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Die Religion des deutschen Volksliedes.

OCH in meiner Jugend wurde das Versemachen als eine der schlimmsten Kinderkrankheiten betrachtet, notabene, das unabhängige Versemachen! Wenn Einer Einer sich mit einem Geburtstagsgedicht auf einen allbeliebten Lehrer hervortat, oder wenn er besang, wie herrlich und wie schön es sei, in die Schul' zu gehen, so durfte er sicher auf Anerkennung rechnen von Seiten der Herren Eltern und Lehrer. Wenn er aber als heimlicher Dichter dem undefinierbaren Drang nach Freiheit und der Sehnsucht nach Liebe, wie sie im Knabenherzen vorhanden sind, Ausdruck zu geben versuchte, dann zog sich alsbald über seinem Haupte die Wolke des allerhöchsten Misstrauens zusammen. Ich erinnere mich hier einer charakteristischen Begebenheit aus meiner Kinderzeit. Ein wandernder italienischer Kunsthändler stellte sich eines Tages im Mannheimer Lyceum ein und offerierte uns in den Zwischenpausen der Lehrzeit aus Lava gegossene Bilder berühmter Männer, die man zu einem Sechser das Stück erstehen konnte. Da waren Könige, Kaiser, Generäle, Heilige und auch Dichter. Ich erwarb mir mit den 12 Kreuzern, die ich zu Hause erpresst, die Bildnisse von Shakespeare und Byron, ohne von Beiden etwas mehr als die Bedeutung ihres Namens zu kennen. Unser Klassenlehrer, welcher der Transaktion beigewohnt hatte, fragte mich: "Du willst wohl auch ein Dichter werden?" und als ich, zum erstenmal das süsse Geheimnis verratend, bejahend antwortete, griff dieser Menschenkenner in seine Tasche — mit den Worten: "da hast Du noch einen Sechser, kauf Dir einen Strick und häng Dich auf, aber so

fort!" Ich habe später, obgleich ich kein Dichter geworden bin, eingesehen, dass der Mann gar nicht so unrecht gehabt hat.

Was hilft aber alles Raisonnieren des gesunden Verstandes, immer wirds Menschen geben, die, mit dem Kainszeichen der Dichtung geboren, es nicht lassen können, ihr Herz in Liedern zu verbluten, und so lange ein Sterblicher auf Erden wallt, wird auch nicht ausgesungen "das alte ewge Lied". Dess gibt die Geschichte des deutschen Volkes erfreuliche Kunde. Nicht nur erhabene Sänger, die, Prophet und Richter zugleich, das Erhabene und Ewige aus dem Wirbeltanz der Zeiten herauszufinden wussten, auch das Zwitschern der kleinen, unscheinbaren Waldvögel hat nie aufgehört, selbst nicht in den trübsten Zeiten der mittelalterlichen Nacht, selbst nicht in der Misere des dreissigjährigen Krieges, und in ihren anspruchslosen Liedern findet sich eine so köstliche Mischung von frommer Gefühlsinnigkeit und frisch sprudelnder Lebenslust, so viel wahre Poesie und so viel wahrer Humor, dass es sich wohl lohnt, ihre intimste Bekanntschaft zu machen.

Und wo haben wir diese Dichter zu suchen? In der Literaturgeschichte sind sie gar nicht verzeichnet. Als fröhliche Gesellen, Handwerksbursche oder fahrende Schüler bevölkerten sie die Landstrassen, als Landsknechte marschierten sie nach Welschland oder liessen in deutschen Schenken den süssen Wein über den Bart rinnen, als arme Klosterschülerlein haben sie an dem verbotenen Becher der Minne genippt — mit einem Wort, es sind die Namenlosen, die sich begnügten, dem Liedlein, das sie frisch und im Zecherkreis sangen, oder als fliegendes Blatt dem Winde gaben, als Zeichen der Autorschaft etwa folgende Schlussstrophe anzuhängen:

Und wer hat dieses Lied erdacht?
Zwei Solidaten auf der Wacht,
Ein Trommler und ein Pfeifer

oder:

oder :

oder :

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Das hat gesungen ein Reuter gut,
Es ist ihm wohl gelungen,

Er trinkt viel lieber den lauteren Wein,
Denn Wasser aus kühlem Brunnen

Und der uns diesen Reim sang,

So wohl gesungen hat,

Das haben getan zween Hauer

Zu Freiburg in der Stadt.
Sie haben so wohl gesungen

Bei Meth und kühlem Wein,

Dabei da ist gesessen

Der Wirtin Töchterlein.

Es ist also die Domäne des Volkslieds, die wir betreten, und schon an der zuletzt mitgeteilten Schlussstrophe lässt sich ersehen, dass die dichterische Kraft des Volksliedes durchaus nicht zu unterschätzen ist. Kann man die Situation lebendiger malen, als in den wenigen Zeilen geschieht, die uns die Geburtsstätte des lustigen Liedes schildern? Wir sehen die altdeutsche Schenke, lustige Gesellen, Bergknappen im Feiertagsgewand bei gefüllten Bechern singend und als Musagetin der Wirtin Töchterlein vor uns als ob es gemalt wäre.

Oder in dem Lied von dem Räuberhauptmann auf der Lochmühle. Sehen wir ihn nicht leibhaftig und greifbar vor uns stehen, den flotten Sohn des Räuberhauptmanns, wenn es von demselben heisst:

Johannes, ein galanter Mann,

War auch ein studierter dabei.

Trug sich grün und gold, trug Uhren im Sack
Und hielt sich zwei Weiber frei.

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Indessen ich will diesmal den weltlichen Dingen entsagen, um den Spuren religiöser Gesinnung im Volksliede nachzugehen.

Es wird nicht überraschen, in jenen Zeiten, da die Schöpfung der Volkslieder in ihrer Blüte stand, also im 15. und 16. Jahrhundert, vorwiegend auf innig religiöse Gesinnung zu stossen, die freilich in der Ausdrucksweise das Weltliche nicht. verleugnete und die deutsche Volksdenkweise auch in den orientalischen Wundergeschichten der christlichen Religion zur Geltung bringt.

So sind es hauptsächlich zwei religiöse Figuren, an die sich die Volksdichtung innig anschliesst - Christus und Maria. Es ist ein uraltes fliegendes Blatt aus Köllen, das uns erzählt, wie ein Sultan ein Töchterlein hatte, die des Morgens früh aufsteht, um Blümlein zu pflücken in ihres Vaters Garten, und während sie darüber nachsinnt, wer wohl der Blumen Meister sei,

Da kam zu ihr um Mitternacht

Ein heller Mann gegangen:

"Tu auf, tu auf! viel schöne Maid,
Mit Lieb bin ich umfangen."

Und nun entwickelt sich eine Liebesszene voll ausgesprochener sinnlicher Glut. Jesus, das ist der helle Mann, steckt ihr ein Ringlein von Sonnengold an den Finger und fragt sie, ob sie sein Bräutlein werden wolle,

Und da sie ihm die Liebe bot,

Seine Wunden sich ergossen:

"O Lieb, wie ist dein Herz so rot,

Deine Hände tragen Rosen."

Poetisch schöner kann die im Grund abstossende Opfertheorie nicht dargestellt werden, als es in dieser Strophe geschieht und in der folgenden:

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