Nach Lukas.

Da nun schon Manche versucht haben, eine Erzählung der bei uns 1 beglaubigten Begebenheiten zusammenzustellen, so wie es uns die ur- 2 sprünglichen Augenzeugen und Diener des Wortes überliefert haben, so 3 habe auch ich mich entschlossen, nachdem ich allem von vorne an genau nachgegangen, es für dich, hochverehrter Theophilus, genau in der Reihenfolge niederzuschreiben, damit du dich von der Gewißheit der Geschichten, 4 die du in deinem Unterricht erfuhrst, überzeugen könnest.

Es war in den Tagen Herodes', des Königs von Judäa, ein Priester 5 mit Namen Zacharias aus der Tagklasse Abia, und derselbe hatte eine Frau aus den Töchtern Aaron, die hieß Elisabet. Es waren aber beide 6 gerecht vor Gott, wandelnd in allen Geboten und Gerechtsamen des Herrn ohne Tadel. Und sie hatten kein Kind, dieweil Elisabeth unfruchtbar 7 war und beide vorgerückt in Jahren. Es geschah aber, da er den Priester- 8 dienst hatte in der Reihe seiner Tagklasse vor Gott nach dem Brauche der Priesterschaft, traf ihn das Loos zu räuchern und hiezu in den Tempel 9 des Herrn zu treten. Und die ganze Versammlung des Volks war außer- 10 halb im Gebet in der Stunde des Rauchopfers. Es erschien ihm aber 11 ein Engel des Herrn, zur rechten des Räucheraltars stehend. Und Zacha- 12 rias, da er es fah, ward bestürzt und Furcht kam über ihn. Der Engel 13 aber sprach zu ihm: fürchte dich nicht, Zacharias, dieweil deine Bitte erhört ist, und deine Frau Elisabet wird dir einen Sohn gebären, und du wirst ihm den Namen Johannes geben; und du wirst Freude und 14 Wonne haben, und viele werden sich seiner Geburt freuen. Denn er wird 15 groß sein vor dem Herrn, Wein und Gebranntes wird er nicht trinken, und wird mit heiligem Geist erfüllt sein vom Mutterleib an, und viele 16 der Söhne Israels wird er bekehren zu dem Herrn ihrem Gott; und er 17 selbst wird vor ihm hergehen im Geist und der Kraft des Elias, zu wenden die Herzen der Väter zu Kindern und die Ungehorsamen zum Sinne der Gerechten, zu bereiten dem Herrn ein gerüstetes Volk. Und Zacha- 18 rias sagte zu dem Engel: woran soll ich das erkennen? bin ich doch ein Greis und meine Frau ist vorgerückt in Jahren. Und der Engel ant- 19 wortete und sagte zu ihm: ich bin Gabriel, der da steht vor Gott, und bin abgesandt zu dir zu reden und dir diese frohe Botschaft zu bringen. Und siehe, du wirst schweigend sein und unvermögend zu reden, bis zu 20

dem Tage, da dieß geschieht, dafür daß du meinen Worten nicht geglaubt 21 hast, als welche zu ihrer Zeit werden erfüllt werden. Und das Volk war in Erwartung auf Zacharias, und sie wunderten sich darüber, daß er 22 so lange blieb im Tempel. Da er aber herauskam, vermochte er nicht zu ihnen zu reden, und sie erkannten, daß er ein Gesicht im Tempel ge23 sehen; und er winkte ihnen zu und blieb stumm. Und es geschah, wie 24 die Tage seines Dienstes voll waren, gieng er fort nach Hause. Nach

diesen Tagen aber empfieng Elisabet seine Frau und verbarg sich fünf 25 Monate und sagte: also hat der Herr mir gethan in den Tagen seiner 26 Heimsuchung, meine Schmach wegzunehmen bei den Menschen. Im

