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Gleich trat ein junger Geck herein,
Und nahm das Bild in Augenschein.
D, rief er, bey dem ersten Blicke,
Ihr Götter, welch ein Meisterstücke!
Ach welcher Fuß! O wie geschickt
Sind nicht die Nägel ausgedrückt!
Mars lebt durchaus in diesem Bilde.
Bie viele Kunst, wie viele Pracht,
Ist in dem Helm, und in dem Schilde,
Und in der Rüstung angebracht!

Der Maler ward beschämt gerühret,
Und sah den Kenner kläglich an.
Nun, sprach er, bin ich überführet!
Ihr habt mir nicht zu viel gethan.
Der junge Geck war kaum hinaus:
So strich er seinen Kriegsgott aus.

Wenn deine Schrift dem Kenner nicht gefällt:
So ist es schon ein böses Zeichen;
Doch wenn sie gar des Narren Lob erhält :
So ist es Zeit, sie auszustreichen.

Von den Troftgründen wider ein sieches Leben.

Ich halte es nicht für unnöthig, meinen Lesern zu sagen, ehe ich mit ihnen von den Trostgründen wider ein fieches Leben rede, daß ich selber mit diesem Uebel seit verschiedenen Jahren beschweret bin. Es ist wahr, daß ich deswegen nicht gründe, licher, deutlicher und ordentlicher von diesen Gründen handeln werde, als ein anderer; aber vielleicht kann man kräftiger und nachdrüdlicher von einer Sache sprechen, wenn man sie selber empfunden hat. Es giebt eine gewisse Beredtsamkeit des Herz zens, die nicht so wohl durch den Verstand erzeugt, als durch die innerliche Empfindung unterstüget wird. Sie erwecket die Aufmerksamkeit und das Vertrauen des Andern. Und wie viel hat derjenige nicht gewonnen, der seine Leser in diese Gemüths verfassung sehen kann! Sie werden die Wahrheit noch einmal se begierig annehmen, als sie nicht thun würden, wenn er fie gleich durch die beredteste und tiefsinnigste Abhandlung in Er Staunen und Bewunderung geseget hätte. Wenn dieses seine Richtigkeit hat: so muß es denen Kranken, die man beruhigen will, lieber seyn, den zu hören, dem die Erfahrung und inner liche Ueberzeugung zu Hülfe kömmt, als einen, der diesen Vortheil entbehrt. Wie glücklich will ich mich schäßen, wenn ich meinen fiechen Mitgesellen die Last, unter der sie seufzen, durch diese Schrift in etwas erleichtere! Diese Absicht hoffe ich um desto eher zu erreichen, je weniger ich durch diese Blätter nach dem Ruhme des Wizes und der Gelehrsamkeit strebe, der uns oft verführt, mehr für das, was gefällt, als für das Wahre und Nügliche bei unserm Unterrichte zu sorgen. Ich selber will mich mit befriedigen, indem ich andere zu beruhigen suche, und eben diese Bemühung soll mir zu einem neuen Trostgrunde bey fiechen Stunden dienen.

Wir sagen meistentheils, daß derjenige ein fieches Leben führe, der mit gewissen Plagen des Körpers belästiget ist, die ihn nie gans verlassen, oder doch selten von ihm weichen; der viele Jahre, oder die größte, oder die ganze Zeit seines Lebens mehr frank, als gesund ist. Da eine Krankheit an und für sich schmerzhafter ist, als die andere; da sie hier länger anhält, als dort; hier öfter kömmt, dort geschwinder weicht bey diesem

mehr Theile angreift, als bey dem andern; hier mehr die Kräfte des Leibes, dort zugleich die Kräfte des Gemüths schwächt; dem einen fast alles Vergnügen des menschlichen Lebens raubt; dem andern noch gute Stunden gönnt; kurz, da sich sowohl bey den Krankheiten, als bey den Personen, als bey den äusser= lichen Umständen derselben eine große Ungleichheit findet: so scheinet es, daß man so viele besondere Trostgründe aufsuchen müßte, als fieche Menschen find. Allein wenn auch diese Mühe nicht unmöglich wäre: so ist sie doch nicht nöthig. Alle, die ein fieches Leben führen, lassen sich bey ihrer großen Ungleichheit doch darinn mit einander vereinen, daß sie ihren Zustand für ein Uebel halten, und sich die Befreyung von demselben wünschen. In so weit kann man einerley Mittel für sie alle brauchen. Alles, was daraus folget, ist, daß es bey dem einen mehr oder weniger, geschwinder oder langsamer wirken wird. Nachdem der Troft mehr oder weniger Widerstand finden wird, nachdem wird er mehr oder weniger ausrichten. Bey allen muß er doch die Kraft haben, sie größten Theils zu beruhigen, die Hindernisse mögen so stark sewn, wie sie wollen, wenn er anders ein vollständiges Mittel seyn soll.

Es giebt einen andern Unterschied bei den siechen Tagen der Menschen, der mehr zu sagen, und einen größern Einfluß in die Trostgründe hat. Das Ucbel eines sicchen Lebens hat vers schiedene Ovellen. Es kann entweder eine Schuld der Natur, oder ein besonderes Verhängniß von Gott seyn; oder es kann von unsern oder von den freyen Handlungen anderer hers rühren. Oder es kann endlich in Ansehung unserer Gewißheit eine unbekannte Qvelle haben, das heißt, wir können nicht wissen, wem wir es eigentlich zuschreiben sollen.

Man sieht leicht, daß vier Personen, die aus vier verschie denen Ursachen sich mit einem siechen Körper tragen, nicht aus einem und eben demselben Grunde sich aufrichten können. Belcher Unterschied herrscht nicht blos unter denenjenigen, die sich selber für die Verwüster ihrer Gesundheit halten müssen! Bald können wir aus Schwachheit des Verstands, bald aus Ucbereilung, bald durch vielen Fleiß in Geschäften, bald durch einen plöglich erregten Affekt, bald durch flüchtige Laster, bald durch lange Unordnung und anhaltende Thorheit uns einen siechen Körper zugezogen haben. Wie viele haben sich nicht durch eine gut gemeinte Arzeney, durch einen unvorsichtigen Trunk, durch einen plößlichen Zorn, durch eine ungestüme Rachsucht um die Gesundheit gebracht! Wird sich nicht von diesen immer einer leichter oder schwerer trösten können, als der andere!

