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Vom historischen Plan und der darauf sich gründenden Zusammenfügung der Erzählungen.

Daß eine Nation, die ihren Geschmack verbessern will, die guten Muster der Alten zuerst studieren und nachahmen müsse, alsdann aber erst etwas Eigenes mit Zuversicht wagen könne, ist eine alte und bekante Erfahrung; und wir leben in Zeiten, da man die Wirkungen hievon auch unter uns in Teutschland wahrnimmt. Ich würde mich an meiner Nation versündigen, wenn ich damit soviel sagen wollte, daß der deutsche Geschmack erst in unsern Tagen sich vortheilhaft zn zeigen angefangen habe. Keine, mit unserer Literatur bekante ausländische Naz tion, folte es auch die immer sich selbst nur schähende Französische seyn, kan, ohne durch die Sache selbst beschämt zu werden, läugnen, daß sie nicht, seit der Wiederherstellung der Wissenschaften, von Zeit zu Zeit in Schriften der Teutschen Unterricht und Vergnügen gefunden. Allein diese Werke von Teutschen, die den Ausländern mit Rechten gefallen, kön nen wir uns, als Teutsche betrachtet, nicht zueignen, da sie in einer Sprache geschrieben sind, die nicht die unsrige ist. Wenn ich also behaupte, daß man jest auch unter uns deutliche Merkmale von dem vortheilhaften Umgange mit den Alten finde, so fieht man leicht, daß ich von Schriftstellern rede, die sich über das Vorurtheil unserer Väter erhoben haben,,,man müsse, wenn man einen zu guten Geschmack hätte, um Besianisch schreiben zu wollen, Lateinisch schreiben, und alsdann erst Beyfall der Welt und Unsterblichkeit sicher hoffen.“

Die Dichtkunst hat unter uns bereits einen solchen Grad der Bollkommenheit erreicht, daß man uns nicht leicht einen grossen Dichter unter den Griechen und Römern wird nennen können, der nicht an einem unserer Dichter einen kühnen Nes benbuhler, oder auch völlig seines Gleichen, und an einem und dem andern vielleicht noch etwas mehr, als seines Gleichen, gefunden hat.

Aber auch fast nur die Dichtkunst allein ist es, die von unserer Nation in der Muttersprache vortheilhaft bearbeitet worden: wenigstens ist die Muse, die der Geschichte vorstehet, un fern teutschen Genies noch nicht sonderlich günstig gewesen. Erst in unsern Tagen fängt man an zu glauben, daß es wol auch gut wäre, in der Muttersprache Geschichtbücher zu besihen, die auf das Lob der Alten Ansprüche machen, und die Vorwürfe der ausländischen Neuen durch die That selbst widerlegen könten. Vielleicht ist jeht auch die rechte Zeit vorhanden, ein so schönes und rühmliches Vorhaben mit glücklichem Erfolge auszuführen. Die Historie, die, so lang fie unter den Menschen bekant ist, immer gern ihre Schwester, die Dichtkunst, voran gehen läßt, aber auch sogleich nach ihr den Rang zu behaupten pflegt, die Historie, sage ich, findet jezt unter uns eine durch die Dichter geöfnete Laufbahn vor sich, eine ausgebesserte und erweiterte Sprache, und einen an die Muster der Alten gewönten Geschmack. Es kömt nur darauf an, daß man die jüngere Schwes fter nicht voit dem Wege der ältern abweichen lasse, oder viel mehr sie nur nicht verführe, daß sie selbst, wenn es auf sie ankömt, den Fußtapfen derselben gerne folgt.

Im historischen Plan, denn es ist Zeit, daß ich den Gegenstand anzeige, womit ich meine Leser unterhalten will, in dem historischen Plan also, und in der darauf sich gründenden Busammenfügung der Erzählungen sind die alten Geschichtschreiber, wie mich dunkt, noch immer, wo nicht allen, doch den meisten Neuern überlegen; ungeachtet es eben nicht schwer zu sein scheint, die Alten in diesem Stücke nicht nur einzuholen, fondern sogar zu übertreffen. Un sich zwar betrachtet, ist die Stellung und Zusammenfügung der Erzählungen eine der schwer ften Urbeiten des Geschichtschreibers, zumal des neuen, und am meisten desjenigen, der die Universalhistorie schreiben will, zu einer Zeit, da der Erdboden viel bekanter, und folglich die Unzahl der Nationen, deren Geschichte und Verfassung erzählet zu werden verdient, ungleich größer ist, als in den Tagen cines Herodots, oder auch eines Polybs und Trogus. Ein Geschichte schreiber, der zu unsern Zeiten die Universalhistorie schreiben will,

hat, wenn er noch dazu ein Christ ist, eben darum, weil er ein Christe ist, zwar dieses für allen Geschichtschreibern unter den Alten voraus, daß er seine Erzählung von Erschaffung der Welt an bis auf die neuesten Zeiten mit Zuverlässigkeit fortführen, und selbst in der alten Zeit Nationen beschreiben kan, deren Geschichte den Griechen und Römern entweder gar nicht, oder richt hinlänglich bekant war: er ist aber auch zu endlich größern Umfange, als der Alten ihrer war, auszufüh der herculischen Arbeit verpflichtet, einen Plan von einem unren, und unzähliche Reihen und Folgen von Merkwürdigkeiten zu verbinden. Gleichwol wird auch ein solcher christlicher Verz fasser einer allgemeinen Geschichte zu unsern Zeiten, keine vergebliche Arbeit, wie mich dünkt, unternehmen, wenn er die Kunst der Alten, Erzählungen zu stellen und unter einander zu verbinden, oder die größern und kleinern. Theile eines weitLäuftigen Ganzen geschickt zu ordnen und zusammen zu fügen, ausstudiert, und sich auf alle Weise zu Nuze zu machen sucht. Um über den Plan der alten Geschichtschreiber vernünftig urtheilen zu können, muß ich meine Leser bitten, mit mir bis in die Zeiten der Kindheit der Geschichte hinauf zu steigen. Wir sinden Anfangs keinen Unterschied zwischen Dichtkunst und Historie. Die lehtere täuscht uns immer unter der Gestalt ih rer Schwester, der Dichtkunst, oder vielmehr sie wird, da fie selbst noch nicht gebohren ist, von ihrer Schwester eine Zeitlang vertreten. In der Folgezeit kömt die Historie zwar zum Vorschein, nnd man findet sie von der Dichtkunst unterschieden: allein die Geschichtschreiber lassen doch noch immer aus einigen Merkmalen die Verschwisterung ihrer Göttin mit der Poesie ers kennen.

