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Gebirg und flaches Land aneinander grenzen, beide so deutlich aussprechen, was sie brauchen und was sie wünschen. Wie nun der Hochländer das Holz seiner Wälder in hündert Formen umzubilden weiß, das Eisen zu einem jeden Gebrauch zu permannichfaltigen, so kommen jene drüben mit den vielfältig sten, Waaren ihm entgegen, an denen man den Stoff kaum unterscheiden und den Zweck oft nicht erkennen mag.

angeschlossen und Zwinger terrassenmäßig herab fich erstreckend. gegeben, ist es mir gar angenehm zu denken, wie hier, wo Doch ich sage nicht recht; denn es ist eigentlich ein Wald, der diesen alten Gipfel umgibt; seit hundert und fünfzig Jahren hat keine Art hier geklungen und überall find die mächtigsten Stämme emporgewachsen; wo ihr euch an den Mauern an drängt, stellt sich der glatte Ahorn, die rauhe Eiche, die schlanke Fichte mit Schaft und Wurzeln entgegen, um diese müssen wir uns herumschlängeln und unsere Fußpfade verz" ständig führen. Seht nur, wie trefflich unser Meister dieß Cha- Ich weiß, versehte der Fürst, daß mein Neffe hierauf die rakteristische auf dem Papier ausgedrückt hat, wie kenntlich die verschiedenen Stamm und Wurzelarten zwischen das Matter: werk verflochten und die mächtigen Ueste durch die Lücken durchgeschlungen find. Es ist eine Wildniß wie keine, ein zufällig einziges Local, wo die alten Spuren längst verschwunz dener Menschenkraft mit der ewig lebenden und fortwirkenden Natur sich in dem ernstesten Streit erblicken lassen.

Ein anderes Blatt aber vorlegend fuhr er fort: Was sagt Ihr nun zum Schloßhofe, der, durch das Zusammen stürzen des alten Thorthurmes unzugänglich, seit undenklichen Jahren von niemand betreten ward. Wir suchten ihm, von der Seite beizukommen, haben. Mäuern durchbrochen, Gewölbe gesprengt und so einen bequemen aber geheimen Weg bereitet. Inwendig bedurft es keines Aufräumens, hier findet sich ein flacher Felsgivfel von der Natur geplättet, aber, doch haben mächtige Bäume hie und da zu Wurzeln Glück und Gelegen heit gefunden; sie sind sachte aber entschieden aufgewachsen; nun erstrecken sie ihre Aeste bis in die Galerien hinein, auf denen der Ritter sonst auf und abschritt: ja durch Thüren durch und Fenster in die gewölbten Säle, aus denen" wir fie nicht vertreiben wollen; sie sind eben Herr geworden und mögen's bleiben. Tiefe Blätterschichten wegräumend haben wir den merkwürdigsten Plaß geebnet gefunden, dessen Gleichen in der Welt vielleicht nicht wieder zu sehen ist.

Nach allem diesen aber ist es immer noch bemerkenswerth und an Ort und Stelle zu beschauen, daß auf den Stufen, die in den Hauptthurm hinaufführen, ein Uhorn Wurzel gez schlagen und sich zu einem so tüchtigen Baume gebildet hat, daß man nur mit Noth daran ́vordeidringen kann, um die Zinne, der unbegrenzten Aussicht wegen, zu besteigen. Uber auch hier verweilt man bequem im Schatten, denn dieser Baum ist es, der sich über das Ganze wunderbar hoch in die Luft hebt.

Danken wir also dem wackern Künstler, der uns so löb lich in verschiedenen Bildern von allem überzeugt, als wenn wir gegenwärtig wären; er hat die schönsten Stunden des Tages und der Jahrszeit dazu angewendet und sich wochenlang um diese Gegenstände herumbewegt. In dieser Ecke ist für ihn und den Wächter, den wir ihm zugegeben, eine kleine angenehme Wohnung eingerichtet. Sie sollten nicht glauben, meine Beste, welch eine schöne Aus- und Ansicht er in's Land, in Hof und Gemäuer sich dort bereitet hat. Nun aber, da alles so rein und charakteristisch umrissen ist, wird er es hier unten mit Bequemlichkeit ausführen. Wir wollen mit diesen Bildern unsern Gartensaal zieren, und niemand soll über unsere regelmäßigen Parterre, Lauben und schattigen Gänge seine Augen spielen lassen, der nicht wünschte, sich dort oben in dem wirklichen Unschauen des Alten und Neuen, des Starren, Unnachgiebigen, Unzerstörlichen, und des Frischen, Schmiegsamen, Unwiderstehlichen seine Betrachtungen anzustellen.

größte Aufmerksamkeit wendet; denn gerade zu dieser Jahrs: zeit kommt es hauptsächlich darauf an, daß man mehr em pfange als gebe; dieß zu bewirken ist am Ende die Summe des ganzen Staatshaushaltes, so wie der kleinsten häuslichen Wirthschaft. Verzeihen Sie aber, meine Beste, ich reite niemals getn durch Markt und Messe: bei jedem Schritt ist man gehindert und aufgehalten, und dann flammt mir das ungeheure Unglück wieder in die Einbildungskraft, das sich mir gleichsam in die Augen eingebrannt, als ich eine solche Güters und Waarenbreite in Feuer aufgehen sah. Ich hatte mich kaum

Lassen Sie uns die schönen Stunden nicht versäumen, fiel ihm die Fürstin ein, da der würdige Mann sie schon einigemal mit ausführlicher Beschreibung jenes Unheils geängstigt hatte, wie er sich nämlich, auf einer großen Reise bez griffen, Abends im besten Wirthshause auf dem Markte, der eben von einer Hauptmesse wimmelte, höchst ermüdet zu Bette gelegt, und Nachts durch Geschrei und Flammen, die sich gegen seine Wohnung wälzten, gräßlich aufgeweckt worden. Die Fürstin eilte, das Lieblingspferd zu besteigen, und führte, statt zum Hinterthore bergauf, zum Vorderthore bergs unter ihren widerwillig bereiten Begleiter; denn wer wäre nicht gern an ihrer Seite geritten, wer wäre ihr nicht gern "gefolgt. Und so war auch Honorio von der sonst so ersehnten Jagd willig zurückgeblieben, um ihr ausschließlich dienstbar zu sein.

