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Meine Gedanken wandern, wie es bei einem alten Mann vorkommt, und ich kann also gerade so gut hier eine kleine Erinnerung einschalten, die mir sonst vielleicht verloren ginge. Einst besuchte ein Schauspieler meinen Meister, und, wie der es haben wollte, kam er im geistlichen Gewand; es war ein junger stattlicher Mann, mit dem Namen Marvin. In New Place küsste der Gast die Hausherrin gerade auf den Mund. Die merkt aber bald, dass ein andrer Teufelsgenosse seinen Einzug gehalten, und die zwei ehemaligen Kollegen kommen herüber nach dem Holzapfelbaum. Hier, sagte Shakespeare, bin ich König, und dieses, auf meine gute Tante deutend, ist die Königin. Da küsste Marvin meiner Tante die Hand und schielte dabei nach Mary Ann, die es nie versäumte, ihr frischgewaschenes Gesicht unter der Küchentür zu zeigen, wenn sie Gäste in die Wirtsstube kommen hörte. Du bist ein Verräter, ein doppelter Verräter! rief Shakespeare, wo ich Knecht des Hauses bin, hast du geküsst, wie man eine Bauernmagd küsst, wo ich König bin, küssest du wie ein Kavalier. You are Touchstone, sagte Marvin, but good manners sometimes breed bad comparisons. No, no, antwortete Shakespeare mit seinem herzlichsten Lachen: As you like it, but you kiss, as it is in the flesh!

Wenig Küsse habe ich in meiner damaligen Jugend erhal ten, wenn man davon absieht, was einem im kindlichen Unverstand zukommt. Den ersten Kuss, bei dem man wirklich fühlt, dass man ein Mann ist, erhielt ich von Mistress Judith, und wenn sie nicht bei den Urteilen der Stratforder über ihren Vater mit "Ach ja", und "O, o!" und "Es ist zu schlimm!" beigestimmt hätte, wäre ich ihr immer dankbar geblieben.

Für solch einen Kuss musste ich aber die schwerste Arbeit tun, die je einem Jüngling auferlegt wurde. Ich musste den Vermittler spielen zwischen ihr und den Liebhabern, die sie am Bändel führte mit der löblichen Absicht, sich schliesslich den reichsten und besten zum Gemahl zu wählen. Nicht vergessen soll, wer dies liest, dass ich jung und dumm war und mich doch über die Stratforder Bauernjungen hoch erhaben dünkte. Mistress Judith war aber zu der Zeit schon 26 Jahre

alt, üppig und aufgeblüht wie eine Sonnenblume. Wenn ich mich weigerte, ihre Aufträge zu besorgen, log sie mir vor, es sei ja nur, um mit den dummen Kerlen Unsinn zu machen. Dabei war ich aber ihr Lockpfeifer für den Gimpelfang und mir hatte sie es zu verdanken, dass sie schliesslich doch noch Hochzeit halten konnte. Diese lustige, diese böse Hochzeit! sie bedeutete für mich das Ende der glücklichen Zeit, ja meiner Jugend überhaupt; nicht etwa weil dadurch Mistress Judith, die mich denn doch nicht allzu lang zum Narren hielt, dadurch entrissen wurde, sondern weil der Tod des Unsterblichen damit zusammenhing.

Heute noch ist es mir, als ob ich erröten müsste, wenn ich gestehe, dass ich damals auch Verse machte auf die schöne Judith. Shakespeare, der mich lesen konnte wie ein offenes Euch, brachte mich auch wirklich dazu, dass ich ihm die kindischen Geschichten zeigte. Francis, sagte er, ich gäbe die Hälfte meines Ruhmes, wenn ich noch einmal solche dummen Verse machen könnte. Die Tränen stiegen mir in die Augen, da zog er mich auf seinen Schoss und sang mir ein Lied wie eine Mutter ihrem gekränkten Kind.