sechsten Monat aber wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine 27 galiläische Stadt mit Namen Nazareth, zu einer Jungfrau, die einem Mann mit Namen Josef verlobt war, aus dem Hause David, und die 28 Jungfrau hieß Mariam. Und der Engel trat bei ihr ein und sprach: 29 sei gegrüßt, du Begnadigte, der Herr sei mit dir. Sie aber ward bestürzt über dem Worte und sann darüber nach, was das für ein Gruß 30 sei. Und der Engel sagte zu ihr: fürchte dich nicht, Mariam, denn du 31 hast Gnade gefunden bei Gott. Und siehe, du wirst empfangen im Schoß, und wirst einen Sohn gebären, und wirst ihm den Namen 32 Jesus geben; der wird groß sein und ein Sohn des Höchsten genannt werden, und Gott der Herr wird ihm geben den Thron seines Vaters 33 David, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und 34 seines Königreichs wird kein Ende sein. Mariam aber sagte zu dem 35 Engel: wie soll das geschehen, da ich keinen Mann kenne? Und der Engel antwortete und sprach zu ihr: heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich beschatten; darum wird auch das Hei36 lige, das da entsteht, Sohn Gottes heißen. Und siehe, Elisabet deine Verwandte hat gleichfalls einen Sohn empfangen in ihrem Alter, und 37 dieß ist ihr sechster Monat, die unfruchtbar hieß. Denn bei Gott kann 38 kein Ding unmöglich sein. Mariam aber sprach: siehe, ich bin des Herrn Magd; es geschehe mir nach deinem Wort; und der Engel gieng von ihr. 39 Mariam aber stand auf in diesen Tagen und wanderte in das Gebirge 40 eilig einer Stadt in Juda zu; und trat in das Haus des Zacharias 41 und begrüßte die Elisabet. Und es geschah, wie Elisabet den Gruß der Maria hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabet ward 42 voll heiligen Geistes und schrie laut auf und sprach: Gesegnet bist du 43 unter den Weibern, gesegnet die Frucht deines Leibes. Und woher wird 44 mir das, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, wie die Stimme deines Grußes in mein Ohr drang, da hüpfte im Jubel 45 das Kind in meinem Leibe. Und selig, die geglaubt hat, daß zur Er46 füllung kommen wird, was vom Herrn zu ihr geredet ist. Und Mariam 47 sprach: Meine Seele erhebt den Herrn und mein Geist frohlockte über 48 Gott meinen Erlöser, daß er angesehen hat die Niedrigkeit seiner Magd. 49 Denn siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter, daß 50 der Gewaltige Großes an mir gethan, und heilig ist sein Name. Und

sein Erbarmen währt von Geschlecht zu Geschlecht für die, die ihn fürchten. Er hat Kraft geübt mit seinem Arm. Er hat zerstreut die da hoffärtig 51 sind in ihres Herzens Sinn. Er hat Gewaltige vom Thron gestürzt 52 und Niedrige erhoben. Hungernde hat er mit Gütern erfüllt und Reiche 53 leer davon ziehen lassen. Er hat sich Israel seines Knechtes angenom- 54 men, der Barmherzigkeit zu gedenken, so wie er geredet hat zu unseren 55 Vätern, zu Abraham und seinem Samen für immer. Mariam aber blieb 56 bei ihr gegen drei Monate und kehrte zurück nach Hause. Bei Elisabet 57 aber ward die Zeit voll zum Gebären und sie gebar einen Sohn. Und 58 ihre Nachbarn und Verwandten hörten, daß der Herr seine Barmherzigkeit an ihr verherrlicht hatte, und freuten sich mit ihr. Und es geschahe, 59 am achten Tage kamen sie das Kind zu beschneiden, und nannten es nach dem Namen seines Vaters Zacharias. Und seine Mutter antwortete: 60 Nein, sondern Johannes soll er heißen. Und sie sagten zu ihr: es ist 61 Niemand in deiner Verwandtschaft, der diesen Namen führt. Sie winkten 62 aber dem Vater zu, wie er ihn genannt haben wolle. Und er forderte 63 ein Täfelchen und schrieb darauf: Johannes ist sein Name. Und es verwunderten sich alle. Alsbald aber ward ihm der Mund aufgethan 64 und die Zunge, und er sprach und pries Gott, und es kam Furcht über 65 alle ihre Nachbarn, und im ganzen Gebirge Judäa's wurden alle diese Dinge besprochen. Und alle die es hörten, nahmen es sich zu Herzen und 66 sagten: was wird es mit diesem Kind sein? war doch die Hand des Herrn mit ihm. Und Zacharias, sein Vater, ward voll heiligen Geistes und weis- 67 sagte und sprach: gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, daß er heim- 68 gesucht und Erlösung geschaffen hat seinem Volk, und hat uns aufgerichtet 69 ein Horn des Heiles im Hause Davids seines Knechtes, so wie er geredet 70 hat durch den Mund seiner heiligen Profeten von alter Zeit her: Erlösung 71 von unseren Feinden und von der Hand aller, die uns hassen, Erbarmen 72 zu üben an unseren Vätern und zu gedenken seines heiligen Bundes, nach 73

