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Ansprache an die deutsche Jugend.
Rem populi tractas?

Quo fretus? Dic hoc magni pupille Pericli.
Scilicet ingenium, et rerum prudentia velox,
Ante pilos venit, dicenda tacendaque calles.
Ergo cum motà fervet plebecula bile,
Fert animus calidae fecisse silentia turbae
Majestate manus. Quid deinde loquêre? Quirites,
Hoc, puto, non justum est, illud male rectius illud.
Scis etenim justum gemina suspendere lance
Ancipitis librae; rectum discernis, ubi inter
Curva subit, vel cum fallit pede regula varo;
Et potis es nigrum vitio praefigere theta.

,,Die Sache des Volkes handelst du ab? Zögling des Pez ,,ricles! Worauf gestüßt? Vermuthlich kam Genie und schneller "Begriff der Dinge noch vor dem Bart; du weißt genau, was ,,man sagen und verschweigen soll. Also wenn der gemeine Haus ,,fen mit bewegter Galle braust, wird dir schon der Verstand ,,sagen, mit majestätischer Hand der erhißten Menge Stille zu gebieten. Und was dann ferner der Stoff der Rede?

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Bürger, das, meine ich, ist nicht recht, jenes schädlich, ,,besser dieses. Denn du weißt das Gerechte auf der doppelten Schaale der in Schwingung begriffenen Wage vortrefflich an,,und festzuhängen! Das Gerade unterscheidest du auch zwischen ,,den Krümmen, oder wo der Maaßstab trüglich ist; und ganz „wohl bist du fähig, der Untugend das schwarze Mal zu sehen.“ Der edle Zögling von Volterra, Uulus Perfius Flaccus; würdig der Freundschaft der Bessern seiner Zeit, des Cors nutus, Thrasea und der Arria, aber noch innerhalb den zwanzigen der Erde und den Seinigen entrissen. IV.

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Auf unsern Universitäten haben sich viele Jünglinge heftig für die Landsmannschaften gegen die Burschenschaft, und die Undern für die Burschenschaft gegen die Landsmannschaften geschlagen. Auf der Wartburg ist Manches, wahrscheinlich Mit telmäßiges, aber unstreitig auch Gutes, verbrannt worden. Die Andern haben es verleugnet, mißbilliget und für ein post festum und hors d'oeuvre ausgegeben. Einen sehr angesehenen Mann hat man ungefähr zur selbigen Epoche auf seiner Durchreise auf einer der Akademien insultirt; einer noch höhern Person auch nicht einmal den Dank der Stiftung bezeigt; und die andern Klügern haben von freien Stücken gleichsam Entschuldigung und Abbitte gethan, oder Reue empfunden. Nein fürwahr, das find doch vortreffliche Sinnbilder, Muster und Saamen künftiger Einigung und Eintracht in Deutschland, und wir alternde Leute mögen da zur Schule gehn, da uns das so schwer vor: tommt!- Junge Freunde, nach diesem Eingang, halb Scherz halb Ernst, soll das Folgende gänzlich Ernst sein. Die inner ften Gründe eurer falschen Unfichten, Irrthümer und Trugs schlüsse zu entdecken, nachdrücklich zu rügen und wohlwollend, ja liebevoll und väterlich euch zu warnen und zurückzuführen, und sicher nicht die Verdorbenen, sondern die Geistreichsten unter cuch, sei mir jegt eine heilige Pflicht, mir wohl bewußt, daß ich auch hier auf dem Pfade der Alten wandle! Uber auch gegen mich gekehrt, jenes quo fretus, wo ist mein Beruf! Nicht nur sechs Söhne, die zu euch gehören, Erfahrung, Studium un serer Geschichte, und mein Zwischenalter; es sind noch speziellere Verhältnisse, die mich an euch binden. Es ist hier nur die Fort sehung meines frühern Beginnens. Als noch Alles die Flügel hängen ließ, am Vaterland und an sich selbst verzweifelte, und mein Beruf mich an Napoleons Hof führte, widmete ich euch dort die Resultate der Sittengeschichte, das Buch von den Für sten, und erließ im Eingang an euch die ernste Mahnung:

Euren Seelen Festigkeit und Stahl zu geben, den gefunkenen Geist zu heben, der Sittenlehre und dem Völkers recht mit den Bessern unter uns das Wort zu reden, und alles Feuer, allen Entschluß und Streben der Jünglinge zu einer bessern Vaterlandsliebe zurückzuführen, das find meine ersten offenen unverhohlenen Zwecke.

Und als die Stunde der Befreiung näher rückte, sprach ich am Schluß des andern Theils noch einmal im selbigen Sinn; beides, wie mich dünkt, des großen Gegenstands nicht unwürdig: Ich kehre noch lieber zu den Platonischen Ideen von den Metallen zurück. Die Ulten sagten, wir seien die Schmiede unsers Glücks. Jedes Alter ist bereits in Uebung. Darum, muntre Knaben, pocht die Erze, Jünglinge, den geschliffenen Stahl gebe ich euch in die Hand, das Silber sucht, das Gold verdient.

Freunde, das war nicht der Stahl, den Sand erkohren hat; es war einzig der Stahl, den eben jene Söhne bei Leipzig, Encycl. d. deutsch. National-Lit. III.

bei Arcis sur Aube, und bei Waterloo führten; es war eben der Stahl, womit die deutsche Jugend bald fiegreich aus den Schlachten kam.

Allein man hat dem Vaterland und euch damals Dinge versprochen, und ihr behauptet, oder gebt zu verstehen, oder Andre sagen für euch, das ihr vergeblich auf die Erfüllung wartet! Das laßt uns verständig, offen und recht umständlich prüfen.

Ich war einst auch einer der Versprechenden und erinnere mich noch sehr wohl meiner Vollmacht, meiner Absicht und meiner Allocution. Was im Nassauischen überhaupt sich zu= trug, soll als Analogie gelten, und ich werde dann leicht vom Besondern zum Allgemeinen gehen.

Zu der Zeit Minister in den Oranischen Fürstenthümern, fügte es sich, daß in Ubwesenheit des Landesherrn Alles auf mir lag. Die Freiwilligen, die Landwehr, auch die stehende Mannschaft, als Napoleons Herrschaft dort im Großherzogthum Berg aufhörte, habe ich allein komponirt. Unstreitig ganz außer meinem Fach und Handwerk. Auf die gebildete Jugend des Landes sezte ich Vertrauen; ich fand und nährte mit all meinen Mitteln den public spirit; sie gingen zu den großen Heeren, und waren unter den Ersten, auf welche in jenen blutigen Tagen der Feind traf.