Wer sich also bey einem fiechen Leben mit Nachdruck tröften will, der muß genau untersuchen, wem er dieses Uebel zuzuschreiben habe. Ein Mensch, der durch allerhand Aus schweifungen sein eigener Peiniger geworden ist, bey dem die Laster ein qvälendes Gift in seinen Säften zurück gelassen haben, und der aus Betrug des Herzens sein Elend zu einer göttlichen Schickung macht, wird durch diese Vorstellung nies mals recht ruhig werden. Es wird sich stets ein heimlicher Widerspruch in ihm regen, der dem Trostgrunde, daß ihm Gott aus heiligen Ursachen die Last aufgelegt habe, seine Kraft rauben wird. Er wird zu gewissen Stunden glauben, daß er getrost sey, und er wird in kurzer Zeit, wenn sein Gewissen zu reden anfängt, eine Unruhe des Geistes fühlen, die gar nicht weichen will, so sehr er sie sich auch durch den Gedanken von dem göttlichen Verhängnisse zu vertreiben sucht. So viel als ein balsamisches Pflaster auf einer gereinigten Wunde nüßen wird: so wenig wird es da helfen, wo die Fäulniß durch scharfe Mittel noch nicht gehoben ist. Wer aus natürlicher Schermuth und Furchtsamkeit die Leiden seines Körpers für selbstgemachte plagen und für den Lohn seiner Thorheit ansicht, da es doch Folgen der Beschaffenheit seiner schwachen Natur, oder gött: liche Schichtungen sind, der wird die Bangigkeit seiner Seele eben so wenig bestreiten, als ein Mensch, der durch sein wal lendes Blut in eine furchtsame Einbildung im Schlafe geräth, und doch glaubt, daß er von bösen Geistern beunruhiget werde.

Indessen muß ich gestehen, daß der Rath, die Ovellen seines siechen Lebens wohl zu untersuchen, gar nicht so leicht ist, als es scheinet. Oft stehet uns die Unmöglichkeit, oft die Eigenliebe im Wege, wenn wir auf den Grund unserer fiechen Tage zurück gehen wollen. und eben die Ungewißheit, daß wir nicht einsehen können, ob unsere Schmerzen Früchte un= serer eigenen Thorheit und Bosheit, oder Wirkungen der nas fürlichen Geburt, oder heilsame Plagen von Gott, oder die Schulden anderer Menschen sind; eben diese Ungewißheit schlägt uns oft am meisten nieder. Wie bald würde der traurige Philet, der sich kaum zu lassen weis, dahin gebracht werden, sein Leiden geduldig zu ertragen, wenn man ihm zeigen könnte, daß es ihm Gott oder die Geburt aufgelegt habe, und daß er ohne Schuld sey! Wie bald würde Charinus, der die Güte Gottes und seine harte Plagen des Leibes nicht mit einander vereinen kann, vieles von seinem Unmuthe fallen lassen, wenn er überführt werden könnte, daß nicht so wohl die göttliche

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Fügung, als er selbst die Ursache seiner Schmerzen sey! Ulein es ist in vielen und vielleicht in den meisten Fällen schwär aus zumachen, ob unsere Siechheit ein durch unsere Schuld verur: fachtes Uebel, oder ein von Gott verordnetes oder verhängtes Elend sey. Chremes genießt bis in sein zwanzigstes Jahr einer guten Gesundheit. Von dieser Zeit an wird er mit schmerz haften Zufällen geplagt, welche sich mit den Jahren immer fester sehen, und ihn, seiner Vorsorge und strengen Lebensart ungeachtet, zu einem lebendigen Gerippe machen. Er gesteht, daß er in seinen jungen Jahren verschiedene Ausschweifungen im Trunke, oder in der Wollust_begangen habe. Allein, fährt er fort, mein Vater war auch fiech. Woher weis ich, ob ich mein lebel nicht vielmehr durch das Blut geerbet, als mir durch meine Thorheiten zugezogen habe. Mein Freund, Por tius, der zehn Jahre älter ist, als ich bin, und wohl zwanzig Jahre der Trunkenheit und der Wollust ergeben gewesen, fühlet so wenig eine Abnahme an seinen Kräften, daß er sich viels mehr recht wohl befindet. Und ich soll durch etliche Ausschwei fungen mich um den Besiß der Gesundheit gebracht haben? Es kann seyn; aber wo weis ichs? Es ist wahrscheinlich; aber ist das Gegentheil nicht auch wahrscheinlich? Kann ich nicht die Schuld der Natur an meinem Leibe tragen? Cleon ist von Jugend auf siech gewesen; aber mit den Jahren wächst das Uebel. Er hat einen ordentlichen Wandel geführet. Allein er erinnert sich doch verschiedener Thorheiten und Schwachheiten. Und wer ist so rein, daß ihm sein Gewissen keine offenbaren Vergehungen vorrücken sollte? Cleon fragt nicht nach dem Urs sprunge seines Elendes. Er will nur wissen, ob er es nicht durch diese oder jene That vermehre. Er sicht auf der einen Seite tausend Ursachen, die wider unsere Schuld eine eingewurzelte Krankheit vergrößern. Auf der andern Seite sieht er feine eigenen Thorheiten. Auch diese können das ihrige beygetragen haben.

Wäre es nicht stets unmöglich, hinter die wahren Ursachen zu kommen: so macht doch unsere Eigenliebe dem Verstande tausend Blendwerke vor, durch welche er nicht durchdringen kann. Keiner will gern die ganze Ursache seines Unglücks seyn. Ist er sehr billig, so will er nur einen Theil der Schuld tragen. Einem andern fällt dieses schon schwer. Und so gern als wir alle glüdlich seyn wollen, eben so gern wollen wir auch, wenn wir leiden, unschuldig leiden. Dieses Verlangen macht uns erstlich sinnreich, durch allerhand Ausflüchte die Schuld von uns abzulehnen, und zugleich macht es uns blind, die Ursache zu sehen, die wir nicht gern sehen wollen. Kurz, wir bleiben bey einer aufrichtigen Prüfung entweder noch ungewiß, und dieses ist schon Elend genug. Oder wir versehen uns, und halten unvermeidliche Uebel für solche, die wir uns verursachet haben. Dieses vermehret ohne Noth unsere Traurigkeit. Oder wir klagen Gott und die Natur an, wo wir uns beschuldigen sollten, und stärken durch diese Klagen unsern Unmuth. Oder wir richten uns mit der göttlichen Schickung auf, und fühlen doch, weil wir selbst Schuld find, nie eine Beruhigung. So wahr dieses und jenes ist, um desto mehr müssen wir sorgfältig den Grund des Verlusts unserer Gesundheit untersuchen. So schwer es ist, so folgt doch nichts daraus, als daß wir desto behutsamer bey dieser Prüfung verfahren müssen. So wenig als wir endlich allemal zu einer völligen Gewißheit kommen werden; so viel gewinnen wir doch, wenn wir wissen, daß wir uns alle Mühe gegeben haben, sie zu erlangen. In diesem Falle kann die Ungewißheit ein Glück für uns werden. Viel leicht sind wir die einzige Ursache unsers ungesunden Lebens. Sähen wir dieses gewiß ein, so würden wir aus natürlicher Gemüthsbeschaffenheit oft gar nicht getröstet werden können. Die Vorsicht hat unstreitig aus großer Güte viele Ursachen unsers Unglücke mit einem Vorhange umzogen, weil viele den Anblick derselben gar nicht zu ertragen fähig seyn würden. Ob nun gleich die meisten siechen Menschen nicht mit vollkommener Gewißheit die Ursachen ihrer Schmerzen entdecken werden: so darf sie doch dieses gar nicht abhalten, gar keinen Ausspruch zu thun. Wo wir zu keiner völligen Gewißheit gelangen können, da ist die Wahrscheinlichkeit so gut, als die ausgemachte Wahr: beit. Damon, der zehn, oder noch mehr Jahre sehr unmäßig gelebet, und seiner Natur schon in ihrer Blüte alles das ab: gedrungen hat, was sie kaum leistet, wenn sie reif ist; dieser Damon zweifelt, wem er seine erschöpften Kräfte, seine verz trockneten Lebensgeister, seinen Krampf in den Gefäffen des Leibes zuschreiben soll, Und was hält ihn ab, daß er sich und seine begangene Läster nicht zur Ursache davon macht? Eine schwere Krankheit, die er in seinem achten Jahre ausgestanden; ein Fall von einem Baume, den er in seinem zehnten Jahre gethan. Wer weis, sagt er, was jene langwierige Krankheit für ein schleichendes Gift in mir zurück gelassen hat, das ist erst anfängt zu wirken! Wer weis, was der hohe Fall in dem Baue der zarten Nerven verlehet hat, daß mein Körper nunmehr so sichtbar untergehet! Damon hat nicht Ursache, länger