Warum schrieb man cher in Versen, als in Prosa? So fragt man in der*) Literärgeschichte. Eine wunderliche Frage, bey der man nicht bedenkt, daß die poetische, das ist, eine worts arme und bilderreiche Sprache die erste Sprache der Welt war, die jederman im gemeinen Leben redte, bis mit der Zeit einige Mationen zu einem solchen Reichthum an eigentlichen und unverblühmten Worten und Redensarten gelangten, daß sich unter ihnen eine prosaische Sprache von selbst nach und nach bilden konte, da denn die Bildersprache ein besonderes Eigenthum, ein Reservat, der Dichter worden ist, ungefähr auf eben die Art, wie die Priester, sonderlich in Egypten, die Bilderschrift, die zuerst die einzige Schrift des gemeinen Lebens gewesen ist, nach der erfundenen Buchstabenschrift sich als eine geheime Schrift, die man seitdem die Hieroglyphische nennet, zugeeignet haben. Dieses vorausgeseßt, daß Anfangs unter den Menschen alles, was man redte, oder auch schrieb, poetisch geredet und geschrieben worden ist; so wird man sich nicht mehr verwundern, wenn man unter allen Himmelsstrichen Nationen findet, die den Nachkommen nicht nur Religion und Sitten und Gesche, sondern auch Geschichten, die Werke und Thaten der Gottheit, und die Unternehmungen und Verdienste grosser Leute vorgefungen haben, und zum Theil noch vorsingen: denn unausges bildeten Nationen sind unsere aufgeklärte Zeiten noch immer erste und alte Zeiten.

Die älteste Art der Jahrbücher bestand also überhaupt in solchen Gesängen, dergleichen Tacitus unter den Leutschen ges funden, Karl der Große gesamlet, und das unglückliche Mittelalter wieder verloren hat, oder, welches einerley ist, der histos rische Stoff ward zuerst unter den Nationen von Leuten bear beitet, die ungefähr eben so redeten und schrieben, wie diejeni gen reden und schreiben, die wir im eigentlichen Verstande Dichter zu nennen pflegen.

Man muß aber, um sich von den historischen Liedern der ersten Zeiten einen rechten Begriff zu machen, außer der wortarmen und bilderreichen Sprache noch alle übrige Umstände, in welchen sich die Sänger befanden, hinzudenken. Die zuerst an= gebauten Länder und deren natürliche Beschaffenheit und Producte, die Verpflanzung so wie der ersten Keime von allem menschlichen Wissen, also auch des Geschmacks in historischen Liedern aus dem Oriente, in die übrigen Länder des Erdbodens, die politische und häusliche Verfassung der ersten Welt, die Menge noch unerhörter Verdienste in eben jezt erst entstandenen und aus der Zerstreuung gefamleten Nationen, ja das Anschauen der grossen Leute selbst, und die durch alle diese und mehr anz dere Dinge erhiste Einbildungskraft: alles dieses muß mit in die Rechnung gebracht, und zuleht auch dieses nicht vergessen werden, daß die poetische Sprache des gemeinen Lebens noch politischer, das ist, bilderreicher gesungen, als geredet, worden, so wie gute prosaische Schriftsteller unter allen gesitteten Völkern zwar immer die prosaische Sprache des Umgangs, aber etwas veredelt, besser geordnet und verbunden in Schriften zu ge= brauchen pflegen.

: *) Siehe des sel. D. Heumanns Conspectum Reipublicae literariae, Cap. III. §. 21.

Wer dieses erwägt, den wird es nicht befremden, wenn er die historischen Lieder mit bildlichen Ausdrücken und allegorischen Borstellungen, die dem besungenen Gegenstande niemals genau angemessen waren, erfüllt fiehet. Eine Menge von Nationen verlor bei dieser sonderbaren Urt des historischen Fleisses ihre erste Geschichte, bis endlich allerley günstige Umstände den Unter schied zwischen poetischen und historischen Wahrheiten unter ei nigen Völkern kenntbar und beliebt machten. Nun lernte man auch, daß die Dichtkunst und Historie zwar Schwestern, aber gleichwol so verschieden wären, daß man die eine von der andern unterscheiden könte und müste.

Meine Absicht erlaubt mir nicht, mich über diesen anges nehmen Gegenstand weiter auszubreiten. Vielleicht hält man das, was ich mehr berührt, als gesagt habe, schon für eine Auss schweifung. Ich kan zu meiner Entschuldigung nichts anführen, als dieses, daß ich geglaubt habe, man könne sich von dem historischen Plane der Alten keinen vollständigen Begriff" ma= chen, wenn man nicht vorausseßt, daß Dichtkunst und Historie Anfangs nur ein Ding gewesen, endlich aber beyde zwar von einander unterschieden worden, doch so, daß man immer, wenn man eine Geschichte schrieb, dieselbe nach den Regeln der Gedichte bearbeitete, und den Unterschied zwischen beyden meist nur in der Art der Gegenstände sehte. Insonderheit haben die alten Geschichtschreiber ihren Plan fast eben so, wie die Dichter, angeordnet und je älter die Geschichtschreiber find, desto mehr beweisen fie die genaue Verwandtschaft der Dichtkunst und Histos tie. Man mag es nun Episoden, oder Einschaltungen, oder wie man sonst will, heissen, die Alten bedienten sich dieses Kunstgriffes, gleichzeitige Nationen und Begebenheiten zu verbinden: fie legten eine merkwürdige Nation zum Grunde, und schoben in die Geschichte derselben an bequemen Orten die Geschichte anderer Nationen bald ganz, bald stückweise hinein, und brach ten dadurch ein wunderbares Ganze aus unzähligen grossen und

kleinen Stücken heraus.

Ich wünsche, daß dieses jemand, der Geschicklichkeit genug dazu hat, durch das Berspiel des Plans Mofis, des ältesten Geschichtsschreibers, beweisen möge; durch das Beyspiel Hero dots, des Vaters der Geschichte unter den Griechen, werde ich es in der Folge dieses Werks selbst zu beweisen suchen. Viel leicht finde ich Gelegenheit, mit der Zeit auch von dem Plan anderer Alten zu reden, und von diesen auf die Neuern überzugehen. Man kan dergleichen Plane als Beylagen oder Documente zu der gegenwärtigen Abhandlung ansehen. ́

Jest will ich, um nachdenkende Personen an eines der wichtigsten Hauptstücke der historischen Kunst zu erinnern, dass jenige etwas umständlich ausführen, was mir unter dem Lesen der alten und neuen Geschichtschreiber, in Ansehung des histos tischen Plans, und der darauf sich gründenden Zusammenfüz gung der Erzählungen bergefallen ist.