zugeschworen hat Abraham unserem Vater, uns zu verleihen, daß 74 wir furchtlos aus Feindeshand befreit ihm dienen in Heiligkeit und Ge= 75 rechtigkeit vor ihm all' unsere Tage. Und du aber, Kindlein, sollst Pro- 76 fet des Höchsten heißen. Denn du sollst vor dem Herrn her wandeln, seine Wege zu bereiten, zu geben Erkenntniß des Heils seinem Volke 77 durch Vergebung ihrer Sünden. Um der Barmherzigkeit willen unseres 78 Gottes, in welcher uns heimgesucht hat der Aufgang aus der Höhe. Zu 79 scheinen denen, die da sißen in Finsterniß und Todesschatten, zu richten unsere Füße auf den Weg des Friedens. Das Kind aber wuchs und 80 ward stark am Geist, und war in der Wüste bis auf den Tag seiner Darstellung vor Israel.

Es geschah aber, in jenen Tagen gieng ein Gebot aus vom Kaiser 2 Augustus, das ganze Reich aufzunehmen. Diese Aufnahme geschah als 2 erste zur Zeit, da Kyrenius Statthalter von Syrien war. Und es zog 3 alles aus, sich aufnehmen zu lassen, jeder in seinen Heimathort. Es 4 gieng aber auch Josef hinauf von Galiläa aus der Stadt Nazareth nach

Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt, weil er aus dem 5 Hause und Geschlechte Davids war, sich aufnehmen zu lassen mit Mariam 6 seiner Verlobten, welche schwanger war. Es geschah aber, während sie 7 dort waren, daß die Tage voll wurden für sie zum Gebären, und sie gebar ihren erstgeborenen Sohn, und wickelte ihn und legte ihn in eine 8 Krippe, da sie in der Herberge keinen Plaz fanden. Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde und hielten ihre Nachtwachen 9 bei ihrer Herde. Und ein Engel des Herrn trat zu ihnen, und des Herrn 10 Herrlichkeit umleuchtete sie, und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sagte zu ihnen: fürchtet euch nicht; siehe, ich verkünde euch große Freude, 11 welche dem ganzen Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute ein 12 Heiland geboren, der ist Christus der Herr, in der Stadt Davids. Und

dieß ist das Zeichen für euch: ihr werdet ein Kind finden, eingewickelt, 13 in einer Krippe. Und alsbald war bei dem Engel eine himmlische Heer14 schaar, die lobten Gott und sprachen: Ehre in der Höhe sei Gott, und 15 auf Erden Friede unter den Menschen des Wohlgefallens. Und es geschah, wie die Engel von ihnen weg in den Himmel giengen, da sprachen die Hirten zu einander: So wollen wir nach Bethlehem hingehen, 16 und diese Sache sehen, die uns der Herr kund gethan hat. Und sie kamen eilends hin, und fanden die Mariam und den Josef, und das 17 Kind in der Krippe liegend. Nachdem sie es aber gesehen, berichteten sie ihnen über das Wort, welches zu ihnen über dieses Kind gesprochen 18 worden. Und alle die es hörten, wunderten sich dessen, was ihnen von 19 den Hirten gesagt wurde. Maria aber bewahrte alle diese Dinge nach20 denkend in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten zurück unter Preis und Lob Gottes über alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie 21 es zu ihnen gesagt worden war. Und wie acht Tage voll waren zu seiner Beschneidung, legte man ihm den Namen Jesus bei, der von dem 22 Engel genannt ward vor seiner Empfängniß. Und als die Tage ihrer Reinigung voll waren nach dem Geseze Mose's, brachten sie ihn nach 23 Jerusalem, ihn dem Herrn darzustellen so wie im Geseze des Herrn geschrieben steht: daß alles Männliche, was die Mutter bricht, soll dem 24 Herrn heilig heißen und Opfer zu bringen nach der Vorschrift im Gesez des Herrn, ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben. 25 Und siehe, in Jerusalem war ein Mensch mit Namen Simeon, und dieser Mensch war gerecht und fromm und wartete auf die Tröftung 26 Israels, und heiliger Geist war auf ihm; und es war ihm geweissagt von dem heiligen Geiste, daß er den Tod nicht sehen solle, ehe er den 27 Christus des Herrn gesehen. Und er kam im Geiste in den Tempel; und da die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um mit ihm zu thun nach 28 der Gewohnheit des Gesezes, nahm auch er es in seine Arme und segnete 29 Gott und sprach: nun entlässest du deinen Knecht, o Herr, nach deinem 30 Wort im Frieden, da meine Augen dein Heil gesehen haben, das du be31 reitet hast Angesichts aller Völker Licht zur Offenbarung für die 32 Heiden und Herrlichkeit deines Volkes Israel. Und sein Vater und