ungewiß zu bleiben. Seine Krankheit, sein Fall in der Jus gend sind entfernte Ursachen. Man kann ohne diese Dinge durch bloße Unmäßigkeit sich schon in das fiecheste Leben stürzen. Warum will er also nicht glauben, daß er sein eigener Ber derber gewesen sey? Oder woher kann er vermuthen, daß sein Leib nicht weit dauerhafter gewesen seyn würde, wenn er ihn durch anhaltende Ausschweifungen nicht selbst verwüstet hätte? Gesezt er wäre, wenn er auch vernünftig gelebt hätte, mit dem Unwachse der Jahre eben so fiech geworden: Gescht seine Laster wären nicht Schuld: so hat er doch nur eine Möglichkeit vor sich. Diese kann ihn, wenn er vernünftig ist, nicht vers hindern, einer Wahrscheinlichkeit Gehör zu geben. Und so gez wiß es auch in den Augen Gottes seyn möchte, daß sein Fall von dem Baume ihn siech gemacht: so wird er doch in seinem Herzen nie ruhig werden können, wenn er nicht glaubt, daß er durch seine Ausschweifungen sich selber entkräftet habe. Wir können nunmehr das Geschlecht der Siechen in zwo Hauptlinien theilen. In der einen stehen diejenigen, die es gewiß oder doch wahrscheinlich wissen, daß fie Schuld an ihrem Leiden sind, oder nicht. In der andern diejenigen, die es weder gewiß, noch mit zulänglicher Vermuthung wissen können. Beyde Arten trennen sich im Anfange auf dem Wege zu ihrem Troste, und beyde kommen doch endlich wieder zusammen. Bir glauben durch diese Erinnerungen uns die Bahn zu der Anzahl der Trostgründe geöffnet zu haben. Man kann, wenn man alle, die fiech find, aus einem gewissen Gesichtspunkte betrachtet, sagen, daß es nur einen Trostgrund für fie alle giebt. Und man redt sehr wahr. Man kann aber auch sagen, daß es zwo Gattungen der Trostgründe, ja daß es so viele Arten derselben giebt, als Personen sind, und man redt nicht unrecht.

Allein was heißt trösten? Was ist ein wahrer Trostgrund? Vielen wird diese Frage unnöthig scheinen. Man glaubt, daß man gewisse Wörter sehr wohl verstehe, weil man sie täglich im Munde hat. Und es sind doch oft in ihrer Bedeutung keine ungewisser, als diejenigen, deren sich alle bedienen. Wie uneinig würden die Beschreibungen aussehen, wenn man zehn Pers fonen sagen ließe, was trösten hieße? Was Trostgründe wären? So viel ist gewiß. Keiner von denen, welche einen trösten wollen, will eigentlich die Schmerzen des Leibes stillen, sons dern nur des Geistes, die aus jenen entstehen. Will man nun sagen, trösten hieße die Schmerzen der Seele vertreiben, oder lindern, die aus dem Leiden des Leibes bey einem siechen Menschen entspringen: so fragt sichs nur, wie man diese verringern oder heben kann, wenn man jene nicht vermindert oder wegs schafft. Gleichwohl muß trösten, wenn es etwas heissen soll, eben dieses bedeuten. Und wir sehen kein Mittel dazu, als die Vorstellungen und die Kraft gewisser Wahrheiten. Wenn die Unruhe der Seele nur in gewissen Vorstellungen des Geistes bestünde: so ließe es sich leicht begreifen, wie eine Vorstellung durch die andere könnte vermindert werden. Aucin diese Un ruhe ist mit einer Empfindung verknüpft. Und wie wird fie durch eine bloße Vorstellung des Verstandes können unterdrückt werden! Orgon ist zum Erempel lange Zeit mit heftigen Steinschmerzen geplagt. Seine Seele leidet mit, weil sein Körper leidet. Der andere, der seinen körperlichen Schmerzen nicht wehren kann, will doch die Bangigkeit seiner Seelen lindern. Er will ihn trösten, und zwar durch die Vorstellung einer Wahrheit. Er sagt ihm in der stoischen Sprache, daß die Schmerzen des Leibes kein Uebel wären, und daß der Besih des wahren Gutes nur in der Tugend bestünde. Wer diese hätte, der wäre von allem Uebel frey. Ich will annehmen, daß Orgon diesen Sah glaubt. Was wird entstehen? Sein Verstand sagt ihm, daß er nicht unglücklich ist, und seine Empsindung behauptet, daß ers ist. Er will die trüben Wolken seines Geistes durch das Licht der Wahrheit brechen, und es steigen aus seiner Empfindung stets neue auf. Er will es gern glauben, daß er nicht elend ist, und er wird doch genöthiget, es für wahr zu halten. Was hilft mirs, daß man mir sagt, der Schmerz ist kein Uebel? Hört deswegen mein Gefühl auf! Wenn also durch die bloße Vorstellung in Gedanken kein Schmerz, den ich wirklich fühle, aufgehoben oder gelindert werden kann: so ist kein Weg des Trostes übrig, als daß ich Empfindungen mit Empfindungen vermindere oder vertreibe. Das heißt, wenn ich meinem Verstande nicht solche Wahrheiten vorhalten kann, die eine angenehme Empfindung in meiner Seele wirken: so werde ich ihren gegenwärtigen Schmerz_nie vermindern. Irre ich nicht, so ist dieses die wahre Gestalt des Trostes. Die Erfahrung mag Zeuge seyn. Philemon hat tausend Thaler verloren. Er sieht dieses Geld für ein nothwendiges Stück seiner Zufriedenheit an. Man sage ihm noch so viel von der Nichtigkeit der finnlichen Güter vor. Man zeige ihm sonnenklar, daß sie nicht glücklich machen. Wird man ihn dadurch beruhigen? Er entbehrt mit diesem Gelde vieles von seinem Vergnügen, von seiner Beqvemlichkeit. Dieser Verlust kränkt seine Begierde glücklich zu seyn, und verursacht