Wenn der Geschichtschreiber die mühsame Samlung des historischen Stoffs zu einem Berke vollendet, und aus diesem Chaos das Merkwürdige ausgelesen hat; denn unnüße Dinge wird man allemal noch wegzuwerfen finden, wenn man gleich schon bey der Samlung des Stoffe nur auf erhebliche und des Andenkens der Menschen würdige Dinge aufmerksam ges wesen zu seyn vermeynet; wenn also die Sammlung und Auswahl der Materialien geschehen ist, alsdann ist es Zeit, an den Flan zu denken, nach welchem alle große und kleine Stücke, woraus das Gebäude aufgeführet werden soll, am schicklichsten in Ordnung gebracht werden können, so daß man, nach der Bellendung des Werks, ohne Mühe begreifen kan, warum ein Stück der Materialien eben hieher, und nicht an einen andern Ett gesezt worden ist. Dies ist die erste Arbeit des Geschicht: schreibers nach der Samlung und Ausmusterung des Stoffs, man mag fie nun die Stellung, oder die Unordnung, oder auch die Anlage der Erzählungen heissen.

ich über die verschiedenen Arten der Geschichte einige Betrach tungen anstellen.

Man handelt nicht übel, ja man ist dazu durch das Ansehen und Beyspiel der Alten selbst berechtiget, wenn man die verschiedenen Schicksale der Religion, die abwechselnden Fortgänge und Hindernisse der menschlichen Erkentnis in den Wissenschaften und Künsten, und die Gaben und Veränderungen der Natur unter allen Himmelsstrichen, in besondern Werken beschreibt, um sie desto sorgfältiger und wichtiger beschreiben zu können. Denn so weit fühlt sich doch wohl ein jeder selbst, daß er eine umständliche, und in allen einzelnen Stücken durch eigene Untersuchungen geprüfte Nachricht von allen diesen Dingen nicht von dem Leben und den Einsichten eines einzigen Verfassers erwartet, noch auch die Merkwürdigkeiten des ganzen Erdbodens, und aller ihn bewohnenden Nationen, in den Grenzen eines einzigen Werks eingeschlossen zu finden glaubt. Aber das wird schwerlich ein Kenner der Sache zu rechtfertigen unternehmen, daß man diese, aus der allgemeinen Ge schichte der Völker losgerissene und mit vorzüglichem Fleiß bears beitete Stücke fast immer so angesehen hat, als wenn sie einer eigenen Völker- oder Staatsgeschichte entgegen gesezt werden könten. Denn was bleibt wol noch dem Verfasser einer Staats= geschichte übrig, wenn er nichts von Religionssachen, nichts von der Lage, der natürlichen Beschaffenheit und den Producten der Länder, und der daraus zu beurtheilenden Emsigkeit, Handlung und Macht der Nationen, nichts endlich von den Künsten und Wissenschaften derselben sagen darf? Soll es etwa ein chronologisches Verzeichniß der Regenten seyn, das allenfals noch mit einigen, entweder unerheblichen, oder in eine BiograPhie gehörigen Lebensumständen durchwebt, oder mit Erzählungen von Einzügen, Geburts,-Krönungs-, Vermählungs-, Begräbniß- Feierlichkeiten, oder wie die artigen Staatsceremonien alle heissen, aufgepust, oder mit den gewöhnlichen Hof- und Liebesz ränken erbaulich unterbrochen, oder durch Beschreibungen von Kriegen und Schlachten schröcklich gemacht, oder mit andern Nachrichten angefüllet ist, die entweder ohne die losgerissenen Stücke nicht verstanden und beurtheilet werden können, oder dem grösten Theile nach gar nicht in die grosse Historie gehö ren, sondern in derselben mehr berührt, als beschrieben werden sollen? Bu einer solchen Staatsgeschichte, die der ReligionsLiterár: Natur und Kunstgeschichte entgegen gesezt, und von denen, zu diesen lehtern gerechneten Begebenheiten entblösset ist, wird man unter den Alten kein Muster finden. Sie ist ein blosses Hirngespinst der neuern Zeiten. Ich weis wohl, was man mir dagegen, aus Liebe zur neuen Mode, einwenden kan; allein bey einer unparthenischen, allenfals auch nur auf eine mittelmäßige Kentnis sich gründenden Beurtheilung der Sache wird man bemerken können, daß man nur um Worte streiten würde, wenn man das Gegentheil zu behaupten sich das Ansehen geiben wolte. Es giebt also, eigentlich zu reden, nur eine Histor e, die Völkergeschichte, und diese kan entweder alle bekante Nationen, oder einige derselben, oder auch nur eine einzige betreffen. Von dieser Seite allein betrachtet, läßt sich die Historie in die allgemeine, besondere und ganz besondere eintheilen. Wenn man sich bey diesen 3. Hauptarten der Völkergeschichte entweder nur auf einen gewissen Zeitraum, oder auf eine gewisse Classe von Merkwürdigkeiten einschränket; so ents stehen daraus verschiedene Specialtheile der allgemeinen, besondern und ganz besondern Historie: 3. E. die allgemeine Geschichte eines oder mehrerer Jahrhunderte, die besondere Geschichte von Europa, oder von Afien, von Afrika, von America, die neuere Geschichte von Teutschland; eine allgemeine, besondere, oder ganz besondere Religionsgeschichte, oder Litterär- oder Kunst, Handlungs, Kriegsgeschichte. Eine allgemeine Völkergeschichte hingegen, die sich auf alle Arten von Merkwürdigkeiten aller bekanten Nationen ausbreitet, und von Erschaffung der Welt bis auf unsere Zeiten geht, ist die wahre und eis gentliche Universalhistorie; ein Werk, das noch nicht geschrieben ist, ob ich wohl glaube, daß sich das bekante Werk der Engländer dem Umfange einer solchen allgemeinen Welthistorie in manchen einzelnen Theilen nähert.

Hat nun der Geschichtschreiber die Stellung der Erzählungen auf eine begreifliche und für den Leser durchaus bequeme Art entworfen; so muß er ferner überlegen, wie aus allen in Ordnung gebrachten Materialien, als so vielen für sich bestehen den and abgesonderten Ganzen, ein einziges und wohlverbun: denes Ganze entstehen könne. Und diese Verrichtung kan man, wie ich glaube, nicht unschicklich die Zusammenfügung der Er zählungen nennen. Wenn ein Verfasser in der Stellung oder Anordnung der Erzählungen den natürlichsten und faßlichsten Bom Plan der historischen Compendien, sonderlich Beg erwählet hat, so wird er ohne viele Mühe (denn ich sehe einen geschickten Arbeiter voraus) die Zusammenfügung bewerkstelligen konnen. Eine Erzählung bahnet bey ihm der andern, so zu sagen, von sich selbst den Weg, und der Leser kan durch leichte und aus der Stellung selbst entspringende Uebergänge von einem Gegenstande zum andern geführt werden. Es komt also das meiste auf eine ungezwungene Stellung der Erzählungen an: ehe ich aber von den Mitteln reden kan, die, meinem Bedünken nach, am leichtesten zu diesem Zwecke führen, muß

über die Universalhistorie.