Wie voraus zu sehen, durften sie auf dem Markte nur Schritt vor Schritt reiten; aber die schöne Liebenswürdige ers heiterte jeden Aufenthalt durch eine geistreiche Bemerkung. Ich wiederhole, sagte sie, meine gestrige Lection, da denn doch die Nothwendigkeit unsere Geduld prüfen will. Und wirklich drängte sich die ganze Menschenmasse dergestalt an die Reitens den heran, daß sie ihren Weg nur langsam fortsegen konn ten. Das Volk schaute mit Freuden die junge Dame und auf so viel lächelnden Gesichtern zeigte sich das entschiedene Beha gen, zu sehen, daß die erste Frau im Lande auch die schön,ie und anmuthigste sei.

untereinander gemischt standen Bergbewohner, die zwis schen Felsen, Fichten und Föhren ihre stillen Wohnfiße hegten, Flachländer von Hügeln, Auen und Wiesen her, Gewerbsleute der kleinen Städte und was sich alles versammelt hatte. Nach einem ruhigen Ueberblick bemerkte die Fürstin ihrem Begleiter, wie alle diese, woher sie auch seien, mehr Stoff als nöthig zu ihren Kleidern genommen, mehr Tuch und Leinwand, mehr Band zum Besah. Ist es doch als ob die Weiber nicht brauschig und die Männer nicht pausig genug sich gefallen könnten.

Wir wollen ihnen das ja lassen, verseßte der Oheim; wo auch der Mensch seinen Ueberfluß hinwendet, ihm ist wohl dabei, am wohlsten, wenn er sich damit schmückt und anpußt. Die schöne Dame winkte Beifall.

So waren sie nach und nach auf einen freien Plah geHonorio trat ein, und meldete, die Pferde seien vorgelangt, der zur Vorstadt hinführte, wo am Ende vieler kleiner führt; da sagte die Fürstin, zum Oheim gewendet: Reiten Buden und Kramstände ein größeres Bretergebäude in die wir hinauf und lassen Sie mich in der Wirklichkeit sehen, was Augen fiel, das sie kaum erblickten, als ein ohrzerreißendes Ges Sie mir hier im Bilde zeigten. Eeit ich hier bin, hör' ich brüüe ihnen entgegen tönte. Die Fütterungsstunde der dort von diesem Unternehmen, und werde jezt erst recht verlangend, zur Schau stehenden wilden Thiere schien herangekommen; der mit Augen zu sehen, was mir in der Erzählung unmöglich Löwe ließ seine Wald und Wüstenstimme auf's kräftigste schien und in der Nachbildung unwahrscheinlich bleibt. Noch hören, die Pferde schauderten und man konnte der Bemer: nicht, meine Liebe, versezte der Fürst; was Sie hier sahen, kung nicht entgehen, wie in dem friedlichen Wesen und Wir ist, was es werden kann und wird; jest stockt noch manches ken der gebildeten Welt der König der Einöde sich so furchtbar im Beginnen; die Kunst muß erst vollenden, wenn sie sich verkündige. Zur Bude näher gelangt durften sie die bunten vor der Natur nicht schämen soll. - Und so reiten wir we kolossalen Gemälde nicht übersehen, die mit heftigen Farben nigstens hinaufwärts, und wär' es nur bis an den Fuß; ich und kräftigen Bildern jene fremden Thiere darstellten, welche babe große Lust, mich heute weit in der Welt umzusehen. der friedliche Staatsbürger zu schauen unüberwindliche Lust Ganz nach Ihrem Willen, verseßte der Fürst. Lassen Sie empfinden sollte. Der grimmig ungeheure Tiger sprang auf uns aber durch die Stadt reiten, fuhr die Dame fort, über einen Mohren los, im Begriff ihn zu zerreißen; ein Löwe den großen Marktplaß, wo eine zahllose Menge von Buden stand ernsthaft majestätisch, als wenn er keine Beute seiner die Gestalt einer kleinen Stadt, eines Feldlagers angenommen würdig vor sich sehe; andere wunderliche bunte Geschöpfe verhat. Es ist als wären die Bedürfnisse und Beschäftigungen dienten neben diesen mächtigen weniger Aufmerksamkeit. sämmtlicher Familien des Landes umher, nach außen gekehrt, in diesem Mittelpunkt versammelt, an das Tageslicht gebracht worden; denn hier ficht der aufmerksame Beobachter alles was der Mensch leistet und bedarf, man bildet sich einen Augenblick ein, es sei kein Geld nöthig, jedes Geschäft könne hier durch Tausch abgethan werden; und so ist es auch im Grunde. Seitdem der Fürst gestern mir Anlaß zu diesen Uebersichten

Wir wollen, sagte die Fürstin, bei unserer Rüdkehr doch absteigen und die seltenen Gäste näher betrachten. Es ist wunderbar, verschte der Fürst, daß der Mensch durch Schred: liches immer aufgeregt sein will. Drinnen liegt der Tiger ganz ruhig in seinem Kerker, und hier muß er grimmig auf einen Möhren losfahren, damit man glaube, dergleichen inwen dig ebenfalls zu sehen; es ist an Mord und Lodtschlag noch

nicht genug, an Brand und Untergang; die Bänkelsänger müssen es an jeder Ecke wiederholen. Die guten Menschen wellen eingeschüchtert sein, um hinterdrein erst recht zy fühlen, wie schön und löblich es sei, frei Athem zu holen.

Was denn aber auch Bängliches von solchen Schreckens bildern mochte übrig geblieben sein, alles und jedes war so gleich ausgelöscht, als man, zum Thore hinausgelangt, in die heiterste Gegend eintrat. Der Weg führte zuerst am Flusse kinan, an einem zwar noch schmalen, nur leichte Kähne tragenden Basser, das aber nach und nach als größter Strom seinen Namen behalten und ferne Länder beleben sollte. Dann ging es weiter durch wohlversorgte Frucht- und Lustgärten jachte hinaufwärts, und man sah sich nach und nach in der aufgethanen wohlbewohnten Gegend um, bis erst ein Busch, sodann ein Wäldchen die Gesellschaft aufnahm, und die an muthigten Dertlichkeiten ihren Blick begrenzten und erquickten. Ein aufwärts leitendes Wiesenthal, erst vor kurzem zum zweitenmale gemäht, sammetähnlich anzusehen, von einer oberwärts, lebhaft auf einmal reichentspringenden Quelle ges wässert, empfing sie freundlich und so zogen sie einem höheren, freieren Standpunkt entgegen, den sie, aus dem Walde sich bewegend, nach einem lebhaften Stieg, erreichten, alsdann aber vor sich noch in bedeutender Entfernung über neuen Baumgruppen das alte Schloß, den Zielpunkt ihrer Wallfahrt, als Fels und Waldgipfel hervorragen sahen. Rückwärts aber denn niemals gelangte man hierher ohne sich umzu fehren — erblickten sie durch zufällige Lücken der hohen Bäume das fürftliche Schloß links, von der Morgensonne beleuchtet; ten wehlgebauten höhern Theil der Stadt von leichten Rauchwolfen getämyft, und sofort nach der rechten zu die untere Stadt, den Fluß in einigen Krümmungen, mit seinen Wiejen und Mühlen; gegenüber eine weite nahrhafte Gegend.