ihm unangenehme Empfindungen, die nicht aus blossen Vor stellungen, sondern aus einem wirklichen Verluste herrühren. Wie kann nun die Betrachtung von der Eitelkeit der Güter den Mangel des Vergnügens und der Bequemlichkeit ersehen, worinnen Philemon sein Glück sucht? Man mache ihm hinge gen Hoffnung, daß er die verlornen tausend Thaler zweymal, oder daß er wenigstens eben so viel bald wieder gewinnen werde, so wird er sich leicht zu frieden geben. Und woher dieses? Man hat Empfindung mit Empfindung bestritten. Die Borstellung, daß er gewinnen würde, blieb nicht bloß im Ver stande, fie drang in das Herz. Die Einbildung zeigte ihm alle die Vortheile so lebendig, daß er das Vergnügen der Hoffnung schmecken mußte. Auf diese Art bestritt ein wirkliches Vergnügen ein wirkliches Misvergnügen. Der Kranke, dem die Natur den Besiß der Gesundheit nicht gegönnet hat, weis heute die Traurigkeit seines Geistes nicht länger zu unterdrücken. Sein Freund will ihn mit dem Troftgrunde der unumgäng lichen Nothwendigkeit aufrichten. Sie, spricht er, helfen sich nichts durch ihren Unmuth. Sie vermehren nur die Schmer: zen des Leibes dadurch. Fassen sie sich in Geduld. Es ist nicht zu ändern. Diese Welt ist die beste. Gott hat sie einmal so geordnet und was er macht, ist gut und kann nicht geändert werden. Die Welt, sollte sie das seyn, was sie ist, konnte ohne sieche Menschen nicht seyn. Was wird der arme Kranke für eine Beruhigung daraus ziehen können, daß sein Uebel ein unvermeidliches Elend ist? Leidet der weniger, der da weis, daß er leiden muß? Man überführe ihn hingegen, daß ihm Gott in kurzer Zeit eine dauerhafte Gesundheit geben wird: so wird er die größten Schmerzen mit einer gewissen Freudigkeit des Geistes ertragen. Das Gefühl der Hoffnung macht den Geist munter, und der Schmerz des Leibes kann den ganzen Raum der Seele, daß ich so rede, nicht mehr einnehmen, weil eine Seite davon mit dem Vergnügen einer lebendigen Hoff nung angefüllet ist. Man nehme tausend Erempel zu Hülfe: so wird sich bey allen zeigen lassen, daß derjenige am sichersten und kräftigsten tröstet, der die sicherste und stärkste Hoffnunng erweđen kann. Und zwar daher, weil die Hoffnung allezeit mit einem gegenwärtigen Vergnügen verknüpft ist. Trösten wird also überhaupt so viel seyn, als eine lebhafte Hoffnung in dem Herzen des Elenden erwecken, daß er noch glücklich werden wird. Wenn dieses seine Richtigkeit hat: so wird sichs von sich selber geben, daß dieses die besten Troftgründe sind, die uns die stärkste und meiste Hoffnung glücklich zu werden, einflößen. Es kommt hier auf zweyerley an. Die Hoffnung muß lebendig und auf eine unfehlbare Gewißheit gegründet seyn, sonst wird fie keine Empfindung des Vergnügens wirken können. Das Glück, das sie mir verspricht, muß entweder eben das seyn, was ich mir wünsche, und was ich entbehre, oder es muß gar noch größer senn. Alle diejenigen Trostgründe, die zu diesem Zwecke nicht geschickt sind, verdienen den Namen der wahren Trösungen nicht. Es wird sich nunmehr leicht zeigen lassen, daß die Religion allein die wahren und besten Trostgründe in den Händen hat. Alle Vernunft, alle Philosophie erreicht das Große und Erhabene nicht, womit uns die Religion aufrichtet. Indem ich dieses behaupte: so sehe ich verschiedene Gatz tungen von Widersachern wider mich aufstehen. Einige, denen alles verächtlich und zuwider ist, was aus der Religion kömmt, werten diesen Saß für unrichtig, und mich für einen frommen Schwäger halten. Andere, die die Religion eben nicht hassen, aber auch zugleich die Vernunft nicht so wohl wegen ihrer Stärke lieben, sondern weil sie unserm Stolze zu Hülfe kömmt, werden mir vorwerfen, daß ich die Religion auf Kosten der Bernunft erhübe. Undere, welche die Religion aus gutem Her jen, aus einer geheimen Ehrfurcht, die oft mehr von der Erjichung, als von der Ueberzeugung herkömmt, gern bey ihrer Hoheit lassen, werden mir sagen, daß sie die Kraft derselben, uns ju trösten, nicht läugneten, aber daß sie so unglücklich wären, fie nicht zu fühlen.

Ich will diesen dreven so gut antworten, als es ihre Ein: würfe verdienen. Derjenige, der die Religion entweder aus Mangel der Einsicht, oder aus Begierde sich alles zu erlauben, für nichts göttliches hält, kann unmöglich mit der Meynung zufrieden senn, daß ihre Wahrheiten am geschicktesten sind, einen Hechen Menschen aufzurichten. Er lacht über unsern uns verstand und heißt uns blödsinnig, wenn er auf die Beweise für die Wahrheit der Religion geführet wird. Ich schmeichle mir gar nicht, daß ich solche starke Geister überführen werde. Ich bitte fie nur, mir zu sagen, was in der Art, sich durch die Religion zu tröffen, unvernünftiges enthalten ist.

Mentor mag sein Elend erzählen, und sich nach den Grundfasen der Religion trösten. Sie sollen zuhören und ́urtheilen, wider welch Gefeß der Vernunft er verslößt.

Ich bin, fängt Mentor an, seit zehn Jahren eines der elendesten Geschöpfe, wenn ich auf meinen Körper, und auf tie gegenwärtige Welt fehe. Mein Leben scheint nichts, als