Ich muß noch einige Gattungen historischer Schriften berühren, weil sie einen unmittelbaren Einfluß in die Lehre von dem Plan und der Zusammenfügung der Erzählungen haben. Gleich Anfangs unterscheiden sich die historischen Beyträge auf eine merks liche Art von systematischen Werken. Von dem Plan der erstern habe ich hier nichts zu sagen, eben darum, weil sie keine syste matischen Werke sind und weil sie unter allen Gestalten gefal

len, und auch nüßlich seyn können. Unter den fystematischen lich zufammen gefaßt, die eine Universalhistorie im eigentlichen Werken machen wir in den neuern Zeiten aus denen für Unfänger geschriebenen Lehrbüchern eine eigene Classe historischer Schriften. Man kan wol diesen Eifer für den Unterricht der Jugend, ohne unbillig zu seyn, nicht tadeln: aber daß sich viele Verfasser solcher Lehrbücher recht gefliessentlich hüten, Geschmack zu zeigen, als wenn der Geschmack etwas giftiges für die An= fänger mit sich führte, das wird manchem nicht gleichgültig fenn. Aus dem zu urtheilen, wie man die Geschichte unter uns mündlich und schriftlich vorzutragen pflegt, scheint man immer voraus zu sehen, sie wäre nur ein Werk des Gedächtnisses, und daher geht meistentheils die ganze Sorge des Lehrers oder Schriftstellers dahin, eine Methode zu finden, wie die Begeben: heiten am leichtesten ins Gedächtnis gebracht und darin erhalten werden können. Allein man raubt durch solche künstliche, oder vielmehr geschmacklose Methoden nicht nur der Geschichte alle Unmuth, deren sie auch in kleinen - Büchern_nicht unfähig ist (welches nur demjenigen ein geringer Verlust zu seyn scheint, der nicht weis oder bedenkt, daß Dinge, die gut erzählet werden, leichter ins Herz dringen, und grosse Wirkungen in dem Willen des Menschen erzeugen); sondern man vergißt auch da ben, daß die Geschichte nicht darum gelernt werde, um etwas blos im Gedächtnisse zu haben, sondern vielmehr, um durch grosse und rührende Beyspiele tugendhaft, klug, gesittet, gesellschaftlich c. mit einem Worte zu allen Arten von Handlungen und Geschäften geschickt zu werden. Über man muß doch etwas davon im Gedächtnisse haben? Ja, ich behaupte es selbst. Dazu hat man eben die chronologischen Tafeln. Wer aber ein Buch über die Historie, es mag klein oder groß seyn, schreiben will, der muß, wie mich dünkt, immer bedenken, daß er keine Tafeln schreiben wolle, und daß es Leute in der Welt gebe, welche glaus ben, daß sich die Definition der Historie auf ein jedes Buch müsse anwenden lassen, das den Namen Historie an der Stirne führt.

Was insonderheit die Universalhistorie anbetrift, so finde ich, daß man sie bisher unter uns vornämlich auf zweyerley Urt für die Anfänger entworfen habe: denn der Plan nach den 4. Monarchien ist jest Gott Lob! so ziemlich altmodisch worden. Man macht also seit einiger Zeit den Plan meistens entweder nach gewissen Epoquen, oder nach den Nationen. Die der erstern Methode folgen, sehen gewisse Zeitpuncte fest, und erzählen bei jedem derselben dasjenige stückweise hinter einander, was sich während der Zeit in den berühmtesten Reichen, Staaten und Ländern zugetragen hat. Ich nenne unter den Büchern dieser ersten Classe das Freyerische anstatt aller, weil man nach demselben bisher viele tausend Personen den Grund zur Universalhistorie hat legen lassen, und noch immer darin fortfährt. Ich tadle dieses Buch nicht durchgehends: es hat wirklich einige Vorzüge für andern; aber ich kann mir doch nichts widersinnigers vorstellen, a's der Plan desselben ist. Die Geschichte, die ganz Zusammenhang seyn soll, ist hier in lauter kleine abgesonderte Stückchen zerschnitten. Eben das gilt von allen Büchern, die nach Epoquen entworfen sind, und man wird also diesen Plan schwerlich rechtfertigen oder nach ahmen wollen. Der ungezwungenste Plan einer Universalhistorie für Anfänger scheint der zu seyn, der nach den Nationen, das ist, also eingerichtet ist, daß man die Geschichten der Na tionen einzeln hinter einander erzählet, und übrigens bei jeder Nationalgeschichte die chronologische Ordnung beobachtet. Auf diese Art haben Puffendorf, Struv, und andere mehr, Uni versalhistorien (wiewol doch auch, in Ansehung des allzufleinen Umfangs, nicht im firengen oder eigentlichen Verstande) gefchrieben. Man wird leicht einsehen, daß auch wider den Plan dieser Bücher noch sehr viel eingewendet werden kan. Sie tras gen zwar die Geschichte einer jeden Nation unzerstückt vor, allein fie vernachläßigen zugleich gänzlich die Regeln des Gleich zeitigen. Durch diese Anmerkung scheine ich mir selbst den Proces, in Ansehung meiner Bücher über die Universalhistoric, gemacht zu haben. Ich habe bei der Abfassung meines Handbuchs lange über die Methode, die Nationen zu stellen, nach gedacht, und ich glaubte zulegt, die bequemste erwählet zu has ben: vielleicht ist sie auch zur Erreichung der Absichten, um deren Willen ich diese Bücher geschrieben habe, nämlich zur ersten Grundlegung, zur Wiederholung, zum Nachschlagen, nicht so unbequem, als die Bücher meiner Vorgänger: wenig stens wollen mich einige versichern, daß fie meine Bücher bis: her nicht ohne Nußen gebraucht haben, und noch gebrauchen. Ich will auch weder so gefühllos, noch so ungesittet seyn, und durch eigene Verachtung meiner Bücher diejenige, denen sie gefallen, für parthenische, oder für unwissende Richter erklären. Man erlaube mir also nur das hier anzuführen, was ich so wol meiner unbezwinglichen Wahrheitsliebe, als auch der Hochachtung gegen das Publicum schuldig zu seyn glaube. In Uns sehung des Umfangs der Merkwürdigkeiten habe ich mir nichts vorzuwerfen, da ich, wie mir deucht, alle Gegenstände türz

