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Aus einem Dichterherzen.

IN altes Märchen erzählt von einem Kinde, das so herzensgut war, dass es, wenn es bös wurde, doch nur gute Worte sprach; und wenn es Steine werfen sollte, SO wurden sie zu

kosen. Glücklicherweise passiert das auch heutzutage noch und zwar in vereinzelten Fällen sogar boshaften alten Leuten. Das musste mir einfallen, als ich unter den argen Schimpfwörtern und schrecklichen Anklagen, womit mich ein hier wohnender böser alter zeitungsschreibender Mann traktiert, die Behauptung fand, ich setze in meinem A. T. den Leuten Das, was die besten deutschen Dichter gesungen, in Prosa vor. Das sollte nun ein Tadel sein, ein Vorwurf, eine vernichtende Kritik, die sich auf schlaue Beobachtung stützt, und auf die der Mann gewiss nicht wenig stolz war. Ich aber meine, dieser Stein sei zur Rose geworden; ich meine, es gebe gar keine schönere Aufgabe, als das ewig Schöne und das ewig Wahre, das uns die Dichter in ihren Liedern verkörpert, so viel als möglich in unsrem alltäglichen Leben heimisch, so viel als möglich dem arbeitenden Mann, der arbeitenden Frau zu eigen zu machen. Ja, ich halte es für Pflicht des schreibenden Volksfreundes, auch die edle Sprache der Dichter zur Geltung zu bringen; ich wenigstens freue mich selber, wenn ich in der Oede der Zeitungswelt zuweilen einem Goetheschen Gedanken, einer Shakespeareschen Wendung begegne, und ich fühle mich nie befriedigter, als wenn ich von einem meiner Artikel fühle, er liest sich wie ein Gedicht in Prosa. Wem der Sonnenschein je ins Herz geschienen, der wird auch sonnige Gedanken ausstrahlen, und nur ein Narr kann es ihm zum Vorwurf machen,

dass er Alles ursprünglich von jener Mutter alles Lebens empfangen hat.

Es gibt freilich Menschen, welche das Reich der Dichter für ein ganz besonders abgegrenztes halten, für einen Rosengarten, der für die Recken des Geistes reserviert ist, die mit den gewöhnlichen schaffenden und hastenden Zwergen nichts zu tun haben, es gibt Männer des Fortschritts, welche manche Wahrheiten, wenn sie in Versen gebracht werden, begrüssen oder wenigstens sich gefallen lassen, während sie dieselben Wahrheiten in Prosa mit aller Macht bekämpfen. Für diese Kurzsichtigen und eigentlichen Erfolgsanbeter existiert die Schönheit Aschenbrödels erst dann, wenn der revolutionäre Königssohn sie aus der Sklaverei der weltweisen Schwestern erlöst und in Sammt und Seide dem Publikum vorgeführt hat.

Die Dichter sind die wahren Menschen, weil sie das ewige, unveränderliche Schöne aus allen Zufälligkeiten und Nebensächlichkeiten herausfinden, sie sind als Erschaffende aus dem nie Geschaffenen die einzigen Götter, welche der freie Mensch anerkennt. Und doch meint auch mein Freund C. W.,*) der Kultus dieser Götter sei für eine kleine Gemeinde von Kunstverständigen reserviert. Das ist aber ein grausamer Irrtum. Grausam für den der ihn hegt, da er ihm die eigene Lebensfreude raubt, grausam für die Menschen überhaupt, da ihnen dieser Irrtum seit allen Zeiten von massgebender oder vielmehr anmassender Seite als göttliches Gesetz oder doch als naturwissenschaftliches Dogma hingestellt wurde.

Ist es denn unumstösslich, dass es immer so sein muss, weil es bis jetzt, und seit der Herrschaft der Industrie erst recht, so war, dass ein grosser Teil der Menschen vom Sonnenlicht und vom wiedergestrahlten Sonnenlicht der Poesie abgeschlossen ist?

Man hat mir vorgeworfen — und nur die geachtete, auf Stelzen langweilig durch die Menge schreitende "vernünftige"

*) Carl Weis, durch ein paar Jahrgänge des A. T. reger Mitarbeiter. Bewegte sich nur in den Regionen der Kunst und wollte nicht zugeben, dass auch unter Brauburschen "Verständnis für die Neunte Symphonie vorhanden sein könne."

