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EIN HERBST-TRAUM

Ein Herbst-Traum.

Wahrheit und Dichtung über Shakespeares letzte Lebensjahre.

niscenzen

OR fünf Jahren träumte ich einen Sommernachtstraum von "einer schönen Leserin Shakespeares, die nicht lesen konnte". Der Traum setzte sich zusammen. aus allerlei Remiaus Büchern, Phantasien und Zitaten, und als ich ihn geträumt und aufs Papier gebracht hatte, war es doch mein Traum. Es war viel Dichtung und wenig Wahrheit. Heute habe ich es mit einem Herbst-Traum zu tun; er braucht das Tageslicht nicht zu scheuen, weil er mehr Wahrheit und weniger Dichtung enthält. Es ist ein trauriges Privilegium des Alters, die Wahrheit über die Dichtung zu setzen, Seifenblasen der Phantasie gering zu schätzen und Backsteine der Forschung mühsam auf einander zu stellen. Das ist wieder so ungeschickt eingerichtet vom Vater der Götter und Menschen. In der starken Jugend, da man wie der göttliche Stier eine Europa durch das Meer tragen könnte, liegt man auf dem Rücken und schaut den schillernden Blasen nach, den Mund offen vor grenzenlos staunender Freude; und wenn auch aus der zerplatzenden ein Tropfen Seifenwasser auf die Zunge fällt, man spuckt aus und bewundert die nächste mit gleicher Andacht. Im Alter aber, asthmatisch keuchend, wollen sie bauen und schinden an den Steinen die

Hände sich blutig schwer heilen die Risse, und die Angst vor Blutvergiftung dämpft die Eitelkeit der Architekten sorgsam atmen sie durch die Nase und gehen am Morgen barfuss durch das Gras, um zum Tagwerk sich zu stärken; und wenn sie etwas vollendet haben, verdirbt ihnen das Hohnlachen irgend eines vorübergehenden Thebaners die Freude an ihrem Tempel. Ich möchte lieber in der Jugend Seifenblasen aus einem erdenen Schüsselchen mit meinem tönernen Röhrlein geblasen haben, von deren Glanz Generationen sich erzählen, als im Alter eine Welt schaffen, an der doch Jeder etwas auszusetzen hat.

Darum sind eben auch Herbst-Träume nicht wie Sommernachtsträume. Im Sommer brauchst du noch die Nacht, um die Glut des Tages, deines Tages, auszuatmen in die entnervend beseligende Schwüle oder in den Busen eines Weibes, im Herbst ist der Tag schon melancholisch genug, und du bist froh, wenn du nachts schlafen kannst.

William Shakespeare hat seinen Herbst nicht erlebt; wenn er es je gewünscht hat, so war es der müde Wunsch einer überstolzen Stunde, so war es die Komödianten-Sehnsucht, einmal, in einem langen Schlussakt, den Fuss auf den Nacken der Erbärmlichen in Wirklichkeit setzen zu können, in Wirklichkeit als der Bessere, Reichere, Mächtigere von ihnen anerkannt, zu tafeln, zu Bett zu gehen und wieder aufzustehen. In der Stunde seines vollen Lebens, des Schaffens oder Geniessens hätte er gewiss dem jungdeutschen Dichter beigestimmt: "Die Blüte ist des Baumes Stolz und nicht die Frucht".

Aber Shakespeare, unser Shakespeare, soll ja gar nicht existiert haben. Ein paar Narren, die sich auf irgend eine Art wichtig machen wollten, sie haben eine Wurstmaschine erfunden; wenn man sie richtig dreht, so wird aus Offenbarungen des Menschengeistes, die so unparteiisch über der neidischen Befehdung der Kleinen und Kleineren stehen wie die Gestirne über den Stimmen des Sumpfes, eine historische Klatschgeschichte von einer Königin, ihrem Buhlen und ihrem Bastard. Und für diesen Beitrag zu der so wie so schon trau

rigen und zweifelhaften Weltgeschichte sollen wir Wahrheit hergeben, die Fleisch von unsrem Fleisch ist, wie Hamlet, Othello oder Richard III? Ein grosser Mann stellte die Behauptung auf: Wenn Gott nicht existierte, müsse man ihn erfinden; er sagte das im Interesse der Feigheit des Pöbels, der Sittenpolizei und der Herren Geometer, die ihre Ausmessungen auf das Weltall ausdehnen und nicht damit fertig werden. Meine Tugend und mein Verstand hat keine so übermächtigen Bedürfnisse; wenn es aller Logik zum Trotz so ein Unding wie einen Herrgott geben sollte, ich brauchte ihn nicht; aber mein Herz nährt sich von Persönlichkeiten. Man kann sich für die Menschheit totschlagen lassen, es gibt dümmere Dinge; aber lieben kann man nur den Einzelnen. Nur mit Personen kann ich sprechen, und für mein kindlich Herz sind Homer, Jesus und Shakespeare Menschen, unentbehrliche. Wer sie nicht schreiten und zucken und unterliegen und triumphieren sieht, der mag ja im Einmaleins in den höchsten Potenzen seine Befriedigung finden, der herrliche Ausspruch des Sophokles ist ihm aber nicht in seinem ganzen Umfang aus der Seele geschrieben:

Vieles Gewaltige lebt, und nichts
Ist gewaltiger als der Mensch.

Ueber die Persönlichkeit Homers und Jesu liesse ich allenfalls noch einige Zweifel gelten, über William Shakespeare kann mir Niemand etwas sagen es sei denn in Bezug auf seine Werke, die niemals ausstudiert werden denn ich habe ihn mit eigenen Augen mehr als zweihundertmal gesehen, als ich anno 1614-16 Aufwärter in der Taverne "Zum Holzapfelbaum" war, zehn Schritte von Shakespeares Haus, genannt New Place in Stratford on Avon in Warwickshire.

Das war aber so gekommen. Aus meiner gelehrten Laufbahn in hohen theologischen Schulen in London wurde ich. durch den Tod meines Vaters im achtzehnten Lebensjahre herausgerissen, und da meine Mutter augenblicklich nichts mit

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