Berstande ausmachen: allein in Ansehung des Plans, wovon hier eigentlich die Rede ist, wird mich das freylich allem Unsehen nach vor strengen Richtern nicht ganz tadelfrey machen können, daß ich in der Stellung der Nationen einige Fehler meiner Vorgänger vermieden, daß ich z. E. die zusammenges hörenden Nationen näher an einander gerücket, daß ich allges meine Ruhepuncte bey der Sündfluth, bey der groffen Zer= streuung des menschlichen Geschlechts, bey der Babylonischen Gefangenschaft, bey der Völkerwanderung, gemacht, und auf diese Art die beyden Methoden anderer gewissermassen mit eins ander verbunden habe. Den Regeln des Gleichzeitigen glaubte ich ausserdem noch dadurch eine Genüge gethan zu haben, daß ich erinnert, man müsse, wenn man die Geschichte der Nationen einzeln hinter einander gelernet oder gelesen hätte (denn von Erlernung der Geschichte einzelner Nationen muß wohl der Unfang in der Universalhistorie gemacht werden), das Gleichzeitige derselben durch den Gebrauch synchronistischer Tabellen selbst herstellen. Allein, wo find die synchronistischen Tafeln, auf welchen alle von mir abgehandelte Nationen neben einans der vorgestellet sind? Selbst die Bergerischen, ob sie gleich die besten unter allen übrigen find, thun die gewünschten Dienste nicht, und sie sind noch dazu, weil sie ganz zur Unzeit mit Erzählungen beladen find, sehr mühsam und von den wenigsten zu gebrauchen. Dies hat mich bewogen, nach Maasgabe und zum bessern Gebrauch meiner Bücher über die Universalhistorie, selbst *) synchronistische Tafeln auszuarbeiten. Sie find theils gedruckt, theils in Kupfer gestochen. Findet man sie zu dem Zwecke dienlich, wozu ich sie verfertiget, so bin ich für die grosse Mühe, die ich darauf verwendet habe, hinreichend belohnt, und meinen Büchern über die Universalhistorie wird, glaube ich, alsdann nie der Mangel des Gleichzeitigen vorgerückt werden können.

Doch ich eile zu dem Plan anderer historischer Schriften: denn es ist unserer Nation zu wünschen, daß sie den Vorwurf der Ausländer nicht mehr hören dürfe, als wenn die historische Classe ihrer Schriftsteller nur aus Ueberseßern und Compendienschreibern bestünde.

Von dem Plan der Biographien oder Lebensbeschrei= bungen.

Die Alten, die nichts von historischen Lehrbüchern wusten, schrieben Biographien, Jahrbücher und eigentliche Historien, und in allen diesen Gattungen bemüheten sie sich, pragmatisch zu seyn, oder wenigstens Geschmack zu zeigen. Ich will zuerst vom Plane der Biographie reden. Der Biographe ist, in soferne er ein Biographe ist, kein eigentlicher Geschichtschreiber, sondern er beschäftiget sich mit Dingen, die der Geschichtschrei= ber nicht verarbeiten kan und darf. Karl XII u. Peter der Grosse haben für jenen so gut, als für diesen gelebt. Der Geschichtschreiber betrachtet sie als Fürsten und Krieger, der Biographe als Menschen. Beyde würden also zum Verdruß ihrer Leser in ein fremdes Amt greifen, wenn sie ihre Pflichten verwechselten. Der Biographe vergißt seine Niedrigkeit, wenn er die grossen Begebenheiten, an welchen seine Personen An= theil haben, umständlich erzählet, anstatt fie nur zu berühren, oder vorauszusehen. Er soll ja nur zur Ergänzung der grosfen Geschichte, nicht die grosse Geschichte selbst, schreiben. Ein Geschichtschreiber aber ist seiner Würde uneingedenk, wenn er bis in das Privatleben der Fürsten und grossen Leute herabsinket. Eugen erscheint in der Geschichte als ein grosses Werkjeug für Teutschland in den Händen des Oesterreichischen Hauses, aber auch stets nur als ein Werkzeug, nie als eine Hauptperson und sein Leben würde am unrechten Orte stehen, wenn es in der Geschichte von Oesterreich, oder von Teutschland, oder gar von Europa erzählet würde. Allein eben so unerwar tet müßte in einer Lebensbeschreibung dieses Prinzen einem verständigen Leser die umständliche Historie des von ihm wider die Türken geführten Kriegs vorkommen. Es ist natürlich, daß der Biographe des Helden diesen Krieg nicht vorbeygehen darf, allein er soll immer bedenken, daß er nicht die Historie des Türkenkriegs, sondern Eugens Leben beschreibe. Die Ma= rathonische Schlacht ist eine der berühmtesten in der Welt. Miltiades hat fie gewonnen, und Nepos, sein Biographe, erzählt sie nicht, er berührt sie nur.

Es giebt aber andere Dinge, die der Biographe ausführs lich beschreiben, ja selbst ausschmücken, mit Betrachtungen und Schilderungen verschönern darf. Das ganze Privatleven ge

*) Unter dem Titel: Synopsis Historiae universalis, sex tabulis, quarum duae in aes incisae coloribusque illustratae sunt, comprehensa, et Academiae Historicae Goettingensi oblata. Goettingae impensis Auctoris. 1765. fol. maj,

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Res angusta domi

feyn müsse. Darf er sich nun gleich nicht bis zur groffen Ges schichte hinaufschwingen; so hat er dagegen, wenn er anders ein guter Schriftsteller ist, den Trost, daß ihn einige Millionen Menschen mehr, als den Geschichtschreiber, mit Nugen lesen können: denn er beschreibt den Menschen.

Da in Biographien die Menge von Sachen nicht sonders lich groß, auch die Begebenheiten selbst nicht so sehr in einans der gewickelt und verschlungen find, als in der eigentlichen Bis storie; so wird weder die Stellung, noch die Zusammenfügung der Erzählungen den Biographen in Berlegenheit segen.

Insgemein bringt man die Materialien unter gewisse Class sen, und handelt von einer nach der andern, ohne dabei weder auf die Zeitordnung, noch auch selbst auf eine genaue Zusams menfügung ängstlich zu sehen. Doch vernachläßigen gute Bios graphen selten das bequeme Mittel, durch natürliche Ueber gånge den Leser von einem Stücke zum andern zu führen. Plutarch, Nepos und Sueton gehören zu dieser Classe.

Mich dünkt aber, man könne auch hier überall der Zeit ordaung folgen, und gleichzeitige Begebenheiten und Umstände an ten rechten Stellen als Episoden einschalten.