Nachdem sie sich an dem Anblick ersättigt, oder vielmehr, wie es uns bei dem Umblick auf so hoher Stelle zu geschehen pflegt, erst recht verlangend, geworden nach einer weiteren, neniger begrenzten Aussicht, ritten sie eine steinige breite Fläche binan, wo ihnen die mächtige Ruine als ein grünge: fronter Gipfel entgegen stand, wenig alte Bäume tief unten um seinen Fuß; sie ritten hindurch und so fanden sie sich gerade vor der steilsten unzugänglichsten Seite. Mächtige Felsen Handen von Urzeiten her, jedem Wechsel unangetastet, fest, wehlbegründet voran, und so thürmte sich's aufwärts; das dazwischen Herabgestürzte lag in mächtigen Platten und Trüm mern unregelmäßig übereinander und schien dem Kühnsten jeden Angriff zu verbieten. Aber das Steile, Jähe scheint der Jugend zuzusagen; dieß zu unternehmen, zu erstürmen, zu erobern ist jungen Gliedern ein Genuß. Die Fürstin bezeugte igung zu einem Versuch, Honorio war bei der Hand, der fürliche Oheim, wenn schon bequemer, ließ sich's gefallen und wollte sich doch auch nicht unkräftig zeigen; die Pferde fellten am Fuß unter den Bäumen halten, und man wollte bis zu einem gewissen Punkte gelangen, wo ein vorstehender mächtiger Fels einen Flächenraum carbot, von wo man eine Aussicht hatte, die zwar schon in den Blick des Vogels über ging, aber sich doch noch malerisch genug hintereinander schob. Die Sonne, beinahe auf ihrer höchsten Stelle, verlich die klarste Beleuchtung, das fürstliche Schloß mit seinen Theis len, Hauptgebäuden, Flügeln, Kuppeln und Thürmen er schien gar stattlich; die obere Stadt in ihrer völligen Ausdehnung; auch in die untere konnte man bequem hineinsehen, ja durch das Fernrohr auf dem Markte sogar die Buden unter scheiden. Honorio war immer gewohnt ein so förderliches Berkzeug überzuschnallen; man schaute den Fluß hinauf und hinab, diesseits das bergartig terrassenweis unterbrochene, jen seits das aufgleitende flache und in mäßigen Hügeln abwechselnde fruchtbare Land; Ortschaften unzählige; denn es war längst herkömmlich, über die Zahl zu streiten, wie viel man teren von hier oben gewahr werde.

Ueber die große Weite lag eine heitere Stille, wie es am Wittag zu sein pflegt, wo die Alten sagten, der Pan schlafe, und alle Natur halte den Athem an, um ihn nicht auf juwecken.

Es ist nicht das erstemal, sagte die Fürstin, daß ich auf so hoher weitumschauender Stelle die Betrachtung mache, wie doch die klare Natur so reinlich und friedlich aussicht, und den Eindruck verleiht als wenn gar nichts Widerwärtiges in der Welt sein könne; und wenn man denn wieder in die Menschenwohnung zurückkehrt, sie sei hoch oder niedrig, weit oder eng, so gibt's immer etwas zu kämpfen, zu streiten, zu schlichten und zurecht zu legen.

Honorio, der indessen durch das Schrohr nach der Stadt geschaut hatte, rief: Seht hin! Scht hin! auf dem Markte fängt es an zu brennen. Sie sahen hin und bemerkten weni gen Rauch, die Flamme dämpfte der Tag. Das Feuer greift weiter um sich! rief man, immer durch die Gläser schauend; Encyl. d. deutsch. National - Lit. III.

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auch wurde das Unheil den guten unbewaffneten Augen der Fürstin bemerklich; von Zeit zu Zeit erkannte man eine rothe Flammengluth, der Dampf stieg empor und Fürst Oheim sprach: Laßt uns zurückkehren, das ist nicht gut, ich fürchtete immer das Unglück zum zweitenmale zu erleben. Als sie, herabgekommen, cen Pferden wieder zugingen, fagte die Fürstin zu dem alten Herrn: Reiten Sie hinein, eilig, aber nicht ohne den Rçitknecht, lassen Sie mir Honorio, wir fol: gen sogleich. Der Sheim fühlte das Vernünftige, ja das Nothwendige dieser Worte und ritt so eilig als der Boden erz laubte, den wüsten steinigen Hang hinunter. Als die Fürstin aufsaß, sagte Honorio, reiten Ew. Durchlaucht, ich bitte, langsam! in der Stadt wie auf dem Schloß sind die Feueranstalten in bester Ordnung, man wird sich durch einen so unerwartet außerordentlichen Fall nicht irre machen lassen. Hier aber ist ein böser Boden, kleine Steine und kurzes Gras, schnelles Reiten ist unsicher, ohnehin bis wir hineinkommen wird das Feuer schon nieder sein. Die Fürstin glaubte nicht daran, fie sah den Rauch sich verbreiten, sie glaubte einen aufflammenden Bliß gesehen, einen Schlag gehört zu haben und nun bewegten sich in ihrer Einbildungskraft alle die Schreckbilder, welche des trefflichen Oheims wiederholte Erzählung von dem erlebten Jahrmarkts-Brande leider nur zu tief eingesenkt hatte.

Fürchterlich wohl war jener Fall, überraschend und eindringlich genug, um zeitlebens eine Uhnung und Vorstellung wiederkehrenden Unglücks ängstlich zurückzulassen, als zur Nachtzeit auf dem großen budenreichen Marktraum ein plöglicher Brand Laden auf Laden ergriffen hatte, che noch die in und an diesen leichten Hütten Schlafenden aus tiefen Träumen geschüttelt wurden; der Fürst selbst, als ein ermüdet angelangter erst eingeschlafener Fremder, an's Fenster sprang, alles fürchterlich erleuchtet sah, Flamme nach Flamme, rechts und links sich überspringend, ihm entgegen züngelte. Die Häuser des Marktes, vom Widerschein geröthet, schienen schon zu glühen, drohend sich jeden Augenblick zu entzünden und in Flammen aufzuschlagen; unten wüthete das Element unaufhaltsam, die Breter prasselten, die Latten knackten, Leinwand flog auf und ihre düstern an den Enden flammend ausgezaɗten Fehen trieben in der Höhe sich umher, als wenn die bö sen Geister in ihrem Elemente um und um gestaltet sich muthwillig tanzend verzehren und da und dort aus den Gluthen wieder auftauchen wollten. Dann aber mit kreischendem Geheul rettete jeder was zur Hand lag; Diener und Knechte mit den Herren bemühten sich, von Flammen ergriffene Ballen fortzuschleppen, von dem brennenden Gestell noch einiges wegzureisen, um es in die Kiste zu packen, die sie denn doch zulegt den eilenden Flammen zum Raube_lassen mußten. Wie mancher wünschte nur einen Augenblick Stillstand dem heranprasselnden Feuer, nach der Möglichkeit einer Besinnung_sich umsehend, und er war mit aller seiner Habe schon ergriffen; an der einen Seite brannte, glühte schon, was an der andern noch in finsterer Nacht stand. Hartnäckige Charaktere, willenstarke Menschen widerseßten sich grimmig dem grimmigen Feinde und retteten manches, mit Verlust ihrer Augenbraunen und Haare. Leider nun erneuerte sich vor dem schönen Geiste der Fürstin der wüste Wirrwarr, nun schien der heitere morgendliche Gesichtskreis umnebelt, ihre Augen verdüstert, Wald und Wiese hatten einen wunderbaren bänglichen Unschein.

