachr im Mittelniederdeutschen keine Belege hatte. Mich auf die heutigen Mundarten zu stützen, schien mir bedenklich, weil ich damit heutige Lautgesetze auf die mnd. Schriftsprache angewendet hätte, wozu ich ohne Weiteres nicht berechtigt war. Darum ist Sprengers Berufung auf hôre bei Schambach zunächst nichts beweisend.

Als ich neulich den Koker las, fand ich auf Seite 323:

De kauher und de swen

De blaset syck süluen uth dem dorpe.

Hier haben wir also ein Beispiel, wo nach r nicht blos d, sondern sogar de abgefallen ist. Heute lautet diese Form im GöttingischGrubenhagen'schen hêre (Schambach), im Westphälischen her (Woeste), im Altmärkischen herr (Danneil) 1). kauher sowie die ganze Redensart sind offenbar dem Volksmunde entnommen, und daraus erklärt sich die Abweichung von der mnd. Schriftsprache. Wir hätten dann den Nachweis, daß das Gesetz, nach welchem heute d nachr bei vorher gehender Vokallänge ausfällt, s. mein Programm, Mundartliches aus Kattenstedt am Harz I, Die Media d. Helmstedt 1884, auch schon zur Zeit des Mittelniederdeutschen vorhanden war, daß überhaupt, wie ich aus dem Vergleiche der heutigen Mundarten mit den mnd. Urkunden erkannt zu haben glaube, die mnd. Mundarten den heutigen weit näher standen, als die mnd. Schriftsprache erkennen läßt. — In der Bauernbetrügerei, mnd. Fastnachtspiele, herausgeg. von W. Seelmann, p. 24, Vers 46:

He hadde eynen langen Rock ann

Und ein dinck uppe mit veer oren.

In den Anmerkungen auf S. 80 sagt Seelmann: 'Gemeint scheint ein Mann in Amtstracht mit vierkantigem, in spitze Ecken (oren) auslaufendem Barrett.' Demnach wäre in oren auch ein d ausgefallen, und diese Form würde demselben Sprachgebiete: Hannover, Braunschweig, Hildesheim, s. Einleitung p. XXX angehören, wie kauher im Koker. Übrigens glaube ich nicht, daß oren von ort Ecke herkommt, sondern halte es für or = Ohr, wie solche spitze Ecken noch heute genannt werden. Eine Form hore läßt sich also in der mnd. Schriftsprache kaum nachweisen. Wie steht es nun mit der von mir angesetzten Form hôr? Sprenger hat ihr keine Beachtung geschenkt. Ich hatte hervorgehoben, daß in Kattenstedt am Harz für das Praeteritum die beiden Formen ek hêrte und ek hôr, in der 3. Pers. Sing

1) Um Osterwieck nördlich vom Harz heißt es gauseheer.

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