"Und sollt' es brechen vor dem End', Nie werd' ich von der Wahrheit lassen!" Das war das stolze Testament, Das uns der Tote hinterlassen. Ein Teil der höchsten Wahrheit war's, Die du enthüllet, edler Hutten, Schlug deines Wortes scharfes Schwert; Doch, was du sahst, hast du verkündigt, Nie hast du heuchelnd dich entehrt Und an dem Wissen dich versündigt. Du hast den Vorteil nicht taxiert Und hast den Nachteil nicht gewogen; Wo du die Heuchler aufgespürt, Da hast du frisch dein Schwert gezogen. Es ist "gebrochen vor dem End" " In Ufnau-Eilands öder Stille. Dein Leben brach, doch "nicht gewendt" Und nicht gebrochen ward dein Wille. Und sitzt und sinnt und grübelt, Und wird nicht los den Gedanken: Wie törichte Mücken schwärmen Erinnerungssüsse Gestalten, Ach! und er verscheucht sie nicht. Nur manchmal flüstert er leise Und faltet die Hände dabei: O führe uns nicht in Versuchung! O wär' ich noch einmal frei! Der sitzt und schreibt seine Predigt Von dem erlösenden Christ Und weiss doch, dass er selber Nicht mehr zu erlösen ist. Andere Lieder! Die Liebe, die in meinem Herzen glüht, Es war mein Herz gestorben ganz und tot, Die Liebesrose aus der Knospe bricht, Die Liebe ist die Auferstehung und das Licht. Der Auferstandne sucht des Himmels Lust, Der Himmel ist an ihrer weissen Brust. Der Vorhang vor dem Heiligsten zerreisst, In ihren Küssen flammt der heil'ge Geist. Ich halte dich an meine Brust gepresst, Es saugt mein Mund sich an dem deinen fest. Fürwahr, das ist der Leib, das ist das Blut, Fahr Zweifel hin, hier ist Erfahrung, Wenn nicht dann bringt den Stein herbei, --- Was frommen bei zertretnen Saaten *) Dieses und das folgende Gedicht beziehen sich auf die Chicagoer Haymarket-Tragödie. Am 11. November 1887 wurden in Chicago vier Anarchisten gehängt. Dass dieser gesetzlichen Ermordung keine entsprechenden Taten von Seiten des Volkes folgten, erfüllte Reitzel mit bitterem Schmerz. Zum neuen Jahr 1888. Es war wie immer, Wir hatten Mut Im Wirtshaus-Orden; Wir schauten zu, Wie Andere morden. Wir sagten uns selber: Wir haben dem Volk Recht brav geratenJedoch der Henker Verzeichnet die Taten. Wir trösten uns, 's ist nur noch ein Jahr, Bis dann erlaubt uns die Polizei, Den Bastillensturm zu feiern, Mit Schlüsselbüchsen zu schiessen dabei Und die Marseillaise zu leiern. Wie werden sie klingen, die Friedensschalmein! Wir schlucken die Tränen mit hinein, Ja wohl, wir warten noch einmal ein Jahr, Dann gehts noch e Bissel so weiter. |