ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

nächst der Kampf um das Dasein: die Nachbarschaft der wilden Thiere gebot die Jagd. Erst mit dem Beginne des regen Ackerbaues, der, wie nunmehr nachgewiesen, der indogermanischen Epoche noch nicht angehörte, erst in jener Periode der Seßhaftigkeit in cultivirten, relativ entwildeten Geländen, denen man mit steigender Intensität die Frucht des Bodens abgewann, mußten sich, bei der Abhängigkeit des Menschenwohls von Saat und Ernte, die Korngeister entwickeln; aber auch sie waren, wie E. H. Meyer bereits andeutete und hoffentlich bald eingehend beweisen wird, der atmosphärischen Dämonie entwachsen; ist doch der Wind je nach dem der Förderer oder Vereiteler der Befruchtung. Daß die Waldesvegetationsdämonie einen wichtigen Bestandtheil ebenfalls von der Sturmdämonie empfing, die am erhabensten im Walde sich kundgibt, hat wieder Meyer angedeutet ; sie hat außerdem noch eine Reihe verschiedenartigster Mythenelemente aufzuweisen, die leider Mannhardt alle in Bausch und Bogen verarbeitete. Alles, was mit der Zeit an den Wald sich knüpfte, hat er wie dem Baum entwachsen aufgefaßt; und bezeichnend ist, daß er seine Construction des deutschen Baumcultus an den Parallelismus von Mensch und Baum knüpfte. Der Mensch soll einmal wie ein Baum der Erde entwachsen sein: warum? etwa weil man das Baumleben nach Analogie des Menschenlebens erklärte? umgekehrt: weil man das Räthsel der Menschenexistenz aus der Baumexistenz zu begreifen suchte! In dem einzigen Punkt, in welchem einmal Mensch und Baum gleichgesetzt wurden, ist der Mensch dem Baume, nicht der Baum dem Menschen angeglichen worden.

Von E. H. Meyer steht ein Handbuch der Mythologie in Aussicht; es ist zu hoffen, daß mit ihm die Theorie einer ursprünglichen Vegetationsdämonie dahinfällt. Außer mit dieser Theorie gilt es, sich mit zwei weiteren auseinanderzusetzen. Die eine stammt von dem ehrwürdigen Nestor der mythologischen Forschung: von Max Müller. Sprachwissenschaftler von ganzer Seele, hat er mit den Augen des Sprachforschers die Mythik betrachtet. Sie war ihm eine Phase der Sprachbildung, oder richtiger: die Degeneration einer solchen Phase. Ein Gegenstand hatte z. B. ursprünglich nach verschiedenen Eigenschaften mehrere Benennungen, von denen nur ein einziges Synonym mit der Zeit überdauerte; die übrigen hielten sich idiomatisch, in Sprüchwörtern, im Dichterwort etc.; man verstand ihre Beziehung nicht mehr, nahm sie als Wesenheiten für sich: und der Mythus war fertig. Z. B. die in die Fluthen tauchende Sonne sei als Frosch bezeichnet worden: nach Verlust der Anschauung habe sich daraus

der Froschjüngling ergeben, der, wenn er das Wasser sah, in Froschgestalt in dasselbe habe untertauchen müssen. Ein anderer Mythen bildender Factor ist ihm die Homonymie: der Umstand, daß in Folge einer gemeinsamen Eigenschaft verschiedene Dinge eine gemeinsame Benennung erhalten 1). Auch hier entstehe der Mythus, indem gleichsam die Sprache in den Zustand des Selbstvergessens verfalle: die alte Bedeutsamkeit nicht mehr verstanden werde. Müller unterliegt bei dieser Theorie einem psychologischen Irrthum, den die Wissenschaft noch nicht allzulange aufgeklärt hat: Der Mensch denkt keineswegs in Worten, zumeist in Vorstellungen. Selbst wir, die wir in unserer redegewohnten Zeit die langsamen Gedankenprocesse vielfach in Worten durchlaufen, vollziehen unsere schnellsten Denkprocesse (man denke nur an ein schnelles Überlegen, blitzartiges Überschlagen aller Eventualitäten) nur durch Vorstellungsverlauf. Angenommen also, die Sonne wurde einmal als Frosch angesehen, so war das eine Vorstellung, keine Benennung; die Benennung setzte nur die Vorstellung in Umlauf. Die Sprache ist dem Verkehr entsprungen, die Vorstellung dem individuellen Seelenleben. In dem Umlauf allerdings brauchen sich die Worte ab, verändern sich die Bedeutungen; das Wortspiel, der Wortwitz, die Volksetymologie treten hinzu; und innerhalb der Grenzen, in welchen Laistner (Nebels.), allerdings etwas zu ausgiebig, von der Homonymientheorie Gebrauch macht, sind Homonymien und Synonymien als mythen fortbildende, umbildende Elemente anzuerkennen; nur bleibe man sich klar, daß der Mythus als solcher Anschauung, das Wort Mittheilung dieser Anschauung ist, und daß alle Zeiten ununterbrochen mythenbildend thätig sind: nicht indem sie vergessen, sondern indem sie wahrnehmen.

