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nöthige Ruhe zu behalten." So schrieb er mir nach seiner Heimkehr aus Rostock.

Im Mai 1872 trafen wir darauf zusammen bei der Philologenversammlung in Leipzig, über die in der Germania desselben Jahres ausführlich berichtet wird. Schon vor mir in Leipzig angekommen, sorgte er für eine Wohnung für mich und war mit größter Liebenswürdigkeit um mich besorgt, da ich etwas leidend war. Ich hielt einen Vortrag, betheiligte mich auch etwas an einer Debatte. Er freute sich darüber, verhielt sich aber selbst ganz still, verkehrte mit allen Fachgenossen freundschaftlich heiter, ohne hervortretende Parteinahme nach einer oder der andern Seite hin.

Im Sommer 1873 weilte er bei mir in Wien; wir sahen die Weltausstellung häufig zusammen. An den Abenden arbeitete er damals an der neuen Ausgabe des Koberstein.

Wenn bei der Gelegenheit dagegen, daß er so viel übernahm, Bedenken ausgesprochen wurden, besonders wenn bei seinen andern gleichzeitigen Arbeiten die Aufgabe, die er sich stellte, nicht zu bewältigen schien, da gab er alle Einwendungen als berechtigt zu, und machte nur geltend seine Arbeitslust und die Erfahrung, daß ihm dergleichen doch schon so oft gelungen sei. Wir müssen gestehn, die rasche, zu rasche Arbeit ist in diesem Falle wol zu erkennen, aber wer sonst hätte sie übernommen und wäre in mäßiger Frist damit zu Stande gekommen? Willkommen war die neue Auflage doch!

Durch eine von der seinen abweichende Anschauung in wissenschaftlichen Dingen war er, wie schon bemerkt, nie zu verstimmen. Dies äußerte er mir gegenüber oft, und oft konnte ich erfahren, daß er der Wahrheit unbefangen ihr Recht gab, wenn er sah, daß er sich geirrt. Aufs Wärmste dankbar war er für Berichtigungen von Versehn, die durch seinen leidenden Zustand, oft auch durch Entfernung von seiner Bibliothek leicht entstehn konnten. Dennoch blieben ihm bei aller Sachlichkeit, wie wir wissen, auch unerfreuliche Angriffe und Fehden nicht aus. Sei es einmal gestattet, des geschichtlichen Gegensatzes hier zu gedenken, der die Germanisten in zwei Heerlager spaltete, wodurch die sachliche Beurtheilung ihrer Verdienste so sehr beeinträchtigt ward! Er hinderte Jahrzehnte hindurch beide Theile gerecht zu sein. - Bekanntlich hatte sich mit Lachmanns Tode (1851) der Nibelungenstreit um die drei Handschriften erhoben, der zu einem allseitig befriedigenden Ergebniß nicht geführt, der uns aber vortreffliche Ausgaben aller drei Handschriften eingetragen hat: Lachmanns, Zarnckes und Bartschs. Wir wollen nicht vergessen, daß zu den

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aufgetauchten Bedenken gegen Lachmanns Nibelungen der erste Anstoß von Jacob Grimm ausgegangen und daß sein Einwurf, seine ganze Anschauung dabei tiefbegründet in seiner Natur lag. - Das Große in der Gestalt Jacob Grimms liegt in dem Blick, mit dem er in allen Erscheinungen den fruchtbaren Punkt findet, „von dem sich vieles ableiten läßt, oder vielmehr, der vieles freiwillig aus sich hervorbringt und - entgegenträgt!" Ich wähle den Ausdruck Goethes mit Bedacht. So wie die Philosophen Fichte, Schelling und Hegel von Goethes Geiste befruchtet sind daß sie ihn später wieder beeinflußten, darf uns nicht beirren so waren es auch die Romantiker und war es auch J. Grimm, der noch völlig in den Zeiten des Idealismus wurzelt. Damals galt das hohe Wort: Was fruchtbar ist allein ist wahr." Darin liegt, daß man in J. Grimm dichterische Begabung erkennen wollte, wie Goethe sie in Winckelmann fand. Einem 'solchen, auf Ideen ausgehenden Geiste mußte alles Mechanisiren der Methode bei Betrachtung von organisch Gewordenem widerstreben, und so denn auch die Annahme von Heptaden zur Bestimmung des Echten und Unechten im Nibelungenliede. Es mag sich nun mit den Heptaden wie immer verhalten, das ist klar, daß der Geist J. Grimms auf das geistige Band der Dinge gerichtet war, die andern auf die Theile in der Hand. Unendlich fruchtbar wirkte Grimm dadurch, daß er eine Fülle von Ideen enthüllte und weckte. Reich befruchtet von ihm ist die Forschung noch heute und nicht nur in Deutschland. Wie ein einsamer Riese ragt er weit über seine Zeit hinaus, wenn auch eine Menge von Einzelheiten seiner Forschungen, die man nun besser weiß, nicht mehr gelten. Es soll hier nur hervorgehoben werden, daß der Gegensatz, der in diesen Fragen hervorgetreten ist, in nichts anderm zu suchen ist, als in dem Gegensatz der classischen Zeit des Idealismus zu der Folgezeit, die vieles Gute hervorgebracht, nur für Ideen kein Verständniß hat. Ich behaupte nicht, daß der gewaltige tiefgehnde Geist Grimms auf der einen oder auf der andern Seite einen Nachfolger fand. Mir galt es hier nur es auszusprechen, daß die Berechtigung, sich an seine Seite zu stellen, eine tief begründete war.