Nicht weil ich an mir selber Wunderbares erlebt, sondern auf Grund der vorhandenen Beweise seiner Geisteskraft schien es mir damals schon unmöglich, dass Shakespeare die Welt, die er wiedergab, nicht auch gesehen und erlebt haben sollte. Ir meiner Begeisterung sagte ich ihm einmal, als er mir eine Szene aus Julius Cäsar vorgelesen hatte: Wahrlich, du musst damals selber dabei gewesen sein, und alle Länder der Erde musst du gesehen haben! O du törichter Francis, antwortete er, ich kann nicht einmal soviel Latein wie der Doktor Hall oder ein irischer Priester zur Ausübung ihres Handwerks gebrauchen, und ich bin nie weiter im Schiff gefahren als einmal nach dem Lande der verrückten Schotten, die immer die Dinge im Voraus sehen und sich doch nie selber helfen können. Eines Tages wirst du finden, dass meine Sizilianer, meine Afrikaner, meine alten Römer und Griechen gerade so denken und sprechen wie die Engländer unsrer Zeit. Ich kann wohl Unterschiede machen zwischen Franzosen, Schotten, Wälischen und Englän

dern, weil mich ihre Eigentümlichkeiten oft ergötzt haben, aber in ihren kleinen und grossen Leidenschaften, meine ich, sind die Menschen überall dieselben geblieben, seit Adam vor seinem Schöpfer sich versteckte und Kain den Abel erschlug. Es hat mir eine Dame vorgeworfen, ich müsse das Lieben in Italien gelernt haben, denn wenn Zwei in England günstige Gelegenheit fänden, so machten sie nicht soviel Umstände und Redensarten. Es war eine hochgeborene Dame, Francis, aber ich war damals ein frischer Bursch und sagte ihr: Mit Euch, hochgnädige Dame, würde ich auch keine Umstände machen; aber Ihr habt vermutlich noch nie beobachtet, welch ein Wesen, Hüpfen und Ansingen zwei englische Drosseln verüben, ehe sie flügelflatternd sich vereinigen und anheben, das Nest zu bauen. Wenn du dein Leben lebst, Francis, so wirst du schliesslich Alles empfunden haben, was ich zusammengeschrieben habe. Und wenn du Prince Hal oder Romeo Montague selber wärest, weder Othello noch König Lear, noch Timon von Athen werden dir erspart bleiben. Aber, Romeo starb an seiner ersten Liebe, wagte ich einzuwerfen. Unsinn, Knabe, es war weder seine erste noch seine letzte Liebe. Julia lebt noch und hat mit ihrem Vetter Tybalt im heiligen Ehebett schon manches Kind gezeugt, und ich ich starb schon tausend Tode, und der mir jetzt bevorsteht, wird ein ganz gewöhnlicher Tod sein, ohne Redensarten und ohne Stichwort für Freund oder Feind.

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Da ich dies schreibe, tröpfelt es trostlos vom Dezemberhimmel, und die Lichter überm Weg zucken unheimlich, als ob sie am Ersticken wären. Mein Meister sprach damals oft von seinem Tode, nicht in Freud, nicht in Leid, sondern wie von dem ersten Winterfrost, der früher oder später kommen muss. Mir erschien er in seinem 51ten Jahre als die Fülle von Kraft und Gesundheit, und meine Tante meinte, Leute, die in diesem Alter vom Tod sprechen, werden hundert Jahre alt. Aber einmal wurden wir doch bis ins Innerste erschüttert, trotzdem es sich nachher im Gedächtnis wieder verwischte.

Es war an einem Hochsommertag. Es hatte den Abend vorher stürmische Szenen in New Place abgesetzt und Shake