Aber diese einzige Schlacht endigte den Krieg. Sollen wir es als ein Uebel ansehen, daß die Verlängerung nicht beitrug, die Haufen zu verdünnen, die Ehrgeizigen empor zu heben, oder in das Reich ihrer Väter zu senden! Freunde, dieser Kannibas len-Gedanke kann weder in euerer, noch in meiner Brust statt finden. Das Vaterland, und was uns rechts und links um giebt, hatte früher, so viele Jahre lang, genug geblutet!

Seinen Werth und sein Verdienst kann man leicht überschäßen. Häufig hörte ich die Franzosen im Lauf ihrer Siege selbst sagen: Tout le monde est brave. Sicher gilt dasselbige die Kriege nicht mit den Greifen, sondern mit der Jugend des von Leipzig und Hanau, von Ligny und Waterloo! Man führt Landes! Daß die unsrige dem Aufruf folgte, war recht und Lobenswerth und nichts weiter! Nach dem Tag von Canna wunderte man sich nicht, daß die jungen Männer, sondern daß Sklaven in die Reihen traten! Für jene bedurfte es keiner bes sondern Lockungen, als daß ihr Vaterland in Gefahr, ihres Arms, ihrer vermehrten Anstrengung bedürfe! Und die Sybillinischen Bücher hießen sie schon früher nach dem Tag von Thrasymene aedem menti, der Vernunft und Einsicht und der Besonnenheit einen Tempel bauen, und sonst nichts. Dasselbige thut uns nothwendig, und die Sybille hat für alle Jahrhunderte gesprochen.

Damit will ich keineswegs euren Enthusiasmus und seine herrlichen Früchte leugnen, noch den Werth verringern. Als ewiges Muster in künftigen Bedrängnissen wird dieser Feuereifer geschichtlich dastehn, und ich möchte ihn schildern können; lieber als ihm Abbruch thun.

Allein hier treffe ich bereits auf den Wirrwarr der Ideen, auf Thorheit und Ueberspannung. Sicher hat Niemand versprochen, das Regiment der Länder und der Heere, die Führung der Dinge auf der Erde nach vollbrachtem Kampf den Junglingen zu übergeben; noch, was ungefähr dasselbige wäre, ihrem Urtheil, was dieser Erde frommt! Laßt der Natur, den Jahren und dem Fortrücken seinen Lauf.

Alsobald fallen mir jene graufen Handlungen ein, noch weit andre, bedeutendere, als die zur öffentlichen Kunde kamen. In meinen Augen weit stärkere Symptome der unermeßlichen Berwirrung und Empörung der Gemüther! Als ich jüngst in meiner Nähe nach dem botanischen Garten des Ortes Langenhann ritt, mit den dortigen Verhältnissen unbekannt, hörte ich Wo ist der vorige? vom neuen Oberförster. förster F... hat sich, und I... auch, erschossen. Warum? Liebe, Melancholie, Mangel, Darben zahlreicher Familie? Nein, politische Ideen; es gefiel ihnen nicht mehr in der deuts schen Welt.

Der Obers

Ein Paar junge ledige Freunde, Beide Freiwillige, getäuscht nach ihrer Meinung, haben sich nach genommener Abrede und gewechselten Billetten hier und in H. zur felbigen Zeit selbst entleibt! Also hier nicht zugefügtes Unrecht, unerfülltes Versprechen, langes Warten, gehemmte Laufbahn und Dürftigkeit z von Allem vielmehr das Gegentheil. Gunst und Rücksicht, Brod, chrbares Amt, fernere Aussicht, genügende Beschäftigung! Kein Reiz, keine Verführung, als aus ihnen selbst. Folglich überspannte Erwartung, Grille, unermeßliche Ertravaganz und Vers stimmung, ja Empörung des Gemüthes! Sand war vielleicht durch speziellere Dinge gereizt; durch Stolz, Selbstvertrauen und Gefühl gewaltiger Stärke; durch die Erwartung, auf die

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fem Wege berühmt zu werden, Eindruck, ja vielleicht nach seis ner Weise Nuhen hervorzubringen. Hier nicht, hier ist allein kalte Verzweiflung am Schicksal. Was haben sie also früher erwartet und gehofft, wenn gleich dunkel? Tumult, Umwälz zung, ein tolles Glücksspiel! Als könnte der Völker Band nur mit flüssigem Blut gekittet und geleimt werden! Davor aber wolle die Vorsehung die Erde und den vaterländischen Boden bewahren! Sinnliche Begierden vermehrte Lust zu haben, find nur zu oft bei diesem und jenem im Hintergrund, und republikanis che Marimen, sesquipedalia verba nur im Mund! Sparta und Champagner Bein gehören nicht auf dieselbe Zunge. Wir sind nicht reich in Deutschland, und andre Nationen haben diesen Vorzug für uns! Und auch die Armuth muß man tragen fön nen. Fürwahr, dieser Mißmuth hätte keineswegs so überhand genommen, hätte unter uns das Bewußtsein wiedererrungener Freiheit und Unabhängigkeit, des wiedererrungenen Ansehens und der Ehre, und noch mehr hätte das Bewußtsein, auch nur einen entfernten Theil dazu beigetragen zu haben, in uns rer und der Jünglinge Seelen den rechten Sterlingwerth! Ja wären sie der Freiheit ächte Söhne! Und hätten die, welche sich zu Lehrern und Führern oder Sprechern aufwarfen, kluge Männer in bedeutenderer Anzahl, mannigfaltig, einstimmig, eben diese des Vaterlandes wiedergewonnene Vortheile billig er wogen und verherrlicht; hätten sie verständiger geprüft und verglichen, was haben wir errungen! Wären wir auf solche Weise dankbar gegen die schirmende Vorsehung gewesen; für wahr es wäre Bieles anders.

Ist denn der ganze Becher des Lebens und des Lebensge nuffes auf einmal auszutrinken? Ist der Durst nach That so eilend und so dringend? Haben wir Brief und Siegel, daß das Vaterland dieser raschen Urme nicht mehr bedürfen werde? Blücher selbst, wie viele Widerwärtigkeiten, wie viele herbe Stunden gingen an ihm vorüber, bis er in so spätem Alter zum gehofften Ziel und zum Lorbeerkranz kam! Noch am Vor abend war er gewichen, und zur Erde gesunken.