ein beständiger Schmerz zu seyn, der nur darum zuweilen durch einige Vergnügungen unterbrochen wird, damit ich ihn desto peinlicher fühlen soll. Diese Stunde bin ich gesund und schöpfe neue Hoffnung zu meiner Genesung. Kaum habe ich etwas Epeise oder Trank zu mir genommen; kaum habe ich einen Mund voll frischer Luft geschöpft; kaum habe ich mich etwas bewegen wollen: so fühle ich schon die entfeglichste Bangigkeit. Ich ringe mit dem Athen, und jeder Zug, den ich mit der größten Beklemmung wage, macht den folgenden immer bes schwerlicher. Ich fürchte zu sterben, und sterbe auf diese Art ganze halbe Tage, und was noch betrübter ist, ganze Nächte. Ulle Hülfsmittel sind zu nichts geschickt, als meinem Uebel, wenn es da ist, nur mehr Nahrung zu geben, oder ich bin wegen der Erstickung ungeschickt, mich ihrer zu bedienen. Mein Uebel verläßt mich von neuem einige Stunden, oder einige Tage. Aber ich fühle doch seine Gegenwart noch immer. Die Trägheit meines Geistes, die Last meiner erstorbenen Glieder zeigt mir meine Plage von ferne. Ich will mich erholen. Doch, o Gott, was helfen mir die Vergnügungen des Lebens! Man bringt mir eine crqvickende Speise, und ich zittere dabey, als ob es ein zubereitetes Gift wäre. Ich fürchte, daß nach dem Genusse derselben neue Plagen entstehen werden. Die Einbildung vergrößert meine Furcht, und die Erfahrung stärkt meine Einbildung. Ich will die Düfterheit meines Gemüths zerstreuen. Ich lasse zween gute Freunde rufen. Ihre Aufrichtigkeit scheint mich zu vergnügen, und in eben dem Augenblicke beleidiget sie mich. Ein erlaubter Scherz, den der an dere vorbringt, mißfällt mir, nicht deswegen, weil er nicht wißig und artig war, nein, weil ich nicht mehr im Stande bin, eben dergleichen Scherz zu sagen, oder weil mein unmuthsvoller Seist eben so wenig die Kraft eines sinnreichen Gedankens vertragen kann, als mein Magen die Nahrung einer stärs kenden Speise. Kurz, ich wünsche, daß mich meine Freunde verlassen mögen. Und ich mag hinsehen, wo ich will: so sehe ich nichts, als neuen Vorrath zur Betrübniß. Entweder ich kann die meisten Güter dieses Lebens nicht geniessen, oder ich geniesse sie mit lauter fürchterlichen Vorstellungen, oder ich bes zahle ein kleines und kurzes Vergnügen meistens mit der Reue und den Schmerzen des Leibes von vielen Stunden. Rührt mich wohl die Ehre? Vergnügt mich der Reichthum? Reigt mich die Liebe? Der Freund, die Gattin, die zahlreiche Gesellschaft, ein wohlgeschriebenes Buch, ein Scherz, ein Spiel, eine gute Musik, eine schöne Gegend, ein künstliches Gemälde, die beste Mahlzeit, die geistigste Getränke, die Einsamkeit, das traurige Glücke der Elenden, alles ist mir entweder zur Last, oder hat gar keine, oder doch nur halbe und betrübte An= nehmlichkeiten für mich. Der Mangel meiner Gesundheit macht sie für mich unbrauchbar. So lange man mir diese nicht więz dergeben kann: so sehe ich alle das übrige als ein Gut an, das mich von meinem Unglücke nur desto mehr überzeugen soll. Und was habe ich denn nach so vielen Jahren für Hoffnung zur Genesung übrig? Wodurch soll mein erstorbener Körper wieder aufleben? Der Arzt weist mich zur Geduld, und verz beut mir aus Sotge für meine Erhaltung so gar meinen lezz ten Trost, das Denken und Nachsinnen. Bin ich nicht der unglücklichste Mensch? Man biethe mir die ganze Welt an. Werde ich nicht elender, ie mehr ich das habe, was ich nicht brauchen kann? Und ich entbehre nicht allein das Vergnügen des Lebens. Nein, ich leide zugleich die größten Schmerzen, und sehe keine Hülfe. Womit soll ich mich aufrichten? Damit, daß ich ein Uebel des Leibes für kein wahres Uebel halte? O ́welche Einbildung! Vielleicht damit, daß ich mir vorstelle, daß mein und der ganzen Welt ihr Schicksal etwas unum gänglich Nothwendiges ist? Wird mein Elend leichter, weil es nothwendig ist? Warum mußte denn ich unglücklich seyn, und warum wurden andere glücklich? Soll ich mich vielleicht damit trösten, daß es noch unglückseligere Geschöpfe giebt, als ich bin? Elender Trost! Hört mein Verlangen, die Gesundheit zu bes sizen, darum auf, weil andere noch ungesünder find, als ich? Dienet dieses nicht vielmehr zu neuer Furcht? Kann nicht also mein eigener Schmerz noch größer werden, weil es noch grössere Schmerzen giebt? Geduld! ruft man mir zu. Durch Geduld und Standhaftigkeit vermindert man sein Leiden. Und wie erlange ich diese Geduld, wider die alles in mir und außer mir streitet? Kömmt es wohl auf meinen Willen an? Und was hilft mir denn ein Mittel, das ich nicht brauchen, oder erlangen kann? Sey gutes Muths, läßt sich ein anderer hören. Das Schicksal legt dem am meisten auf, der geschickter ist, als andere, vieles zu ertragen. Bedenke deine Größe und tröste dich damit, daß du größer, als andere bist. Welche Ehre, die sich mein Herz gar nicht wünscht! Soll ich deswegen mein Leiz den hochachten, weil es andere nicht würden ertragen können? Ich frage nach der Qvelle meines Unglücks; und man zeigt mir ein unerbittliches und unveränderliches Schicksal. Welcher fürchterliche Anblick, der geschickt ist, uns vollends in Verzweif

lung zu stürzen! Ich suche Lindrung; und man weist mir Personen, die noch elender als ich sind. Welch ein grausamer Trost! Ich wollte eben wissen, wie mir zu helfen wäre; und man zeigt mir, daß mir nicht kann geholfen werden. Man nennt mir die Geduld, als das einige Arzneymittel. Ich suche es, und kann seiner nicht mächtig werden. Welche elende Hülfe! Bin ich nicht eben so unglücklich, als wenn keines vors handen wäre? Stillt sich mein Durst, wenn man mir sagt, daß es in jenem Brunnen eine kühle Avelle giebt, welche doch für mich verschlossen ist? Ich will ruhig werden. Man sagt mir, daß ein weiser, ein tugendhafter Mann glücklich sey, es möge ihm gehen, wie es wolle. Dein Körper geht dich nicht selber an. Die Gesundheit ist ein Gut ausser dir. Die wahren Güter bestehen in deiner Seele. Diese können dir durch ein fieches Leben von tausend Jahren nicht genommen werden. Und gleichwol ist dieser Körper so unzertrennlich mit meiner Seele verknüpft, daß diese alles fühlt, was in ihm vorgeht. Und ich kann dieses Band nicht aufheben. Ist es denn für meine Seele nicht besser, wenn mein Körper gesund ist? Wünscht und vers langt sie dieses nicht? Und wie kann ich ein Verlangen aus rotten, das zu meiner Natur gehört? Aber du würdest die Vollkommenheit deines Geistes nicht so hoch bringen, wenn du nicht in solchen Umständen wärest. Du würdest nicht die edle Standhaftigkeit, die göttliche Hoheit der Seele erlangen, wenn nicht Dinge da wären, die fie in dir erwecken hülfen. Nehmet diese Dinge weg: so brauche ich jene poheit des Geistes nicht. Will man darum jemanden ungesund machen, daß man ihn Lehren kann, wie er eine Arzney dafür ausfinden könnte? Ich will gelassen werden. Man zeigt mir meine Freundinn. Deine Einbildung, sagt man, vergrößert dein Unglück. Sie stellt dir dein Uebel eher vor, als es zugegen ist, und qvält dich mit der Furcht. Sie stellt dir dein Unglück größer vor, als es ist, und bringt dich vollends um alle Gelassenheit. Was nügt mir dieser Rath? Ein großer Theil meines Uebels soll in meiner Einbildung bestehen. Wie kann ich dieses glauben, da ich das Uebel wirklich so groß fühle, als ich mirs vorstelle? Und gut, ich will es glauben, daß meine Einbildung die Schmerzen vergrößert. Ich will sie unterdrücken; aber ich kann es nicht. Sie wächst mit meinem Uebel, und ist eine Frucht meiner Krankheit. Bin ich nun glücklicher, weil ich meinen Feind kenne, ohne das Vermögen zu haben, mich seiner zu erwehren?