In das friedliche Thal einreitend, seiner labenden Kühle nicht achtend, waren sie kaum einige Schritte von der lebhaften Quelle des nahen fließenden Baches herab, als die Fürstin ganz unten im Gebüsche des Wiesenthals etwas Seltsames erblickte, das sie alsobald für den Tiger erkannte, heranspringend, wie sie ihn vor kurzem gemalt gesehen, kam er entgegen: und dieses Bild zu den furchtbaren Bildern, die sie so eben beschäftigten, machte den wundersamsten Eindruck. Flicht! gnädige Frau, rief Honorio, flicht! Sie wandte das Pferd um, dem steilen Berg zu, wo sie herabgekommen waren. Der Jüngling aber, dem Unthier entgegen, zog die Pistole und schof, als er sich nahe genug glaubte; leider jedoch war gefehlt, der Tiger sprang seitwärts, das Pferd stußte, das ergrimmte Thier aber verfolgte seinen Weg, aufwärts unz mittelbar der Fürstin_nach. Sie sprengte, was das Pferd vermochte, die steile, steinigte Strecke hinan, kaum fürchtend, daß ein zartes Geschöpf, solcher Anstrengung ungewohnt, sie nicht aushalten werde. Es übernahm sich, von der bedrängten Reiterin angeregt, stich am kleinen Gerölle des Hanges an und wieder an, und stürzte zuleßt nach heftigem Bestreben kraftlos zu Boden. Die schöne Dame, entschlossen und ge= wandt, verfehlte nicht, sich stracks auf ihre Füße zu stellen, auch das Pferd richtete sich auf, aber der Tiger nahte schon, obgleich nicht mit heftiger Schnelle; der ungleiche Boden, die scharfen Steine schienen seinen Antrieb zu hindern und nur daß Honorio unmittelbar hinter ihm herflog, neben ihm ge

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mäßigt heraufritt, schien seine Kraft auf's neue anzuspornen je einen königlichen Tiger so herrlich ausgestreckt im Schlafe und zu reizen. Beide Renner erreichten zugleich den Ort wo die Fürstin am Pferde stand; der Ritter beugte sich herab, schoß und traf mit der zweiten Pistole das Ungeheuer durch den Kopf, daß es sogleich niederstürzte und ausgestreckt in seiner Länge erst recht die Macht und Furchtbarkeit sehen ließ, von der nur noch das Körperliche übrig geblieben dalag. Ho norio war vom Pferde gesprungen und knieete schon auf dem Thiere, dämpfte seine lehten Bewegungen und hielt den gezogenen Hirschfänger in der rechten Hand. Der Jüngling war schön; er war herangesprengt, wie ihn die Fürstin oft im Lanzen- und Ringelspiel gesehen hatte. Eben_so_traf in der Reitbahn seine Kugel im Vorbeisprengen den Türkenkopf auf dem Pfahl, gerade unter dem Turban in die Stirne, eben so spießte er, flüchtig heransprengend, mit dem blanken Säbel das Mohrenhaupt vom Boden auf. In allen solchen Künsten war er gewandt und glücklich, hier kam beides zu Statten.

Gebt ihm den Rest, sagte die Fürstin, ich fürchte er be schädigt Euch noch mit den Krallen. Verzeiht! erwiederte der Jüngling, er ist schon todt genug, und ich mag das Fell nicht verderben, das nächsten Winter auf Eurem Schlitten glänzen foll. Frevelt nicht! sagte die Fürstin; alles was von Frömmigkeit im tiefen Herzen wohnt, entfaltet sich in solchem Augenblick. Auch ich, rief Honorio, war nicht frömmer als jest eben, deßhalb aber denke ich an's Freudigste, ich blicke dieses Fell nur an, wie es Euch zur Lust begleiten kann. — Es würde mich immer an diesen schrecklichen Augen: blick erinnern, verseßte fie. Ist es doch, erwiederte der Jüngling mit glühender Wange, ein unschuldigeres Triumphzeichen, als wenn die Waffen erschlagener Feinde vor dem Sieger her zur Schau getragen werden. Ich werde mich an Eure Kühnheit und Gewandtheit dabei erinnern, und darf nicht hinzusehen, daß Ihr auf meinen Dank und auf die Grade des Fürsten lebenslänglich rechnen könnt. Aber steht auf; schon ist kein Leben mehr im Thiere, bedenken wir das Weitere, vor allen Dingen steht auf! Da ich nun einmal knice, verseßte der Jüngling, da ich mich in einer Stellung befinde, die mir auf jede andere Weise untersagt wäre, so laßt mich bitten, von der Gunst, von der Gnade die Ihr mir zuwendet, in diesem Augenblick versichert zu werden. Ich habe schon so oft Euren hohen Gemahl gebeten um Urlaub und Vergünstigung einer weitern Reise. Wer das Glück hat an Eurer Tafel zu sizen, wen Ihr beehrt Eure Gesellschaft unterhalten zu dürfen, der muß die Welt gesehen haben. Reisende strömen von allen Seiten her, und wenn von einer Stadt, von einem wichtigen Punkte irgend eines Welttheils gesprochen wird, ergeht an den Eurigen jedesmal die Frage, ob er daselbst gewesen sei? Niemanden traut man Verstand zu, als wer das alles gesehen hat; es ist als wenn man sich nur für andere zu unterrichten hätte.

Steht auf! wiederholte die Fürstin, ich möchte nicht gern gegen die Ueberzeugung meines Gemahls irgend etwas wünz schen und bitten, allein wenn ich nicht irre, so ist die Ursache, warum er Euch bisher zurückhielt, bald gehoben. Seine Ab sicht war, Euch zum selbstständigen Edelmann herangereift zu sehen, der sich und ihm auch auswärts Ehre machte, wie bisher am Hofe, und ich dächte Eure That wäre ein so empfehlender Reisepaß, als ein junger Mann in die Welt mitnehmen

fann.