Kritik darf sich solch dumme Verleumdung erlauben - dass ich nur von der Revolution das Heil für die geistige und gemütliche Bildung des Proletariats erwarte. Und doch kann ich mir nichts Schöneres denken, als den Gefangenen auf den Sonnenstrahl aufmerksam zu machen, der ihm die ganze Frühlingswelt auf die Steinfliesen seines Kerkers malt, und doch habe ich zum Volk, zum gemeinen Volk, wie man es zu nennen beliebt, die Sprache der erhabensten Dichter und Denker gesprochen, weil ich weiss, dass sie es verstehen müssen. Nur ein Schuft hält noch an der alten Lehrmethode fest, welche dem Kinde sagte: du bist ein Teufelsbraten, aber der Heiland wird dir helfen, und dem Manne: du bist ein Dummkopf und wirst das nie verstehen, aber ich werde die nötige geistige Arbeit für dich besorgen. Wir wissen vielmehr jetzt, dass das Kind und der Mann sofort zu verstehen anfangen, wenn man ihnen sagt ihr verstehts; dass sie gut sein werden, wenn man ihnen sagt: du bist gut; dass sie sich auf ihre eigenen Rechte besinnen, wenn man ihnen sagt: du bist frei!

Es gibt für unsre Welt nur eine Sonne, und die leuchtet für Alle, es gibt nur eine ewige Schönheit, und sollten die nicht Alle verstehen lernen? Ja, die armen Teufel zu allererst! denn nie ziehen goldschwere Taschen sie zur Erde nieder, und frei vom Ballast der gemeinen Sorgen des Uebererwerbs steigt ihr Geist um so leichter hinauf in "Gottes freie Sternenluft". ---Darum will ich auch nicht aufhören, ihnen in Prosa zu sagen, was der Dichter in klingenden Rythmen verkündet, und ich weiss, auch mancher im Geist Starke, und im Anschauen der Schönheit stolz Gewordene wird sich mitfreuen, wenn ich die Gefühle des Vorfrühlings, die Bangigkeit und die still keimende Hoffnung, die Verzweiflung der unterm Spätschnee erstickenden Blüte und den Begeisterungssturm, der mit den Märzwinden aufjubelt, aus der Seele unsers Dichters Lenau heraus darstelle.

Als ich noch ein Knabe war, war es mir höchster Genuss, an trüben Herbsttagen, in starren Winternächten oder an jenen wieder an den Herbst erinnernden nasskalten Februarabenden in dem dann ganz menschenverlassenen Mannheimer Schloss

garten umherzustreichen und an den Ufern des Rheins. Die Seligkeit des Leidens, die Wollust des Schmerzes sind ein besonderes Vorrecht der Jugend, und der noch innigere Zusammenhang mit der Natur lässt uns die Wandlungen derselben, die Todesschauer und die neukeimende Lebenslust um so inniger empfinden. Selige Zeit, da man noch weinen kann, ohne sich für die Tränen Rechenschaft zu geben, da man den Frühling noch anjauchzt und den weissen Stamm der jungen Birke küsst, als ob sie ein verständnisinniges Lebewesen sei!

Ich habe damals auch schon Verse gemacht, aber sie reichten mir nicht aus, und wenn ich den richtigen Ausdruck für das Gefühl auf solchen Spaziergängen finden wollte, so sang ich Lenausche Strophen vor mich hin, Strophen des Dichters, dem die ganze Wonne und die ganze Verzweiflung der "Gottbegnadung" zu teil wurde, dessen Namen ich stets mit derselben Ehrfurcht nannte wie den der Geliebten. Nie bin ich über den krachenden Schnee der Winternacht geschritten, ohne dass mir Lenaus Todeswunsch im Herzen erklungen wäre: Frost friere mir ins Herz hinein, tief in das heissbewegte wilde, dass einmal Ruh mag drinnen sein, wie hier im nächtlichen Gefilde. Und Dank der kytheräischen Göttin! noch haben die Frühlingskinder nie mein Herz umringt, ohne dass ich sie fragen durfte: Brachten euch Morgenwinde die Sage, dass ich im Herzen eingeschlossen euren lieblichen Spielgenossen, heimlich und selig ihr Bildniss trage?

Heutzutage bleibt man leider bei schlechtem Wetter hübsch zu Haus oder in der Kneipe schützendem Asyl; und nur wenn dich das Dampfross mit höhnischem Hasten durch die entweihte Natur reisst, bringt dir manchmal ein Blick in die regenschwere Nacht die Sterbeseufzer der Natur zum Bewusstsein; und vom Frühling bekommt man so wenig zu sehen, dass man von hohem Glück sagen kann, wenn es noch bisweilen wahr ist, dass in den Winterharm, der die Seele hielt bezwungen, mir ein Blick ist still und warm, frühlingsmächtig eingedrungen. Wenn du aber, lieber Leser oder noch liebere Leserin, eine einsame Stunde hast, die dir nicht des andern Tages Sorge vergällt, öffne deinen Lenau, du wirst die

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