Mentor hat uns sein Elend beschrieben. Es ist groß, und wir können es nicht läugnen, daß es nicht viele folcher Geplagten giebt. Er hat Recht sich zu beklagen. Denn wer kann ein Mensch, und doch zugleich ruhig seyn, wenn er das größte und liebste Gut entbehrt, und dafür das größte Uebel zum täglichen Gefährten hat? Er sucht Trost bey der Vernunft, bey den Weisen, und findet immer Einwendungen wider ihre Vorschläge. Er braucht ihre Trostgründe lange Zeit, und findet keine Linderung. Er verläßt den Rath der Vernunft, und fragt die Offenbahrung. Er wird ein Schüler der Religion, ohne ein Verächter der Vernunft zu werden, Er stellt sich verschiedene Wahrheiten oft vor, und findet eine gewisse Beruhiz gung darinnen. Er wiederholet dieses Geschäfte einige Zeit, und führet sich das bey guten Stunden zu Gemüthe, was ihm in den bösen einen Beystand leisten soll. Er kömmt immer zu einer lebhaftern Ueberzeugung, und schmeckt endlich eine ge: wisse Beruhigung, die, wie er sagt, ihm sein Leiden versüßen hülfe. Er gesteht, daß er sie nicht immer gleich stark fühle, aber daß sie doch nie ganz von ihm weiche, und daß er sie durch Borstellungen wieder erwecken könne, wenn sie abgenommen. Er zeigt äußerlich eine größere Gelassenheit als sonst, und sagt, daß er dieses der Religion zu danken habe. Was habe ich für Ursache, ein Mißtrauen in seine Aufrichtigkeit zu sehen? Ich frage ihn, welches denn die Gründe der Religion wären, mit denen er sich tröste. Er antwortet mir, daß er mir einen Entwurf machen wollte, wie es in seinem Verstande aussähe, wenn er sich durch die Religion aufrichtete Ich sollte nicht glauben, daß er sich die Wahrheiten allemal in der Ordnung, und in dem Zusammenhange vorhielte, wie er mir sie fagte. Nein er dürfte sich oft nur eines Stücks von seinem Lehrges bäude erinnern: so fühle er schon die Kraft des ganzen Beweises. Ich habe, fährt er fort, etwann so angefangen zu urtheis len. Gott, du bist das gütigste, das liebreichste Wesen, das sich nur denken last. Die Vernunft und die Offenbahrung sagt mirs. Dir kann mit den Schmerzen deiner Geschöpfe nichts gedienct seyn. Du mußt vielmehr ihr Vergnügen, ihr Glück wollen, weil du die Liebe, die Güte, die Großmuth selbst bist. Dich hält nichts auf, die Schlüsse deiner Liebe zu vollziehen. Du bist der Allmächtige, der mit einem Winke die Welt be: glücken und vernichten kan. Gleichwohl erdulde ich die größten Schmerzen, und mein Leben ist seit so vielen Jahren eine Kette von Ungemach und Elend. Du fichest mein Leiden und hilfst mir nicht. Ich untersuche mein Herz und sinde den Vorwurf

nicht, daß ich mirs selbst durch Laster zugezogen hätte. Daß ich mich aufrichtig prüfe, Herr, was weist du. Ich schliesse, daß es deine Schickung sey, daß ich so viel dulde. Ich bin zu blöde, alle deine weisen Absichten in ihrem Umfange einzusehen. Allein ich sehe doch so viel, daß du nichts wollen und zulassen kannst, als was das Glück deiner vernünftigen Geschöpfe bes fördert. Mein sieches Leben muß entweder zu meiner, oder zur Wohlfahrt anderer dienen, oder beydes befördern sollen. Du hast meinen Geist mit einem schmerzhaften Leibe verbunden und hast mir doch zugleich das Verlangen eingeprägt, von Schmerz zen frey zu seyn. Wenn ich auf die gegenwärtige Welt sehe, so streitet das erste wider meine Wohlfahrt. Wie kann ich ohne Gesundheit hier glücklich seyn? Aber ist dieses Leben, ist dieser mein Körper, ist diese Welt das einzige, wozu ich geschaffen bin? Mein unsterblicher Geist ist einer ewigen Glückseligkeit fähig. Ich lebe hier, um mich durch Gehorsam gegen dich eines ewigen und unwandelbaren Glücks theilhaftig zu machen. Auf dieses Glück muß ich sehen, wenn ich deine Absichten ers reichen will. Du kannst mir meine Schmerzen, nicht als Schmerzen, sondern als ein Mittel zu meiner wahren Wohlfahrt auflegen. Dieß weis ich gewiß. Sie müssen also, wenn ich mich allein, ohne meine übrigen Brüder, ansche, zu meis nem ewigen Heyle dienen. Wir werden durch Wahrheit, durch Glauben, durch Tugend und Gehorsam gegen dich glücklich. Würde mir nicht vielleicht der Genuß einer völligen Gesundheit hinderlich an der Tugend gewesen seyn? Würde ich nicht viels leicht in ganz andern Umständen leben, wenn mein kranker Körper mich nicht daran verhindert hätte? War ich nicht viels leicht nach meiner natürlichen Beschaffenheit so sinnlich, so empfindlich gegen die äußerlichen Dinge, daß ich nie zu einer rechten Erkänntniß der Wahrheit gelanget seyn würde, wenn du mir nicht das Vermögen entzogen hättest, die Güter zu ge nießen, die uns an dem Gefühle der Wahrheit hindern? Würde ich nicht die Kraft der Wahrheit bald_wieder verloren haben, wenn die Flüchtigkeit meines Geistes nicht durch einen schweren Körper gehemmet worden wäre? Würde ich meine gewaltige Liebe zum Leben, meine Begierde nach äusserlichen Güteru wohl gemäßiget haben, wenn ich den vollkommenen Gebrauch der Gesundheit genossen hätte? Du kanntest den Bau meines Körpers, und die Beschaffenheit meiner Seele. Du sahest, daß die Gesundheit, die andern ein nügliches Gut ist, mich an der Tugend hindern würde. Du beschlossest daher, mir ein gerins ges Gut zu entziehen, weil es mit meiner ewigen Wohlfahrt ftritte. Kann ich mich wohl mit Recht über dein Verfahren beschweren? Darf ich ohne Verwegenheit wohl fragen, warum bekam ich insbesondere die Beschaffenheit des Leibes und Gemüthes, die gemacht haben würde, daß ich bey dem Befihe der Gesundheit die Tugend leichter aus den Augen gesehet hätte? Oder warum ließest du mich nicht den andern werden? der hier gesund, und doch auch ewig glücklich ist? Ich Wurm, will ich mit dir rechten? Bist du nicht der Herr, der thun kan was ihm wohlgefällt? Bist du nicht weise und gerecht in allen deinen Wegen? Hättest du nicht die Freyheit aller deiner vers nünftigen Geschöpfe aufheben müssen, wenn keiner durch die Schuld der Geburt, und durch seine eigene Unvorsichtigkeit hätte fiech werden sollen? Genug, wenn du uns allemal in die äusserlichen Umstände geseget hast, die für das Glück unserer Seele die besten waren. Nichts läßt mich daran zweifeln, und alles, was ich von dir denken kann, und was mir dein Wort saget, befiehlt mir dieses zu glauben. Wenn ich also sicher bin, daß ich mir mein Leiden weder zugezogen, noch mits durch übeles Verhalten vergrößert habe: so ist es keine Strafe, sondern ein weises, obgleich bitteres Mittel, mich vollkommen glücklich zu machen. Laß mich, o Gott, deine Güte perehren, die so groß ist! Habe ich nicht Ursache zufrieden zu seyn, wenn du alles so mit mir schickest, daß ich den Zwed, warum ich geschaffen bin, desto gewisser erhalte? Daß ich meinen Geist unendlich glücklich mache? Wir Thoren! Entspringet unsere meiste Unzufriedenheit nicht daher, daß wir dieses und das künftige Leben in Gedanken trennen? Beydes ist eins. Und wenn wir wissen wollen, wie glücklich oder elend wir sind: so sehen wir nur auf das gegenwärtige kurze, und nicht auf das immerwährende ewige Leben. Werden wir nicht auf diese Art die ungerechtesten Klagen wider dich ausschütten, wenn es uns hier nicht so geht, wie es unser Herz wünscht? Und wer heißt uns diese beyden Dinge trennen? Hast du nicht gesagt, daß denen, die tugendhaft sind, die dich lieben, die sich aufrichtig bemühen, deinen Willen zu thun, alles zu besten dienen soll? Kann dieses etwas anders heissen, als daß du ihnen nichts willst wiederfahren lassen, was nicht zu ihrem ewigen Glücke dienet? Herr, ich verehre deine weise Vorsehung. Du handelst als ein Vater. Du züchtigeft uns zu Nuße, daß wir deine Heiligung erlangen. Deine Züchtigung dünket uns zwar nicht Freude, sondern Traurigkeit zu seyn, aber darnach giebt sie eine friedfame Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch ge=