Im übrigen handelt, wie ich glaube, ein Lebensbeschreiber wohl, wenn er die Notensucht der Britischen Biographie vermeidet, in allen Stücken aber just das Gegentheil von dem thut, was Pauli in dem Leben grosser Helden des legtern Kriegs gethan hat.

Bom Plan genealogischer Historien.

Wir haben, außer den Biographien, noch genealogische Historien, eine gemischte Gattung, die aus Genealogie und Biographie zusammen gesezt ist. Der Plan bedarf hier keiner Regeln. Man folgt den Reihen in den Stamtafeln, und wenn fich eine Familie, wie mehrentheils geschicht, in mehrere Linien theilt, so beschreibt man eine Linie nach der andern. Die beygefügten Stamtafeln erhalten den Lauf der Erzählung in Orde nung, und gewähren zugleich den Vortheil des Gleichzeitigen eben so leicht, als in der eigentlichen Historie die synchronisti fchen Tabellen. Köhlers Wolfsteinsche, und Treuers Münchhaufische Geschlechtshistorie können zum Muster dienen.

Ich habe auch einmal eine Geschlechtshistorie geschrieben. Ich weis nicht, ob ich wünschen darf, sie geschrieben zu haben: wenigstens so jung, als ich damals war. So viel ich sehe, hat man meine Holzschuherische Geschlechtshistorie *) bisher viel fältig gebraucht, und mir war sie auch bey meinen diplomatis schen Beschäftigungen von jeher ungemein nüglich. Das Werk hat in der That einen reichen, und mit sorgfältiger Wahl und Richtigkeit ausgefertigten Codicem diplomaticum, allerley die Lehre vom hohen und niedern Adel betreffende, vielleicht nicht ganz bekante, wenigstens diplomatisch bewiesene Anmerkungen; die beygefügten Kupferstiche sind auch nüßlich, den Originalien gemas, von einigen Gelehrten zum Theil schon genugt, und meistens sauber gestochen; endlich mag das Werk, nach seinem wesentlichen Inhalte betrachtet, vielleicht keine ganz zu verach tende, sondern nach einem, von unparthenischen Kennern gebilligten Plan abgefaßte Probe von der Anwendung der Ur: funden auf die Genealogie feyn. Man wird also der adelichen Familie, die es mit groffen Kosten prächtig genug hat drucken lofsen, immer dafür verbunden seyn dürfen. Über die Art des Bertrags in dem Terte? Kein gar zu schlechtes Latein, aber -mit einem Worte, der biographische Thell dieses vielleicht sonst nicht unbrauchbaren Werks ist ungefähr das, was Hallers Leben von Zimmermann ist, ein unseliges Mittelding yon Pane= gor und Historie - doch ich rede ja hier nicht von dem Ausdrucke und der Schreibart, sondern von dem Plan genealogi= scher Historien, und an dem Plan meiner Holzschuherischen Historie wird man hoffentlich nicht viel auszusehen finden. Was ich indessen hier beyläufig gesagt habe, kan den Nuhen haben, daß mein Beyspiel denen, die es für etwas zu halten scheinen, in keinem Stücke im Wege stehen möge. Ich liebe die Wahrheit, und hasse den Irthum gleich heftig an mir selbst, und an andern.

*) Historia Genealogica Dominorum Holzschuherorum ab Aspach, Harlach et Thalheim cet. Patriciae Gentis tum apud Norimbergenses, tum in exteris etiam regionibus toga sagoque illustris, ex incorruptis rerum gestarum monimentis conquisita: accedunt multae tabulae in aes incisae, itemque Codex omuis generis diplomata atque documenta nondum publicata complexus. Norimb. 1755. fol.

Bom Plan der Jahrbücher.

Es ist Zeit, daß ich nun auf die Jahrbücher komme. Der Annaliste hat nicht nöthig, sich erst ängstlich einen Plan zu entwerfen. Er folgt dem Laufe der Zeit, und die Begebenheiten, so sehr sie auch der Gattung nach von einander unterschieden sind, hängen fich von selbst an ihre Jahre.

Von dem Plan pragmatischer Jahrbücher.

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Es giebt aber noch eine mittlere Gattung von Annalisten, die von den eigentlichen Unnalisten nichts, als den Leitfaden der Jahre entlehnen; in der innern Einrichtung aber ganz pragmatisch, und also zugleich Unnalisten und Geschichtschreiber find. Es ist mir leid, daß ich einen Thucydides und Tacitus, anderer zu geschweigen, in dieser Classe finde. Weil sich die Systeme der Begebenheiten sehr selten just mit dem Ende eines Jahres schliessen, so sieht man leicht, daß die Stellung und Zusammenfügung der Erzählungen in solchen gemischten Werken sehr oft gezwungen, allezeit aber mit den grösten Schwiez rigkeiten verbunden seyn müssen, und auf eine erträgliche Urt nur von den größten historischen Genies erwartet werden kön= nen; ob sich wol in den neuern Zeiten Schriftsteller unter diese Classe gemenget haben, die eben nicht mit den Talenten eines Thucydides oder Tacitus ausgerüstet find. Thucydides, der die Historie eines einzelnen Kriegs geschrieben hat, konte, ungeachtet er gar nur nach halben Jahren ordnete, doch in der Zusammenfügung der Erzählungen noch ungezwungener verfahren, als Tacitus, der die ganze römische Geschichte eines Zeitraums in die Form von Jahrbüchern gezwungen hat: denn die Feldzüge, die jener beschreibt, scheinen selbst den Plan nach halben Jahren an die Hand zu geben. Allein, ich wünschte doch, daß dieser groffe Mann eine bequemere Anlage zu seinem unsterblichen Werke erwählet hätte. Wer den Thucydides geles fen hat, wird mir, wie ich hoffe, glauben, daß viele Gründe diesen Wunsch bey mir hervor gebracht haben, ob ich gleich die Bertheidigung seines guten Uebersezers, des fel. D. Heilmanns, gelesen habe.

Im übrigen ist der Plan' und die Art der Zusammenfüz gung in dergleichen vermischten Werken der Hauptsache nach von derjenigen nicht unterschieden, die in der eigentlichen Hiz storie zu beobachten ist. Und hievon will ich sogleich meine unmaßgebliche Gedanken entdecken.

Bom Plan in der eigentlichen oder grossen Historie.

Historische Werke beschäftigen fich theils mit Nationen, die in dem einen Werke stückweise, in dem andern ganz, bald in geringerer, bald in grösserer Anzahl, bald alle zusammen be schrieben werden; theils mit Begebenheiten, und zwar von verschiedener Art, und auch von verschiedenem Werthe, mit Naturbegebenheiten und, mit menschlichen Begebenheiten (Na= tionalbegebenheiten), welche lehtere bald die Religion, bald die Gewerbe, Handlung, Schiffarth, Künste und Wissenschaften, bald die Person des Regenten, den Hof, die Minister, den Krieg und die Urmee, u. f. f. betreffen.