Die zweite Theorie, die Müllenhoffs, ist eine litterarhistorische. Die Mythologie interessirte ihn nur von dem Standpunkt des Erforschers der deutschen Heldensage, und diese ist ein Capitel der Litteraturgeschichte. Die Sagengeschichte ist ein Capitel menschlichen Dichtens; und indem er die Sagen zurückverfolgte bis in ihre ersten Anfänge, fand er nichts als Dichtung: bei den Dichtern in gebundener, bei den Nichtdichtern in gemeiner Rede. Müllenhoff hatte ganz Recht: etwas Gemeinsames ist zwischen Dichten und Naturanschauung. Aber er vergaß den Unterschied zwischen activer und passiver Phantasie. Jede Vorstellungsauslösung entspringt der Phantasie, ohne Gedicht zu sein. Wenn man am Gründonnerstag Grünkohl essen soll oder

1) Z. B. Erde wie Wolke als Kuh.

das Rothkehlchen ob seiner Farbe den Blitz herabzieht, so ist das ebenso concrete Phantasiethätigkeit, wie wenn Thor einen rothen Bart hat oder man in der Wolke einen Wasser gießenden Brunnen findet. Aber die Phantasie verhält sich passiv bei dieser Thätigkeit; ohne Willensimpuls erweckt eine Vorstellung die andere, ergänzt sich das Unbekannte vermittelst eines associativen Momentes aus der Masse des Bekannten. Das Dunkel der Nacht und des Unwetters, das Rollen des Donners, des Bergsturzes, der Kegelkugeln, der Kellerfässer ordneten sich naturnothwendig zusammen, und wäre die Mythenneubildung heute noch von genügender Lebhaftigkeit, so würde das Volk naturnothwendig im Gewitterlärm das himmlische Geschützfeuer vernehmen. Ähnlich verhält es sich zunächst mit der Sagenbildung, welche sich um historische Persönlichkeiten oder Ereignisse krystallisirt. An die deutsche Kaisersage sind eine ganze Reihe atmosphärischer Mythenelemente durch passiv associative Auslösung angewachsen; der Todtenkampf über den katalaunischen Gefilden ist ein weit verfolgbarer atmosphärischer Mythus. Um ein Ereigniß von starkem Gefühlswerth, sei es aus dem Natur- oder Menschenleben, als Krystallisationscentrum schießen die phantastischen Mythisirungselemente reichlich zusammen, noch ehe ein Erzähler von Initiative mit schöpferischer Willkür an die Ausgestaltung der Überlieferung herangetreten ist. Festzuhalten ist also: der Mythus entspringt passiven Vorgängen der durch Ereignisse von Gefühlswerth aufgeregten Phantasie: er ist die ohne Willensimpuls erfolgende associative Angleichung des Unbekannten an das Bekannte.

Die Sprachforschung1) lehrt, daß das indogermanische Urvolk sich über eine weite Fläche ausdehnte, weit genug, daß verschiedenenorts verschiedene dialektische Differenzirungen eintraten und ver schiedenenorts aufkommende neue Culturbegriffe in relativ kleinen Bezirken herrschend wurden. Solche Bezirke aber berührten und kreuzten sich mannigfach, und so ergab sich das complicirte Verwandtschaftsverhältniß der späterhin getrennten Einzelvölker. Ähnlich ist das mythische Urverhältniß zu denken. In indogermanischer Zeit haben (vornehmlich) atmosphärische Vorgänge mythenbildend gewirkt; man verstand sie gemäß Vorgängen des täglichen Lebens: die Wolken als Heerden, die Wetter als Kämpfe, die Wasser als Milch der Wolkenkühe etc. Verschiedenenorts verstand man sie verschieden; solche Auffassungen wanderten und wurden Gemeingut gewisser Districte. Indem

1) Vgl. Schrader, Sprachvergleichung 185.

sich solche Gebiete theilweise deckten, vermischten sich die disparat entstandenen Anschauungen und wurden mit einander in Einklang, in Compromiß gesetzt; sie verwuchsen und verglichen sich. Diesen Vorgang kann man jederzeit verfolgen. Bei den Einen ist heute der Sturm ein rollender Fuhrmann, bei den Anderen der jagende Hackelberg, bei Dritten der eiserne Nachtrabe. In Folge dessen wird auch berichtet, daß Hackelberg ein Fuhrmann gewesen; Anderen fliegt der Rabe dem Jäger oder Fuhrmann voraus, Dritten ist er gar ein verwunschener Fuhrmann.