Wie unendlich viele Täuschungen sehe ich, dem Chaos ähnlich, nah und fern! Diese angesprochenen Konstitutionen der Unsrigen, was auch die Modalität der Verheißung war, wer den allerdings gegeben. Nur eine große und grobe oder ver schmigte Unwissenheit hält diese Dinge für leicht; nur der Leichtfinn schüttelt sie aus dem Wermel. Wenn irgend etwas den natürlichen Lauf, den planmäßigen Fortgang, die verständige Entwickelung, das behutsame Dringen der Bessern gestört hat, so sind es eben diese Erzeffe! Ich habe wohl auf Reisen ver nommen, daß die jungen Berner nach den Schulen zu Rath faßen und fingirte Geschäfte trieben, von den Vätern unterwies sen; ich habe gehört, daß man zu Eaton die Parlamentsfißun gen präludirt und debattirt, aber keineswegs, daß das Schicksal von Helvetien und Großbritannien dahin verlegt sei, oder Lehrer und Jünglinge sich anmaßen, der Staatssachen kundiger zu sein und den Ton anzugeben. Und dort war noch ein gewöhn licher Verlauf, ein Fortrücken in der Zeit, ein festerer Standpunkt, von welchem das Geschäft des morgenden Tages leichter vorzusehen war. Bei uns eine tabula rasa, auf welche die Kon turen mit geübter Hand erst wieder aufzutragen find. Diese erste Zeichnung, die Sichtung und Wiederherstellung ist unendlich schwerer. D, vortrefflich, wenn ihr uns einst übertrefft, wenn ihr ähnliche Uebel seiner Zeit verhütet, fie niemals über eure Kinder kommen last; vortrefflich, wenn ihr den Vorsag schon jest in eurer Brust fasset! Über die Weisheit und die Tugend a priori ist baarer Unsinn. Leander war erst bei der Hero, als er durch das Wasser geschwommen war. Mit dem bloßen Vorsaß, oder mit optischer Theorie wäre fie ewig Jung frau geblieben. Vor allen Dingen meßt die Breiten und die Tiefen. Der ächten Weisheit Kern, junge Freunde, ist in den drei kleinen Worten enthalten: ne quid nimis; and ehe man zu diesem Kern gelangt, find die Rinden abzuthun, und die Schaalen aufzubeißen. Die großen politischen Weltweisen haben den Staaten Bau und Schirm mit Musik und Harmonie ver glichen. Den Fiedelbogen mit starker bewegter Hand zu streichen, und in die Backen zu blasen, giebt noch kein gutes Konzert.

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Als ich zu Leipzig studirte, hatte kurz vorher Dr. Sammet, und zwar mit Beifall, Staatswissenschaft gelehrt. Er verfehlte nie, im Kursus den Kurfürsten, der noch regiert, anzusprechen: Auguste, Auguste, wenn du mich hättest, wie ganz anders wür den deine Finanzsachen stehen! Und diese Sachen des August's stunden und stehen noch sehr gut; der arme Doctor aber brauchte mehr als er sollte, und machte mehr wie einmal Bankrutt!

Also auf der Wartburg habt ihr literarisch-politisches Auto: da-Fe gehalten, und auch Uncillon und Wangenheim find dort

den Flammen preisgegeben worden. Wie sehr bedaure ich, als Dritter, nicht in so guter Gesellschaft gewesen zu sein. Was Senen, der zu unsren denkenden Köpfen und talentvollen Literatoren gehört, und dem das anerkannte Verdienst gebührt, einen unsrer edelsten Kronerben gebildet zu haben; was Jenen und seine politischen Ansichten betrifft, so ist mir am deutlichsten erinnerlich geblieben, daß, che man nach Rom gelangt, Alpen und Apenninen zu überschreiten sind; oder wie ein andres unsrer Sprüchwörter sagt, daß Rom nicht in einem Tag sei gebaut worden. Und in meines edlen Freundes muntrem Sinn, in seinem unvergleichlichen warmen wohlwollenden Herzen, in seiz nem ornirten farbenspielenden Verstand hat der Groll gegen euch nicht einen Augenblick Herberge gefunden. Bedürftet ihr eines Fürsprechers, sicher wäre Wangenheim der beredteste und mannigfaltigste. Für euch, glaube ich, hat er seine politische Logik in bildliche Sprache, in die Terminologie philosophischer Schule gewickelt. Denn auch seine dominirenden Ideen, in planen Worten ausgedrückt, waren der Geschichte und dem praktischen Verstand gänzlich entlehnt, mit der Wirklichkeit ges paart, und in Würtemberg befolgt man keine andren. Umsonst erwehrt ihr euch jener Unarten, die auf der Burg stattgefunden haben. Vergeblich deutet man sophistisch die schlimmen Worte, die damals dort verlaufeten. Wenn ein Regiment eine Gegend oder Stadt durchzieht, und es fallen grobe Ercesse vor, so sagt man hinterher nicht, der Caspar und der Kunz, wären es auch nur zahlreiche Nachzügler gewesen, sondern man nennt das Regiment und seine Führer. Unstreitig war bei diesen Urs theilen über Literatur, über der Freiheit echten Werth, über der Verfassungen Elemente und Bildung, etwas vom spißen Messer in der Hand der Kinder, wären sie auch noch so ent= wachsen gewesen. Vergeblich wählt ihr die Besonnenern zu Borstehern. Sie werden das spiße Messer_zu_unterscheiden, zu entwinden nicht vermögen. Ihr habt es selbst erkannt und er fahren. Und um so übler waren diese Peccadillen, als der Gegenstand, die Idee, die Feier des Tages edel, fromm, des ernstlichsten Nachdenkens empfänglich war, keineswegs Spuren der Zwietracht und der Thorheit hätte tragen sollen. Denn auf diese Weise wird man bald bei uns alles folenne, alles große Andenken, allen Handschlag und festen Vorsaß in üblen Ruf bringen. Diese Feuer des 18. Juni, des 18. Oktobers lodern schon nicht mehr auf den deutschen Bergen, oder matt; während dem ich doch eben noch über die Brücken von Jena und Austerliß gegangen bin. Und doch bedarf unser deutsches Gemüth solcher Funken, solcher Wiederkehr der Seelen - Erhebung, solches Entgegenwirkens gegen Phlegma und Lethatgie mehr wie irgend wo

So werde ich allmälich zur großen Lehre des Kriminalrechts von der Imputation, oder dem Grad der Schuld geleitet, und stehe an Sand's schauerlicher That.

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Also es war nicht persönliche Rache, nicht schnöder G:winn, nicht heimliche Tücke, und wie die bösen Triebe alle heißen; kein alt verderbtes Herz, kein verstocktes mißhandels tes Gemüth, das ihn zur Greuelthat trieb. Er glaubte in seiz nem fürchterlichen Wahn, eine nothwendige vaterländische Handlung zu begehen; höchstens war geheimer Stolz sein legter Impuls; und so lautete der blutige Syllogism:

Uebel, und besonders große Uebel auf der Erde sind nicht zu dulden, sondern auszurotten. Kogebue ist so ein großes Uebel. Also muß man, muß ich ihn tödten?