Der Zweck bestimmt die Zahl der Nationen, und die Classen von Begebenheiten, und ein Schriftsteller wird ja wissen, warum und wovon er schreiben will. Weil die Universalhistorie die vollkommenste Gattung historischer Schriften ist, so werde ich nicht nur den Anfang von derselben machen, sondern auch am längsten mich bey ihr verweilen: denn der Plan einer Universalhistorie kan, wie mich dünkt, mit geringer Verände rung als ein Muster für alle übrigen Specialtheile der Geschichte angesehen werden.

Von der Stellung der Nationen in der Universalhistorie.

Die erste Sorge eines Verfassers der Universalhistorie muß ohne Zweifel auf die Stellung der Nationen gehen: hernach kan er seine Gedanken auf die Unordnung einzelner Begebenheiten und Merkwürdigkeiten richten. Die Zusammenfügung der Erzählungen wird sich zuleht leicht von sich selbst geben.

Wenn alle Nationen und alle Begebenheiten in der Welt auf einander folgten, so würde es dem Geschichtschreiber etwas leichtes seyn, sie in Ordnung zu bringen und mit einander zu verbinden. Er dürfte nur der Ordnung der Nationen und Begebenheiten selbst, das ist, der chronologischen Ordnung folgen; so hätte er seiner Pflicht ein Genüge gethan. Und man kan auch auf einander folgende Nationen und Begebenheiten nicht wol anders stellen und zusammenfügen. Die Fügung selbst geschieht meist durch Uebergänge, die in den bekanten Beitformeln, oder auch in der Anzeige der Jahre bestehen. Ich

wünschte nur, daß man sich nicht, wie doch viele thun, so unbestimt in Ansehung der Zeit, wenn fie anders genug bekant ist, ausdrücken möchte. Nicht lange hernach zc. Kurz nach dessen Thronbesteigung 2c. Der Krieg war kaum geendigt u. f. f. Diese Formeln sind zu unbestimt in Fällen, wo die Folge der Begebenheiten hinlänglich bekant ist.

Die größte Schwierigkeit aber äussert sich in der Stellung und Zusammenfügung gleichzeitiger Nationen und Begeben heiten, wenn jumal ein Werk von einigem Umfange, noch mehr aber eine Universalstistorie zu schreiben ist. Schon eine einzige Hauptbegebenheit, ein Krieg, zum Erempel, ja selbst eine Belagerung, eine Schlacht, enthält eine Menge sowol gleichzeitiger, als auf einander folgender Begebenheiten. Wie gros muß nicht die Anzahl derselben in der Geschichte einer ganzen Nation seyn; wie weit grösser endlich, oder vielmehr wie fast grenzenlos muß sie erst in einem Werke werden, das sich auf mehrere, oder gar auf alle, wenigstens bekante Na tionen erstrecken soll? Wie viele Reihen von Merkwürdigkeiz ken, wie viele gleichsam neben einander fortlaufende Ketten von Begebenheiten, unter denen einige sich von dem Geschichtschreiz ber zurück bis auf die Zeit Adams oder Noahs, alle aber bis in vergangene Zeiten erstrecken, müssen in einem Werke sicht: bar gemacht werden, das die Geschichte der Welt in sich fassen foll? In einer wahren Universalhistorie das Gleichzeitige dem Leser stets gleichsam zu empfinden geben, ist unstreitig die schwerste Aufgabe, die man einem Geschichtschreiber zur Auflösung vorlegen kan. So wie er selbst gleichzeitige Gegenstände in der Erzählung nicht auf einmal gleichsam hinwerfen, oder auf die Art eines Malers auf einer Fläche neben einander hins stellen kan; also kan auch der Leser dieselben nicht auf einmal umfassen, oder mit einem Blicke überschauen. Der eine sowol, als der andere verfahren bey gleichzeitigen Nationen und Be gebenheiten, als wenn sie auf einander folgten, und doch muß der Leser von dem Geschichtschreiber also geführet werden, daß er stets fühlen kan, er lese Dinge, die in eine und eben die selbe Zeit gehören, oder daß er Dinge, die in der Welt neben einander vorhanden waren, auch unter dem Lesen, ob sie ihm gleich hinter einander vorgelegt werden, stets in Gedanken zu sammen stellen kan. Wie soll der Geschichtschreiber diese wider sprechend scheinende Dinge bewerkstelligen? Blosse Uebergänge, wenn sie auch noch so sorgfältig ausgedacht werden, thun hier keine Wirkung. Alles komt auf die Stellung und Anlage der Erzählungen an. Hier ist also der vorzüglichste Ort, wo der Geschichtschreiber Wig und Scharfsinn haben und gebrauchen muß, und er kan dessen nicht zu viel haben, um alle die Vere hältnisse und Beziehungen der Nationen und Begebenheiten zu und auf einander geschwind zu übersehen; nur muß Biß und Scharfsinn von einer gesunden Beurtheilungskraft geleitet wer: den, um nicht Verhältnisse, wie sie sich am ersten anbieten, ohne Unterschied und ohne Schäßung ihres Werthes, zu ers greifen. Mit einem Worte hiezu gehört Genie.

Doch ich muß selbst, so viel als mir die Kräfte meines eingeschränkten Genies zulassen, etwas tiefer in die Verhält nisse der Nationen und Begebenheiten hineingehen, damit es nicht das Unschen habe, als lehnte ich unter einem guten Verwande eine Pflicht ab, die ich doch übernommen habe,

Ich will zuerst von den Verhältnissen der Nationen und sodann von den Verhältnissen der Begebenheiten reden.