Daß anstatt einer jugendlichen Freude eine gewisse Trauer über sein Gesicht zog, hatte die Fürstin nicht Zeit zu bemer ken, noch er seiner Empfindung Raum zu geben, denn haftig den Berg herauf, einen Knaben an der Hand, kam eine Frau, geradezu auf die Gruppe los, die wir kennen, und kaum war Honorio fich befinnend aufgestanden, als sie sich heulend und schreiend über den Leichnam her warf, und an dieser Handlung, so wie an einer, obgleich reinlich anständigen, doch bunten und seltsamen Kleidung sogleich errathen ließ, sie sei die Meisterin und Wärterin dieses dahin gestreckten Geschöpfes, wie denn der schwarzaugige, schwarzlockige Knabe, der eine Flöte in der Hand hielt, gleich der Mutter weinend, weniger heftig, aber tief gerührt, neben ihr knieete.

Den gewaltsamen Ausbrüchen der Beidenschaft dieses unglücklichen Weibes folgte, zwar unterbrochen, stoßweise, ein Strom von Worten, wie ein Bach sich in Abfäßen von Felsen zu Felsen stürzt. Eine natürliche Sprache, kurz und abge: brochen, machte sich eindringlich und rührend; vergebens würde man fie in unsere Mundarten übersehen wollen; den unge fähren Inhalt dürfen wir nicht verfehlen. Sie haben Dich er mordet, armes Thier! ermordet ohne Noth! Du warst zahm und hättest Dich gern ruhig niedergelassen und auf uns gewar tet; denn Deine Fußballen schmerzten Dich, und Deine Krallen hatten keine Kraft mehr! Die heiße Sonne fehlte Dir, fie zu reifen. Du warst der Schönste Deines Gleichen; wer hat

gesehen, wie Du nun hier liegst, todt um nicht wieder auf: zustehen. Wenn Du des Morgens aufwachtest beim frühen Tagschein und den Rachen aufsperrteft, ausstreckend die rothe Bunge, so schienst du uns zu lächeln, und, wenn schon brüls lend, nahmst du doch spielend Dein Futter aus den Händen einer Frau, von den Fingern eines Kindes! Wie lange be gleiteten wir Dich auf Deinen Fahrten, wie lange war Deine Gesellschaft uns wichtig und fruchtbar! Uns! uns, ganz eigentlich kam die Speise von den Fressern, und füße Labung von den Stärken. So wird es nicht mehr sein! Wehe, wehe! Sie hatte noch nicht ausgeklagt, als über die mittlere pöhe des Bergs am Schlosse heran Reiter_heransprengten, die also bald für das Jagdgefolge des Fürsten erkannt wurden, er selbst voran. Sie hatten, in den hinteren Gebirgen jagend, die Brandwolken aufsteigen sehen und durch Thaler und Schluchten, wie auf gewaltsam hehender Jagd, den geraden Weg nach diesem traurigen Zeichen genommen. Ueber die steiz nige Blöße einherførengend stußten und starrten sie, nun die unerwartete Grappe gewahr werdend, die sich auf der leeren Fläche merkwürdig auszeichnete. Nach dem ersten Erkennen verstummte man, und nach einigem Erholen ward, was der Anblick nicht selbst ergab, mit wenigen Worten erläutert. So stand der Fürst vor dem seltsamen unerhörten Ereignis, einen Kreis umher von Reitern und Nacheilenden zu Fuße. Un= schlüssig war man nicht was zu thun sei; anzuordnen, auszus führen war der Fürst beschäftigt, als ein Mann sich in den Kreis drängte, groß von Gestalt, bunt und wunderlich gekleiz det wie Frau und Kind. Und nun gab die Familie zusam men Schmerz und Ueberraschung zu erkennen. Der Mann aber gefaßt, stand in ehrfurchtsvoller Entfernung vor dem Fürsten und sagte: Es ist nicht Klagenszeit; ach, mein Herr und mächtiger Jäger, auch der Löwe ist los, auch hier nach dem Gebirg ist er hin, aber schont ihn, habt Barmherzigkeit, daß er nicht umkomme, wie dich gute Thier.

Der Löwe? sagte der Fürst, hast du seine Spur? - Sa Herr! Ein Bauer dort unten, der sich ohne Noth auf einen Baum gerettet hatte, wies mich weiter hier links hinauf, aber ich sah den großen Trupp Menschen und Pferde vor mir, neus gierig und hülfsbedürftig eilt' ich hierher. „Also, beors derte der Fürst muß die Jagd sich auf diese Seite zichen; ihr ladet Eure Gewehre, geht fachte zu Werk, es ist kein Unglück, wenn ihr ihn in die tiefen Wälder treibt; aber am Ende, guter Mann, werden wir Euer Geschöpf_nicht_schonen können; warum waret Ihr unvorsichtig genug sie entkommen zu lassen?" - Das Feuer brach aus, verseßte jener, wir hiels ten uns still und gespannt, es verbreitete sich schnell, aber fern von uns, wir hatten Wasser genug zu unserer Bertheis digung, aber ein Pulverschlag flog auf und warf die Brande bis an uns heran, über uns weg; wir übereilten uns und find nun unglückliche Leute.

Noch war der Fürst mit Anordnungen beschäftigt, aber einen Augenblick schien alles zu stocken, als oben vom alten Schloß herab eilig ein Mann heranspringend gesehen ward, den man bald für den angestellten Wächter erkannte, der die Werkstätte des Malers bewachte, indem er darin feine Woh nung nahm und die Arbeiter beaufsichtigte. Er kam außer Athem springend, doch hatte er bald mit wenigen Worten ans gezeigt: oben hinter der höheren Ringmauer habe sich der Löwe im Sonnenschein gelagert, am Fuße einer hundertjähri gen Buche und verhalte sich ganz ruhig. Wergerlich aber schloß der Mann: warum habe ich gestern meine Büchse in die Stadt getragen um sie auspußen zu lassen, er wäre nicht wieder aufgestanden, das Fell wäre doch mein gewesen, und ich hätte mich dessen, wie billig, zeitlebens gebrüstet.

Der Fürst, dem seine militärischen Erfahrungen auch hier zu statten kamen, da er sich wohl schon in Fällen befunden hatte, wo von mehreren Seiten unvermeidliches Uebel her: androhte, sagte hierauf: welche Bürgschaft gebt Ihr mir, daß wenn wir Eures Löwen schonen, er nicht im Lande unter den Meinigen Verderben anrichtet?

Hier diese Frau und dieses Kind, erwiederte der Vater haftig, erbieten sich ihn zu zähmen, ihn ruhig zu erhalten, bis ich den beschlagenen Kasten heraufschaffe, da wir ihn denn unschädlich und unbeschädigt wieder zurückbringen werden.

eint

Der Knabe schien seine Flöte versuchen zu wollen, Instrument von der Art, das man sonst die sanfte, süße Flöte zu nennen pflegte; sie war kurz geschnäbelt wie die Pfeifen; wer es verstand, wußte die anmuthigsten Töne daraus hervorzulocken. Indeß hatte der Fürst den Wärtel gefragt, wie der Löwe hinaufgekommen. Dieser aber versezte: durch den Hohlweg, der, auf beiden Seiten vermauert, von jeher der einzige Zugang war, und der einzige bleiben soll; zwei Fußpfade, die noch hinaufführten, haben wir dergestalt ents stellt, daß Niemand als durch jenen ersten engen Anweg zu

dem Zauberschlosse gelangen könne, wozu es Fürst Friedrichs Hierauf mit Kraft und Erhebung begannen alle Drei: Geist und Geschmack ausbilden will.