Wenn das Fehlerhafte irgend eines der drei Säge gefunden ist, hat sonst der Logiker seinen Prozeß gewonnen. Über wo soll ich hier zuerst die hohle wurmstichige Schlußfolge erfassen? Der Raum wird mir gebrechen. Vorherrschend wird immer bleiben das ganze Relative im Begriff und Maaß des Uebels. Also der Lügner, der Ehebrecher, der Verführer, der Spieler, der hoffärtige Thor, der Verschwender, der ungehorsame Sohn, der hartherzige Vater, am Ende der Leichtsinnige, sind, wenn man ihnen nicht anders beikommen kann, mit Dolch und Wistole zu vertilgen; Bellesnay hätte am Ende so den Vater ganz löblich aus der Welt geschafft, weil es offenkundig war, daß er nicht viel taugte. Und die menschliche Ordnung, die menschliche Gesellschaft sollte fortan auf den Angeln dieser Vernunftschlüsse ruhen! Und von den Fakultäten des Verstandes, von der Muskelkraft oder Nervenschwäche der Individuen hinge das Leben der Menschen ab! Und das wäre in Europa das Resultat politischer Weisheit, das Resultat der Christus - Lehre, die Luther und Melanchthon wieder von den Schlacken der Jahrhunderte säuberten! Oder wenn ihr Andre lieber wollt, von der Christus - Lehre, die auf zwei Extremen Pius Chiaramonte, und Wessenberg zu unfren Lagen wieder edter üben oder lehren! Wie allgemein muß der Abscheu der menschlichen Gattung, wie verrucht, wie dreimal verrucht die Person seyn, wenn Charlotte Corday Absolution in den Augen

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der Sittlichen empfangen soll! Aber Kozebue Es ist nicht meine Art, auf der Oberfläche der Dinge stehn zu bleiben; ich werde überall hindringen. Koßebue war in Sand's Augen uns fittlicher Dichter und Dramatiker, falscher Politiker und Uns bringer bei dem mächtigen Kaiser, und ich fürchte, ich fürchte, auch das lag in der Wagschale des ergrimmten Jünglings, und lag ihm nah er hat Verdruß und böse Händel in Jena gehabt!

Schon die Mannigfaltigkeit der Unklage zeigt die Undeut: lichkeit und die Unzulänglichkeit dieses so arg vermeinten Corpus delicti. Komiker, und Satyriker und Vielschreiber find solchem desultorischen sehr ausgefeßt. Kaum find sie ja mit sich selbst einigs und nach Wiß und Beifall haschend, ist es ihr Uns spruch nicht, der Sitten Lehrer zu sein! Ihr Treiben ist ein lustiges Quodlibet. Ich erinnere mich noch sehr wohl, im Theater zu Drurylane, als man eben ein Kozebuesches Stück aufs führte, in den Zwischenakten über den Werth des Dichters mit einem Engländer in Gespräch gekommen zu sein. Ich meinte, er hätte wohl besser gethan, seine Stücke mehr zu feilen und zu reinigen; und in Deutschland sei der Beifall nicht so ungetheilt. In diese Unterredung mischte sich ein Dritter, nicht sehr höflich. Ich möchte wohl einer der deutschen Zwingherrn und Freiheitsfeinde sein, denen Kozebue mißfiele!! Wahrlich in seiner Hand lag das Xequilibrium unsrer Freiheiten nicht. — Uns war er Fremdling, und was er von diesem Zustand dachte oder träumte, war keineswegs der Gegenstand unsrer Ahndung und unsers Borns. Wohlunterrichtete wußten wohl, daß sein Urtheil weder eine Nation, noch ihr Oberhaupt ausschließlich leitete. Sein Auf trag war auch kein geheimer, verbotener, treuloser! Wir wußten ihn ungefähr Alle! Doch warum bewege ich die Usche des Jünglings, der nicht mehr ist, und der Gerechtigkeit und den Menschen ein Opfer gefallen ist? Längst habe ich darüber laut reden, und nur eben die Distanz des Anstandes und der ersten Berkühlung behalten wollen. Vergessenheit war nicht sein Ziel; Vergessenheit ist ihm nicht geworden; die That wird im Andenken bleiben; in so hohem Grade charakteristisch unserer Beit. Sicher verwechselt ihn der Ton, den ich hier nehme, nicht mit dem Alltags-Bösewicht; ich bezeichne ihn selbst weit mehr als einen Bildverirrten, denn als Bösewicht überhaupt. Ja trauren darf man über dieser Usche, daß so viel Entschlossenheit und Bidmung und Beharrlichkeit nicht zu bessern, überlegtern reifern Zwecken seien aufgespart worden.

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Der Kaiser Ulerander . . Doch eben bin ich an die Außenwerke unsrer größten Irrthümer gekommen, und ich ers fülle eine schwere, unerläßliche Pflicht, was ich schon früher so oft bezweckte und zum Theil erreichte, politische Ideen, trügerische Ansichten zu berichtigen. Um so nachdrücklicher diese, weil ich fie ungeziemend, unfittlich, und meiner Nation höchst schädlich halte, ihren ganzen Standpunkt in Europa verrückend. Es find zugleich die Elemente unsres positiven Staats- und Völkerrechts, zum Theil statistischer Würdigung, die ich berufener und fähiger bin zu entwickeln als die Theoretiker, die diese Kunde, diese Hilfsmittel von uns, den praktischen Staatsleuten, zu erwarten befugt find. Der Kaiser Ulerander war nicht nur berechtigt, sondern vermöge seiner hohen Würde verpflichtet sogar, über den Zustand entfernter Länder Kundschaft einzuziehen. Es ist Folge seiner Klugheit, daß er sich auf die gesandtschaftlichen Berichte nicht ausschließlich verläßt, welche Personen sich nur um die Großen bewegen; daß er auf diesem Standpunkt der Cirilisation, aber auch der Gährung, sich aus den mannigfaltighten Notizen ein Urtheil bildet. Einige können ihn täuschen, wahrscheinlich nicht lange, weil er die Mittel der Vergleichung in der Hand hat. Und wenn ihr Kozebue den Vater der Spionirung in solchem Sinn zu beschuldigen wagt, so war er es nicht mehr, als Cook und als die Forster, als Vancouver, als Rozebue der verdienstvolle Sohn, die in ähnlichen Absich ten, Lander zu erforschen, die Welt umsegelten. Ihnen sind wahrscheinlich wildere Kreaturen, aber keine wilderen Ideen begegnet! — Allein es ist die hohe Sorgfalt für unsere National Unabhängigkeit, jene edle Eifersucht und fester Vorsak, nimmer: mehr zu dienen, jene Furcht und Erbitterung gegen fremden schädlichen Einfluß, der euren jugendlichen Sinn beflügelte, bes Lebte, entrüstete! Und von jener Seite schien euch diese Unabhängigkeit bedroht! Haltet inne! In diesem erlauchten Senat muß ich mir einen kleinen Plag erbitten. Wohlan, wie sieht diese Frage, auf allen Seiten betrachtet, aus?