übet find. Was ist es, zwanzig, dreyßig Jahre ein schmerzhaftes Leben führen, wenn man dabey gewiß seyn kann, daß man eine Ewigkeit ohne Schmerz in dem Befiße der reinsten Bolluft zubringen wird? Mein Leiden ist groß, aber wie gering ist es gegen die unendliche Herrlichkeit, die nach deiner Güte auf mich wartet, die ich nichts weniger, als verdienet habe, die du mir aus_blosser Großmuth durch den Erlöser der Welt schenkest? So ist es denn gewiß, daß ich ewig glückselig bin? Sch fühle eine Versicherung, die mit einer lebendigen Ueberzeu gung begleitet ist. Ich fühle die angenehmste Höffnung. Ich schmecke die Kräfte des zukünftigen Lebens. Und ich fühle, daß die Leiden des Körpers meine Seele nicht mehr so ängstigen. Ich bin elend, wenn ich meinen Leib ansche, und ich bin glück licher, als alles, wenn ich meine Seele, wenn ich die Zukunft betrachte. Herr, ich warte auf deine Verheissung. Ist der Ullmächtige mein Freund, wie kann ich elend seyn ! Wäre er nicht meine Hülfe, was würde mir die Gesundheit, die ganze Herr lichkeit der Welt nügen? Mit dieser Hoffnung, die du in meiner Seele stärkst, will ich mein Leiden verringern. Der Anblick der Ewigkeit wird den Unblick meiner zeitlichen Plage erträglich und leicht machen. Durch den Glauben überwinde ich weit. Bie viele ängstliche Sorgen für meine Gefundheit, für die Er: haltung meines Lebens werde ich mir künftig ersparen! Du bist ben mir. Ich beobachte eine vernünftige Sorgfalt, und mein übriges Anliegen werfe ich auf dich, denn der Herr forget für uns. Las mir nur deine Liebe und die wahre Furcht gegen Eich, so bin ich glücklich.

Der Religionsfpötter zeige mir das Unvernünftige in die fem Trofte. Ist es unvernünftig, ein gegenwärtiges Uebel durch die Hoffnung eines unendlichen Glücks zu besiegen? Und ist es unmöglich zu dieser Hoffnung zu gelangen? Behauptet er das Lezte: so frage ich ihn, ob er es versucht hat. Epricht er nein; wie kann er es läugnen? Wenn mir ein Vernünftiger die Kraft eines gewissen Weines in dieser oder jener Krankheit rühmet, habe ich wohl Recht, daran zu zweifeln, wenn ich den Bein niemals, oder nicht in gleichen Umständen gebraucht habe. Spricht er, er hätte sich mit der Religion trös ften wollen, und keine Hülfe bey ihr gefunden: so entstehet die Frage, ob die Schuld an der Kraft der Religion liegt, oder an ihm? Ich behaupte das Lehte. Allein es ist hier der Ort nicht, es auszumachen. Der Spötter mag von der Göttlichkeit der Religion denken, was er will. Ihn von seinem Unrechte zu überführen, will ich so gar annehmen, daß sich der irre, der fie für göttlich hält. Nun frage ich ihn, wenn dieser Irr thum gleichwohl so viel Gewalt über unser Herz hat, daß er uns beruhigen kann, ob dieser Irrthum nicht viel kostbarer 讯, als feine Bernunft. Mentor bat ficd mit der Religion aufgerichtet. Der Spötter giebt zu, daß man durch einen Strihum, den man glaubt, und der uns angenehm ist, zu einer größern Beruhigung gelangen könne, als durch die aus gemachteste Wahrheit, die nichts so angenehmes für uns hat. Wäre also die Religion nichts, als ein verdeckter Irrthum: so sebe ich doch nichts unvernünftiges bey dem, der sich damit trafien fann. Er schadet sich durch diesen Trost nichts, die Religion mag wahr, oder nicht wahr seyn. Er gewinnet in biesem Leben eine Ruhe des Herzens durch sie, wenn sie auch falsch ist. Er gewinnt mehr durch diesen Irrthum, als durch tes Spötters Wahrheit. Ist Mentor nun wohl unvernünftig zu heissen? Und müßte die Religion nicht schon einer großen Hochachtung werth seyn, wenn sie auch eine menschliche Erfinbung wäre, da sie uns solche vortreffliche Dienste thut? Höre ich mit diesem Leben auf: so habe ich mich hier doch beruhiget. Und wenn ich nicht mehr bin, so kann mir meine vergebliche Heffnung auch nicht schaden. Eben so wie einer, der in einem angenehmen Traume liegt, wenn er nie wieder erwachen sollte, nicht wird unwillig werden können, daß sein Vergnügen ein Betrug gewesen ist. Kann endlich der Spötter mir nicht darthun, daß das unmöglich ist, was mir die Religion verspricht: (und wie könnte er dieses?) so bin ich klüger, als er, daß ich mir eine Möglichkeit zu nuge mache, die mir den größten Bortheil bringt, wenn fie wahr seyn sollte, und doch auch einen großen Nugen schafft, wenn sie gleich nicht wahr ist. Bill er läugnen, daß wir iemals durch die Religion zu so einer Ueberzeugung, zu so einer empfindlichen Hoffnung, zu fo einer Freudigkeit gelangen, als wir vorgeben: so frage ich ihn, wie er mir eine Erfahrung absprechen will, die ich empfinde. Mit denenjenigen, die die Religion in ihren Würden las fen, und doch glauben, daß die Trostgründe der Bernunft schon geschickt find, einen recht fiechen Menschen in seinem Un glude aufzurichten, kann man kürzer reden. Es kömmt alles auf zwo Fragen an. Weis die Vernunft alle die hohen Wahr heiten, die in der Offenbahrung sind, und weis fie solche, mit so vieler Gewißheit und Deutlichkeit, als ohne die Offenbahrung? Man behaupte das erste oder andere, so macht man die Religion zu einer überflüßigen Sache. Da sie aber ihre GöttEncycl. d. deutsch. Nation, -Lit. UI.