Nach einigem Nachdenken, wobei sich der Fürst nach dem Kinde umsah, das immer sanft gleichsam zu präludiren fort: gefahren hatte, wendete er sich zu Honorio und sagte: Du hast heute viel geleistet, vollende das Tagwerk. Besehe den schmalen Weg, haltet Eure Büchsen bereit, aber schießt nicht eher als bis Ihr das Geschöpf nicht sonst zurückscheuchen könnt; allenfalls macht ein Feuer an, vor dem er sich fürchtet, wenn er herunter will. Mann und Frau möge für das Uebrige stehen. Eilig schickte Honorio sich an, die Befehle zu

vollführen.

Das Kind verfolgte seine Melodie, die keine war, eine Tonfolge ohne Gesch, und vielleicht eben deswegen so herzers greifend; die Umstehenden schienen wie bezaubert von der Be: wegung einer liederartigen Weise, als der Vater mit verständis gem Enthusiasmus zu reden anfing und fortfuhr :

Gott hat dem Fürften Weisheit gegeben, und zugleich die Erkenntniß, daß alle Gotteswerke weise sind, jedes nach seiner Art. Seht den Felsen wie er fest steht und sich nicht rührt, der Witterung frost und dem Sonnenschein; uralte Bäume zieren sein Haupt und so gekrönt schaut er weit umher; stürzt aber ein Theil herunter, so will es nicht bleib.n was es war, es fällt zertrümmert in viele Stücke und bedeckt die Seite des Banges. Aber auch da wollen sie nicht verharren, muthwillig seringen sie tief hinab, der Bach nimmt sie auf, zum Flusse trägt er sie. Nicht widerstehend, nicht widerspenstig, edig, nein, glatt und abgerundet gewinnen sie schneller ihren Weg und gelangen von Fluß zu Fluß, endlich zum Ocean, wo die Riefen in Schaaren daher ziehen und in der Tiefe die Zwerge wimmeln.

Doch wer preis't den Ruhm des Herrn, den die Sterne loben von Ewigkeit zu Ewigkeit? Warum seht ihr aber im Reinen umber ? betrachtet hier die Biene, noch fpät im Serbt sammelt sie emfig und baut sich ein Haus, winkel- und wage recht, als Meister und Geselle; schaut die Ameise da! sie kennt ihren Beg und verliert ihn nicht, sie baut sich eine Wohnung aus Grachalmen, Erdbröslein und Kiefernadeln, fie baut es in die Höhe und wölbet es zu; aber sie hat umsonst gearbeitet, denn das Pferd stampft und scharrt alles auseinander; seht hin! es zertritt ihre Balken und zerstreut ihre Planken, ungeduldig fenaubt es und kann nicht rasten; denn der Herr bat das Roß zum Gesellen des Windes gemacht und zum Ge fährten des Sturms, daß es den Mann dahin trage, wohin at will und die Frau wohin sie begehrt. Aber im Palmen wald trat er auf, der Löwe, ernsten Schrittes durchzog er die Büste, dort herrscht er über alles Gethier und nichts wider: steht ihm. Doch der Mensch weiß ihn zu zähmen und das grausamste der Geschöpfe hat Ehrfurcht vor dem Ebenbilde Gottes, wornach auch die Engel gemacht sind, die dem Herrn tienen und seinen Dienern. Denn in der Löwengrube scheute b Daniel nicht; er blieb fest und getroft, und das wilde Brüllen unterbrach nicht seinen frommen Gesang.

Diese mit dem Ausdruck eines natürlichen Enthusiasmus gehaltene Rede begleitete das Kind hie und da mit anmuthi gen Tönen; als aber der Vater geendigt hatte, fing es mit tener Kehle, heller Stimme und geschickten Läufen zu into miren an, worauf der Vater die Flöte ergriff, im Einklang sich hören ließ, das Kind aber fang:

Aus den Gruben, hier im Graben,
Hör' ich des Propheten Sang;
Engel schwebten ihn zu laben,

Wäre da dem Guten bang?

Löw' und Löwin, hin und wieder,
Schmiegen fich um ihn heran;

Ja, die sanften frommen Lieder
Haben's ihnen angethan!

Der Vater fuhr fort die Strophe mit der Flöte zu begleiten, Mutter trat hie und da als zweite Stimme mit ein. Eindringlich aber ganz besonders war, daß das Kind die Belen der Strophe nunmehr zu anderer Ordnung durcheinterschob, und dadurch, wo nicht einen neuen Sinn hervor: rante, doch das Gefühl in und durch sich selbst aufregend

#chte.

Engel schweben auf und nieder
Uns in Tönen zu erlaben,
Welch ein himmlischer Gesang!
In den Gruben, in dem Graben
Wäre da dem Kinde bang?
Diese sanften frommen Lieder
Lassen Unglück nicht heran:
Engel schweben hin und wieder
Und so ist es schon gethan.

Denn der Ewige herrscht auf Erden,
Ueber Meere herrscht sein Blick;
Löwen sollen Lämmer werden,
Und die Welle schwankt zurück.
Blankes Schwert erstarrt im Hiebe;
Glaub' und Hoffnung sind erfüut;
Wunderthätig ist die Liebe,

Die fich im Gebet enthüllt.

Alles war still, hörte, horchte und nur erst als die Löne

verhalten, fonnte man den Eindruck bemerken und allenfalls beobachten. Alles war wie beschwichtigt; jeder in seiner Art gerührt. Der Fürst, als wenn er erst jezt das Unheil übersähe, das ihn vor kurzem bedroht hatte, blickte nieder auf seine Gemahlin, die, an ihn gelehnt, sich nicht versagte das gestickte Tüchlein hervorzuziehen und die Augen damit zu be= decken. Es that ihr wohl, die jugendliche Brust von dem Druck erleichtert zu fühlen, mit dem die vorhergehenden Minuten sie belaster hatten. Eine vollkommene Stille beherrschte die Menge, man schien die Gefahren vergessen zu haben, unten den Brand und von oben das Erstehen eines bedenklich ruhenden Löwen.

Durch einen Wink, die Pferde näher herbei zu führen, brachte der Fürst zuerst wieder in die Gruppe Bewegung, dann wendete er sich zu dem Weibe und sagte: Ihr glaubt also, daß Ihr den entsprungenen Löwen, wo Ihr ihn antrefft, durch Euren Gesang, durch den Gesang dieses Kindes, mit Hülfe dieser Flötentöne beschwichtigen und ihn sodann unschädlich, so wie unbeschädigt in seinen Verschluß wieder zurückbringen könntet? Sie bejahten es, versichernd und betheuernd; der Castellan wurde ihnen als Wegweiser zugegeben. Mun entfernte der Fürst mit Wenigen sich eiligst, die Fürstin folgte langfamer mit dem übrigen Sefolge; Mutter abet und Sohn stiegen, von dem Wärtel, der sich eines Gewehrs bemächtigt hatte, steiler gegen den Berg hinan.