Junge Freunde; Deutsche nach Völkerschaften, die Nassauer allein nicht, hatten, unter Napoleons Heerhaufen gemischt, Tod und Verderben in die russischen Provinzen, und bis nach Mos. tau getragen. Wie wenn Ulerander nach den Tagen an der Beresina von unsren Entschuldigungen nicht viel Notiz genom: men und wieder Tod und Verderben unsren Fluren gedroht und zurückgegeben hätte! Daß diese Besorgnisse da waren, bin ich

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selbst Zeuge und Bürge, denn ich habe Wort und Auftrag gehabt sie zu beschwichtigen. Wir waren genöthiget! Aber warum habt ihr es so weit kommen lassen, wäre immer der bündige Einwand gewesen! Um so unwiderleglicher, weil Deutschland nicht kraftlos, wie ehedem Armenien” zwischen Rom und den Parthern, mitten inne liegt. Wir sind mächtig, tapfer, zu jeder Wehre im Stande. An unsren Häuptern und Führern und ihrer Bwietracht, Lauigkeit und Meineidigkeit wird immer die Schuld sein, wenn es nicht geschieht! Währ gesprochen, waren also alle diese Entschuldigungen seicht und sophistisch. Statt dessen kam Ülerander als Freund! Die Hand, die er einst auf Friedrichs Grab dem königlichen Nachbar gegeben hatte, konnte er nach Austerliß und Friedland, und zu Tilsit nicht bewähren. Aber er bewährte sie, sobald der Raum dazu da war. Er bewährte sie, sobald York mit Entschloffenheit und Selbstaufopferung die Bahn brach, und als mein illustrer Freund, den ich nicht zu nennen brauche, in seinem Feldlager, so viel an ihm war, solche Verbindungen und solche günstige Ideen unterhielt. Ob es gleich nach seinem eignen Urtheil einer fremden Zusprache keineswegs bedürfte. Ich bin Sr. Majestät wenig nah gekommen, und mein Urtheil hätte darum wenig Gez wicht und Werth; aber dieser selbige eiserne Baron, wie Lord Chatham die Helden der Vorwelt nannte, dieser nämliche der Schmeis chelei ganz unfähige Charakter hat mir mit solcher Liebe und Anhängigkeit von dem Monarchen gesprochen, daß ich ihm vollkommen Glauben beimesse. Echter Größe huldige ich auch sehr gern, und es ist keinem Zweifel mehr unterworfen, daß er die Stufe der großen Vorfahren, Peters I. und Katharina II, bereits betreten, erreicht, und binnen einem Jahrhundert dieß Trio vollgemacht hat. Ohne seine große Hilfe hätten wir Paris und die Seine nicht erreicht; ohne ihn hätten wir diese Grenzen unfrem Vaterland nicht wieder gegeben.

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Ich war wohl Zeuge des doppelten Congresses zu Wien und Paris, und sah Ulles in der Nähe. Wohl war dort Polen der Stein des Anstoßes. Wohl hätte ich gewünscht, daß ein andrer Verlauf nach den Verträgen von Kalisch wäre mög lich gewesen. Nichts hat so mein eignes Schicksal, meine Laufbahn in allen Beziehungen gestört. Aber wißt, daß es fast eine übermenschliche Unmuthung war, jedem namhaften Vortheil, erst nach solcher Einbuße und dann nach solchem Siege zu entsagen. Und wenn eine solche Selbstverleugnung, ein fols cher unermeßlicher Grad der Großmuth auch in der Seele statte gefunden hätte, so ist es nicht erwiesen, daß diese Entsagung feiner Person bei der eignen Nation wäre ganz unschädlich ges wesen! Denn es ist kein Monarch, der nicht irgend eine Art von Responsabilität auf sich trägt. Das Ulles sage ich im Ge= fühl der Billigkeit, das mir eigen ist, das ich noch über die Gerechtigkeit sege. Ich habe von dort weder Gunst noch Gnade oder Band zu erwarten, und noch eher würde der Kaiser in meinen Gärten Kirschen speisen, als ich die Herrlichkeiten von Petersburg und Czarskoselo schauen.

Auf diesem selbigen Kongreß nahm ich mit Vergnügen wahr, daß der Kaiser sich mitten unter uns gefiel, unsrer Nation, unfren Sitten wohlwollte, das Bestreben, ihm einfach zu huldigen, anerkannte. Ich sah und sagte voraus, daß er oft unter uns ohne Prunk erscheinen und deutsche Städte der Schauplaß der Verhandlungen sein würden, und freute mich dessen aufrichtig. Ich sah solche Freundschaft, solch gutes Vernehmen gern; fah gern die Vermählungen der kaiserlichen Schwestern und habe nachdrücklich für die der jüngsten in meinem Beruf opinirt.

Ich glaube an die russische starke Macht; nicht so an die Uebermacht, die uns schrecken soll, was auch die Wilson in England und Deutschland sagen mögen. Vor nichts sollen wir so erschrecken, als vor unsren eignen Thorheiten, Unarten und Entzweiungen; vor der Wiederkehr jener gleichgiltigen Nachs lässigkeit, die die Alten desidia und inertia und socordia und torpor nannten; und welche sich dicht neben andern Zwang, Drang und Kraft Marimen, wie sie Kästner belachte, gar wohl wieder einfinden können! Nur sehe ich, außer der Furcht, der ich mich schämen würde, alle, ja alle Beweggründe, daß beide Nationen in gutem Vernehmen bleiben, daß die Witgen: stein, die Bennigsen, die Winzingerode oder wie sie heißen, die Fürstenkinder ungerechnet, dort in den Heeren Lorbeern sammlen; daß unsre gelehrte, geschickte, erfinderische, fleißige Leute aller Stände dort eine wohlwollende Aufnahme finden. Und schon ist es vielleicht nicht ganz mehr so. Die Gemüther, das Vertrauen, die Thüren find verschlossener. Denn so viel an euch war, habt ihr gestrebt jene Verhältnisse zu stören; well ihr, vielleicht in edler Absicht und Selbstgefühl, geistreich, em porstrebend, aber der Dinge und der Welt noch unkundig feld, und zu leicht dem nächsten Eindruck Raum gebt. So viele

nügliche und große Verhältnisse habt ihr gestört, weil Kotzebue und Sturdza leichte Waare zu Markt gebracht haben!!