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Es folgten bekanntlich die Angriffe Holtzmanns, Zarnckes gegen Lachmanns Nibelungen; die Germania Pfeiffers erschien seit 1856 mit Beiträgen von J. Grimm, L. Uhland und stand nun gegenüber der Zeitschrift Haupts für deutsches Alterthum, die auf der Seite Lachmanns stand. In der Germania traten Pfeiffer und Bartsch mit den bekannten bedeutenden Besprechungen von des Minnesanges Frühling auf; Pfeiffers Vortrag über den Kürenberger als Verfasser der Nibe

lungen, Bartschs Untersuchungen über das Nibelungenlied folgten, und eine Fülle von Geist und Gelehrsamkeit offenbarte sich auf beiden Seiten. Wenn wir was wegwünschen möchten, so ist es das persönliche Moment, das diese Fehden oft auf das Unerfreulichste verbitterte. Bartsch besaß eine Gelassenheit, Sachlichkeit und Milde in solchen Fällen, die offenbar den Frieden anstrebte. Seine Untersuchungen über das Nibelungenlied, seine Ausgabe von der Nibelunge nôt mit Lesarten und Wtb. sind von dauerndem Werth.

Im Jahre 1879 hatte ich mit ihm ein Zusammentreffen in Jenbach in Tirol verabredet, wo wir einen glücklichen Monat zusammen verlebten. Gemeinsame Ausflüge in der Umgegend, wie im Zillerthal, ein anmuthiges Zusammentreffen mit Defregger am Achensee, Besuche von Aufführungen tirolischer Volksbühnen, über die wir in Blättern berichteten und die Veranstaltung selbst eines Goethefestes den 28. August in Jenbach, waren uns Beiden unvergeßliche Erinnerungen. Ich arbeitete damals an meinem Faustcommentar, der Bartsch sehr interessirte, Bezeichnend für seinen bewährten Formensinn ist eine Arbeit, die daraus hervorging. Die Erscheinung des Alexandriners in Goethes Faust, der mit Hans Sachsischen Versen wechselt, die ich wiederholt zur Sprache brachte, veranlaßte ihn zu dem Aufsatze im Goethejahrbuch 1 (1880): Goethe und der Alexandriner.

1882 hatte ich noch das Glück bei ihm in Heidelberg, in seiner liebenswürdigen Familie glückliche Tage zu verleben. Seine liebe Frau, seine trefflichen Kinder bildeten einen Kreis, der ihn wol beglücken konnte!

Ich habe noch nicht seiner Dichtungen gedacht, seiner anmuthigen lyrischen Gedichte, seiner lebensvollen Novellen, verdienstvollen Übersetzungen. Sie kamen in diesem Kreise zur Sprache und man sah, welches Interesse dafür lebendig war. Gewiß stand auch. seinen textkritischen Arbeiten die nachschaffende Gabe des Dichters zur Seite. Was mir aber hier besonders lebhaft vor Augen trat, das war die anspruchlose Genügsamkeit und Schlichtheit des doch so hoch angesehnen Mannes. Heidelberg ist keine große Stadt, sie kennt aber bei dem Andrang von Fremden, allen Luxus großer Städte. Bartsch blieb davon unberührt: in der Hinsicht der richtige deutsche Gelehrte! Bei alledem durchaus nicht pedantisch und regen Antheil nehmend an Musik und Theater; anregend, geistesfrisch in Gesellschaft. Niemand begriff, wie er zu allem Zeit fand! Wie freute ich mich der Stunden in seiner lieben Familie, seiner Begleitung nach dem Schlosse von Heidelberg, wo wir Goethes und des Urbildes der Suleika

gedachten. - Mit welcher Freude und Rührung muß ich nun zurückblicken auf alle die persönlichen Begegnungen, aber ebenso auf die große Zahl seiner Briefe, in denen er mich fortwährend im Laufenden erhielt in seiner großen vielseitigen Thätigkeit und an meinen Arbeiten immer regen Antheil zeigte. Seit jener Zeit hat ihn wiederholt die Krankheit überwältigt. Die zahlreichen Briefe blieben aus; Karten traten an die Stelle, besonders in der letzten Zeit. Sein letzter Brief, dem nur mehr Zettel gefolgt sind, war vom 5. November 1887. Da schrieb er: er wolle sich wieder der Germania annehmen. Und am Schluß: Mit mir geht es langsam vorwärts, jeden Tag darf ich 1 St. arbeiten. Sei herzl. gegrüßt von Deinem K. B."