seine Mutter waren verwundert über das, was von ihm gesagt ward. Und Simeon segnete sie und sprach zu Mariam seiner Mutter: Siehe 34 dieser ist gesezt zum Fall und zum Aufstehen Vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird und dir selbst wird ein Schwert 35 durch die Seele gehen auf daß offenbar werden die Gedanken von vielen Herzen. Und es war da Anna, eine Profetin, eine Tochter Pha- 36 nuels aus dem Stamm Aser, die war hoch vorgerückt in Jahren, nachdem sie einst sieben Jahre lang von ihrer Jungfrauschaft an mit ihrem Manne gelebt hatte, und sie war eine Wittwe von nun vierundachtzig 37 Jahren, die nicht wich vom Tempel, wo sie mit Fasten und Beten diente Nacht und Tag. Und eben in dieser Stunde trat sie hinzu und dankte 38 Gott, und sprach von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten. Und nachdem sie alles vollbracht hatten gemäß dem Gesez des 39 Herrn, kehrten sie zurück nach Galiläa in ihre Stadt Nazareth. Das 40 Kind aber wuchs und erstarkte und ward voll Weisheit, und die Gnade Gottes war über ihm.

Und seine Eltern zogen jährlich nach Jerusalem am Passahfeste. Und 41 als er zwölf Jahre alt war, und sie nach der Sitte des Festes hinauf- 42 zogen, und die Tage vollbracht hatten, blieb der Knabe Jesus, da sie 43 heimkehrten, in Jerusalem zurück, und seine Eltern wußten es nicht. Da 44 sie aber meinten, er sei bei der Reisegesellschaft, kamen sie eine Tagereise weit und suchten ihn bei den Verwandten und Bekannten; und da sie 45 ihn nicht fanden, kehrten sie um nach Jerusalem, ihn zu suchen. Und es 46 geschahe, nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel sigend mitten unter den Lehrern, wie er auf sie hörte und sie ausfragte. Es staunten aber 47 alle Zuhörer über seinen Verstand und seine Antworten. Und da sie ihn 48 sahen, erschracken sie, und seine Mutter sprach zu ihm: Kind, wie konntest du uns das thun? Siehe dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. Und er sagte zu ihnen: was habt ihr mich gesucht? wußtet ihr 49 nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist? Und sie ver- 50 standen das Wort nicht, das er zu ihnen sprach. Und er gieng mit ihnen 51 hinab und kam nach Nazareth, und war ihnen unterthan. Und seine Mutter bewahrte alle die Dinge in ihrem Herzen. Und Jesus nahm zu 52 an Weisheit und Gestalt und Gnade bei Gott und Menschen.

Im fünfzehenten Jahr aber der Regierung des Kaisers Tiberius, 3 als Pontius Pilatus Judäa verwaltete, und in Galiläa Herodes Tetrarch war, sein Bruder Philippus aber Tetrarch über Jturäa, und das Trachonitische Land, und Lysanias Tetrarch über Abilene, unter dem Hohen- 2 priester Annas und Kaiaphas kam Gottes Wort an Johannes den Sohn des Zacharias in der Wüste, und er kam und predigte in der ganzen s Umgegend des Jordan die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden, wie geschrieben steht im Buch der Sprüche des Profeten Jesajas: „Hört 4 wie es ruft in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht eben seine Pfade. Alle Schluchten sollen ausgefüllt, alle Berge und Hügel 5 sollen erniedrigt werden, und alles krumme soll zu geraden, die rauhen