Doch Welt und Weltkenntniß, die ich eben erwähnte, gehören ja kundbar zu den großen Sünden; es ist die bloße Anmuthung eine Herabwürdigung so fester erhabener genialischer Jünglinge. Höfe, die Umgebung der Großen, sind ein Sünden pfuhl und die Verbeugungen unter der Würde des Menschen! Gewöhnlich wird das mit Diatriben ausgedrückt gegen Knickse, Bücklinge und Fußscharren. Junge Freunde, die Kunst des Weltmanns besteht vielmehr darin, wie man diese Knickse nicht oder nicht zu tief macht. Es sind Regeln übereingekommener Höflichkeit und man muß diese Regeln wissen, um eben darin Ziel und Maaß zu halten. Diese Dinge beweisen sich am besten durch den Sah des Widerspruchs. Ihr duldet ja auch nicht und möget nicht hören die Tiraden gegen die Weltweisheit und selbst gegen die Reformation. Ihre Widersacher definiren fie erst ganz gemächlich als Weltunweisheit und Unglauben. Als baaren Jakobinism, mit einem Wort. So ist es vollkommen mit der Welt, dem usage du monde, der Bildung und Erzie hung. Wenn die Weltweisheit nicht taugt, so muß die Welt unweisheit oder die Thorheit Vorzüge haben, und wenn Welt: flugheit und Weltfitte und Courtoisie Land und Schlechtigkeit find, so muß die Weltunklugheit und Unfitte große und ganz besondere Vorzüge haben. Beide Assertionen sind in Logik und Werth sich vollkommen gleich. Freunde, wir sind der Möglichkeit nicht überhoben, mit siegenden Feinden zuthun zu haben. Vor der Schlacht von Leipzig war die von Lügen, der Waffenstillstand, und bevor man zu Waterloo schlug, war man zu Ligny geschlagen. Vaeh victis, ist ein hartes Wort, das wir so viel möglich von uns entfernen wollen. Erscheint es aber, fo ruft uns abermals die strenge Pflicht, es verständig durch Würde und Unstand zu mildern. Glaubt es dem Augenzeugen, wir haben in den vergangenen Kriegen viel verloren, unsre Völkerschaften manche Bedrückungen erfahren, daß und weil wir diese würdige Haltung nicht genug kannten, diese Reverenzen, viele Knicse zur Unzeit machten! Jene Welt- und Lebens weise ist ein suum cuique. Jedem Stand, jeder Würde und Verhältniß das Seinige; und nichts dispenfirt uns davon. So wie wir es nothgedrungen, wider Willen, im Lauf des Lebens dennoch thun und thun müssen, find wir auf dem Weg zur Linken, auf dem Weg der Tücke und des Lächerlichen! Es ist auch keineswegs an dem, daß die deutsche Nation dazu minder tauglich set. Möge Andren mehr natürliche Grazie, ein freundlicheres Neußere angestammt sein, ich habe keinen edlern Unstand gesehen als den ernsten und biedern einfachen Deutschen, aufmerksam auf. sich selbst! keinen edlern Unstand als unter den deutschen Großen unsrer Zeit. Lebende oder Herrschende mag ich nicht nennen. Die Fürsten von Anhalt- Dessau und Naffau-Weilburg waren Muster in ihrer Urt. Dem Herzog von Braunschweig, Carl Wilhelm Ferdinand, dessen Usche ich sonst überall chre, wurde ein Uebermaß nicht mit Unrecht vorgewors fen. Der Marschall Vorwärts war im gesellschaftlichen Leben ein Original, ein sehr edles Original. Die Copien würden vermuthlich schlecht ausfallen. Denn es gehört vor allem dazu genialischer Verstand und Glück und lange Zeit.

Statt hier Erziehungs - Regeln niederzuschreiben und zu erfinden, oder in Lord Chesterfields Manier zu sagen, laßt uns die großen Züge des Meisters zergliedern, nicht des platten übertünchten zweideutigen Mannes, sondern jener starken küh nen Hand, Rembrand und mehr als Rembrand unter den Sittenlehrern, wie er des Schwiegervaters Schicksale von Ju gend an beginnt.

Cnaeus Julius Agricola, veteri et illustri Forojuliensium colonia ortus, utrumque avum Procuratorem Caesarum habuit: quae Equestris nobilitas est. Pater Julius Graecinus, Senatorii ordinis, studio eloquentiae sapientiaeque notus, iisque virtutibus iram Caii Caesaris meritus, namque M. Silanum adcusare jussus et, quia abnuerat, interfectus est. Mater Julia Procilla fuit, rarae castitatis. In huius sinu indulgentiaque educatus, per omnem honestarum artium cultum pueritiam adolescentiamque transegit. Arcebat eum ab illecebris peccantium, praeter ipsius bonam integramque naturam, quod statim parvulus sedem ac magistram studiorum Massiliam habuerit, locum Graeca comitate et provinciali parsimonia mixtum ac bene compositum. Memoria teneo, solitum ipsum narrare, se in prima iuventa studium philosophiae acrius, ultra quam concessum Romano ac Senatori, hausisse, ni prudentia matris incensum ac flagrantem animum coercuisset. Scilicet sublime et erectum ingenium pulchritudinem ac speciem excelsae magnaeque gloriae vehementius, quam caute, adpetebat, mox mitigavit ratio et aetas: retinuitque, quod est difficillimum, ex

sapientia modum. Prima castrorum rudimenta in Britannia Suetonio Paullino, diligenti ac moderato Duci, adprobavit : electus, quem contubernio aestimaret. Nec Agricola licenter, more juvenum, qui militiam in lasciviam vertunt, neque segniter, ad voluptates et commeatus titulum Tribunatus et inscitiam retulit: sed noscere provinciam, nosci exercitui, discere a peritis, sequi optimos, nihil adpetere iactatione, nihil ob formidinem recusare, simulque anxius et intentus agere. Cnaeus Julius Agricola aus der Colonie Forli gebürtig, war von ritterlicher Abkunft. Den Vater verlor er früh durch gewaltsamen Tod. Die Mutter war Julia Procilla, eine Frau des unbescholtensten Rufes. Unter ihren Augen erzogen, brachte er das Knaben- und Jünglings-Ulter in der Cultivirung alles guten Wissens hin.