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Als ich jenes letzte Päckchen aufmachte, war das erste Blatt, das mir in die Hände fiel, eine Besprechung der 6. Auflage von Zarnckes Nibelungenausgabe: „Mit wahrer Freude begrüße ich diese Auflage." So beginnt die Besprechung.

Er findet, hocherfreut, eine Annäherung zwischen Zarnckes und seinen Anschauungen und bespricht die noch bestehnden Differenzpunkte: Alle sind der Art, daß sie einen principiellen Gegensatz nicht enthalten, und so hoffe ich, daß wir uns allmälig noch etwas mehr nähern werden!"

So, mit wissenschaftlichen Fragen beschäftigt bis zuletzt, verließ er uns, hoffend, hoffend! - Es ist ein schöner Lebensschluß ein solches Hoffen. Ja, lieber Freund, hoffen wollen wir, daß alle Guten sich noch einmal nähern werden!

Die nächste Pflicht, die ich nun vor mir sah, war die Sorge um die Germania. Daß erstens das erste Heft dieses Jahres, das unter Bartschs Namen das letzte sein sollte, durch Beiträge der genannten Freunde seinem Andenken gewidmet und zweitens sogleich auch schon ein neuer Herausgeber genannt werden könne. Meiner Überzeugung nach mußte eine bewährte und zugleich junge Kraft gefunden werden und ich freue mich, daß es gelungen ist, eine solche an Professor Dr. O. Behaghel zu gewinnen. Wir dürfen überzeugt sein, daß der Geschiedene selbst, wenn er gefragt werden könnte, über diese Wahl hocherfreut wäre!

K. J. SCHRÖER.

KARL BARTSCH

19. Februar 1888.

Mit trauerndem Herzen gedenken wir des schmerzlichen allzufrühen Heimgangs des Herausgebers dieser Zeitschrift, deren Leitung er nach dem Tode des Begründers in dem Bewußtsein einer theuern und unabweisbaren Pflicht übernommen und fast zwanzig Jahre mit sicherer Hand durchgeführt hat. Noch das letzte Heft des vorigen Jahrgangs 1887 brachte einen Beitrag von ihm, dem bereits schwer Erkrankten. Und wie wunderbar! Es waren Bruchstücke aus Strickers Karl, von denen er Textproben und Lesarten zu seiner eigenen Ausgabe darbot, also zu seinem ersten größeren Werke, mit welchem er sich auf dem Gebiete der deutschen Philologie so glänzend eingeführt hatte! So reichten sich Anfang und Ende die Hand.

Wie Franz Pfeiffer, der unvergeßliche Begründer der Germania, so ist auch Karl Bartsch in bestem Mannesalter dahingerafft worden. Pfeiffer brachte es nur etwas über 53 Jahre, Bartsch starb kurz vor der Vollendung seines 56. Jahres. Auch darin glichen sich die beiden Freunde, daß jeder von ihnen aus der Bibliothekarlaufbahn zum akademischen Amt berufen wurde, ohne vorher die Staffeln des Privatdocententhums und des Extraordinariats durchgemacht zu haben. Sonst war ihr Lebensgang verschieden. Pfeiffer entwickelte sich langsam, gelangte erst verhältnißmäßig spät zu einer gefesteten Lebensstellung und zur Gründung eines eigenen Herdes; Bartsch dagegen ist mit 17 Jahren bereits Student, mit 20 Jahren Doctor, erhält mit 23 Jahren eine Stelle, wenn auch keine völlig befriedigende, wird mit 25 Jahren ordentlicher Professor. Bald nachher tritt er in den Ehestand. Aber in einem sind sie wieder gleich: in ihrer unermüdlichen Schaffenslust und bewunderungswürdigen Fruchtbarkeit, in ihrem anregenden und zum Theil bahnbrechenden Wirken.

Bartsch widmete dem geschiedenen älteren Freunde in der Germania einen kurzen Nachruf1), keinen eigentlichen Nekrolog. Er mochte sich wohl ein ausgeführteres Lebensbild im Stillen vorbehalten haben. Ein solches schenkte er uns auch später in dem nachgelassenen, von J. M. Wagner herausgegebenen Werke Pfeiffers, in dem ,Briefwechsel zwischen Joseph Freiherrn von Laßberg und Ludwig

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1) Germania 13 (1868), S. 250 fg.

GERMANIA. Neue Reihe XXI. (XXXIII.) Jahrg.

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