lichkeit zugeben: so können sie dieses nicht annehmen, und also müssen sie zugleich mit behaupten, daß die Vernunft für sich die starken Trostgründe nicht hat, welche die Religion uns an die Hand giebt. Ich glaube, daß die wenigsten von denen, die der Vernunft so viele Stärke einräumen, es übel mit der Rez ligion meynen. Sie sehen immer die Vernunft voraus, wie sie in uns durch den Unterricht der Religion von Jugend auf ist gebildet worden. Kömmt es denn zur Frage: Wie viel vermag die Vernunft in diesem oder in jenem Falle einzusehen? so trennt man die Wahrheiten seiner christlichen Vernunft auf eine unbehutsame Weise von dem, was wir die Wahrheiten der Religion nennen. Wir schliessen diese meistens in die Grenzen der geoffenbahrten Geheimnisse ein. Den übrigen Vorrath der Wahrheiten, den wir in uns finden, rechnen wir so wohl seines Umfangs als seiner Ueberzeugung nach, zur Vernunft. Allein so müssen wir die Kräfte der Vernunft nicht untersuchen. Wir müssen ihr Vermögen bey denenjenigen kennen lernen, welche keine Offenbahrung hatten. Wenn mir Sokrates, Plato, Seneka und andere große Vernunftweisen eben so hohe und eben so gewisse Trostgründe darstellen, als ein heiliger Paulus oder Johannes: so hat es mit der Stärke der Vernunft seine Richtigkeit. Aber wer kann dieses behaupten, wenn man beyder Schriften auch nur obenhin mit einander verglichen hat? Wie zweifelt die Vernunft, wenn sie von der Unsterblichkeit der Seele einen Ausspruch thun soll! Wie viele Uncinigkeit trift man in den Beschreibungen des Lebens nach dem Tode an! Jeder macht es zu dem Zustande, der seiner natürlichen Gemüthsbeschaffenheit am vortheilhaftesten ist. Die größten Weisen haben immer die Unsterblichkeit der Seele mehr gewünschet, als erwiesen. Und sahe es mit der Gewißheit von solchen Trost= gründen in den Köpfen der tiefsinnigsten Männer nicht besser aus, was wird die Vernunft bey den meisten ausrichten, die ihren Verstand wenig oder gar nicht zu gebrauchen wissen ? Kann niemand läugnen, daß uns die Religion größere Güter verheißt, als die Vernunft; daß fie uns unser künftiges Glück deutlicher und umständlicher vorstellt, als diese, daß sie uns endlich zu einer stärkern Ueberzeugung bringt, als das Licht der Vernunft; kann er dieses nicht läugnen: so ist es erwiesen, daß die Religion die einzigen und wahren Troftgründe an die Hand giebt, weil sie, wie wir oben erinnert haben, die stärkste und lebendigste Hoffnung in uns erwecket, die wir als eine ange= nehme Empfindung der unangenehmen in unsern Leiden entge= gen sehen, und uns auf solche Urt trösten. Wenn ich den Seneka sagen höre, daß niemand von seinem Posten ohne den Wink des höchsten Befehlshabers gehen, daß sich niemand das Leben selber nehmen soll; und wenn ich an einem andern Orte, wieder von thm böre, das ein Unglüctlicher, wenn es gas nicht mehr fort wollte, doch noch den Troft übrig hätte, fich das sahmerzhafte Leben selber zu verkürzen: so kann ich mir von seiner Theologie und von der Ueberzeugung, die er von seinen Wahrheiten hat, keinen großen Begriff machen. Ist die Glückseligkeit nach dem Tode eine Belohnung der Tugendhaften ; wie kann der tugendhaft seyn, der ungehorsam ist, der wider den Befehl seines Obern handelt? Dieses giebt Seneka selbst zu. Und hat er den Trost nicht in sich, daß er tugendhaft ist, wie kann er denn die Hoffnung der Belohnung haben? Ist die Glückseligkeit keine Belohnung der Tugend, und kann sie der, der sich das Leben nimmt, und wider die Tugend in den lehten Augenblicken handelt, doch noch erhalten, was ist denn für ein Trost in der Tugend. hat das Laster nicht eben so viel Hoffnung für sich? Ich will durch dieses alles nicht der Vers nunft ihre Ehre nehmen. Es gereicht ihr nicht weiter zur Schande, daß sie nicht so weit und so deutlich sicht, als die Offenbahrung, als in so weit sie es läugnet. Ich behaupte ferner nicht, daß die alten Weisen durch ihre Vernunftgründe nicht zu einiger Beruhigung des Herzens hätten kommen können. Ich sage nur, daß ein Mensch, der die Religion weis, nie einen wahren und dauerhaften Trost schmecken wird, wenn er ihn nicht durch die Religion erlangt. Er tröste fich mit der Vernunft so gut er will: so wird er kaum den Vortheil von ihr haben, den ein Sokrates oder Seneka genossen. Sie wusten kein ander Licht, und in so weit konnten sie ruhig seyn. Der Christ hat noch ein anders, und muß sich das eine Auge verbinden, um dieses Licht nicht zu sehen. Er muß sich zwingen, es für falsch oder überflüßig zu halten, damit er dem Ansehen seiner Vernunft aufhelfe. Allein es bleibt ihm bey dem allen noch die verdrüßliche Möglichkeit im Wege stehen, daß er mit seiner Vernunft irren, und daß vielleicht nur in der Religion die wahre Beruhigung enthalten seyn könne. In so weit glaube ich, daß ein Christ von der bloßen Vernunft den Nugen nicht haben kann, den diejenigen von ihr erhielten, welche die Relis gion nicht kannten.

Die dritte Art von Leuten, welche die Trostgründe der Religion herzlich gern für größer und stärker erklären, als die Gründe der Vernunft, und nur sagen, daß fie ihre Kraft

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