Freunde, was ich mein ganzes Leben hindurch that, auch hier huldige ich den Frauen! Der Vater ist beschäftigt, abwesend, launig, zwischen ihm und dem Kind ist die Distanz zu groß. Der Mutter milder und verständiger Sinn, ihre zärtliche Sorgfalt pflegt die ersten Keime, giebt die ersten Marimen des Guten und Schicklichen, öffnet des Lebens Bahn, dringt durch alle Wege und Pfade in Gemüth und Herz. Wie fie zu jeder Stunde die physischen Uebel bewachen, das bewährte Heilmittel ausfindig machen, spähen sie mit wunderbarem Instinkt, entdecken sie auch die bösen Spuren des verderbenden Gemüths und bekämpfen Ungestüm, Zorn, Haß, Dünkel und Unart. Wie sie dem starren Blick freundlichere Richtung geben, das Lächeln hervorrufen, den gesenkten Kopf aufrichten, die ges preßten Schultern rückwärts biegen, so dämpfen sie später den Uebermuth, so zügeln sie den Leichtsinn, so vertreiben fie die Faulheit, so weisen sie richtig auf des Lebens Pflichten hin. Richtig fühlend, richtig_sehend, die Ahnung der Zukunft in ihrer Seele, wecken sie so die bessern Triebe, und so weihe ich noch dem Andenken der meinigen alle Empfindungen des Dankes und der Rührung. Wir bedurften vor Kurzem ihres ent= schlossenen Zurufs, und wir haben ihn zu rechter Zeit gehört. und da der jugendliche Sinn jezt der Zügelung, des Rappells bedarf, so zähle ich fest auf ihren Eindruck und ihre Warnung; wie immer sie das ihren Lieblingen einprägen mögen: Bergreift euch nicht an dieser mütterlichen Erde, verwüstet sie nicht, sondern rüstet euch, ihre Bürde einst auf starke Achseln zu nehmen.

Es hielt ihn ab von verführerischen Vergehungen noch außer seinem guten graden Naturell, daß er gleich von kleinem an Marseille zum Sih und zur Meisterin seiner Studien hatte, jenen Ort durch griechische Bildung und die den Provinzen eigene Mäßigkeit so wohltemperirt und wohl geeignet.

Das ist das stärkste Gegengift gegen jenen Grobianism und Barbarism, den ihr erst Derbheit nennt, und dann mit Stärke und Energie so leicht und so gern und so fälschlich verwechselt; glaubend, euch selbst täuschend, mit einem Mantel von so schlechter Wolle die Blößen lange zu decken. Jene feinere Bildung seid ihr allerdings nicht fähig allesammt euch in gleichem Grade anzueignen, obgleich auch hier der Frauen Hand so Vieles leisten mag. Ihr vertheilt euch bald in die Rollen des bürgerlichen Lebens! Bo kann jemals dieses sogenannte Derbsein unvermischt euch frommen Dem Offizier vor seinem Obersten? dem Sohn vor dem Vater? dem Jüngling wenn er frent? Auf der Kanzel fürwahr nicht immer, am Krankenbett viel weniger, vor dem Richter höchst selten. Und den Oberrichter selbst, der die Urtheile diktirt, kleidet edler Unstand viel besser, er wirkt viel mehr, als wenn er plump die Sache sagt. Und eben die Wermeren unter euch sollten im Kreise der Familien wieder der Jugend Führer werden! Bereits scheut man euch, ich will nicht sagen eure Dolche, aber Grillen, Marimen und Anmaßungen. So, die ihr des Lebens bessere Bahn brechen wolltet, bestreut ihr sie mit grobem Granit zu des Wagens besserem Rollen! Und am meisten trifft der Vorwurf die Troßigen, die Reichen, denen es wohl ist, und wahrscheinlich sein wird. Ihr schadet dem Dürftigen, der des täglichen Unterhalts bedarf, welchen ihr ihm im Voraus raubt oder erschwert.

Vergeblich hofft ihr auf euren eignen künftigen Schuß — auf die gereichte Hand! Ibell und Löhning sehen nothwendig die Sachen aus ganz andern Gesichtspunkten an: Montgelas, Zwach, Dalberg vielleicht, behalten auf hohen Stellen sehr we nig von den Marimen der Illuminaten. Und vergeblich klagt ihr dann über Untreue; ihr verlangt etwas wider die Natur; ihr verlangt, daß der Kirchthurm, der euch auf eine Meile Wegs groß wie eine Messerklinge erscheint, euch, nun näher gerúdt, noch eben so vorkomme! Die blauen Berge der Jugend werden zu Dörfern, Ueckern, Wald und Haide mit allen den Höhen und Tiefen, die des Lebens zackige Bahn bezeichnen. Ich erinnere mich noch, wie er zu erzählen pflegte, daß er fich in erster Jugend dem Studium der Philosophie schärfer und mehr als es dem Römer und dem Senator gez

ziemt, gewidmet haben würde, wenn nicht die Klugheit der Mutter das erhigte und lodernde Gemüth in Echranken gehalten hätte!

Hier bezeichnen offenbar der Sittenrichter, der Römer, und diese kluge Mutter nicht die praktische Weltweisheit, deren man nie genug schöpfen und üben kann, der sicher Cornelius Tacitus eifrig genug anhing, sondern eben Systeme und Sucht der Systeme, jene blendenden theoretischen Säße, die nur auf der Erde und in unfrem Bering nicht anwendbar sind! Jene Systeme von Menschenrechten, die bei den Nachbarn den Dienstboten statt domestique, statt Glied des Hauswesens, zum attaché stempeln, und ihn nur um so sichrer zur Untreue und zur Unzufrieden= heit führen, ohne ihn im mindesten zu dispenfiren vom Gehorsam, oder Lohn anzunehmen. Jene Systeme von Gleichheit, die des Lagers Disciplin aufheben, und in ihren Extremen beständig das Eigenthum gefährden, und beständig die Erde mit Blut färben werden! Und ich füge hinzu, jene Sucht, metaphysische Systeme selbst zu schaffen, sie zu vervielfältigen, eine conventionelle Wortbedeutung den gewöhnlichen Begriffen unterzuschieben, die gesunde Vernunft, die jede Sache aus: drücken kann, in eine Seiten Loge zu verbannen, und am Ende mit Hoffart, aber im Nachtheil, den helleren Köpfen gegenüber zu stehen, die sich nicht die Mühe ́nehmen, diese Dugende von Kartenhäusern in Augenschein zu nehmen. Zu frieden, wenn sie etwa mit Leibniz und Kant vertraut gewor: den, das Labyrinth besucht, und mit Platner und Garve wieder tie Heerstraße aufgesucht haben; zufrieden wenn sie mit Montaigne und Pope und Hume und den edleren Zweiflern zweiflen. Zufriedener noch, wenn sie sich mit den edelsten Christen vereinigen. Er that die ersten Kriegsdienste in Britannien unter Suetonius Paullinus, einem emfigen und wohlgesitteten Feldherrn, der ihn würdig fand, in sein Gefolg zu treten. Agricola liek sich keine Ausschweifungen zu Schulden kommen, nach Art der Jünglinge, die den Soldatenstand dazu für bequem achten; noch mißbrauchte er müßig seine Be: rechtigung und sein Tribunen - Umt zu Lust und Gemächlichkeit. Die Provinz genau zu kennen, sich dem Heer zu empfehlen, von den Erfahrnen zu lernen, die besten Muster zu befolgen, nichts mit Prahlen anzuspre: chen, nichts aus Besorglichkeit von sich zu weisen, überall aufmerksam, nachdrücklich, fürsichtig, sorgsam zu Werke zu gehen, waren seines Lebens Regeln.