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Vor dem Eintritt in den Hohlweg, der den Zugang zu dem Schloß eröffnete, fanden sie die Jäger beschäftigt dürres Reißig zu häufen, damit sie auf jeden Fall ein großes Feuer anzünden könnten. Es ist nicht Noth, sagte die Frau, es wird ohne das alles in Güte geschehen. Weiter hin, auf einem Mauerstücke fißend, erblickten fie Honorio, seine Doppelbüchse in den Schoos gelegt, auf einem Posten als wie zu jedem Ereigniß gefaßt. Aber die Herankomenden schien er kaum zu bemerken, er faß wie in tiefen Gedanken versunken, er sah umber wie zerstreut. Die Frau sprach ihn an mit der Bitte, das Feuer nicht anzünden zu lassen, er schien jedoch ihrer Rede wenig Aufmerksamkeit zu schenken; sie redete lebhaft fort und rief:,,Schöner junger Mann, Du hast meinen Tiger erschlagen, ich fluche Dir nicht, schone meinen Löwen, guter junger Mann, ich_segne_Dich.“

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Honorio schaute gerad vor sich hin, dorthin wo die Sonne auf ihrer Bahn sich zu senken begann Du schaust nach Abend, rief die Frau, Du thust wohl daran, dort gibt's viel zu thun; eile nur, säume nicht, Du wirst überwinden. Über zuerst überwinde Dich selbst. Hierauf schien er zu lächeln, die Frau stieg weiter, konnte sich aber nicht enthalten nach dem Zurückbleibenden nochmals umsublicen; eine röthliche Sonne überschien sein Gesicht, fie glaubte nie einen schönern Jüngling gesehen zu haben.

Wenn Euer Kind, sagte nunmehr der Wärtel, flötend und singend, wie Ihr überzeugt seyd, den Löwen anlocken und beruhigen kann, so werden wir uns desselben sehr leicht bes meistern, da sich das gewaltige Thier ganz nah an die durchs brochenen Gewölbe hingelagert hat, durch die wir, da das Hauptthor verschüttet ist, einen Eingang in den_Schloßhof ge= wonnen haben. Lockt ihn das Kind hinein, so kann ich die Deffnung mit leichter Mühe schließen, und der Knabe, wenn es ihm gut daucht, durch eine der kleinen Wendeltreppen, die uns verbergen, aber ich werde mich so stellen, daß meine er in der Ede sieht, dem Thiere entschlüpfen. Wir wollen Kugel jeden Augenblick dem Kinde zu pülfe kommen kann.

Die Umstände sind alle nicht nöthig, Gott und_Kunst, Frömmigkeit und Glück müssen das Beste thun. Es sei, verich Euch durch einen beschwerlichen Stieg auf das Gemauer sezte der Wärtel, aber ich kenne meine Pflichten. Erst führ' hinauf, gerade dem Eingang gegenüber, den ich erwähnt habe, das Kind mag hinabsteigen, gleichsam in die Arena des Schauspiels und das besänftigte Thier dort hereinlocken. Das geschah; Wärtel und Mutter sahen versteckt von oben herab, wie das Kind die Wendeltreppen hinunter in dem klaren Hofraum fich zeigte, und in der düßtern Oeffnung gegenüber verz schwand, aber sogleich seinen Flötenton hören ließ, der sich nach und nach verlor und endlich verstummte. Die Pause war ahnungsvoll genug, den alten mit Gefahr bekannten Jäger beengte der seltene menschliche Fall. Er sagte sich, daß

er lieber persönlich dem gefährlichen Thiere entgegen ginge; die Mutter jedoch, mit heiterem Gesicht, übergebogen horchend, ließ nicht die mindeste Unruhe bemerken.

Endlich hörte man die Flöte wieder, das Kind trat aus der Höhle hervor mit glänzend befriedigten Augen, der Löwe hinter ihm drein, aber langsam und wie es schien mit einiger Beschwerde. Er zeigte hie und da Lust sich niederzulegen, doch der Knabe führte ihn im Halbkreise durch die wenig entblät: terten, buntbelaubten Bäume, bis er sich endlich in den leh ten Strahlen der Sonne, die sie durch eine Ruinenlücke her: einsandte, wie verklärt niedersehte und sein beschwichtigendes Lied abermals begann, dessen Wiederholung wir uns auch nicht entziehen können.

Aus den Gruben, hier im Graben,
Hör' ich des Propheten Sang;
Engel schweben ihn zu laben,
Wäre da dem Guten bang?

Löw' und Löwin hin und wieder,
Schmiegen sich um ihn heran;

Ja, die sanften frommen Lieder

Haben's ihnen angethan.

Indessen hatte sich der Löwe ganz knapp an das Kind hingelegt und ihm die schwere rechte Vordertage auf den Schoos gehoben, die der Knabe fortfingend anmuthig streichelte, aber gar bald bemerkte, daß ein scharfer Dornzweig zwischen die Ballen eingestochen war. Sorgfältig zog er die verlegende Spige hervor, nahm lächelnd sein bundseidenes Halstuch vom Nacken, und verband die gräuliche Tähe des Unthiers, so daß die Mutter sich vor Freuden mit ausgeStreckten Armen zurückbog und vielleicht angewohnterweise Beifall gerufen und geklatscht hätte, wäre sie nicht durch einen derben Faustgriff des Wärtels erinnert worden, daß die Gefahr nicht vorüber sei.

Glorreich sang das Kind weiter, nachdem es mit weni gen Tönen vorgespielt hatte:

Denn der. Ew'ge herrscht auf Erden,
Ueber Meere herrscht sein Blick;

Löwen sollen Lämmer werden,

Und die Welle schwankt zurück.

Blankes Schwert erstarrt im Hiebe,
Glaub' und Hoffnung sind erfüllt;
Wunderthätig ist die Liebe,

Die fich im Gebet enthüllt.

Ist es möglich zu denken, daß man in den Zügen eines so grimmigen Geschöpfes, des Tyrannen der Wälder, des Despoten des Thierreiches einen Ausdruck von Freundlich keit, von dankbarer Zufriedenheit habe spüren können, so geschah es hier, und wirklich sah das Kind in seiner Verklärung aus wie ein mächtiger siegreicher Ueberwinder, jener zwar nicht wie der Ueberwundene, denn seine Kraft blieb in ihm verborgen, aber doch wie der Gezähmte, wie der dem eigenen friedlichen Willen Unheimgegebene. Das Kind flötete und sang so weiter, nach seiner Urt die Zeilen verschränkend und neue hinzufügend:

Und so geht mit guten Kindern
Sel'ger Engel gern zu Rath,
Böses Wollen zu verhindern,
Zu befördern schöne That.
So beschwören, fest zu bannen
Lieben Sohn an's zarte Knie,
Ihn, des Waldes Hochtyrannen,
Frommer Sinn und Melodie.

Aus Wilhelm Meisters Wanderjahren.
Erstes Capitel.

Die Flucht nach Wegypten.

Im Schatten eines mächtigen Felsen saß Wilhelm an grauser, bedeutender Stelle, wo sich der steile Gebirgsweg um eine Ecke herum schnell nach der Tiefe wendete. Die Sonne stand noch hoch und erleuchtete die Gipfel der Fichten in den Felsengründen zu seinen Füßen. Er bemerkte eben etwas in seine Schreibtafel, als Felir, der umhergeklettert war, mit einem Stein in der Hand zu ihm kam. " ,Wie nennt man diesen Stein?" sagte der Knabe.

,,Ich weiß nicht," versezte Wilhelm.

Ist das wohl Gold, was darin so glänzt?" sagte jener. "Es ist kein's! verschte dieser: und ich erinnere mich, daß es die Leute Kaşengold nennen.“

,,Rasengold! sagte der Knabe lächelnd: und warum?" Wahrscheinlich weil es falsch ist und man die Kazen auch für falsch hält.“

"

Das will ich mir merken," sagte der Sohn, und steckte den Stein in die lederne Reisetasche, brachte jedoch sogleich etwas anderes hervor und fragte:,,was ist das?" Eine Frucht, versehte der Vater, und nach den Schuppen zu urtheilen, sollte sie mit den Tannenzapfen verwandt seyn. —,,Das sieht nicht aus wie ein Zapfen, es ist ja rund", -,,Wir wollen den Jäger fragen; die kennen den ganzen Wald und alle Früchte, wissen zu säen, zu pflanzen und zu warten, dann lassen fie die Stämme wachsen und groß werden wie sie können". ,,Die Jäger wissen alles; gestern zeigte mir der Bote, wie ein Hirsch über den Weg gegangen sey, er rief mich zurück und ließ mich die Fährte bemerken, wie er es nannte; ich war darüber weggesprungen, nun aber sah ich deutlich ein Paar Klauen eingedrückt; es mag ein großer Hirsch gewesen seyn“.— ,,Ich hörte wohl wie du den Boten ausfragtest." -,,Der wußte viel und ist doch kein Jäger. Ich aber will ein Jäger werden. Es ist gar zu schön den ganzen Tag im Walde zu seyn und die Vögel zu hören, zu wissen wie sie heißen, wo ihre Nester sind, wie man die Eier aushebt oder die Jungen; wie man sie füttert und wenn man die Alten fängt; das ist gar zu lustig.“

Kaum war dieses gesprochen, so zeigte sich den schroffen Weg herab eine sonderbare Erscheinung. Zwei Knaben, schon wie der Tag, in farbigen Jäckchen, die 'man eher für aufge bundene Hemdchen gehalten hätte, sprangen einer nach dem andein herunter, und Wilhelm fand Gelegenheit sie näher zu betrachten, als sie vor ihm stußten und einen Augenblick still hielten. Um des Ueltesten Haupt bewegten sich reiche blonde Locken, auf welche man zuerst blicken mußte, wenn man ihn sah, und dann zogen seine klar-blauen Augen den Blick an sich, der sich mit Gefallen über seine schöne Gestalt verlor. Det zweyte, mehr einen Freund als einen Bruder vorstellend, war mit braunen und schlichten Haaren geziert, die ihm über die Schultern herabhingen, und wovon der Widerschein sich in seinen Augen zu spiegeln schien.

Wilhelm hatte nicht Zeit diese beiden sonderbaren und in der Bildniß ganz unerwarteten Wesen näher zu betrachten, indem er eine männliche Stimme vernahm, welche um die Felsecke herum ernst aber freundlich herabrief: „Warum sicht ihr stille? versperrt uns den Weg nicht!"

Wilhelm sah aufwärts und, hatten ihn die Kinder in Verwunderung gefest, so erfüllte ihn das, was ihm jest zu Augen kam, mit Erstaunen. Ein derber, tüchtiger, nicht allzus großer junger Mann, leicht geschürzt, von brauner Haut und schwarzen Haaren, trat kräftig und sorgfältig den Felsweg herab, indem er hinter sich einen Esel führte, der erst sein wohlgenährtes und wohlgepustes Haupt zeigte, dann aber, die schöne Last, die er trug, fehen ließ. Ein sanftes, liebenss würdiges Weib saß auf einem großen, wohlbeschlagenen Sattel; in einem blauen Mantel, der sie umgab, hielt sie ein Wochenkind, das sie an ihre Brust drückte und mit unbeschreiblicher Lieblichkeit betrachtete. Dem Führer ging's wie den Kindern: er stußte einen Augenblick, als er Wilhelm erblickte. Das Thier verzögerte seinen Schritt, aber der Abstieg war zu jah, Vorüberziehenden konnten nicht anhalten und Wilhelm sah sie mit Verwunderung hinter der vorstehenden Felswand vers schwinden.

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Nichts war natürlicher, als daß ihn dieses seltsame Gesicht aus seinen Betrachtungen riß. Neugierig stand er auf und blickte von seiner Stelle nach der Tiefe hin, ob er sie nicht irgend wieder hervorkommen sähe. Und eben war er im Be griff hinabzusteigen und diese sonderbaren Wandrer zu begrü Ben, als Felir heraufkam und sagte:,,Vater, darf ich nicht mit diesen Kindern in ihr Haus? Sie wollen mich mitnehmen. Du sollst auch mitgehen, hat der Mann zu mir gesagt. Komm! dort unten halten sie.“

,,Ich will mit ihnen reden," versezte Wilhelm.

Er fand fie auf einer Stelle, wo der Weg weniger abs hängig war, und verschlang mit den Augen die wunderlichen Bilder, die seine Aufmerksamkeit so sehr an sich gezogen hatten. Erst jest war es ihm möglich, noch einen und den andern besondern Umstand zu bemerken. Der junge rüstige Mann hatte wirklich eine Polirart auf der Schulter und ein langes schwankes eisernes Winkelmaß. Die Kinder trugen grose Schilfbüschel, als wenn es Palmen wären; und wenn sie von dieser Seite den Engeln glichen, so schleppten sie auch wieder kleine Körbchen mit Efwaaren und glichen dadurch den täge lichen Boten, wie sie über das Gebirg hin- und herzugehen pflegen. Auch hatte die Mutter, als er sie näher betrachtete, unter dem blauen Mantel ein röthliches, zartgefärbtes Unters kleid, so daß unser Freund die Flucht nach Aegypten, die er

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