Mit einem kühnen Blick durch alle Jahrhunderte kan man, wie mich dünkt, ohne fonderliche Schwierigkeit ein gedoppeltes Verhältnis der Nationen entdecken. Es sey mir erlaubt, das eine das System der Unterwürfigkeit, und das andere das System der Bündnisse zu nennen. Das erstere geht durch alle Jahrhunderte, seitdem Nationen vorhanden sind, das andere fängt sich erst im 16ten Jahrhunderte nach Christi Geburt an, und erstreckt sich nur auf die Europäischen Staaten. Das System der Unterwürfigkeit seht auf der einen Seite herr schende, auf der andern unterthänige, bald nur zinsbare, bisweilen auch für ihre Freyheit kämpfende oder gar um die Herr schaft buhlende Nationen voraus. Man kan eine jede herr schende Nation nebst denen ihr unterthänigen und zinsbaren oder auffäßigen Völkern zusammen als ein eigenes National system betrachten, und weil alle zu einem solchen System gehörige Nationen eine bald stärkere, bald schwächere Beziehung auf die jedesmal herrschende Nation haben; so sieht man leicht, daß der Plan am natürlichsten nach den herrschenden Nationen gemacht werden könne, so nämlich, daß man allezeit die herr schende Nation zum Grunde lege, und die Merkwürdigkeiten der übrigen Bölker, die mit der herrschenden Nation ein System ausmachen, an den schicklichsten Orten als Episoden einschalte. Ich finde nicht mehr als acht Nationalsysteme: das Ussyrisch: Medische, das Persische, das Griechisch - Macedonische, das Römische, das Parthisch- Persische, das Fränkisch - Teutsche, das Arabische, und das Tatarische. Die herrschenden Nationen in den 4. erstern Systemen folgen der Zeit ihrer Herrschaft

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nach meistens auf einander, und können also dem Geschichts schreiber in der Stellung keine sonderliche Schwierigkeit machen. Er stellt sie nach der Zeitordnung, und wenn er bey der Einschaltung der übrigen, zu einem jeden dieser Systeme gehöris gen Nationen scharfsinnig genug verfährt, so wird er auch in diesem Stücke seinen Pflichten ein Genüge thun können, ob man schon voraus sehen kan, daß ihm das Vergnügen den Leser zu befriedigen, wegen der Menge gleichzeitiger Nationen beym 3ten und 4ten System, noch immer theuer genug zu stehen kommen werde. Aber wie soll sich der Verfasser aus dem Labyrinthe herausfinden, das ihm die 4. Lestern Systeme darbieten, wo die herrschenden Nationen nicht nur unter sich, sondern auch mit dem noch lange fortdaurenden römischen Sya stem fast immer gleichzeitig fortlaufen? Hier kan, wie mich dünkt, mit der Einschaltungsmethode der Alten die Epoquenmethode der Neuern, aber freylich erst nach einer merklichen Vervessserung derselben, verbunden werden. Und eben hierin liegt meiner Meinung nach das Vorzügliche eines neuen Ges schichtschreibers für den Alten, wenn er aus der Vereinigung der Einschaltungsmethode der Alten mit der Neuen ihrer Stellung nach Epoquen und nach Nationen ein neues Ganze ges schickt hervorbringen kan. Nur dünkt mich, müssen der Evos quen sehr wenige angenommen werden. Man kan unstreitig mit 5. solchen Ruhepuncten in der ganzen Universalhistorie auskommen. Die erste Epoque endigt sich just da, wo die Nationen ihren Ursprung nehmen, mit der Berstreuung der Menschen nach dem Babylonischen Thurmbau um das Jahr der Welt 1809. Biblische Nachrichten von dem Ursprung und ersten Zustande der Welt und der Menschen, von der Erfin dung einiger Künste, von der Vertilgung des menschlichen Geschlechts durch die Sündflath, von dem neuen Anbau der Erde durch die sich nach und nach vermehrende Nachkömlinge Noahs, erfüllen diesen an andern Merkwürdigkeiten ganz unfruchtbaren Zeitraum, und können also wegen ihrer geringen Anzahl den Verfasser einer Universalhistorie in Ansehung des Plans in keine Verlegenheit seßen. Die andere Epoque einer Universalhisterie würde ich nicht eher als mit dem 5ten Jahrhunderte nach Christi Geburt endigen. Der Ursprung der Nationen um das Jahr der Welt 1809. und die Völkerwanderung im 5ten Jahrhun dert der christlichen Zeitrechnung würden also diesen Zeitraum begrenzen, und die 4. erstern herrschende Nationen, die in chronologischer Ordnung auf einander folgen, würden darin die Erzählungen leiten und verbinden. Bey dem AssyrischMedischen System würde ich zwar meine Leser gleich Anfangs durch alle 3. Theile der alten Welt führen, und ihnen die erz sten Reiche, die darin entstanden find, zeigen; ich würde ihnen aber zugleich auch ankündigen, daß viele derselben nicht zu dem Gemählde gehören, das ich ihnen entwerfen wolte. Es würde. ihnen also von China, von Scythien oder von der jegt soge= nanten Tatarey, von Japan, von Egypten, von Griechens land 2c. nur im Vorbeygehen etwas gesagt werden, damit sie nur wissen, daß dergleichen Staaten zum Theil eben so alt, zum Theil nicht viel jünger seyn, als die Reiche von Babylon, Ussyrien und Medien, worauf sie nun ihre ganze Aufmerksams keit zu richten hätten.' Auf diese vorläufige Beschäftigung könte eine geographische Nachricht von denen, zum System gehörigen Ländern, Babylonien, Assyrien, Medien, Persien, Arabien, Palästina, Phönicien, Syrien, Phrygien, Troja, Lydien 16. folgen. Nun wäre es Zeit an die Geschichte zu denken. Zwey mäßige Reiche, Babylonien und Assyrien, wovon jenes Nimz rod, dieses Assur errichtet, kommen unter dem Sohne des leß-. tern, dem Ninus zusammen. Es entsteht daraus ein Reich von 9. Städten, das zu einer Zeit, da alle andere Reiche meist nur aus einer Stadt oder aus einem Dorfe und der herz umgelegenen Feldmark bestanden, mächtig genug war, andere damalige Staaten zu überfallen. Das Ussvrische Reichers wächst schon unter seinem Stifter zu einem weitläuftigen Staate, und Semiramis kan bereits am Indus Krieg führen. Episode von dem Trojanischen Reiche beym Jahr 2800, da es ein Ende genommen. Dreyhundert Jahre nach der Zerstöhrung Trojens komt unter dem Sardanapal die Herrschaft an die Meder, das System bleibt, nur der Name der herrschenden Nation ändert fich. Es befinden sich Araber mit unter den aufrührischen Völz kern, die den Urbaces unterstüßen: ein Beweis, daß Arabien wenigstens zum Theil mit zum System gehöre, Kurze Episode von Arabien überhaupt, die in die Beschreibung der Empörung des Arbaces eingerückt werden kan. Die nunmehrige Medische Monarchie geräth bald in Verfall. Ussyrien buhlt um die Herrschaft und erlangt sie zugleich mit Medien. Nun find 2. herrschende Nationen im Softem, die Meder und Assyrer. Die legtern machen grosse Eroberungen im Westen, gehen aber auch selbst bald zu Grunde. Ihre Geschichte wird unter dem Cyapares als eine Episode der Medischen einverleibt: so wie von Mesopotamien und Syrien in einer Episode unter dem Ussyrischen Monarchen Tiglathiplesar gehandelt wird. Das

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