Jünglinge, auf jeder Stufe feien fie die eurigen, euren Beruf für jene Provinz genommen! Der Deutsche, durch die Mannigfaltigkeit seiner innern Einrichtungen, hat viel mehr zu lernen als jeder Andere. Durch die Neuheit seines Zustandes wird der Stoff seines Wissens ungemein vervielfältigt. Er muß das Alte kennen, und das Neue wissen, und so vergleichen und kombiniren, und den Uebergang ebnen. Sei es im Dienst des Fürsten, in der Verwaltung, auf den Bänken der Gemeinde und Provinz, oder in den ständischen Sälen. Er bedarf weniger der Reichsgeschichte, um so mehr der Nationalgeschichte und Weltgeschichte. In David Hume und Rapin Thorras ist mehr echter Gehalt zur Gestaltung oder Abwägung der Vorkommnisse rund um uns her, als in allen metaphysisch-politischen Schrif:

ten unsrer Zeit. Ja, um von unsrer Zeit zu reden, mehr Gez halt im Moniteur seit der Revolution; weil alle die Tiraden, Gemeinplähe, frommen Wünsche, extravaganten Grillen fast im Zirkel der Möglichkeit darin neben so vielem Trefflichen enthal= ten sind, und in viel eleganterer Form, in viel geistreicherem Gewande, als man sie uns täglich austischt. Die Spittler, die Heeren, die Wachler, die Beck, so manche Andre, find bes währte, ja berühmte Lehrer und Muster; aber noch bessere Wegweiser, um mehr zu suchen. — Welchen Umfang hat nicht die Frage von den Finanzen und der Staatswirthschaft; vom einfachen Addiren und Subtrahiren, bis zu den Lehren der Smith und Malthus; oder der Büsch und Nebenius unter den Unsriz gen und bis zu den Verpflichtungen und den Verhältnissen von Necker und Calonne, und dem compte rendu; eine Rolle, die jedem Staatsmann, als Hauptperson oder Gehilfe, zu Theil werden kann. Wie ist nicht Naturlehre und Chemie und Mathematik und Mechanik in die großen Fragen vom Handel, ja in alle Verzweigungen des Menschenlebens verflochten! Was verlangten nicht Cicero und Quintilian vom Redner, welch weites Feld ist nicht diese Redekunst, da wo die eigne Sprache noch so sehr der Nachhilfe und Veredlung empfänglich ist! Was ist diese Redekunst anders, als ein eitles Geplauder, wenn sie nicht auf Weltweisheit und solider Rechtskenntniß beruht; wenn ihr nicht alle Bilder und Verhältnisse des Lebens, die Früchte der Geschichte und Mythologie, mit den Allegorien und Metaphern, mit den Ueberlieferungen und Kernworten der großen Sterblichen zu Gebot stehen! Und wenn ich vom Recht rede, nicht die Kunstgriffe der Advokaten, sondern durch diese Prüfungszeit hindurch, jenen höhern Standpunkt, von welchen Cicero, der Vortrefflichste unter den Sachwaltern, so nachdrücklich sagte: justitia in qua virtutis splendor est maximus, ex qua boni viri nominantur. Und Naturrecht, und des römischen Rechts, und der alten Formen Verhältnisse zu den neuen! Und Religion, und Kirchengeschichte, das Gegeneinander - Verhalten der Glaubens-Parteien unter uns. Fürwahr da genügen nicht die Diatriben gegen Päpste und Jesuiten, oder gegen Luther und Jansenius. Mit der Wirklichkeit muß man bekannt sein. Es genügen nicht, nein, im Bundessystem, im vaterländischen Dienst gelten nichts die Vorurtheile der alten Weiber, und die Klagelieder der Kurzsichtigen gegen die Diplomaten und die Politik überhaupt; und die Weisen anderer Nationen mögen uns belehren, wie Nivernois in den mémoires de l'académie:

La politique est une science respectable, dont le but est de resserrer les liens de la société entre les hommes, et tout ce qui tend à les rompre, non-seulement ne saurait être attribué à cette science, mais va directement contre sa nature et sa fin.

Und dann jene Proportionen der Gewalten, das jus regium, der Klassen und Stände und Gewerbe Rechte, Ansprüche und Mißbräuche; des Volkes Sinn, Hoffnungen und wahre Bedürfnisse! Ja, ich wiederhole es, das ist Alles in des Tacitus Wors ten enthalten: sed noscere provinciam nihil ob formidinem recusare - simulque anxius et intentus agere. Und das ist die Gattung der unerschrockenheit, die ich jezt im Namen des Vaterlandes nachdrücklich an euch gesinne.

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Johann Georg Galletti

ward am 19. August 1750 zu Altenburg geboren, stu dirte in Göttingen Jurisprudenz und Geschichte und erhielt dann eine Collaboratur am Gymnasium zu Gotha. Im Jahre 1783 wurde er Professor an derselben Anstalt, und 1806 herzoglich Sachsen Gothaischer Hofrath und Historiograph. Seine Profeffur legte er 1819 nieder. Er starb am 26. März 1828.

Seine zahlreichen Schriften find, in alphabetischer Ordnung aufgeführt:

Beschreibung von Deutschland. Gotha 1821. Geographisches Elementarbuch. Gotha 1804. N. 2. 1809.

Elementarbuch für den ersten Schulunterricht

in der Geschichtskunde. Gotha 1795. 6. U. 1824. Anschauliche Erdbeschreibung. Berlin 1825-26. 3 Thle.

Frankreich. Gotha 1815.

Geographie für Frauenzimmer. Kassel 1828. Gefchichte Deutschlands. Halle 1787–96. 10 Theile. gr. 4.

Beschreibung und Geschichte des Herzogthums und der Stadt Gotha. Gotha: N. U. 1817. Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Gotha

1806.

Geschichte des siebenjährigen Krieges. Gotha 1806.

Geschichte des österreichischen Kaiserthums. 2. A. Gotha 1832.

Geschichte des osmannischen Reichs. 2. A. Gotha 1832.

Geschichte von Persien. 2 2. Gotha 1832.

Geschichte der französischen Revolution. Gotha 1808-11. 3 Bde.

Geschichte von Rußland 2. U. Gotha 1832. Geschichte der Fürstenthümer der Herzoge von Sachsen von der Gothaischen Linie u. s. w. Gotha 1826.

Geschichte der Völker und Staaten der alten Welt. Leipzig 1822-23. 3 Bde.

Geschichte von Thüringen. Gotha 1782-85. 6 Bde. Versuch einer Geschichte der Herrschaft Tanna. Lanna 1777.

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