speare hatte darauf eine so grosse Quantität Manzanilla getrunken, dass er, meines Wissens zum erstenmal, auf seinen Füssen nicht mehr sicher war. Ich habe nachher oft über den Zusammenhang von Haus und Wirtshaus nachgedacht, und dass Magen, Gehirn und Beine darunter leiden müssen, wenn man dem Herz Wunden schlägt. Nun aber sass er am Nachmittag ganz munter als einziger Gast in unsrer Wirtsstube und behauptete, aus keinem fürstlichen Geschmeide blitze der Sonnenstrahl so schön zurück wie aus den Zinndeckeln unsrer Bierkrüge. Auf einmal wurde er still und legte die Stirne auf die am Tischrand gekreuzten Arme. Wir glaubten, er wäre eingeschlafen. Ich stand an der Einschänke und scheuchte mit einem Blick unsre Mary Ann zurück, die eben von der Küche wieder hereinpoltern wollte. Da sah ich, wie in dem Silbersand auf dem Fussboden unter dem Tisch ein hellrotes Etwas sich bewegte und in kleine Zacken auseinander lief. Da krampfte mir, obgleich ich noch nie so etwas erfahren, der Gedanke das Herz zusammen: das ist Blut. In demselben Augenblicke erhob der Meister das Haupt, bleicher als sonst, aber lächelnd, mit seinem Tüchlein wischte er die letzten roten Tropfen von den Lippen und meinte: Es ist ein so hübsches Farbenspiel die rote und die weisse Rose, ihre Dornen haben England und mich innerlich zerrissen-es ist schade, dass man das mit einem gemeinen Besen wegwischen muss. Tun Sie mir die Liebe, Frau Wirtin, und besorgen Sie es selber, die Mary Ann könnte einen Schrecken kriegen. Als er aber sah, dass wir selber tief bekümmert waren, fuhr er fort: O ihr Kinder! das hat gar nichts zu bedeuten. Ich habe zuviel Herzblut, ich könnte mit dem Ueberfluss noch meine ganze Familie versorgen. Das Unheimliche war dabei, dass keinerlei Husten oder Erschütterung vorher gegangen war, dass es so lautlos geflossen wie eine Quelle der kein Hindernis im Weg steht. Wenn sich das wieder ereignet hat, und das war ohne Zweifel der Fall, so haben wir wenigstens nichts davon bemerkt. Und er war derselbe in seiner köstlichen Lustigkeit, die wie Frühlingsluft oder der erste Schnee Alles ansteckte, und in allen Humoren. Nur machte mich meine Tante darauf

aufmerksam, dass seine Handgelenke schmäler erschienen und die Adern an den weissen Händen blauer hervortraten, und ich selber glaubte oft einen Seufzer zu vernehmen, wenn er langsamer als sonst vom Stuhl sich erhob und zu seiner ganzen Länge sich streckte.

Und dann kam das Ende. Und das Ende war eine Hochzeit, gerade wie in den Geschichten, die zum Vergnügen der Müssiggänger erfunden werden, und doch anders.

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Da muss ich aber erst noch einmal auf die Liebeskomödie der Mistress Judith zurückgreifen.

Als ich das letztemal schrieb, stand mir der Liebestraum der Mistress Judith so vor Augen, dass ich unwillkürlich die Hand ausstreckte, sie am Kleid zu fassen und als hörte ich ihr fröhliches und doch so gemeines Lachen, weil ich sie nicht am Bein gepackt. Das war damals in Stratford unser Verhältnis. Sie brachte mich dummen Jungen so weit, dass ich sie, (um mit ihrem Vater zu reden) mit ins höllische Feuer gezogen hätte; aber wenn ich zugreifen wollte und schon den Mund spitzte, die roten Lippen zu berühren, entschlüpfte sie mir, hub ihre spanischen Röcke (alles aus der grossen Kiste, die der Vater von London geschickt) so hoch in die Höhe, dass man ihre nackten Beine sehen konnte, das blühende Fleisch bis über's Knie - Hosen und Strümpfe gab es damals Gott sei Dank! noch nicht für's Frauenzimmer und rief mir zu: O du dummer Hausknecht vom Holzapfelbaum! Ich genoss das Wohlwollen, ich darf sagen die Liebe ihres Vaters, des grössten Mannes, den die Welt je hervorgebracht, also konnte ich mich, trotz der Eitelkeit der Jugend, bald über diese Enttäuschungen hinwegsetzen. Aber wenn ich jetzt bei meinem unmenschlich hohen Alter an jene Zeit der Knabenschaft zurückdenke, so meine ich diesmal, es hätte meiner Liebe für den Meister Abtrag getan, wenn ich die Gunst der Mistress Judith genossen hätte, und das andremal ist mir's, als ob ich's nie wieder gut machen könnte, dass ich sie nur am Kleid gefasst.

Sei dem, wie ihm wolle: Mistress Judith war wie ein Frühlingsgewitter, Shakespeare aber bleibt mir der Himmel,

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