Die atmosphärischen Erscheinungen tragen stets den Charakter einer Vielheit. Es sind viele Wolken, viele Blitze, viele Gestirne, vielstimmige Winde. Darum steht zu Anfang jeder Religion eine Polydaimonie. Es sind aber auch Einheitsmomente vorhanden, wie das Alles verklärende Sonnenlicht. So mag es gekommen sein, daß aus der Polydaimonie sich local eine oder einzelne Gottheiten herrschend erhoben. Dieselben erwiesen sich furchtbar oder segensreich; man war von ihnen abhängig. Hier setzt der Cult ein und mit ihm die Religion. Dem Cult ist eigen die Ceremonie. Der naive Mensch spricht eindringlich durch Geberden. Noch bis auf unsere Zeit flehte der Ackerbürger um Regen, indem er Idol oder Symbol begoß oder in Wasser tauchte; um Fruchtbarkeit, indem er sich neben ein Weib auf das Ackerfeld mit der Geberde der Zeugung legte ').

An die Ceremonie hat sich dann naturnothwendig das begleitende Wort geschlossen, und zwar, da der gehobenen Handlung der Rhythmus eigen, die rhythmische Rede, deren so vielleicht der Mensch überhaupt mächtig wurde. Natürlich handelte das begleitende Wort von dem Inhalt der Ceremonie: von der Götterthat, dem Weltereigniß. Es ist bekannt, daß hier Epos und Drama ihren Ursprung haben.

Die naive Naturanschauung, der primitive Mythus, mußte nach anderer Richtung eine Ausgestaltung erfahren. Sobald sie nach Maßgabe menschlicher Verhältnisse sich gestaltete (beispielsweise das Gewitter als ein wiederkehrender Kampf), verfiel sie der motivirenden Phantasie: aus der Anschauung wurde ein begründetes (aber nicht vor Zeiten geschehenes, sondern wiederkehrendes) Ereigniß): eine Fabel. Diese Fabel pflanzte sich von Mund zu Mund,

[ocr errors]

1) Daß es sich hierbei nur um einen Fruchtbarkeitszauber handelte, nicht die Nachahmung eines himmlischen Vorganges, zeigt der analoge Gebrauch, das Baumpfropfen von einem nackten Mädchen vollziehen zu lassen, dem ein Mann unnatürlich beiwohnte.

2) Z. B. der Gewitterkampf begründet durch den Frauenraub.

gestaltete sich weiter aus, wurde immer menschlicher und schließlich ein einmaliges, vormaliges Ereigniß: eine Sage 1). Auf dem Wege beständiger Fortbildung entwickelte sich so die schlichte Fabel zum complicirten Roman, aus dem der Redegewandte, der Poet, künstlerische Gebilde schuf: jener Kunst folgend, die er dem Cult abgelernt.

Die Ausgestaltung eines Mythus war zu allen Zeiten vornehmlich2) eine folgerichtige Ausmalung der Consequenzen gegebener Verhältnisse. Prämisse: eine gespenstische Kuh geht um. Folgerung: wehe, wem sie begegnet. Zweite Folgerung: Der Nachtwächter muß ihr zwar begegnen, aber ihm schadet sie nicht. Der Blick des Basilisken tödtet; um ihn zu tödten, hält man ihm also einen Spiegel vor: die verbreitete Sage vom Spiegeldrachen. Weit verbreitet ist die Sage von Fluthen entstiegenen Stieren (eine nachweislich atmosphärische Anschauung): natürlich vermischen sie sich auch mit irdischen Rindern. Natürlich sind die erzielten Kälber von besonderer Schönheit. Im Walde weilen Waldfrauen. Natürlich vermischen sie sich auch mit Menschen: das Weib unterliegt dem Gesetz der Zeugung3). Weit verbreitet tanzen Wasserfräulein über Quellen und Seen (Nebelmythen). Natürlich kommen sie auch in das Dorf zum Tanze. Wenn sich das Wasser blutroth färbt (Luftspiegelung?), hat der grausame Nick in der Tiefe eine Blutthat vollbracht 4). Die Wasserjungfern verspäten sich einmal beim Dorftanze, und wie sie untergetaucht sind, steigt ein Blutstrahl auf: sie büßen mit dem Leben.

Gleichen Fortbildungen ist jeder lebendige Brauch unterworfen: der Maibaum wird als Fetisch wider Übel aller Art auf Haus oder Stall gepflanzt, aber auch vor Liebchens Kämmerlein oder die Schwelle eines hochwohlweisen Magistrats zu gebührenden Ehren. Wehe dem Mägdlein, dessen Leben nicht unbescholten; statt des blühenden Baumes erhält es einen dürren Besen.

Eine ganz bestimmte Art der Fortbildung ist die zum Popanz. Die Kinder sollen nicht die Halme niedertreten: man warnt sie vor

1) Die Worte Mythus und Sage sind im Grunde gleichbedeutend; aber es ist der Weg der Sprachfortbildung, daß ursprünglich gleichbedeutende Ausdrücke der Verdeutlichung verschiedener Nuancirungen dienlich werden.

2) Ein weiteres Moment ist die Anwanderung fremder Bestandtheile und die Verschiebung der Motive.

3) Sollte man glauben, daß ein bedeutender Forscher in dieser einfachen Fortbildung den unwiderstehlichen Eindruck der Waldnatur erblickte?

4) Eine von den tanzenden Jungfrauen ganz unabhängig auftretende Auffassung.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »